S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Donnerstag, den 24.03.2022 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 24.03.2022 um 10.30 UTC
Ende der trockenen und sonnenscheinreichen Hochdrucklage. Übergang zu
Grenzwetterlage („Viererdruckfeld“) mit Kaltluft von Norden und Warmluft von
Süden.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 31.03.2022
Die heutige Mittelfristschicht begann am frühen Donnerstagmorgen mit der
ernüchternden Erkenntnis, dass der gestern eingeschlagene Prognosekurs so nicht
mehr zu halten ist. Spätestens mit Eintreffen des 00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) am
späteren Morgen war klar, dass es wohl (zunächst mal) nix wird mit der gestern
noch vollmundig prognostizierten Austrogung über Mitteleuropa respektive
Deutschland. Auch die damit einhergehende Advektion skandinavischer Kaltluft bis
runter an die Alpen scheint vom Tisch bzw. – ebenso wie die Austrogung – in die
erweiterte Mittelfrist verschoben. Was uns das Modell stattdessen kredenzt, ist
den nun folgenden Ausführungen zu entnehmen.
Zu Beginn der des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag liegt
Deutschland im Bereich eines Hochs mit Zentrum über UK (mittags etwas über 1030
hPa), das – wichtig für die weitere Entwicklung – Kontakt zu einem anderen Hoch
über Grönland pflegt. Ausgehend vom „UK-Hoch“ erstreckt sich eine langgezogene,
bis nach Südosteuropa reichende Hochdruckzone, die von einem überlagerten
Höhenrücken gestützt wird. Die Divergenzachse dieser Hochdruckzone verläuft
mitten über den Vorhersageraum, Tendenz langsam südwestwärts verlagernd.
Nördlich bzw. nordöstlich der Achse strömt mit nordwestlichem Wind etwas
feuchtere Luft von der Nordsee in den Norden und Osten sowie in Teile der Mitte,
in der mal mehr (vor allem am Vormittag), mal weniger (vor allem am Nachmittag)
tiefe Bewölkung am Start ist. Vielleicht reicht es im Mittelgebirgsraum für ein
paar Tropfen Nieselregen, meist bleibt es aber trocken. Das tut es auch nach
Süden und Südwesten hin, wo mit östlichem Wind weiterhin trocken-milde Luft
advehiert wird.
Zu Beginn der neuen Woche fängt die Großwetterlage an sich umzustellen. Zunächst
mal wird der Rücken sukzessive abgebaut und durch eine zunehmend zyklonal
konturierte westliche Höhenströmung ersetzt. Fast noch wichtiger als das ist
aber die Entwicklung im Bodendruckfeld, wo das „literarische Quartett“
zusammenkommt. Nee Quatsch, gemeint ist ein veritables Viererdruckfeld, das sich
so positioniert, dass bei uns Frontogenese in Gang gesetzt wird. Als
Protagonisten fungieren auf der einen (der nördlichen) Seite das Hoch über
Nordwesteuropa bzw. dem nahen Atlantik (Reste des „UK-Hochs“ plus Grönlandhoch)
sowie ein von Skandinavien nach Westrussland ziehendes Tief. Diese beiden
Systeme schleusen arktische Polarluft über das Nordmeer und Skandinavien gen
Süden, die bei uns aber nicht so ungehindert vorstoßen kann wie gestern noch
simuliert.
Womit wir bei den zwei anderen Hauptdarstellern dieser meteorologischen Show
wären. Ein Cut-Off-Tief über Südwesteuropa macht gemeinsame Sache mit hohem
Luftdruck über dem östlichen Mittelmeerraum, indem sie von Süden her milde bis
warme Luftmassen gen Norden verfrachten. Treffpunkt oder besser Treffraum der
Luftmassen sind Teile Mitteleuropas respektive Deutschland, wo es zu einer immer
weiter zunehmenden Drängung der Isothermen bis hin zur Bildung einer
schleifenden Luftmassengrenze kommt. Pickt man sich z.B. die
Temperaturverteilung auf 850 hPa am Mittwoch 00 UTC heraus, dann reicht die
Spanne von -7°C in Schleswig-Holstein bis +6°C im äußersten Süden und Südwesten
- ein mehr als respektabler Gradient, der von einer hohen Baroklinität zeugt.
Stellt sich also noch die Frage, was das Ganze wettermäßig zur Folge hat.
Grundsätzlich lässt sich konstatieren, dass die Wolkenanteile zunehmen und die
Zeiten von wolkenlosem Affenhochglanz wohl erstmal vorbei sind. Gab ja mehr als
genug davon im März. Niederschlagstechnisch wird vom Modell eine allmähliche
Steigerung gerechnet: am Montag nur Marginalien, am Dienstag schon etwas mehr
(Mitte/Süden, meist noch unter 10 l/m² innert 24 h), am Mittwoch im Süden und in
der Mitte Dauerregen, dabei gebietsweise 10 bis 15 l/m²/24h.
Zum Donnerstag hin nähert sich von West-Nordwesteuropa bzw. dem nahen Atlantik
ein Höhentrog, auf dessen Vorderseite die Bildung eines Tiefs an der
Luftmassengrenze gefördert wird. Es kommt zu weiteren Niederschlägen, die nun
auch weiter nach Norden und Nordwesten ausgreifen und in den höheren Lagen der
nördlich gelegenen Mittelgebirge durchaus als Schnee oder mit Schnee vermischt
fallen können.
Im weiteren Verlauf (erweiterte Mittelfrist) schwenkt der Höhentrog von West
nach Ost bei uns durch. Die Luftmassengrenze wird als Kaltfront nach Südosten
„abgeschoben“ und es setzt sich überall (vorübergehend?) polare Kaltluft durch
(T850 am Samstag 00 UTC -7 bis -10°C), die zum Wochenende unter
Hochdruckeinfluss gelangt.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des IFS (ECMF) ist heute nicht gut. So wurde die Idee,
Mitteleuropa respektive Deutschland in der nächsten Woche mit einem
nordeuropäischen Höhentrog und polarer Kaltluft zu beehren, weitgehend verworfen
bzw. nach hinten (in die erweiterte Mittelfrist) verschoben. Insbesondere die
progressive Variante des gestrigen 00-UTC-Laufs ist wohl deutlich über das Ziel
hinausgeschossen, worauf auch der Verfasser – mea culpa – ein Stück weit
hereingefallen ist (zur Ehrenrettung sei hier aber notiert, dass besagter Lauf
von den Ensembles kräftig supportet wurde). Nicht nur aus Konsistenzgründen,
sondern auch aufgrund von Modellunterschieden ist die mittelfristige
Wetterprognose mit einigen Unsicherheiten behaftet.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Was allerdings etwas Sicherheit gibt ist die Tatsache, dass GFS über weite
Strecken des Vorhersagezeitraums eine dem IFS sehr ähnliche Performance an den
Tag legt. Das trifft sowohl auf die Basisfelder als auch auf die
Niederschlagsprognose zu. Bei ICON beispielweise wird zwar ebenfalls ein
Viererdruckfeld offeriert, allerdings kommt dabei die Kaltluft zu Beginn etwas
weiter nach Süden voran. Entsprechend wird auch der Hautniederschlag weiter
südlich bzw. insgesamt weniger Niederschlag gerechnet. Darüber hinaus beginnt
der o.e. Höhentrog genau wie beim kanadischen GEM schon am Mittwoch auf
Deutschland überzugreifen. Vorher passt GEM aber ganz gut zu IFS und GFS.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen ab dem kommenden
Montag allesamt einen Potenzialrückgang bei einer sich nur leicht öffnenden
Spreizung der einzelnen Ensembles. Mit anderen Worten, der Abbau des zuvor
wetterbestimmenden Höhenrückens ist ausgemachte Sache. Nach unten geht es auch
bei der Temperatur auf 850 hPa, allerdings um Einiges differenzierter als beim
Geopotenzial. So ist nicht nur die Streuung größer, auch lassen sich regional
unterschiedliche Zeitpunkte der beginnenden Abkühlung detektieren. Im Norden
geht es eindeutig schon am Montag los, im Süden hingegen erst am Mittwoch, teils
sogar erst am Donnerstag. Das sah gestern noch anders aus. Unterschiede weist
auch die Niederschlagsverteilung auf, die im Süden und in der Mitte teilweise
schon ab Dienstag zwar nicht überbordende, wohl aber mäßige Signale auf der
Karte hat. Dagegen bleiben die Peaks im Norden zunächst relativ flach, bevor sie
in der zweiten Wochenhälfte mit Trogdurchgang etwas aufflackern.
Dass auch das Ensemble ins Grübeln gekommen ist, belegt die Tatsache, dass sich
EPS von der gestern noch dargebotenen Monoclusterung (in allen drei relevanten
Zeiträumen jeweils nur ein einziger Cluster) zumindest teilweise verabschiedet
hat. Es geht los mit T+72…96h (Sonntag bis Montag), der vier Cluster im Angebot
hat. Für unseren Raum lassen sich Unschärfen beim Abbau der Hochdruckzone
erkennen (mal etwas schneller, mal etwas langsamer), die Grundmuster sind aber
sehr ähnlich.
Ab Dienstag (T+120…168h) verringert sich die Clusteranzahl auf zwei (32 Fälle +
HL/KL, 19). Während CL1 weitgehend die Strukturen des Hauptlaufs und zum Ende
hin ein Durchsetzen der Kaltluft zeigt, möchte CL2 nichts von der beginnenden
Trogpassage zum Donnerstag hin wissen. Stattdessen werden der wärmeren Luft von
Süden her größere Chancen eingeräumt.
Für den Zeitraum Freitag bis Sonntag (T+192…240h) liegt dann nur noch ein
Cluster vor. Es zeigt über dem Ostatlantik eine High-over-Low-Konstellation (=>
NAO negativ), gleichwohl bei uns aber die Passage eines hochreichenden Tiefs.
FAZIT: Das Ende der Hochdrucklage ist unstrittig. Details zur Bildung und
Positionierung der o.e. Luftmassengrenze sind ebenso noch offen wie die Frage,
ob nach hinten raus „kalt“ oder „warm“ gewinnt.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Obwohl sich der synoptische Verlauf gegenüber den gestrigen Ausführungen
geändert hat, bleibt bei der Bewertung signifikanter Wettererscheinungen alles
beim Alten. Sprich, trotz Wetterwechsel deuten sich aus heutiger Sicht keine
wirklich nennenswerten Ereignisse an. Es wäre schön, wenn der von den Modellen
apostrophierte Niederschlag auch tatsächlich fallen würde. Was bleibt ist die
leichte Sturmgefahr (8 Bft aus West bis Nordwest) an der Ostsee sowie an der
nordfriesischen Küste in der Nacht zum und am Montag selbst.
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit MOS-ECMF und IFS-EPS sowie einer Prise ureigenen Instinkts des
Verfassers.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann