#SXEU31 #DWAV S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Samstag, den 01.10.2022 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.10.2022 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Im Schwarzwald und an den Alpen Dauerregen (teils Unwetter). Auch sonst zunächst
unbeständiges, windiges Schauerwetter, dabei einzelne Gewitter mit Sturmböen. Im
Laufe der nächsten Woche von Südwesten Wetterberuhigung.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
Aktuell … sind wir nach vorübergehendem Zwischenhocheinfluss am gestrigen
Freitag wieder in deutlich unruhigere Gewässer vorgestoßen. Zwischen dem
hochreichenden, steuernden Zentraltief WALBURGA und einer Höhenantizyklone mit
Schwerpunkt über der Iberischen Halbinsel hat sich die Höhenströmung über West-
und Mitteleuropa vorübergehend deutlich zonalisiert. Ein von den Britischen
Inseln über den Südwesten Deutschlands zum nördlichen Balkan vorstoßender
Jetstreak mit Anfangs bis 130 kt auf 300 hPa markiert die ziemlich gut
ausgeprägte Frontalzone. In die west-nordwestliche Höhenströmung sorgen mehrere
Kurzwellentröge für zyklonale Verhältnisse.
Ein erster Trog hat Deutschland bereits in den Morgenstunden erfasst und ist
bereits Richtung Polen und Tschechien durchgezogen. Dieser stand in Verbindung
mit dem teil-okkludierten Frontensystem von Tief WALBURGA, das weite Teile des
Landes mit zeitweiligen Regenfällen recht zügig nach Osten überquert hat.
Rückseitig hat sich eine leicht, aber hochreichend labil geschichtete maritime
Polarluft ‚mP‘ durchgesetzt, in der sich ziemlich klassisches Rückseitenwetter
mit Schauer und kurzen Gewittern eingestellt hat. Diese haben sich vom Westen
und Nordwesten bis zur südlichen Mitte und den Osten ausgebreitet. Den Zellen
steht zwar nicht viel potenzielle Energie zur Verfügung, allerdings ist die
Scherung sowohl niedertroposphärisch als auch hochreichend nicht zu Verachten.
Es ist eine klassische Low-Cape-High-Shear-Lage, bei der die Zellen weniger
Starkregen oder Hagel bringen, sondern durch meist linienhafte Organisation
stürmische Böen oder Sturmböen. Aber auch flache Superzellen, die im schlimmsten
Falle kurzlebige Tornados hervorbringen können, sind nicht gänzlich
auszuschließen.
Im Nachtverlauf nimmt die Schauertätigkeit insgesamt ab. Nur an der Küste und im
angrenzenden Binnenland bleibt sie rege. Das liegt zum einen an diabatischen
Effekten über dem warmen Wasser, zum anderen sorgt ein flacher Kurzwellentrog,
der von der Nordsee im Nachtverlauf in den Norden zieht, für Hebung. Fokus
sollte bei nach wie vor starker Scherung die etwaigen Sturmböen sein, aber auch
Starkregen kann vor allem bei Mehrfachtreffern nicht ganz ausgeschlossen werden.
Der äußerste Süden und Südwesten kommt dagegen nur bedingt bzw. kurzzeitig in
den Genuss des Rückseitenwetters. Durch zunehmend strömungsparallele
Orientierung beginnt die Front über dem Alpenraum zu schleifen. Zudem hat sich
vorderseitig eines weiteren, zur Keltischen See schwenkenden Kurzwellentroges
eine Frontalwelle XENIA gebildet, sodass die Kaltfront über Westeuropa
rückläufig wird bzw. in die Warmfront der Welle übergeht. Die Welle erreicht am
Sonntagnachmittag den Südwesten und zieht in der Nacht zum Montag über den Süden
südostwärts ab. Damit stellt sich im Schwarzwald und an den Alpen mit
Unterstützung von Stauprozessen eine nur kurz im Warmsektor unterbrochene
Dauerregenlage ein, die im Schwarzwald bis Montagfrüh, an den Alpen durch die
länger anhaltende Staulage bis Montagmittag anhält. Mit den bereits laufenden
Warnungen werden Gesamtmengen zwischen 30 und 60, in Staulagen bis 80 l/qm
anvisiert. In den Allgäuer Alpen sowie vom Karwendel bis zu den Berchtesgadener
Alpen werden Mengen bis zu 100 l/qm erwartet, sodass dort Unwetterwarnungen
laufen. Die neuen Modellläufe bestätigen im Wesentlichen dieses Szenario.
Lediglich ICON schlägt etwas über die Stränge und simulieren am Alpenrand
verbreitet Mengen über 100 mm, teils sogar über 150 mm. Dies scheint aber –
Stand jetzt – zu hoch gegriffen, sodass die Warnungen erst einmal unverändert
weiterlaufen können.
Auch abseits der mit Dauerregenwarnungen versehenen Gebiete regnet es im Süden
und Südwesten, wobei sich der Regen mit Annäherung der Warmfront der Welle im
Nachtverlauf langsam wieder etwas nach Norden ausdehnen kann. Warnrelevanz haben
diese aber (noch) nicht.
Zwischen einer Teiltiefentwicklung WALBURGA II über dem Oslofjord und einem von
Frankreich nach Süddeutschland gerichteten Hochkeil bleibt ein veritabler
Gradient bestehen. Mit Stabilisierung der Grenzschicht lässt der Wind im
Tiefland aber nach. Nur an der Nordsee sowie zunehmend auch an exponierten
Abschnitten der Ostsee muss mit Windböen gerechnet werden. Auf Berggipfeln
oberhalb der Grenzschicht bleibt es stürmisch mit Böen Bft 8-9, exponiert Bft
- Größere Wolkenauflockerungen gibt es nur vorübergehend über der Mitte, sodass
sich die Abkühlung in Grenzen hält. Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 12 und
7 Grad.
Sonntag … zieht der Kurzwellentrog über dem Norden und Nordosten im
Tagesverlauf nach Polen ab. Dahinter stellt sich eine leicht zyklonal
konturierte und vorderseitig eines sich über dem Nordatlantik aufwölbenden und
zu den Britischen Inseln schwenkenden Rückens auf Nordwest drehende
Höhenströmung ein.
Am Rande des zur mittleren Ostsee ziehenden Teiltiefs WALBURGA II fließt in den
Norden und Osten weiterhin eine labil geschichtete maritime Polarluft ein,
sodass im Tagesverlauf wieder vermehrt mit Quellbewölkung und Schauern gerechnet
werden muss. Im Nordosten ist die Labilität noch hochreichend genug, dass auch
einzelne Gewitter möglich sind. Bei mäßiger bis starker hochreichender Scherung
können sich diese auch wieder organisieren und zumindest stürmische Böen
bringen. Ansonsten setzt von Westen schon allmählich Stabilisierung ein, sodass
die Schauer ungewittrig bleiben und nachmittags nachlassen.
Im Süden und Südwesten gibt es an der noch etwas nach Norden vorankommenden
Warmfront der o. e., sich von Frankreich nähernden Frontalwelle weitere
Regenfälle, insbesondere in einem Streifen von der Mosel und Saar über das
nördliche Ba-Wü bis zum Inn. Da im Warmsektor der Welle ein Schwall labiler
Subtropikluft herangeführt wird, sind in den frontalen Niederschlägen bzw. an
dessen Südrand Warmlufteinschubgewitter denkbar. Bei PPW’s bis 30 mm ist dann
vor allem über mehrere Stunden hinweg Starkregen möglich.
Währenddessen erfährt die Dauerregenlage zumindest im Schwarzwald und am
westliche Alpenrand eine Pause bzw. Abschwächung, wenngleich auch im Warmsektor
einzelne Schauer und Gewitter auftreten. Diese könnten ebenfalls Starkregen
bringen, auch stürmische Böen oder Sturmböen und kleiner Hagel sind bei mäßiger
bis starker hochreichender Scherung durchaus im Bereich des Möglichen. Da zudem
die bodennahe Scherung anzieht (immerhin bis 15 m/s) und zugleich die
Wolkenuntergrenzen niedrig sind, kann ein kurzlebiges Tornadoereignis nicht
ausgeschlossen werden.
Zwischen der Regenzone im Südwesten und der Schauerzone im Nordosten gibt es
einem schmalen Streifen vom Niederrhein bis zur östlichen Mitte, wo es
weitgehend trocken bleibt.
Der Gradient fächert über der Nordosthälfte kaum auf, da sich das abziehende
Tief WALBURGA II noch etwas vertiefen kann. Somit frischt der Wind dort im
Tagesverlauf wieder auf, sodass vor allem in freien Lagen und in Schauernähe mit
Windböen, an der Ostsee exponiert mit stürmischen Böen zu rechnen ist. In der
Südwesthälfte fächert der Gradient mit Annäherung der Welle dagegen deutlicher
auf, um sich im Warmsektor eventuell wieder zu verschärfen. Da aber die Welle
vom korrespondierenden Kurzwellentrog überlaufen wird, verliert sie an Kontur,
sodass nicht ganz sicher ist, ob es im äußersten Südwesten und im südlichen
Alpenvorland (Leitplanke!) noch für Windböen reicht. Im oberen Bergland bleibt
es dagegen generell stürmisch mit Böen Bft 8-9.
In gut durchmischter Luftmasse geht es trotz des polaren Ursprungs der Luftmasse
rauf auf Höchstwerte zwischen 14 und 18 Grad, am südlichen Oberrhein in der
Warmluft eventuell bis knapp 20 Grad.
In der Nacht zum Montag wölbt sich der auf die Britischen Inseln übergreifende
Rücken noch etwas auf, was die nordwestliche Strömung über Mitteleuropa weiter
aufsteilen lässt. Die Welle zieht über den Süden südostwärts ab, gefolgt von
einem Keil des mit dem Rücken korrespondierenden Hochs mit Schwerpunkt über
Südengland. Die Kaltfront wird dadurch an die Alpen gedrückt, ebenso die
Niederschläge. Dort halten sie staubedingt aber noch etwas an.
Unter dem zunehmenden Hochdruckeinfluss lassen auch die Schauer nach. Nur der
Nordosten verbleibt zwischen dem Hochkeil und den Tiefs über Osteuropa in einer
lebhaften Nordwestströmung und damit im Zustrom maritimer Polarluft, in der noch
einzelne Schauer auftreten können.
An der Nordsee bleibt es windig, exponiert kommt es zu stürmischen Böen. Auch in
den nördlichen und östlichen Mittelgebirgen sowie in den Alpen sind noch
stürmische Böen oder Sturmböen denkbar, ansonsten lässt der Wind auch im
Bergland nach.
Vor allem vom Westen bis zur Mitte klart es gebietsweise auf, sodass in den
Mittelgebirgen örtlich bis auf 4 Grad abkühlen kann, meist liegen die
Tiefstwerte aber zwischen 11 und 6 Grad. Gebietsweise bilden sich Nebel oder
Hochnebel.
Montag … arbeitet sich der Höhenrücken bis in die Nordsee vor. Das
korrespondierende Bodenhoch verlagert sich mit seinem Schwerpunkt in den Westen
und Süden Deutschlands.
Damit verleibt die Nordosthälfte im Zustrom der feuchten Meeresluft. Schauer
gibt es aber kaum mehr, da die Konvektion durch die Absinkinversion bereits bei
etwa 750 hPa „gedeckelt“ ist.
In der Südwesthälfte kommt die eingeflossene Luft dagegen zur Ruhe und trocknet
etwas ab. Nebel und Hochnebel sollten sich bis zum Mittag meist auflösen, sodass
sich die Sonne neben flacher Quellbewölkung auch mal länger zeigen kann. Auch
der Regen an den Alpen lässt im Vormittagsverlauf nach.
Zwischen dem Hoch über Südwestdeutschland und einer Sturmtiefentwicklung über
Osteuropa kann der Gradient im Nordosten und Osten kaum auffächern, sodass
besonders zwischen Ostsee und Sachsen erneut zeitweise Windböen zu erwarten
sind.
In der Nacht zum Dienstag setzt sich die Ostverlagerung des Höhenrückens fort.
Dienstagfrüh erstreckt sich dessen Achse von der Biskaya über den Ostausgang des
Ärmelkanals hinweg bis nach Südnorwegen. Das Bodenhoch zieht mit seinem
Schwerpunkt über den Süden Deutschlands nach Österreich.
Unter dem Hochdruckeinfluss lassen auch die Schauer im Osten nach und es bleibt
trocken. Teils klart es auf, teils wandelt sich die Quellbewölkung in
hochnebelartige Sc-Bewölkung um. Dichter Nebel bildet sich bevorzugt unter dem
Bodenhoch in der Südhälfte.
Die Luft kühlt ab auf 12 Grad an der See und bis 2 Grad im Süden.
Dienstag … schwenkt der Rücken nach Mitteleuropa, das Bodenhoch verabschiedet
sich zum Balkan. Von dort ausgehend erstreckt sich allerdings eine
Hochdruckbrücke über den Alpenraum und Süddeutschland bis zum Azorenhoch.
Unter der Hochdruckbrücke steht in der Südhälfte nach teils zögerlicher
Auflösung von Nebel und Hochnebel ein sonniger Tag bevor.
In der Nordhälfte stellt sich zwischen der Hochdruckbrücke und dem neuen, sehr
umfangreichen Zentraltief über dem Nordostatlantik dagegen bereits eine
südwestliche Bodenströmung ein, die an der Nordsee bereits deutlich an Fahrt
aufnimmt mit Windböen. Zudem wird der Rücken bereits von WLA überlaufen, sodass
hohe und mittelhohe Wolkenfelder aufziehen. Es bleibt aber noch trocken.
Die Luft erwärmt sich etwas (T850 zwischen 7 und 12 Grad), sodass mit
Sonnenunterstützung hier und da die 20-Grad-Marke knapp geknackt werden könnte,
meist liegen die Höchstwerte zwischen 15 und 19 Grad.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle unterscheiden sich im Hinblick auf die synoptischen Basisfelder kaum
noch. Die Unterschiede in den Niederschlagsprognosen für den Alpenrand wurden im
Text besprochen. Handlungsbedarf besteht (noch) nicht, solange die
probabilistischen Verfahren die von ICON prognostizierte Verschärfung der
Dauerregenlage nicht mittragen.
Die auch abseits der gültigen Dauerregenwarnungen im Südwesten und Süden
eventuell warnwürdigen Niederschläge am Sonntag sind aufgrund des teilweise
konvektiven Charakters und den damit ziemlich verwaschenen Wahrscheinlichkeiten
eher ein Fall für den Nowcast.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser