S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 12.04.2022 um 10.30 UTC

Hochdruckeinfluss mit leicht wechselhaftem Beginn und Ende. Mild, im Osten
zunehmende Abkühlung. Gefahr von Nachtfrost (Luft- und Bodenfrost).

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 19.04.2022

Seit dem Zusammenbruch des Polarwirbels in der Stratosphäre inklusive Kopplung
mit der Troposphäre spüren in vielen Regionen der Nordhemisphäre die Menschen
die Auswirkungen dieser Entwicklung – sei es durch einen markanten und
großräumigen Kaltluftausbruch Anfang April in weiten Bereichen Europas, oder
einem nun vorhergesagten Blizzard mit Rekordschneemengen im Norden der USA.
Alaska, der Norden der USA und besonders Westeuropa bis Skandinavien wiesen vom
1.4. bis 10.4. eine Anomalie der 850 hPa Temperatur von -2 bis -6 Kelvin im
Vergleich zum klimatologischen Mittel von 1991-2020 auf. Dazu etablierte sich
eine negative Bodendruckanomalie von mehr als 20 hPa (minus) über Skandinavien,
die blockiert durch anormal hohen Bodendruck in der Nähe zum Nordpol lange Zeit
Bestand hatte, sodass wir von effektiver und anhaltender Zufuhr
frischer/modifizierter Polarluft „profitieren“ konnten.
Ausgehend von dem anormalen Geopotenzialfeld über Europa sorgten kräftige
Wellenflüsse über den Nahen Osten südost- bis ostwärts ausbreitend für ein stark
wellendes Strömungsfeld mit anormal hohem Geopotenzialaufbau über Asien. Dessen
blockierendes Residuum beeinflusst uns auch noch in dieser Mittelfrist durch
seinen hemmenden Einfluss für progressive Rossby-Wellenverlagerung. Wenn man so
will ärgern uns die Einflüsse der finalen Erwärmung also auch weiterhin (die so
nebenbei auch die Saisonalvorhersage regional teils erheblich
durcheinandergewirbelt haben).

Auch wenn sich der aktive Ast des Polarwirbels im Grenzbereich
Troposphäre/Stratosphäre nun zügig in Richtung Laptewsee/ostsibirisches Meer
verlagert, so bricht das dominierende Wellenmuster in diesem Niveau auch
weiterhin nicht auf. Immer wieder regeneriert sich ein Langwellentrog über
Osteuropa, während nun stromauf ein kräftiger Keil in Richtung
Nordwesteuropa/Spitzbergen aufgespannt wird. Wie auch schon seit dem 1.4. dauert
die gradientarme Lage (Geopotenzialfeld) über Europa weiter an mit deutlich zu
schwachen Zonalwinden z.B. in 200 hPa. Daher verwundert es auch nicht, dass wir
bei einer nordhemisphärischen Wellenzahl von k=3 bis 4 auch in Europa keine
große Progressivität der Wellen zu verzeichnen habe. Zwar nehmen nun die
Wellenflüsse von Nordamerika vorübergehend deutlich zu, das scheint aber nur
zeitnah in ein amplifizierteres Wellenmuster über dem Nordatlantik zu münden. In
der Folge ist dann jedoch wieder ein progressiveres Verhalten der Wellen über
dem Nordatlantik dank Amplitudenverkürzung zu erkennen, sodass die NAO
wenigstens nach den jüngsten Vorhersagen vorübergehend in den leicht positiven
Bereich zu rutschen scheint.

Was für uns in dieser Mittelfrist ebenfalls bedeutend wird ist eine
vorübergehende positive Geopotenzialbrücke zwischen der asiatischen (und sich
abschwächenden) Anomalie und einer sich aufbauenden kräftigen Anomalie vor den
Toren Skandinaviens/Nordwesteuropas. Diese Brücke besteht jedoch nur
vorübergehend.
Gestützt wird diese positive Anomalie durch das weiterhin stark wellende
Strömungsmuster über Europa sowie einem bis dato negativen PNA- Muster
(Pazifik-Nordamerika, PN), das solch eine Anomalieverteilung mit fördern kann.
Zudem befindet sich die MJO in Phase 6 zu 7 (grundsätzlich förderlich für solche
Blockierungsmuster), wobei dieser Einfluss jedoch in diesem Fall zu hinterfragen
ist, da die Oszillation vergleichsweise schwach ist und sich in den Westpazifik
bewegend immer weiter abschwächt. Dennoch ist sie momentan für eine kräftige
Taifun-Entwicklung vor den Philippinen mit verantwortlich, die später mit
imposanter außertropischer Umwandlung ebenfalls das pazifisch-nordamerikanische
Geopotenzialmuster mitgestalten wird.

Das Zeit-Längendiagramm stützt den Aufbau dieser blockierenden Anomalie über
Nordwesteuropa, die diese Mittelfrist maßgeblich beeinflussen wird. Durch den
beständigen Langwellentrog über Osteuropa und der Platzierung einer Antizyklone
im Bereich Westskandinavien/Nordwesteuropa besteht somit weiterhin die Gefahr,
dass Kaltluft bis weit nach Süden ausfließen kann. Dabei kann dank der stark
mäandrierenden Strömung die bereits weit nördlich befindliche polare Luftmasse
bis mindestens Nordeuropa advehiert werden – in welchem Ausmaß und mit welchen
Trajektorien bleibt abzuwarten und hängt von der genauen Entwicklung auf
synoptisch-skaliger Ebene ab.
Sehr stabil erscheint zudem die Blockierung vor den Toren Europas nicht, doch
deutet sich in der Folge eine sehr aufgeweichte Lage des Geopotenzialgradienten
über weiten Bereichen Europas an, sodass es nicht verwundern sollte, wenn man
gleich in die nächste Blockierungslage rutschen würde.

Somit erwartet uns eine warntechnisch sehr überschaubare Mittelfrist (Freitag,
den 15.4. bis Dienstag, den 19.4.).

Zum Beginn der Mittelfrist erfasst eine Kaltfront Deutschland, die mit Schauern
und etwas Stauniederschlag entlang der Alpen/des Erzgebirges einhergeht. Dabei
sinkt die Schneefallgrenze im Norden auf unter 1000 m, zum Samstag auf rund
600m, dann jedoch bei trockenen Verhältnisse.
Inwieweit die Kaltfront auch Südwestdeutschland tangiert bleibt noch abzuwarten

  • aus heutiger Sicht dominiert dort eher antizyklonaler Einfluss bei milden
    Bedingungen und auch am Alpenrand wird die Schneefallgrenze nur zögernd in
    Richtung 1200 m gedrückt.

Die postfrontal abgetrocknete und von einer kräftigen Bodenantizyklone
beeinflussten Luftmasse sorgt für ein insgesamt freundliches bis sonniges
Wochenende, wenngleich natürlich bei dieser modifizierten Polarluft und
effektiver nächtlicher Ausstrahlung erneut auf Luftfrost hingewiesen werden muss
(z.B. im Nordosten mit 15 bis 30% Wahrscheinlichkeit in der Nacht zum Samstag).
In der Nacht zum Sonntag/Montag droht sogar bodennah verbreitet leichter bis
regional mäßiger Frost.

Der Montag steht dann bereits im Zeichen des Abbaus der Antizyklone, sodass der
Tag von vielen Wolken dominiert sein dürfte, bevor zum Dienstag die erste
schwache „Kaltfrontpassage“ auf dem Programm steht.

Allerdings herrschen zum Wochenbeginn äußerst schwache Gradienten im
Geopotenzial über Mitteleuropa vor, sodass es sicherlich noch einige neue
Entwicklungen innerhalb der Numerik geben dürfte, je nachdem, wo welches
synoptische „feature“ dominiert.

Die Höchstwerte pendeln von Nordost nach Südwest/West durchweg zwischen 11 und
20 Grad. Dabei kühlt es im gesamten Osten stärker ab, als im Westen und
natürlich bleibt es dank auflandiger Komponente des Windes im Umfeld der Ostsee
am kältesten (vielleicht bei Hochnebel auch mal mit Höchstwerten von unter 10
Grad). Erst zum Ende der Mittelfrist gehen auch im Westen die Höchstwerte auf
rund 15 Grad zurück. Ein kleiner Hinweis: das MOSMIX wird momentan vor allem
durch IFS nach oben gedrückt, denn z.B. ICON sieht den Einfluss der Kaltfront im
Westen ausgeprägter mit Höchstwerten von unter 20 Grad.

Bei den Tiefstwerten wurde ja bereits die Luftfrostgefahr am Wochenende erwähnt,
während sonst die Tiefstwerte je nach Bewölkungsverteilung zwischen +8 und +2
Grad verweilen.

Der überwiegend aus Nord bis Nordost wehende schwache bis mäßige und stark dem
Tagesgang folgende Wind spielt warntechnisch keine Rolle.

Insgesamt verläuft die Mittelfrist recht trocken, sieht man von etwas
Niederschlag von Freitag auf Samstag (Kaltfrontpassage/Stau) und von Montag auf
Dienstag (erneute Kaltfrontpassage) ab. Warnwürdig fallen diese Niederschläge
nicht aus.

Von daher kann man diese Mittelfrist als insgesamt freundlich und leicht
wechselhaft zusammenfassen – jedoch auch hier auf die Luft-/ und
Bodenfrostgefahr als Hauptaugenmerk hinweisend.

In der erweiterten Mittelfrist sitzen wir zwischen den Stühlen, doch braucht man
auf diesen Abschnitt der Vorhersage noch nicht näher einzugehen – dafür sind die
Unsicherheiten einfach noch zu groß.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten 5 IFS-Läufe zeigen zunächst eine recht einheitliche Entwicklung,
wobei Deutschland im Einflussbereich eines Höhenkeils liegt. Flankiert wird
dieser von zwei Langwellentrögen.
Diese Tröge bzw. deren Platzierung werden ab Sonntag mit zunehmendem Spread
berechnet, sodass von da an die Unsicherheiten deutlich zunehmen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ein ähnliches und daher kurz zu umschreibendes Bild ergibt sich bei der
Durchschau der weiteren Globalmodelle. Zunächst beginnt die Mittelfrist recht
einheitlich ruhig unter dem Einflussbereich des Höhenkeils, bevor in der Folge
die Gradienten im Geopotenzialfeld aufweichen und die Vorhersageunsicherheit
deutlich erhöhen. Dominiert eher der Einfluss von Westen, oder kann auch der
Trog über Ost-/Südosteuropa ein Wörtchen bei unserer Wetterentwicklung mitreden?
Wir werden es sehen. Nach IFS würde in den jüngsten 5 Läufen tendenziell eher
„West-light“ die Oberhand gewinnen, während bei GFS in den letzten 5 Läufen mehr
oder weniger pro Lauf ein Wechsel der Gewichtung stattfand.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Innerhalb der Cluster beginnt während der Mittelfrist alles noch gesittet mit 3
Clustern und dem klimat. Regime „Blockierung“, wobei der Kontroll- und der det.
Lauf jeweils im zweiten Cluster zu finden sind. Trotz der Nähe zur Keilachse
ergeben sich doch nennenswerte Unterschiede bei der Frage der Wetteraktivität
der Kaltfrontpassage von Freitag zu Samstag. Im zweiten Cluster erfolgt diese
zügig, im ersten Cluster verzögert und markanter (eher ICON annähernd) und
tangiert Deutschland im 3. Cluster nur peripher. Die genaue Geometrieverteilung
der Keilachse entscheidet, wie weit der Trog nach Mitteleuropa vorstoßen kann
und wie effektiv die Kaltfront auch im Westen/Südwesten Deutschlands ausfällt.

In der Folge werden dann sechs Cluster mit demselben klimat. Regime und der
gleichen Clusterverteilung des Kontroll- und det. Laufes angeboten. Das große
Problem in dieser stark mäandrierenden Strömung ist die genaue Platzierung sowie
Geometrie des Keils, sodass die Lösungen teils bis in eine Hoch-über
Tief-Blockierung gehen. Wenigstes am Wochenende überwiegt aber in allen Clustern
der antizyklonale Einfluss über Deutschland, bevor in der Folge die
Unsicherheiten rasch zunehmen. Bei dieser Divergenz macht es noch keinen Sinn
sich auf eine Option näher einzuschießen. Schaut man sich zudem die obere
Troposphäre zu dem Zeitpunkt an, so deutet sich über Europa allgemein fallendes
Geopotenzial an, was aufgeweichte Geopotenzialgradienten und eine stark
mäandrierende Strömung zur Folge hätte, in der Tröge und abgeschlossene
Höhentiefs nur eine geringe Verlagerung aufweisen würden.

In den Meteogrammen ausgewählter Städte in Deutschland zeigt sich dieser Ablauf
wie folgt: kaum Temperaturvariabilität, jedoch mit tieferen Minima, nur geringen
Niederschlagsspitzen zum Beginn/Ende der Mittelfrist sowie
geringen/warnunkritischen Windverhältnissen. Die Rauchfahnen der 850 hPa
Temperatur und des Geopotenzials beginnen bereits ab dem Wochenende stark zu
streuen mit enormen Brandbreiten zum Ende der Mittelfrist. HRES und Kontrolllauf
liegen dabei mehr oder weniger recht mittig und steigen bei der 850 hPa
Temperatur zum Ende etwas in den oberen Wolkenbereich der Rauchfahne an.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Während dieser Mittelfrist ergeben sich keine nennenswerten Wahrscheinlichkeiten
für markante Wettererscheinungen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, MOSMIX, GEFS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy