SXEU31 #DWAV S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Donnerstag, den 03.11.2022 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 031800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 03.11.2022 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Zunächst im Bergland stürmisch, heute Nacht und morgen an der Nordsee
Sturmgefahr. An den Alpen morgen kräftige Regenfälle, in der Nacht zum Samstag
auch am Erzgebirge, voraussichtlich aber keine Dauerregenwarnungen.
Schneefallgrenze unter 1500 m sinkend.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
Aktuell … bestimmt ein Langwellentrog über Westeuropa das Wettergeschehen bei
uns. Dieser liegt zwischen einem blockierenden Rücken, der sich vom zentralen
Mittelmeerraum bis nach Finnland und Nordwestrussland erstreckt und einem
weiteren Rücken, der sich auf der Vorderseite des Hurrikans Martin aufgrund
massiver Warmluftadvektion im zentralen Nordatlantik aufwölbt. Dabei sorgt der
Langwellentrog in den nächsten Tagen für eine vorübergehende Unterbrechung des
sehr milden und oftmals hochdruckgeprägten Herbstwetters. Und das geht so:
Am heutigen Abend lassen sich auf der Vorderseite des Langwellentroges zwei
Kurzwellentröge ausmachen, die durch PVA für Hebung sorgen, die trotz
ungewöhnlich starker Kaltluftadvektion auf der Vorderseite des Troges immer noch
ziemlich kräftig ist.
Kurzwellentrog I schwenkt in der Nacht zum Freitag über den Nordwesten
Deutschlands und Benelux hinweg zur Nordsee hinweg. Dieser lässt die aktuell
schon über der Nordsee liegende Welle sich zu einem kleinen, aber recht
kräftigen Randtief (namens Nele) entwickeln, das an seiner Südflanke ein starkes
Windfeld entwickeln soll, das mit dem Tief im Laufe der Nacht nach Osten zieht
an damit die Küstengebiete Deutschlands beeinflusst. Dabei kann es nach Lesart
des ICON-Modells an sämtlichen Abschnitten der deutschen Nordseeküste
vorübergehend Sturmböen bis schwere Sturmböen aus Südwest, später West, geben.
Aufs küstennahe Binnenland würden dann immerhin noch starke bis stürmische Böen
übergreifen. Auch UK10 unterstützt diese Variante, während bei GFS auch der
12-UTC-Lauf auf eine schwächere Entwicklung und ein etwas weiter nördlich
liegenden Windfeld setzt. Bei IFS (noch 00-UTC-Lauf) wird das Tief generell
schwächer simuliert, so dass überhaupt nur steife Böen an der Küste zu erwarten
wären. Mit dem Tief und etwas kälterer Luft in der Höhe setzt im Nordwesten
Labilisierung ein, die dort für Schauer und schauerartige Regenfälle sorgt, über
der offenen Nordsee sind auch Gewitter möglich.
Ansonsten gelangt an der Südflanke des Tiefs eine Kaltfront von Westen her nach
Deutschland und erreicht bis zum Morgen schon die östlichen Landesteile. Diese
ersetzt die aktuell noch bei uns liegende sehr milde Luft durch etwas kältere
Atlantikluft (ThetaÄ um +2°C). An der Kaltfront kommt es meist nur zu leichten
Regenfällen, im Südwesten am Abend aber teilweise noch konvektiv etwas
verstärkt.
Der zweite Kurzwellentrog schwenkt über Südfrankreich hinweg gen Alpen. Dieser
lässt zunächst in unserem Alpengebiet etwas Föhn aufleben, so dass es in höheren
Lagen zu stürmischen bis Sturmböen aus Süd bis Südwest kommt. Allerdings setzt
recht rasch über dem Golf von Genua Zyklogenese ein, so dass im westlichen und
südlichen Alpenraum kräftiger Niederschlag einsetzt. Die Hebung greift auch auf
die Gebiete nördlich der Alpen aus, so dass die Regenfälle an der Kaltfront im
Süden etwas stärker ausfallen. Zudem sinkt in den Morgenstunden von Westen her
nach Föhnzusammenbruch die Schneefallgrenze auf etwas unter 1500 m (zu den
Niederschlagssummen und Neuschneemengen später mehr).
Eine weitere Baustelle beim Wind ist das östliche Erzgebirge und Lausitzer
Bergland, wo bei südlicher bis südöstlicher Windrichtung steife Böen auftreten
sollen. Ansonsten dreht der Wind allgemein von Südost bis Süd vor der Front auf
Südwest, wobei punktuell auch im (vor allem westlichen) Bergland mal steife Böen
auftauchen können, wobei diese allenfalls kurzfristig bewarnt werden können. In
den Kammlagen des Schwarzwaldes und auf dem Brocken sind weitere Sturmböen aus
Südwesten zu erwarten, die in der zweiten Nachthälfte nach Durchzug der
Kaltfront in beiden Mittelgebirgen wieder nachlassen.
Unter vielen Wolken verläuft die Nacht mild mit Tiefstwerten zwischen 10 und
4°C.
Am Freitag … hat sich der Hurrikan Martin in ein außertropisches Tief
umgewandelt, behält dabei aber seinen warmen Kern und vertieft sich noch etwas
auf unter 940 hPa. Die Warmluftadvektion auf seiner Vorderseite ist nach wie vor
immens, so dass der kräftige Keil auf der Vorderseite weiterhin erhalten bleibt.
Er erreicht im Tagesverlauf Island. Gleichzeitig blockiert der Rücken über
Osteuropa weiterhin die Progression des Langwellentroges, so dass dieser zwar
Deutschland erreicht, aber dann kaum noch vorankommt, immer schmäler wird und
sich stark nach Süden Richtung Sardinien ausweitet. Ein weiterer Randtrog läuft
dabei über Frankreich südwärts, wobei sich allmählich ein abgeschlossenes
Höhentief über Südfrankreich bildet.
Gleichzeitig zieht der Kurzwellentrog über der Nordsee mit eingebettetem
Höhentief über Jütland hinweg nach Südnorwegen. Auch das Bodentief zieht nach
Norden in Richtung Jütland, so dass zunehmend die Nordfriesische Küste in den
Bereich der stärksten Gradienten kommt, wo schwere Sturmböen aus West bis
Nordwest drohen, während die Ostfriesische Küste im Tagesverlauf aus dem
Sturmfeld herauskommt. Im Norden Schleswig-Holsteins kann es auch im Binnenland
und bis zur Ostsee hinüber stürmische Böen geben. Dies gilt freilich wieder nur
nach ICON und UK10, bei Arome etwas schwächer. Nach IFS und GFS ist der Wind
dagegen deutlich schwächer und nicht warnwürdig.
Südlich der Alpen kommt das Bodentief nur mit Mühe bis nach Slowenien voran.
Damit verzögert sich auch die Progression der Kaltfront über Deutschland und
diese verbleibt über den östlichen Landesteilen. Während daran nach Norden zu
zunächst nur wenig Regen fällt, halten die Niederschläge an den Alpen an. Dabei
sinkt die Schneefallgrenze allgemein an den Alpen auf etwa 1200 m, mitunter kann
es in der ersten Tageshälfte auch mal in einzelnen Tälern etwas tiefer
Schneefall geben. Die Niederschlagssummen dürften dort meist bei 20 bis 30 l/qm
liegen, nach ICON-D2 auch etwas darüber. Damit zwängt sich eine
Dauerregenwarnung nicht unbedingt auf. Auch die Ensembles zeigen lediglich im
östlichen Alpengebiet leichte Signale dafür. Die entsprechenden Summen fallen
oberhalb 1500 durchwegs als Schnee, so dass sich dort auch eine entsprechende
Schneedecke bilden kann und eine Schneefallwarnung angemessen erscheint.
Im Laufe des Tages läuft dann wieder ein Kurzwellentrog auf der Vorderseite des
Langwellentroges nach Norden, so dass am Nachmittag die Regenfälle über Sachsen
und Brandenburg stärker werden.
Das Bodendruckfeld zwischen den beiden beschriebenen Tiefs zeigt zunehmend
antizyklonale Tendenzen und einen nur schwachen Gradienten, so dass in den
meisten Regionen Deutschlands tagsüber nur noch schwacher Wind um West weht. Im
Westen reißen die Wolken im Tagesverlauf etwas auf, so dass sich dort noch etwas
Sonne zeigen kann, ansonsten überwiegt aber Novembergrau. In der kühleren
Luftmasse erreichen die Höchstwerte nur noch 9 bis 13°C.
In der Nacht zum Samstag zieht der Kurzwellentrog über dem Osten des Landes
weiter nach Norden und sorgt im Nachtverlauf über Sachsen, Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern für weitere Regenfälle. Nach ICON sollen dabei in
Richtung Erzgebirge bis Samstagfrüh teils 20 bis 30 l/qm zusammenkommen, so dass
auch danach keine Dauerregenwarnungen nötig werden. IFS und GFS zeigen dagegen
noch ein etwas stärkeres Tief an der Front und simulieren etwas mehr Regen, GFS
mit einem Schwerpunkt weiter westlich im Vogtland. Zudem kühlt unter dem Trog
die Luftmasse noch etwas ab auf Werte um 0°C in 850 hPa. Damit kann die
Schneefallgrenze durchaus auf Höhen um 1200 m sinken, nach GFS evtl. sogar noch
etwas tiefer, so dass es auf dem Fichtelberg ersten Flockenwirbel geben kann.
Da von Westen der Höhenkeil weiter heranrückt, der andere Keil im Osten aber
nicht weicht, wird die Geopotentialrinne immer schmaler. Von Westen weitet sich
der Bodenhochkeil in den Süden Deutschlands hinein aus. An den Alpen regnet und
schneit es staubedingt noch etwas. Ansonsten gibt es vor allem im Nordseeumfeld
noch ein paar Schauer. Die Wolkenlücken dürften in der Nacht nicht allzu groß
werden, vielmehr dominiert tiefe, teils hochnebelartige Bewölkung. Damit bleiben
wir im frostfreien Bereich (abgesehen von höheren Bergen) mit Tiefstwerten
zwischen 8°C im Osten und bis zu 2°C in einigen Berglandregionen.
Am Samstag … wird der Höhenrücken auf der Vorderseite von Ex-Martin massiv
nach Mitteleuropa geschoben. Die Geopotentialrinne wird im Bereich Deutschlands
zugeschüttet und ein Höhentief tropft im Bereich Siziliens ab. Das nördliche
Trogresiduum zieht im Tagesverlauf nach Polen ab. Bodennah gelangt der Süden des
Landes in den Bereich einer Hockdruckzone mit nur schwachen Winden. Der Norden
und Nordwesten liegt im Übergangsbereich zu tieferem Luftdruck, so dass dort der
Südwestwind mäßig weht, über der offenen Nordsee kann es auch steife Böen geben.
Letzte Regenfälle im Süden und Osten sollten im Tagesverlauf nachlassen und die
es setzen sich zunehmend Wolkenauflockerungen durch. Im Tagesverlauf nähert sich
von Westen schon die Kaltfront Ex-Martins mit hohen und mittelhohen Wolken.
Die Luftmasse bleibt weiterhin recht kühl mit Werten um 0°C in 850 hPa. Trotz
etwas Sonne kommen dann die Temperaturen nicht über 9 bis 13°C hinaus, zumal
auch der Wind recht schwach ist.
In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Höhenrücken nach Deutschland herein, wird
aber im Norden komplett abgebaut, so dass sich eine antizyklonale Westlage
ergibt, wobei sich vom Atlantik schon wieder recht flott ein Trog nähert. Die
Kaltfront von Ex-Martin wird über der Nordsee rasch nach Osten geführt und gerät
nordwestlich unseres Landes ins Schleifen. Damit greifen schauerartige
Regenfälle auch nur auf den Nordwesten des Landes über. Der Südosten des Landes
liegt dagegen unter Hochdruckeinfluss, dort kann sich der Himmel teilweise
aufgelockert zeigen, allerdings sollten sich in der Nacht die Nebelfelder
ausweiten. Am Rande des Hochs zur Kaltfront hin bildet sich in stärkerer
Druckgradient, so dass in der Nordwesthälfte der südliche Wind etwas auflebt,
auf dem Brocken wird dann wieder eine Sturmwarnung nötig. Dort ziehen mittelhohe
Wolken über den Himmel, es bleibt aber trocken und Nebel bildet sich auch nicht.
Über der Nordsee gibt es vorübergehend steife bis stürmische Böen aus Südwest.
Bei den Temperaturen stellt sich ein recht markantes Gefälle ein, zumal im
Vorfeld der Kaltfront eine mildere Luftmasse in den Nordwesten gelangt, während
im Südosten die kühle Luft liegen bleibt. Somit bleibt es im Nordwesten mit 10
bis 7°C sehr mild, während Südosten die Tiefstwerte um den Gefrierpunkt liegen.
Für einige Orte dürfte das dort die erste Frostnacht der Saison werden.
Am Sonntag … verlagert sich der nur noch flache Höhendrücken mit der
westlichen Strömung alsbald nach Osten. Von Westen nähert sich der Trog.
Bodennah verbleibt unser Land im Übergangsbereich zwischen umfangreichen
Tiefkomplexen auf dem nahen Atlantik und hohem Druck über dem Südosten Europas.
Dabei verbleibt Südostdeutschland im Bereich eines recht schwachen
Druckgradienten, der Rest des Landes liegt im Bereich mäßiger Südwinde. Nach wie
vor kann es vor allem über der Nordsee steife Böen aus Süd bis Südwest geben.
Auf dem Brocken gibt es weiter Sturmböen.
Mit dem heranrückenden Trog gelingt es der Kaltfront zunehmend auf Deutschland
überzugreifen, so dass im Tagesverlauf im Nordwesten und Westen durchaus mäßige
Regenfälle einsetzen. Im Vorfeld der Kaltfront dürfte sich vor allem im Osten
des Landes die Sonne durchsetzen, nur Schleierwolken ziehen über den Himmel. Im
Süden wird es im höheren Bergland ebenso sonnig, im Flachland dürfte sich
dagegen zumindest regional Nebel und Hochnebel halten.
Dementsprechend dürfte es dort unter Hochnebel teils nur um 5°C warm werden,
sonst steigt die Temperatur meist auf etwa 10 bis 15°C, da generell wieder eine
etwas mildere Luftmasse advehiert wird und auch die Kaltfront thermisch nicht
sehr aktiv ist und damit auf der Rückseite die Temperatur kaum zurückgeht.
Modellvergleich und -einschätzung
Auf die teils erheblichen Modellunterschiede bei der kurzfristigen Entwicklung
wurde oben schon eingegangen. Dies betrifft eventuelle Sturmwarnungen (nach ICON
schwere Sturmböen!) in der Nacht und morgen an der Nordsee und bis nach
Schleswig-Holstein hinein. Zudem ist der Niederschlagsschwerpunkt in der Nacht
zum Samstag im Osten nicht ganz klar, es scheint aber so, als wären für dort
keine Warnungen nötig.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann