S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.09.2022 um 10.30 UTC

Zu Wochenbeginn Wetterberuhigung und wieder wärmer, im weiteren Verlauf bei
zunehmender Prognoseunsicherheit wieder unbeständiger.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 15.09.2022

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag weist die
großräumige Potenzialverteilung ein leicht modifiziertes Omega-Muster auf. Einem
vergleichsweise scharf geschnittenen, relativ schmal konfigurierten Trog über
dem Ostatlantik steht ein breiterer, dafür nicht ganz so amplitudenstarker Trog
über dem östlichen Mittel- respektive dem nahen Osteuropa gegenüber. Getrennt
werden die beiden Exemplare durch einen Höhenrücken, der am Mittag von
Nordwestafrika über Westeuropa bis zum südlichen Rand des Europäischen Nordmeers
reicht. „Garniert“ wird das ganze Konstrukt durch ein kleines aber feines
Cut-Off-Tief unweit von Island, das so etwas wie das Tüpfelchen aus dem „i“
darstellt. Genau dieses Tief beschäftigt die Modelle schon seit Tagen, wobei die
Kernfrage war und auch noch ist, wie stark es mit dem Drehzentrum des
atlantischen Troges – immerhin ein ehemaliger Tropensturm (Ex-DANIELLE) –
intergiert. Nach heutiger Version von 00 UTC zieht das Tief am Nordrand des
Rückens langsam nach Skandinavien, wo es in der ersten Wochenhälfte in einen
hundsnormalen KW-Trog übergeht.

Wie auch immer, nicht nur das Cut-Off-Tief zeigt sich progressiv, auch das
beschriebene Omega-Muster verlagert peu a peu gen Osten. Der Rücken erreicht zu
Beginn der neuen Woche Mitteleuropa, wobei eine umfangreiche, meridional
exponierte Bodenhochdruckzone vor sich herschiebt. Den Sonntag verbringen wir
noch zwischen den Stühlen in der zuvor eingeflossenen, vor allem nach Osten und
Südosten hin weiterhin potenziell instabilen Atlantikluft. Entsprechend
präsentiert sich das Wetter wechselhaft mit Schauern und einzelnen Gewittern,
wobei von Westen her aber schon eine allmähliche Stabilisierung einsetzt.

Die setzt sich am Montag absinkbedingt fort bzw. verstärkt sich noch, so dass
sich sonnige bis leicht bewölkte, im Osten und Norden tagesgangbedingt auch mal
wolkige (Restfeuchte in der Grundschicht => diabatisch induzierte Quellungen)
Verhältnisse einstellen. Dabei bleibt es im Großen und Ganzen trocken. Da wir
zunehmend auf die Westflanke des nach Osten wandernden Bodenhochs gelangen,
dreht die Strömung auf Ost bis Süd, wodurch nach dem gemäßigten Wochenende
wieder wärmere Luft advehiert wird. Bis zum Abend steigt die 850-hPa-Temperatur
auf Werte zwischen rund 7°C an Oder und Neiße sowie an der Ostsee und bis zu
12°C am Kaiserstuhl.

Am Dienstag und Mittwoch verstärkt sich der Höhenrücken noch etwas, wobei er nur
langsam Richtung Osten wandert – so zumindest die exklusive Lesart von IFS. Dass
es auch gänzlich andere Meinungen gibt, dazu später mehr. Das IFS-Szenario
jedenfalls propagiert bis einschließlich Mittwoch antizyklonal geprägtes und
trockenes Wetter, bei der die Temperatur weiter ansteigt bis hin zu
spätsommerlicher Hitze. Am Mittwochabend werden auf 850 hPa satte 15 bis 19°C,
südlich der Donau sogar um 20°C angeboten. Also ich brauchŽs nicht mehr, aber
das tut hier nichts zur Sache.

Zum Donnerstag hin verabschiedet sich der Rücken endgültig und wir gelangen in
den Wirkungsbereich eines breiten, sich vom nahen Atlantik bis nach
Kontinentaleuropa vorschiebenden Höhentroges. Gleichzeitig breitet sich von
Norden und Westen eine umfangreiche Tiefdruckzone bis nach Mitteleuropa aus, was
für den Vorhersageraum unbeständiges und relativ regenreiches, zumindest nach
Norden hin fast schon frühherbstliches Wetter zur Folge hätte.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Montag kann dem IFS (ECMF) eine gute Konsistenz attestiert
werden. Im weiteren Verlauf sind die Vorhersagen nach wie vor unsicher, was auch
im Vergleich mit anderen Globalmodellen deutlich wird (siehe nächstes Kapitel).
Offensichtlich bereitet die Interaktion zwischen dem kleinen Cut-Off-Tief und
dem ehemaligen Tropensturm Ex-DANIELLE der Numerik große Schwierigkeiten, was
die verschiedenen Szenarien der letzten Läufe eindrucksvoll belegen. Dass mit
Ex-EARL im Laufe des Wochenendes noch ein weiterer ehemaliger Hurrikan die Bühne
„Ostatlantik“ betritt (wenn auch noch weit draußen), macht die Angelegenheit
nicht einfacher.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits angedeutet, verfolgen die an dieser Stelle üblicherweise ins Visier
genommenen Globalmodelle unterschiedliche Ziele. Dabei lassen sich grob zwei
Gruppen aufmachen: Während sich das kanadische GEM getreu seiner gestrigen Linie
auf die Seite von IFS schlägt, setzen ICON, GFS und UK10 schon ab Dienstag
wieder auf unbeständig mit Regenfällen (gebietsweise gar nicht mal so wenig).
Dass die drei Modelle dabei jeweils einen anderen Ansatz wählen, tut hier nichts
groß zur Sache (wird mit den nächsten Läufen wahrscheinlich schon wieder etwas
anders aussehen). Entscheidend ist der Trend in Richtung zyklonal und natürlich
auch kühler als IFS/GEM. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Vorhersage
rein auf deterministischer Basis sowohl konsistenzbedingt als auch in Hinsicht
Modellvergleich ab Dienstag unsicher wird.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Daran ändern auch – und das war zu befürchten – die Ensembleprognosen nichts.
Schaut man sich allein die IFS-EPS-Rauchfahnen einiger deutscher Städte an,
lässt sich bis in den Montag hinein eine extrem eng gebündelte Kurvenschar
(Potenzial 500 hPa UND Temperatur 850 hPa) finden. Danach öffnen sich die Kurven
deutlich und münden in ein breites Delta, in dem zumindest aber ein paar Trends
abzulesen sind. So simuliert die Mehrzahl des Ensembles bis Mittwoch einen
Temperaturanstieg, bevor es danach mit moderatem Gefälle wieder nach unten geht.
Der Haupt- und Kontrolllauf markieren beim Temperaturgipfel den oberen Rand der
Lösungen, was die Hoffnung nährt, dass es nicht ganz so heiß wird
(Septemberhitze ist aufgrund des niedrigeren Sonnenstands sowieso eine andere
als im Hochsommer, aber das nur am Rande). Ähnlich sieht der Verlauf beim
Potenzial 500 hPa aus. Die Regensignale nehmen im Laufe der Woche zu bzw. werden
dichter, wobei am Dienstag und teils auch noch am Mittwoch relativ sparsam
agiert wird (ein Indiz dafür, dass das Gros der Ensembles nahe am
deterministischen Lauf dran ist).

Vor dem Hintergrund des soeben Geschilderten verwundert es etwas, dass für den
Zeitraum T+72…96h (Sonntag auf Montag) drei Cluster angeboten werden. Das Muster
ist aber überall das gleiche (Omega mit überlagertem Cut-Off), einzig die
Konfiguration respektive Geometrie der beteiligten Systeme sind leicht
unterschiedlich. Das Übergreifen des Rückens auf Mitteleuropa ist unstrittig.
Weniger verwunderlich ist die Tatsache, dass die Anzahl der Cluster von Dienstag
bis Donnerstag (T+120…168h) auf fünf ansteigt (15 Fälle + KL, 11, 10, 8 + HL,
7). Das deckt sich mit der Zunahme des Spreads in den Rauchfahnen. Vereinfacht
lässt sich konstatieren, dass CL 2, 4 und 5 (also insgesamt 26 Fälle + HL) einen
starken und nur wenig progressiven Rücken über Mitteleuropa favorisieren.
Dagegen setzen CL 1 und 3 (also 25 Fälle + KL) auf einen schwächeren Rücken bzw.
dessen Abbau, der am deutlichsten in CL 3 angezeigt wird. Cluster 3 ist auch der
einzige, der einen Übergang zum Klimaregime „NAO positiv“ anvisiert, wohingegen
es der große Rest mit „Blockierung“ oder „Atlantischer Rücken“ hält.
Ab Freitag (T+192…240h) reduziert sich die Anzahl der Cluster auf drei. Eine
Zunahme der Prognosegüte/-sicherheit geht damit aber nicht einher. Von SWa
(Südwest antizyklonal; CL 1 mit 20 + KL) über Übergang SWz (Südwest zyklonal; CL
3 mit 14) bis in zu TrM (Trog Mitteleuropa; CL 2 mit 17 + HL) ist einiges dabei,
Sicherheit sieht aber anders aus.

FAZIT: Bis Montag steht der Kurs und danach haben sich die Signale für einen
Rücken bis Wochenmitte gegenüber gestern erhöht. Gleichwohl bleibt die
Entwicklung ab Dienstag unsicher, so dass in der offiziellen Vorhersage ein
Kompromiss geschlossen wird (allmählicher Übergang in zyklonal).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Nach der ereignisreichen Kurzfrist beruhigt sich das Wetter zu Beginn der
Mittelfrist. Am Sonntag sollte man gerade im Osten und Süden noch von einzelnen,
teils markanten Gewittern ausgehen. Die Unwetterwahrscheinlichkeit nimmt aber ab
und allgemein lässt sich von Westen her eine Stabilisierungstendenz erkennen,
die sich am Montag fortsetzt.
Ob es dann schon am Dienstag wieder unbeständiger wird oder erst später, steht
derzeit noch in den Sternen (siehe oben). Das Potenzial für neuerliche Gewitter
oder auch regionale Starkregenfälle (selbst eine Dauerregenlage ist zumindest
nach GFS nicht gänzlich ausgeschlossen) ist nicht wegzudiskutieren, eine seriöse
und belastbare Prognose ist derzeit aber nicht möglich.

Basis für Mittelfristvorhersage
Zunächst MOS-Mix mit IFS/Modellmix und IFS-EPS. Ab Dienstag zusätzlich manuelle
Interpolation plus etwas Bauchgefühl des Verfassers.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann