S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 27.04.2022 um 10.30 UTC

Insgesamt kühl, maximal mäßig warm. Zunächst in der Mitte und im Süden, später
nur im Süden, am Mittwoch dann vorübergehend überall unbeständig mit Schauern.
Bei nächtlichem Aufklaren nach wie vor Frostgefahr!

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 04.05.2022

Die Wetterentwicklung im gesamten Mittelfristzeitraum ist geprägt durch eine
ausgeprägte Blockadesituation über dem mittleren bzw. östlichen Nordatlantik.
Entsprechend fungiert als Gegenpart ein persistenter, sich durch
Kaltluftvorstöße aus dem Nordpolarmeer immer wieder regenerierender
Langwellentrog über Nordost-, später Nordeuropa, an dessen Südwestflanke wir uns
befinden und der sich zum Ende der Mittelfrist, also bis Mitte kommender Woche,
allmählich südwärts Richtung nördliches Mitteleuropa ausweitet.

Doch nun zur Entwicklung im Einzelnen:
Zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, am Samstag, reichen, ausgehend vom oben
angesprochenen Langwellentrog über Nordosteuropa (Drehzentrum bei Nowaja
Semlja), zwei bis drei flache Rand- bzw. Sekundärtröge zur nördlichen Nordsee,
vor allem aber über Mitteleuropa hinweg bis nach Ostfrankreich. Beide verlagern
sich süd- bzw. südwestwärts und tropfen bis Sonntagabend über dem Nordwesten
Frankreichs bzw. dem Norden Italiens ab, so dass ein Höhentiefdipol entsteht.
Von Nordwesten greift derweil ein Höhenrücken bis zur Nacht zum Montag auf die
Nordsee bzw. das nördliche Mitteleuropa über.

Mit Passage des Troges weitet sich am Samstag von Südwesten her über die Mitte
des Landes hinweg bis in die Osthälfte eine flache Tiefdruckrinne auf, wobei
sich dort im Einflussbereich mäßig warmer (T850 hPa zwischen 1 und 4 Grad) und
feuchter Luftmassen Schauer und Gewitter entwickeln. Der Norden und Nordwesten
bleiben dagegen im Einflussbereich des durch den Rücken über dem Ostatlantik
gestützten Bodenhochs über den Britischen Inseln und der Nordsee. Dort bleibt es
weitgehend trocken und zeitweise sonnig, aber kühl (unter 0 Grad in 850 hPa),
wobei es in den Nächten in ungünstigen Lagen zumindest Bodenfrost geben kann.

Am Sonntag weitet sich das Hoch über Norddeutschland hinweg bis weit nach
Osteuropa aus, die Tiefdruckrinne weiter südlich zieht sich ganz allmählich
südostwärts zurück bzw. füllt sich auf. Im Süden und Teilen der Mitte bzw. der
Osthälfte bleibt es noch unbeständig, ansonsten kann sich die trockenere Luft
vor allem im Westen aber etwas weiter südwärts durchsetzen.

Am Montag kann Kaltluft aus dem Nordpolarmeer Richtung Nordmeer und
Nordskandinavien vorstoßen, wodurch der Höhentrog dort regeneriert wird. An
dessen Südflanke zonalisiert die Höhenströmung vorübergehend über dem mittleren
und später auch südlichen Skandinavien, der vorgelagerte Höhenrücken wird
dadurch mit leichtem Substanzverlust nach Mitteleuropa, der Höhentiefdipol nach
Südwesteuropa abgedrängt.
Auch im Bodenfeld kommt die langgestreckte, vom Ostatlantik über die Britischen
Inseln und Mitteleuropa bis nach Osteuropa reichende Hochdruckzone nach Süden
voran und wird vor allem über der Nordsee und Mitteleuropa allmählich abgebaut.
Ein mit dem Langwellentrog korrespondierendes Bodentief zieht über
Nordskandinavien hinweg ostwärts, dessen Kaltfront überquert das Nordmeer und
Skandinavien zunächst rasch südwärts, gerät dann aber ins Schleifen und reicht
Dienstagfrüh vom Finnischen Meerbusen über Südschweden bzw. Südnorwegen hinweg
bis ins Seegebiet knapp nördlich von Schottland. Ihr folgt in breitem Strome
maritime Polarluft.
Im Vorhersagegebiet dominiert meist der Einfluss der sich abschwächenden
Hochdruckzone. Lediglich im Süden entwickeln sich nochmals Schauer, eventuell
auch ein kurzes Gewitter. Von Norden her gelangen nach wie vor relativ kühle
Luftmassen zu uns (T850 hPa zwischen -1 und +3 Grad, lediglich ganz im Süden
noch 3 bis 6 Grad).

Am Dienstag stößt ein weiterer Randtrog vom Nordmeer Richtung Südskandinavien
vor und interagiert mit der schleifenden Kaltfront, so dass sich im Bereich
Skagerrak bis zur Nacht zum Mittwoch ein Wellentief bildet und somit die
Kaltfront weiter einbremst. Bis Mittwochfrüh erreicht sie in etwa die mittlere
Nordsee.
Die nur noch flache Hochdruckbrücke über dem Vorhersagegebiet wird weiter
abgebaut und verschwindet schließlich ganz. Noch immer können sich im Bereich
der feuchteren und etwas milderen Luftmasse über Süddeutschland mit dem
Tagesgang Schauer, eventuell auch ein kurzes Gewitter entwickeln, die
abends/nachts wieder abklingen. Auch im Norden und Nordwesten ziehen dichtere
Wolken auf, eventuell fällt dort auch etwas Regen, vor allem in der Nacht zum
Mittwoch. An den Temperaturverhältnissen ändert sich nur wenig.

Am Mittwoch kommt der Randtrog nur zögernd südostwärts voran und greift bis
Donnerstag, 00 UTC auch auf das nördliche Mitteleuropa, Nordwestdeutschland und
Benelux über.
Das Wellentief zieht Richtung Baltikum und die Kaltfront überquert bis zur Nacht
zum Donnerstag zumindest die Nordwesthälfte des Landes.
Präfrontal kann die nach wie vor über Süddeutschland lagernde, recht feuchte und
verhältnismäßig milde Luftmasse wieder etwas nach Norden vorankommen, so das
sich Schauer und vereinzelte Gewitter auch auf die mittleren Landesteile
ausweiten, während es im Norden und Nordwesten mit Kaltfrontpassage ebenfalls
einzelne Schauer gibt. Postfrontal kann dann vor allem ab Mittwochabend maritime
Polarluft auf direktem Wege über das Nordmeer und Skandinavien (-2 bis -6 Grad
in 850 hPa am Donnerstag, 06 UTC) bis in die mittleren Landesteile vordringen.
Ob es dann bei postfrontal rasch auflockernder Bewölkung angesichts des
auffrischenden (aber außer auf exponierten Gipfeln wohl nicht warnrelevanten)
Nordwest- bis Nordwindes für Frost reicht, ist natürlich noch unklar.
Nichtsdestotrotz steht aber wohl eine deutlich untertemperierte
Witterungsperiode ins Haus.

In der zweiten Hälfte der kommenden Woche schwenkt dann der breit angelegte
Langwellentrog allmählich über Skandinavien hinweg ostwärts und streckt seine
Fühler weiter bis nach Mitteleuropa aus. Dabei gelangen wir im Bodenfeld an die
Ostflanke eines sich bei den Britischen Inseln verstärkenden und in weiterer
Folge zur Nordsee schwenkenden Hochs. Somit dauert die Zufuhr sehr kühler
Luftmassen von Nordwesten bzw. Norden her an und es gibt zwar kaum mehr
Niederschläge (vor deren Abklingen können diese im Bergland noch einmal kurz in
Schnee übergehen), aber vielerorts Frost in Bodennähe, zumindest bei Aufklaren
in ungünstigen Lagen auch Luftfrost.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz der letzten drei IFS-Läufe kann im Großen und Ganzen als gut
bezeichnet werden. Zwar gibt es bereits am Wochenende Differenzen, die
Entwicklung bzw. Abtropfprozesse der Rand- bzw. Sekundärtröge betreffend, diese
haben aber nur wenig Einfluss auf den im Vorhersagegebiet zu erwartenden
Wetterablauf.
Den zum Nordmeer und nach Skandinavien gerichteten Trogvorstoß haben ebenfalls
auch die Vorläufe auf der Agenda. Allerdings wird das Interagieren von
Randtrögen mit der Kaltfront leicht unterschiedlich simuliert. Somit entwickelt
sich nach Lesart des gestrigen 00 UTC-Laufes das Wellentief erst später bzw.
weiter westlich, so dass die Kaltfront bereits am Dienstag bis in die mittleren
Landesteile vordringen kann, ehe sie mit dem Wellentief noch einmal
vorübergehend nach Norden abgedrängt wird. Auch im gestrigen 12 UTC-Lauf kommt
die Kaltfront ein wenig rascher südwärts voran als im aktuellen.
Allen Läufen mehr oder weniger gemein ist hingegen die Trogpassage und das
Vordringen maritimer Polarluft nach Mitteleuropa am Mittwoch und Donnerstag.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ähnliches gilt auch bei Betrachtung und Vergleich der vorliegenden
Globalmodelle. Den bzw. die Sekundär- und Randtröge am Wochenende haben alle
Läufe auf der Agenda, aber mit leichten Differenzen bzgl. der jeweiligen
Zugbahnen und Abtropfprozesse, was wiederum nur wenig Einfluss auf die
Simulation der zu erwartenden Wetterentwicklung hierzulande hat.
Zu Wochenbeginn sind das ICON und GEM dann mangels Randtrog und
Wellentiefentwicklung bzgl. des Vorankommens der Kaltfront und der Polarluft
progressiver aufgestellt als IFS und vor allem GFS, nach dessen Lesart ein
weiteres Wellentief am Donnerstag die Kaltfront daran hindert, über die Mitte
des Landes hinaus nach Süden vorzudringen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Erwartungsgemäß verteilen sich zu Beginn der Mittelfrist, also am kommenden
Wochenende (T+72 bis 96 Stunden) alle Ensemblemitglieder auf einen Cluster, der
die vom deterministischen Lauf gezeigte Entwicklung (Großwetterlagenregime
„Rücken Atlantik“) gut wiederspiegelt.

Der nächstfolgende Zeitraum (T+120 bis 168 Stunden) zeigt zwei Cluster (jeweils
27 und 24 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 1), die sich bzgl. des
Wellentiefs und des Vordringens des Höhentroges Richtung Südskandinavien bzw.
nördliches Mitteleuropa unterscheiden, wobei Cluster 2 – ähnlich wie übrigens
das ICON-Modell – gegenüber Cluster 1 eine progressivere Variante fährt.

Im Zeitraum 192 bis 240 Stunden ist dann wieder nur ein Cluster auszumachen, der
den Höhentrog langsam über Skandinavien und Mitteleuropa hinweg ostwärts
schwenken lässt. Das und auch der Modellvergleich unterstreichen die relative
Einigkeit der Modelle, die Wetterentwicklung bis in die erweiterte Mittelfrist
betreffend.

Die Rauchfahnen zeigen dann aber ab Wochenmitte doch gewisse Differenzen auf.
Das hängt mit der wohl leicht unterschiedlich simulierten Amplifizierung und
Passage des Höhentroges in der kommenden Woche zusammen. So haben vor allem ab
Dienstag/Mittwoch viele Member wieder rasch zunehmenden Hochdruckeinfluss auf
der Agenda und simulieren kaum einen Rückgang der (allerdings generell nicht
allzu hohen) 850 hPa-Temperaturen (meist zwischen 1 und 4 Grad, im Südwesten
etwas höher). Andere Member, so auch der Haupt- und Kontrolllauf, simulieren
dagegen einen regelrechten Absturz ab Mittwoch mit Werten um -6 Grad im Norden
und sogar noch um -3 Grad im Südwesten.
Dass der Kaltluftvorstoß, so markant er auch ausfallen mag, nicht mit allzu
hohen Niederschlagsmengen verbunden ist, wird ebenfalls aus den Rauchfahnen
deutlich.

FAZIT:
Bis zu Beginn kommender Woche ist die Wetterentwicklung im Großen und Ganzen
eingetütet: Zunächst im Süden und in der Mitte, später nur im Süden leicht
unbeständig, sonst halbwegs freundlich, aber eher kühl bzw. maximal mäßig warm.
Danach wird’s dann etwas unsicherer, vor allem, wie die Kaltfrontpassage zu
Wochenmitte vonstattengeht. Allzu ergiebige Niederschläge sind aber definitiv
nicht zu erwarten und eventuell setzt sich auch rasch wieder freundlicheres
Wetter durch, die Temperatur dürfte aber keine allzu großen Sprünge machen.
Vollfrühling oder gar Frühsommer sind jedenfalls nicht in Sicht.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Als signifikante Wettererscheinungen stehen lediglich markante Gewitter auf der
Agenda. Vor allem am Samstag beschränken sich diese wohl nicht nur auf die
Südhälfte, sondern weiten sich auch auf die mittleren Landesteile aus.
Die räumliche Verteilung ist noch mit Unsicherheiten verbunden, die Zutaten
(PPW-Werte über 15 mm, langsame Verlagerungsgeschwindigkeit) lassen aber mit
geringer Wahrscheinlichkeit kleinräumige Starkregenereignisse zu, auch
kleinkörniger Hagel kann vor allem an den Alpen, im südlichen Vorland sowie rund
um die südlichen Mittelgebirge nicht ausgeschlossen werden.
Am Sonntag und Montag zieht sich die Schauer- und Gewittertätigkeit allmählich
nach Süddeutschland zurück, am Dienstag kann es wieder verbreiteter Schauer
geben, die Wahrscheinlichkeit für Gewitter mit markanten Begleiterscheinungen
kann aber als gering beziffert werden.

Die Temperaturen bewegen sich zwar im Großen und Ganzen etwas unterhalb des zu
dieser Jahreszeit erwartbaren Temperaturniveaus (mit latenter Frostgefahr bei
nächtlichem Aufklaren), dennoch zeigt EFI keine Signale für außergewöhnlich
niedrige Temperaturen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOS-Mix, EZMW-EPS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff