S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Dienstag den 06.09.2022 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 06.09.2022 um 10.30 UTC
Zunächst unbeständig mit (endlich!) wiederholten und flächendeckenden
Niederschlägen. Zum Sonntag (vorübergehend?) Wetterberuhigung. Danach sehr
unsicher!
Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 13.09.2022
Am Freitag, dem Übergang zum Mittelfristzeitraum, haben wir es auf der
Nordhemisphäre Minimum mit der Wellenzahl 6 sowie zwei ausgewachsenen tropischen
Systemen auf dem Nordatlantik zu tun. Das allein reicht eigentlich aus, um
festzustellen, dass die Halbwertszeit einer Mittelfristprognose arg begrenzt
sein muss. Glücklicherweise wandelt sich der Hurrikan DANIELLE im Laufe des
Wochenendes relativ weit westlich (etwa entlang 30 W) in ein außertropisches
Tief um, was für unsere Troglage wenig von Belangen sein dürfte. Anschließend
kommt allerdings die Interaktion mit dem Hurrikan EARL ins Spiel, was noch für
einige Überraschungen sorgen kann (Stichwort: Fujiwhara Effekt). Doch der Reihe
nach…
Hierzulande knüpft der Freitag nahtlos an die unbeständigen Vortage an, was
immerhin mit den vielerorts langersehnten Regenfällen verbunden ist. Dies liegt
an einem breit angelegten Höhentief, das sich im Kern über der Themsemündung
befindet, aber einen kleineren Dipol auch über Bornholm aufweist. Über diesen
Bereich befindet sich am Boden auch eine gut ausgeprägte Tiefdruckrinne unter
1010 hPa. An der Südflanke schließt sich erst über Südfrankreich und dem
Alpenraum ein schwacher Jet an. Deutschland liegt somit unter einer zyklonal
geprägten, schwachen südwestlichen Strömung. Das Setup aus Luftmasse mPs und
Höhenkonfiguration (T850 zwischen 8 und 11 Grad, T500 bei rund -18 Grad) ist
dabei prädestiniert für niedrige Auslösetemperaturen mit zahlreichen Schauern
und Gewittern. Geringe Scherung, ML CAPE bis 500 J/kg und PPW’s um 25 mm
sprechen lokal durchaus für einige markante Entwicklungen mit Starkregen
(„klassische“ MREP-Meldungen mit 6 mm/10 min werden wohl häufiger vorkommen).
Schwerpunkte? Kaum auszumachen nach aktuellem Stand. Von der Dänischen Grenze
bis nach Rügen kann es am Vormittag im Konvergenzbereich der Rinne auch noch
längere Zeit und teils kräftiger regnen mit rund 10 mm binnen 3h. Zwischendurch
scheint aber auch zeitweise die Sonne bei jahreszeittypischen 18 bis 23 Grad.
In der Nacht zum Samstag von Südwesten weitere schauerartige Niederschläge, nur
vorübergehend etwas nachlassend. Je nach Bewölkung Abkühlung auf 14 bis 8 Grad.
Am Samstag verschiebt sich der breit angelegte Höhentrog nur unwesentlich weiter
ostwärts, womit die wechselhafte Troglage bei uns weiter Bestand hat.
Nennenswerte dynamische Hebungsantriebe sucht man weiter vergebens. So muss es
die Luftmasse und der Mitte September noch recht gut ausgeprägte Tagesgang
richten, was die Neubildung von Schauern und Gewittern anbelangt. An den
sonstigen Rahmenbedingungen ändert sich nicht viel. Lediglich direkt an der See
deutet sich zum Nachmittag am Nordrand der Rinne mit Winddrehung auf Nord (v.a.
ICON und GFS, aber auch z.T. IFS) eine Wetterberuhigung an. Die Höchstwerte
ändern sich kaum.
Am Sonntag zieht das Höhentief allmählich ostwärts ab und von Südwesten steigt
der Druck unter Absinken an. Die Schauer werden somit seltener und ziehen sich
allmählich in den Osten und Südosten des Landes zurück. Die Sonnenanteile nehmen
damit ebenfalls aus Südwesten und Westen im Tagesverlauf zu.
So weit, so gut. Die große Frage ist nun, wie nachhaltig diese Wetterberuhigung
ausfällt. Dabei gibt es mehrere Unwägbarkeiten. Der ehemalige Hurrikan DANIELLE
ist inzwischen längst zu einem außertropischen Tief mutiert, dass Sonntag 12z
einige Seemeilen westlich bzw. südwestlich von Irland zu finden sein sollte. Von
Westen nähert sich unterdessen rasant der nächste Hurrikan EARL (immerhin als
Major Hurrikan der Kategorie 3 vom National Hurricane Center vorhergesagt), der
sich anschickt, mit den Überresten von DANIELLE zu interagieren. Dabei kommt der
sogenannte Fujiwhara-Effekt ins Spiel, bei dem der größere und stärkere Wirbel
auch die Bewegung des schwächeren beeinflusst. Die gesamte Rotation erfolgt dann
um eine gemeinsame Rotationsachse, deren Lage von der Intensität beider Wirbel
abhängt. In der Literatur ist davon die Rede, dass dies bei tropischen Systemen
ab einer Distanz von 1300 bis 1400 km, bei außertropischen bereits ab 2000 km
geschieht. Bei ICON liegt die Distanz am Sonntag im operationellen Lauf bei
unter 1000 km, GFS bei 1500 km, IFS bei rund 2000 km – ein Interagieren ist
somit wahrscheinlich.
Als wäre das nicht schon komplex genug, herrscht zudem Uneinigkeit über einen
kleinen Cut-Off, der sich bereits am Freitag über der Dänemark Straße absplitten
soll und fortan südostwärts Richtung Färöer Inseln gesteuert wird. Dieser
Prozess forciert wiederum ein südwärtiges Ausweichen Ex-DANIELLEs bis zur
Biskaya. Von deren Lage hängt aber maßgeblich der Aufbau und die Stärke des
Rückens über Frankreich ab.
Insofern an dieser Stelle leider nur die grobe Tendenz für den Anfang der
kommenden Woche: Im Süden und Westen vorübergehend schwül-warm mit teils
gewittrigen Regenfällen. Sonst oft trockenes Hochdruckwetter mit unveränderten
Temperaturen.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des IFS ist bis Sonntag halbwegs gewährleistet. Danach offenbaren
sich aber – wenig überraschend – teils erheblich Diskrepanzen zwischen den
Läufen. Probleme bereitet ganz offensichtlich schon der Cut-Off bei den Färöer,
von dem der gestrige 0z Lauf noch gar nichts wissen wollte. 12z gestern und 0z
von heute sind sich da zumindest relativ einig. Konsistenterweise setzen die
jüngsten Läufe demzufolge auch auf eine südlichere Position von Ex-Danielle am
Westausgang der Biskaya, wo sich dann nachfolgend die Frage stellt, inwieweit es
deren Ausläufer schaffen nach Deutschland vorzudringen und gegen das sich
neuformierende Hoch über der Ostsee anzukommen. Bei all der großen Unsicherheit
sind die unterschiedlichen Berechnungen mit dem Hurrikan EARL noch gar nicht
eingepreist.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Auch die übrigen Globalmodelle haben teils erhebliche Probleme die komplexen
Interaktionen konsistent abzubilden, da bereits kleineste Änderungen (Vgl.
Flügelschlag des Schmetterlings) erhebliche Auswirkungen haben können. Auffällig
ist, dass bis auf ICON inzwischen alle gängigen Modelle den Cut-Off bei den
Färöer im Programm haben, ihn danach aber unterschiedlich schnell ostwärts
steuern. Diese Feinheit ist jedoch neben der Position von Ex-Danielle
entscheidend für den Aufbau des Rückens über Westeuropa.
Man könnte an dieser Stelle noch unendlich ins Detail gehen, was aber letztlich
nicht zielführend ist. Quintessenz aus der Modellschau: Ab Montag sind von Süd
zyklonal bis Nord antizyklonal nahezu sämtliche Szenarien im Bereich des
Möglichen.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen zeigen bis Sonntagmittag einen gut gebündelten Temperatur-
respektive Geopotentialverlauf bei dann abnehmenden Niederschlagssignalen. Die
Temperaturen in 850 hPa gehen allerdings auch im Norden nicht unter 6 Grad
zurück, weshalb uns auch in Verbindung mit dem überdurchschnittlich warmen
Wassertemperaturen Höchstwerte um oder etwas über 20 Grad erhalten bleiben.
Danach geht die Schar komplett auseinander, der Spread wächst ab Montag auf über
10K bzw. 20 gpdm an. Dabei findet sich im Geopotential eine leichte Mehrheit auf
recht hohem Niveau bei 975 gpdm. HL und CL lagen zumeist eng zusammen darunter
und steigen erst in der erweiterten Mittelfrist auf dieses Niveau an.
4 nahezu gleichgewichtete Cluster im Zeitraum +120-168h (So-Di) mit sämtlichen
Regimen verdeutlichen das Dilemma. Zumindest der vorübergehende Aufbau eines
flachen Rückens zum Wochenwechsel ist aber nicht unwahrscheinlich. Au die
Folgezeiträume noch einzugehen ist aus den bereits vielfach genannten Gründen an
dieser Stelle wenig zielführend.
FAZIT:
Vom Übergang aus der Kurz- in die Mittelfrist nahtlos anschließend unbeständige
Troglage mit häufigen Schauern und Gewittern. Dabei Temperaturen der Jahreszeit
entsprechend. Zum Sonntag von Westen Wetterberuhigung. Danach weitere
Entwicklung noch komplett offen!
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
GEWITTER/STARKREGEN:
Die Troglage beschert uns am Freitag und Samstag noch zahlreiche Schauer und
auch einzelne Gewitter, die bei nur langsamer Zuggeschwindigkeit von Starkregen,
kleinerem Hagel und stürmischen Böen begleitet sein können. Bei insgesamt
abnehmendem Flüssigwassergehalt auf um oder knapp unter 25 mm nimmt die
Unwettergefahr im Vergleich zu den Vortagen ab. Gleichwohl sind diese aufgrund
heftigen Starkregens kleinräumig nicht gänzlich auszuschließen. Aufgrund der
Kleinräumigkeit geht das in den EPS und beim EFI unter.
Sollten wir zu Beginn der kommenden Woche tatsächlich von den Ausläufern von
Ex-DANIELLE oder im weiteren Verlauf gar noch EARL im Südwesten und Westen
erfasst werden, so sind teils gewittrige und mehrstündige Starkregenfälle bis in
den Unwetterbereich hinein möglich. Signale im EFI finden sich dafür aber (noch)
nicht.
Die Dürre sollte bis zum Sonntag in vielen Regionen zumindest in den
oberflächennahen Schichten deutlich gelindert sein.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen