SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 02.11.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
WIND:
Zunächst in Küstennähe stürmische Böen (Bft 8), exponiert Sturmböen (Bft 9, um
80 km/h). An der Nordsee wieder abnehmender Wind, dann an der Ostsee stürmische
Böen und exponiert Sturmböen. Auf dem Brocken ebenfalls schwerer Sturm (Bft 10,
um 95 km/h). In der Nacht zum Donnerstag an der Nordsee stürmische Böen (Bft 8).
Auf dem Brocken Sturmböen (Bft 9). Weiter abnehmend.

Am Donnerstag auf der freien Nordsee stürmische Böen (Bft 8). Auf den
Alpengipfeln zum Abend hin leichter Föhn mit Sturmböen (Bft 8/9). Am Freitag
dann noch in den Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge noch
Sturmböen Bft 8/9. Am Samstag dann an einigen Küstenabschnitten stürmische Böen
bft 8, auf dem Brocken Sturmböen Bft 8/9.

DAUERREGEN:
In der Nacht zum Freitag mit geringer Wahrscheinlichkeit in den Staulagen des
Schwarzwaldes sowie im Allgäu, am Freitag dann von den Bayerischen Alpen bis zu
den Berchtesgadener Alpen Dauerregen, dabei um oder etwas über 30 mm
Niederschlag innerhalb von 12 Stunden.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … hat ein nicht allzu markanter Trog den Norden Deutschlands
überquert. In dessen Bereich traten im Nordosten noch kurze Gewitter auf;
stürmische Böen bis ins nordöstliche Binnenland hinein gab es dazu. Dabei war
die niedertroposphärische Scherung durchaus hinreichend für organisiertere
Strukturen. Allerdings handelte es sich hierbei um typische Kaltluftgewitter
ohne weitere Begleiterscheinungen. Warmluftadvektion hat bereits an der Nordsee
Stabilisierung einsetzen lassen, an der Ostsee ist das ab dem Abend der Fall.
Mit dem nach Osten ablaufenden korrespondierenden Bodentrog fächert der Gradient
an der Nordsee alsbald auf, so dass dort zum Abend hin der Wind abflaut. An der
Ostseeküste sind jedoch weiterhin Wind- und stürmische Böen zu erwarten.
Weiter im Binnenland macht sich antizyklonaler Einfluss bemerkbar, so dass es
bei wenig Bewölkung niederschlagsfrei bleibt.
In der Nacht zum Donnerstag überquert ein flacher Rücken das Vorhersagegebiet.
Dieser wird von Warmluftadvektion überlaufen, wodurch der Norden und Westen
sowie Teile der Mitte von dichteren Wolkenfeldern überquert werden, ohne dass
Niederschlag fällt. Der Gradient wird auseinandergezogen, an der Ostsee sind in
der ersten Nachthälfte noch Wind- und anfangs stürmische Böen zu erwarten,
danach flaut dort der Wind ab. An der Nordsee dagegen macht sich ab dem späten
Abend eine erneute leichte Gradientzunahme bemerkbar, was vor allem an der
Nordfriesischen Küste Windböen und über der offenen Nordsee sowie auf den Inseln
stürmische Böen aufkommen lässt. Auch auf einigen exponierten Berggipfeln der
nördlichen Mittelgebirge wie z.B. dem Brocken können noch Sturmböen Bft 8/9
auftreten.
Im Süden und Südosten klart es verbreitet auf, bei geringen Luftdruckgegensätzen
entsteht verbreitet teils dichter Nebel, was bis weit in den Donnerstagvormittag
laufende Warnungen erfordert.

Donnerstag … greift auf die Britischen Inseln ein Trog über, der sich dabei
über die Biskaya hinweg bis zur Iberischen Halbinsel ausweitet. Dies lässt die
zunächst südwestliche Strömung aufsteilen. Dem Trog ist eine wellende Kaltfront
vorgelagert, die auf Deutschland noch nicht übergreifen kann. Allerdings können
ab dem späten Nachmittag präfrontal im Westen erste Niederschläge einsetzen, die
aufgrund der relativ stabilen Schichtung skaligen Charakter aufweisen.
Vor allem nach Osten hin hält sich noch antizyklonaler Einfluss. Aufgrund der
gradientschwachen Lage im Süden lösen sich Nebel und Hochnebel nur sehr zögernd
oder nicht mehr auf. In Hochlagen stellen sich dagegen längere sonnige
Abschnitte ein. Das trifft auch für den unmittelbaren Alpenrand zu. Dort kommt
leicht föhniger Einfluss zustande, wodurch auf höheren Alpengipfeln Sturmböen
Bft 8/9 auftreten können. Ein Föhndurchbruch mit warnrelevanten Böen bis in die
Täler ist unwahrscheinlich.
Nördlich der Mittelgebirge ist zwar etwas Gradient vorhanden, so dass sich Nebel
oder Hochnebel auflösen sollten. Für warnrelevante Böen reicht es nur in
exponierten Kamm- und Gipfellagen, wobei dort durchaus auch Sturmböen Bft 8/9
auftreten können. An der Nordsee sind aufgrund des südöstlichen Windes
allenfalls Windböen und über der offenen See stürmische Böen zu erwarten. In den
Leegebieten der Mittelgebirge, d.h. an deren Nordwestseiten, kommen längere
sonnige Abschnitte zustande.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 11 bis 15, mit Hilfe der Sonne 17 Grad.
Bei zähem Nebel werden kaum 8 Grad erreicht.

In der Nacht zum Freitag weitet sich der über Westeuropa liegende Trog eher nach
Süden bis ins westliche Mittelmeer hinein aus als dass dieser nach Osten
vorankommt. Folglich verbleibt Deutschland noch an dessen Vorderseite und somit
unter einer nahezu südlichen Strömung. Ein in Richtung Westalpen ablaufender
markanter Kurzwellentrog induziert südlich der Alpen eine Zyklogenese, was
südlich des Alpenhauptkammes ergiebige Niederschläge (bis weit über 100 mm / 12
h) zur Folge hat. Hebung an der Nordflanke des sich über Oberitalien
entwickelnden Tiefs greift nur in abgeschwächter Form auf den Süden Deutschlands
über. Hierdurch wird die Kaltfront, die sich bis dahin schleifend und wellend
bis nach Deutschland vorgearbeitet hat, in ihrem Südteil aktiviert. Somit sind
im Süden Deutschlands die kräftigsten Niederschläge zu erwarten. Im Südwesten
und in Alpennähe kommen 10 bis über 20 mm innerhalb von 12 Stunden zusammen, in
Staulagen (Schwarzwald, Allgäu) sind Niederschlagsmengen um 30 mm vorstellbar,
was eine entsprechende Warnung erfordern könnte.
Der unmittelbar westlich von Deutschland liegende Trog beginnt in mehreren
Schritten auszutropfen. Einer dieser Austropfprozesse lässt ein Tief über der
Nordsee entstehen, wodurch ein weiteres Niederschlagsmaximum (mit etwas
geringeren Niederschlagssummen als im Südwesten) im Nordwesten Deutschlands
zustande kommt. Wahrscheinlich bleibt es nur im Nordosten und ganz im Osten noch
weitgehend niederschlagsfrei.
Beide Tiefs lassen eine meridionale Tiefdruckrinne über Deutschland entstehen,
die sich als Verbindung zwischen dem Tief südlich der Alpen und dem Tief über
der Nordsee bildet. Im Bereich dieser Rinne wird der Gradient
auseinandergezogen. In der ersten Nachthälfte treten daher an einigen
Küstenabschnitten noch Windböen und in exponierten Kamm- und Gipfellagen
Sturmböen Bft 8/9 auf. In der zweiten Nachthälfte sollte es dann kaum noch für
warnrelevante Böen reichen.
Wesentlich interessanter ist, was bis dahin auf dem westlichen Nordatlantik
passiert. Der Tropensturm „MARTIN“ intensiviert sich zu einem Hurrican und
beginnt mit einem Trog, der sich von der Labradorsee nach Süden über Neufundland
hinweg ausweitet, zu interagieren. Die Folge ist aufgrund der tropischen
Eigenschaften des Systems (durchweg warmer Kern!) eine außergewöhnliche
Zyklogenese, wodurch im Seegebiet etwa auf halber Strecke zwischen Island und
Neufundland ein ausgewachsenes Orkantief mit einem Kerndruck von 930 bis 940 hPa
entsteht. Auch wenn dieses Tief relativ weit von Mitteleuropa entfernt ist, so
hat es doch maßgeblichen Einfluss auf die atmosphärische Zirkulation.

Freitag … wandelt sich das Orkantief über dem Atlantik rasch in ein
Zentraltief um und übernimmt die steuernde Funktion. Nach wie vor weist dieses
System einen warmen Kern auf. Dem unmittelbar vor Mitteleuropa liegenden und bis
ins westliche Mittelmeer reichenden Trog wird hierdurch Energie entzogen, so
dass dieser Trog schwächere dynamische Antriebe zustande bringt als dass dies in
ähnlichen Situationen der Fall wäre. Diese beschränken sich hauptsächlich auf
den Süden, wo noch das über Oberitalien liegende Tief sein Unwesen treibt.
Südlich des (östlichen) Alpenhauptkammes sind weitere ergiebige Niederschläge
(bis weit über 100 mm / 12 Stunden) zu erwarten. Diese Niederschläge streifen
den deutschen Alpenrand nur in abgeschwächter Form, in Staulagen etwa von den
Bayerischen Alpen bis zu den Berchtesgadener Alpen können um 30 mm innerhalb von
12 Stunden zusammenkommen. Ein über die östlichen Mittelgebirge nordwärts
ablaufender Kurzwellentrog kann auch dort zu einigen bis etwa 15, in Staulagen
bis 20 mm Niederschlag führen – Mengen, die jedoch nicht mit dem vergleichbar
sind, was südlich des Alpenhauptkammes vom Himmel fällt. Im Nordwesten und
Westen und zum Teil aber auch im Nordosten sind nur noch geringe Niederschläge
zu erwarten, vielfach bleibt es trocken und es stellen sich ein paar
Auflockerungen ein. Genauer lassen sich die Niederschlagsmaxima derzeit noch
nicht prognostizieren.
Ganz abgeschrieben sollte aber auch der nördliche Teil des unmittelbar westlich
von Deutschland liegenden Troges noch nicht werden. Ein in diesem Trog
eingelagertes Cut-Off-Tief (der Austropfprozess vollzieht sich ja in mehreren
Phasen) induziert eine Zyklogenese. Hier ergeben sich noch signifikante
Unterschiede zwischen den Modellen, die weit jenseits der Prognosegenauigkeit
liegen. UK10 lässt ein kräftiges Tief übe der Deutschen Bucht entstehen, von
ICON-EU wird dieses Tief 300 km nordwestlich davon positioniert. Die Folge wäre
nach beiden Modellen Sturmböen an der Nordsee, die nach UK10 etwas ins
nordwestliche Binnenland ausgreifen könnten. Über der offenen See wären dann
schwere Sturmböen zu erwarten. EZMW zeigt ein schwaches Tief über Tschechien und
dem östlichen Mittelgebirgsraum, GFS eine Doppelstruktur über der nördlichen
Mitte Deutschlands. Nach den letzteren beiden Modellen wären warnrelevante Böen
(sollte es dazu kommen) auf exponierte Berglagen beschränkt. Das sind bzgl. der
Prognosen des Tiefs Positionsunterschiede bis 800 km und Intensitätsdifferenzen
um mehr als 10 hPa und das bei einer Prognose über 48 Stunden.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 9 bis 13, bei länger andauerndem Regen im
Süden und Südosten kaum 7 Grad.

In der Nacht zum Samstag arbeitet sich der Trog nunmehr bis nach Deutschland
vor. Dessen südlicher Teil tropft nach Sardinien aus, ein weiterer Cut-Off
erfolgt über der Nordsee. Das korrespondierende Bodentief wird nach wie vor
unterschiedlich simuliert und liegt Samstagfrüh je nach Modell irgendwo zwischen
Nordwestdänemark und der Lübecker Bucht. Je nach Lage dieses Tiefs treten an der
Nordseeküste und an der Mecklenburgischen Ostseeküste weiterhin Wind- und
stürmische Böen auf, über der offenen Nordsee kommen nach wie vor Böen bis
Sturmstärke zustande. Wie bereits am Freitag können nach UK10 stürmische Böen
bis weit ins Binnenland ausgreifen. Abgesehen davon sollten nur in einigen
exponierten Kamm- und Gipfellagen (Brocken) warnrelevante Böen auftreten.
Von Frankreich weitet sich, gestützt durch Kaltluftadvektion, ein Bodenhochkeil
in den Süden Deutschlands aus. In dessen Bereich sind geringe
Luftdruckgegensätze zu erwarten, was erneut teils dichten Nebel entstehen lässt.
Dieser hält sich noch bis weit in den Samstagvormittag hinein. Erst danach
erfolgt eine zögernde Sichtbesserung. Niederschläge, aber mit eindeutig
nachlassender Tendenz, sind dann noch am Alpenrand und im Südwesten Deutschlands
zu erwarten.

Samstag … verlagert sich das Residuum des Troges über den Norden Deutschlands
hinweg ostwärts. Kräftige Warmluftadvektion, die in die Flanke dieses Troges
hineinstößt, lässt das Geopotential steigen. Das mit diesem Trog
korrespondierende Bodentief wird von diesem Resttrog überlaufen und schwächt
sich unter Verlagerung nach Nordosten (Oslofjord, vielleicht Südschweden) ab.
Von Westen her nähert sich erneut ein flacher Rücken, welchen dann der Trog
folgt, der aus dem zuvor über dem Nordatlantik entstandenen Zentraltief
hervorging. Durch den Rücken wird der von Südfrankreich nach Süddeutschland
reichende Bodenhochkeil gestützt. Dieser weitet sich nach Osten aus, so dass
sich dann eine Brücke zu einem Hoch über Südwestrussland ergibt. Mit dem
Übergreifen eines okkludierenden Frontensystems auf die Britischen Inseln setzt
über Westeuropa Druckfall ein, was die Strömung in den unteren
Troposphärenschichten auf Südwest drehen lässt.
Letzte Niederschläge können noch im Südwesten und am Alpenrand auftreten. Auch
im Norden und dort vor allem in Küstennähe sind, bedingt durch den sich nach
Osten verlagernden Resttrog, noch Niederschläge zu erwarten, die dort konvektiv
geprägt sind. Kurze Gewitter sind allenfalls zur dänischen Grenze hin
vorstellbar, ansonsten sollte hierfür die Labilität nicht mehr hinreichend sein.
Allerdings wird durch das sich nur allmählich nach Nordosten verlagernde und
allmählich auffüllende Tief der Gradient nur allmählich schwächer, so dass im
Küstenumfeld Windböen und an der Nordsee sowie der Mecklenburgischen Ostseeküste
stürmische Böen auftreten. Auf exponierten Gipfeln der nördlichen Mittelgebirge
besteht die Gefahr von Böen bis Sturmstärke.
Während sich im Osten und Südosten noch mehrschichtige Bewölkung (im Südosten
zum Teil auch ganztägig Hochnebel) hält, setzen sich von Nordwesten und Westen
her vermehrt Auflockerungen durch. Gegenüber Freitag erfolgt keine wesentliche
Temperaturänderung.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Unsicherheiten hinsichtlich der Lage und Intensität der Tiefs, die am
Freitag und Samstag über dem Nordseeraum prognostiziert werden, sind bereits
weiter oben ausführlich beschrieben worden. Daher sind auch die
Niederschlagsprognosen vor allem am Freitag mit größeren Unsicherheiten
behaftet.
Abgesehen davon und vor allem am Samstag ergeben sich kaum prognoserelevante
Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen oder Modellläufen. Allerdings wurde
von etwas weiter zurückliegenden Simulationen (vor allem von EZMW und GFS) am
Samstag der antizyklonale Einfluss etwas stärker betont.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann