S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 23.03.2022 um 10.30 UTC

Anfangs noch Hochdruckeinfluss und (vor)frühlingshaft mild. In der nächsten
Woche dann kühler und wechselhafter.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 30.03.2022

Bereits ein erster flüchtiger Blick in den frühen Morgenstunden auf die ersten
Wettermodelle ließ trotz halbtrüber Nachtaugen keine Zweifel aufkommen: Nächste
Woche tut sich was in der Atmosphäre. Obwohl seit Kurzem nun auch kalendarisch
der Frühling Einzug gehalten hat – meteorologisch ist das ja schon seit dem 1.
März der Fall -, scheint das beim Wetter noch nicht angekommen. Oder mit anderen
Worten, jetzt, wo kaum noch jemand Interesse daran hat, klopft von Nordeuropa
her nochmal der Winter bei uns an. Wie nachhaltig die ganze Sache wird und ob
das ganze Land betroffen sein wird, ist noch unsicher. Auf Basis des neuesten
00-UTC-Laufs von IFS (ECMF) stellt sich die Entwicklung wie folgt dar.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Samstag befinden
sich weite Teile des Vorhersageraums noch unter Hochdruckeinfluss. Das
hochreichende Zentrum des Hochs liegt über UK/Irland, wo aus sich ein kräftiger
Keil respektive eine Bodenhochdruckzone weit nach Südosten erstrecken und damit
auch Deutschland überdecken. Einzig der äußerste Norden und Nordosten werden von
einer Austrogung über dem Osten Fennoskandiens bzw. der schwachen Kaltfront
eines Tiefs über Nordwestrussland touchiert.

Am Sonntag verlagert sich die Divergenzachse des Keils bzw. der Hochdruckzone
langsam südwestwärts, während ausgehend von der Ostgrönlandsee über dem
Europäischen Nordmeer eine weitere Austrogung einsetzt. Korrespondierend dazu
entwickelt sich vor der norwegischen Westküste ein Tief, das die dortigen
Gebirge zügig ost-südostwärts überquert und zum Datumswechsel knapp nördlich von
Gotland aufschlägt. Die zugehörige Kaltfront greift in der Nacht zum Montag bei
gleichzeitig auffrischendem westlichen Wind auf Norddeutschland über, bevor sie
tagsüber mit leichtem Regen den großen Rest des Landes südwärts überquert und
schlussendlich die Alpen erreicht. In der rückseitig einfließenden, nicht
überbordend feuchten arktischen Polarluft (die neue Luftmasse kommt auf direktem
Weg zu uns) geht die 850-hPa-Temperatur auf rund 0°C im äußersten Süden und bis
zu -10°C! zwischen Rügen und Uckermark zurück.
Da sich die über dem Nordmeer angefangene Austrogung schwerpunktmäßig über dem
östlichen Mitteleuropa fortsetzt, wird zunächst lediglich der Nordosten mit
„echter“ Höhenkaltluft beköstigt, wobei 500-hPa-Temperaturen zwischen
-35 und -40°C schon eine echte Hausnummer darstellen. Unter Zuhilfenahme eines
von Jütland süd-südostwärts vorstoßenden Bodentrogs werden im Norden und Osten
Schauer generiert, die bis ganz runter als Schnee oder Graupel fallen können.
Und auch an den Alpen, wo sich vorübergehend eine schwache Staulage einstellt,
sinkt die Schneefallgrenze immer weiter ab.

Bis Mittwoch wird der inzwischen als lange Welle durchgehende Trog durch einen
in die Rückseite laufenden Kurzwellenanteil regeneriert. Dabei kann die
Höhenkaltluft noch weiter nach Südwesten vorankommen, lediglich der Süd- und
Südwestdeutschland bleiben davon einigermaßen verschont (dort am Mittwoch 12 UTC
T500 > -30°C bei T850 zwischen -5 und -8°C). Als Konsequenz ergibt sich ein
wechselhafter und kühler Wettercharakter mit Regen-, Graupel- und
Schneeschauern, deren Präsenz im Süden am geringsten ist. Außerdem hält sich die
Intensität der Schauer aufgrund eines vom nahen Atlantik sich ausweitenden
Bodenhochkeils sowie des weiterhin limitierten Wasserdampfgehalts der Luftmasse
in Grenzen. Je nach Bewölkung schlägt das Damoklesschwert „Nachtfrost“ immer mal
wieder zu.

Trend für die erweiterte Mittelfrist bis Samstag: Nur langsamer Abbau des
Höhentrogs, dabei vor allem im Norden Andauer des wechselhaften Wetters mit
zeitweiligem Niederschlag. Von Süden her nur sehr gemächlich milder.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann als gut bezeichnet werden. Demnach bestätigt
der neueste Lauf von heute 00 UTC die Ideen seiner Vorläufer, wonach es in der
kommenden Woche von Skandinavien her kälter und wechselhafter wird. Im Vergleich
zu den gestrigen Prognosen liegen der akkumulierte Niederschlag etwas höher und
die Temperaturen etwas niedriger, ohne dass aber von einer signifikanten
Abweichung gesprochen werden kann. Oder anders ausgedrückt, der apostrophierte
Niederschlag (der übrigens nicht nur in flüssiger Form fallen dürfte) wird nicht
annähernd reichen, das große Märzdefizit auszugleichen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Keine Frage, von den an dieser Stelle üblicherweise auf dem Prüfstand stehenden
Globalmodellen nimmt IFS – bezogen auf den Kaltlufteinbruch in der kommenden
Woche – die progressivste Rolle ein. Sprich, Austrogung und hochreichende
Abkühlung kommen in der IFS-Variante am weitesten nach Süden voran. ICON und GFS
zeigen sich etwas zurückhaltender und belassen die höhenkalte Luft weitgehend
über Norddeutschland. Noch wärmer, dazu deutlich antizyklonaler agieren das
kanadische GEM sowie das Modell des britischen Wetterdienstes (UKMO). Von daher
gilt es aus rein deterministischer Sicht noch ein paar Fragezeichen zu tilgen,
wobei Austrogung über Nordeuropa unstrittig ist. Unklar ist aber, wie viel wir
davon abbekommen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Zieht man die Ensembleprognosen von IFS-EPS hinzu, deutet ziemlich viel auf
Austrogung und Abkühlung hin. Die Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte
zeigen ab Sonntag (im Süden mit leichter Verzögerung) durch die Bank weg einen
Potenzialrückgang, wenn auch mit zunehmender Streuung. Der Potenzialverlust ist
unter diesem Aspekt also sicher, die Intensität freilich noch nicht. Interessant
auch die Temperaturkurven, die bis einschließlich Sonntag ziemlich eng
verlaufen. Danach wird der Spread zwar deutlich größer, das Gros der Ensembles
zeigt aber eine deutliche Abkühlung. Mit Ausnahme der süddeutschen Stationen
lässt sich ein sehr gut definierter Ast finden, der – je nach Region – zwischen
-5 und -10°C auf 850 hPa verläuft. Begleitet werden Temperatur- und
Potenzialrückgang von am Montag (im Norden und Nordosten schon etwas eher)
einsetzenden, überwiegend leichten Niederschlagspeaks, die übrigens auch im
Süden und Südwesten auftreten. Vor dem Hintergrund, dass GFS-EPS sehr ähnliche
Rauchfahnen liefert, scheint hier ein starker Support für die in Kapitel 1
beschriebene Entwicklung (oder zumindest sehr ähnlich) vorzuliegen.

Dafür spricht übrigens auch die Clusterung von IFS-EPS, die – was selten ist –
für die drei Zeiträume T+72…96h, T+120…168h und T+192…240h jeweils nur eine
einzige Schublade aufmacht (Übergang von „Blockierung“ hin zu „Atlantischer
Rücken“).

FAZIT: Aufgrund der signifikanten probabilistischen Unterstützung deutet Vieles
auf den Hauptlauf respektive ein ähnliches Szenario hin. Damit bleibt man
abgesehen von kleineren Anpassungen auch auf Linie der gestrigen Vorhersage.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Trotz Änderung, in puncto „signifikante Wettererscheinungen“ ist nur wenig
herauszuholen. Okay, es besteht weiterhin Nachtfrostgefahr, außerdem kann es
auch mal bis ganz runter schneien bzw. graupeln. Die Überschreitung markanter
Warnschwellen dürfte damit aber kaum verbunden sein.
Auch beim Wind geht wahrscheinlich nicht viel. Am ehesten frischt der
West-Nordwestwind ab der Nacht zum Montag an der Ostsee sowie an der
nordfriesischen Küste mitunter stürmisch auf (Böen 8 Bft, Sturmböen 9 Bft eher
unwahrscheinlich).

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit leichter Temperaturkorrektur nach unten durch MOS-ECMF bzw.
ECMF-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann