S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 01.03.2022 um 10.30 UTC

Weitgehend hochdruckbestimmtes Wetter mit leichten Unsicherheiten. Eher
unterdurchschnittliche Temperaturen mit Nachfrost, wahrscheinlich nur wenig oder
kein Niederschlag.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 08.03.2022

Das erste Mittelfristbulletin im meteorologischen Frühling 2022, was für eine
Ehre. Ob Numerik und Atmosphäre auch auf Frühling getrimmt sind, lest ihr im
Folgenden.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Freitag befindet
sich Deutschland unter einem relativ schmalen Höhenrücken, der von Frankreich
bis nach Skandinavien reicht. Dort stützt er ein Bodenhoch mit Zentrum über
Südschweden, auf dessen Südflanke von Osten her relativ frische, teils
hochnebelaffine Kontinentalluft advehiert wird (T850 am Abend im Westen um oder
etwas unter 0°C, im äußersten Osten um -8°C).

Im Laufe des Wochenendes begibt sich der Rücken im Uhrzeigersinn in eine zonale
Stellung, bevor er sich bis Montag weitgehend auflöst. Bis dahin hat sich über
dem nahen Atlantik aber schon der nächste Rücken aufgebaut, der – gemeinsam mit
einem neuen Bodenhoch (Zentrum am Sonntagmittag mit etwas über 1030 hPa
Schottland/westliche Nordsee) – ebenfalls Interesse an der hiesigen
Wetterentwicklung zeigt. Dabei muss er sich mit einem von Skandinavien südwärts
vorstoßenden Randtrog auseinandersetzen, der Verbindung zu einem Höhentief über
der nördlichen Adria aufnimmt. Insgesamt bleibt das Wochenende weitgehend
antizyklonal geprägt, auch wenn es tendenziell wolkiger wird. Niederschlag fällt
nach Lesart von IFS nicht und wärmer wird es bei andauerndem östlichen Wind auch
nicht.

Am Montag und Dienstag schiebt sich der atlantische Rücken etwas dichter an den
Vorhersageraum heran. Trotzdem verbleiben wir in seinem Randbereich unter einer
nord-nordöstlichen Höhenströmung, die aufgrund der Nähe zu einem Höhentrog über
dem östlichen Mitteleuropa sogar zunehmend zyklonal konturiert ist. Das
Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt via Südskandinavien gen Baltikum bzw.
Karelien, so dass die östlichen Bodenwinde andauern. Tendenziell wird dabei
etwas feuchtere, aber weiterhin recht kalte Luft herangeführt (T850 am Dienstag
in weiten Teilen der Osthälfte um -9°C), in der es im Osten und Südosten
mitunter sogar etwas schneien oder regnen/nieseln kann.

Trend für die erweiterte Mittelfrist bis Freitag: Zentraltief Ostatlantik,
kräftiges Hoch östliches Mitteleuropa => auf Südost drehende Anströmung. Meist
trocken, zögerlich milder.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des IFS-Modells vom ECMF ist aktuell nicht gerade berauschend.
Ausgehend von der derzeitigen Hochdrucklage scheint die Numerik noch
unentschlossen, ob sie weiter auf antizyklonal setzen soll oder – so die Lesart
der gestrigen Läufe – zumindest zeitweise auch mal Tiefdruckgebieten und ihren
Ausläufern eine Chance gibt. Heute sieht es überwiegend nach Hochdruckeinfluss
aus, wobei, auch unter Berücksichtigung anderer Globalmodelle, folgende
Kernaussagen zur Mittelfristprognose getroffen werden können:

Relativ niederschlagsarm, am ehesten im Osten und Süden etwas Regen oder Schnee.

Für die erste Märzdekade tendenziell leicht unterdurchschnittliche
Tagestemperaturen und erhöhte Nachtfrostgefahr.

Hauptwindrichtung Nord bis Ost mit Schwerpunkt Ost.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die anderen Globalmodelle haben hinsichtlich der detaillierten Entwicklung zwar
alle ihren eigenen Willen, was menschlich ist. Im Großen und Ganzen verfolgen
sie aber ähnliche Ideen: überwiegend östliche Grundströmung, verhaltene
Temperaturen mit Nachtfrost, relativ wenig, regionsweise sogar überhaupt kein
Niederschlag – kennen wir, haben wir schon mal gelesen.
Apropos, den meisten Niederschlag (und zwar weitgehend als Schnee) ab Sonntag
simuliert GFS, insbesondere im Süden. Grund dafür ist eine stärkere
Einflussnahme des weit nach Westen ausgreifenden Höhentiefs über der Adria. Dem
gegenüber sieht ICON Deutschland bis nächsten Dienstag weitgehend trocken
aufgestellt und gibt sich auch bei der Temperatur milder als der Rest des
Quintetts (IFS, GFS, GEM, UKMO).

Bewertung der Ensemblevorhersagen

RAUCHFAHNEN (IFS-EPS):
Der Temperaturverlauf für mehrere deutsche Städte zeigt mit zunehmenden
Prognosehorizont eine kontinuierliche Spreizung der Kurven. Richtig warme
Lösungen sind allerdings nicht dabei, nur vereinzelt wird die +5°C-Isotherme auf
850 hPa touchiert. Das Gros der Ensembles liegt über weite Strecken der
kommenden Woche zwischen -5 und 0°C (Westen/Südwesten), im Osten etwas darunter.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Einzellösungen ab nächsten Dienstag sogar
gen -15°C konvergieren. Nicht gerade das wahrscheinlichste Szenario, aber es
würde den Verfasser nicht wundern, wenn jetzt, wo kaum einer den Winter mehr
haben möchte, Attacke geblasen wird.

Beim Geopotenzial stellt sich der Kurvenverlauf etwas anders dar: kaum Spread
bis inkl. Samstag, danach eine beginnende asymmetrische Spreizung. Heißt, die
meisten Lösungen setzen auf ein andauernd hohes Potenzialniveau um oder etwas
unter 560 gpdm, während eine Minderheit teils deutlich nach unten driftet
(vereinzelt bis 520 gpdm). Diese Minderheit zeichnet auch für die schwachen
Niederschlagspeaks verantwortlich, die im Wesentlichen ab Sonntag auf der
Zeitleiste geplottet werden.

CLUSTER (IFS-EPS):
Interessant wird es von Sonntag bis Dienstag (T+120…168h), wo genau drei Cluster
angeboten werden (22 Fälle + KL, 16 + HL, 13), die allesamt dem Klimaregime
„Blockierung“ zugeordnet sind. Die Unterschiede liegen in der vom nahen Atlantik
ausgehenden Neuausrichtung des Höhenrückens respektive dessen Nachhaltigkeit.
CL1 lässt diesbezüglich am wenigsten anbrennen, sprich, für unseren Raum
überwiegt eindeutig Hochdruckeinfluss. Bei CL2 gelangen zumindest der Osten und
Süden – wie bereits weiter oben geschildert – in den Randbereich zyklonaler
Systeme über Süd- und dem östlichen Mitteleuropa. Am zyklonalsten aber ist CL3
aufgestellt, wo der Rücken von Osten her von einem Trog und ziemlich kalter Luft
regelrecht „durchbohrt“ wird (=> abgeschlossene Höhenantizyklone über
Skandinavien, high-over-low-ähnlich).

Ab Mittwoch (T+192…240h) werden die Unterschiede noch größer. Denkbar ist eine
Fortdauer der Blockierung mit einem Rücken über West-/Mitteleuropa, was von 16
Ensembles plus HL favorisiert wird (CL3). Auf die gleiche Anzahl plus KL kommt
CL2, der in Richtung „NAO positiv“ und zyklonaler Südwestlage tendiert. CL1 mit
19 Fällen sieht das Regime „NAO negativ“ vorn mit einem Hoch im Raum
Finnland/Baltikum vs. Tiefs über dem nahen Atlantik (=> südöstliche Anströmung).

FAZIT:
Dass in den nächsten Tagen bzw. in der kommenden Woche nicht das große
Frühlingserwachen einsetzt, scheint sicher. Offen bleibt, ob sich das Wetter
eher hochdruckbestimmt gibt (was Deterministik und Probabilistik mehrheitlich so
sehen) oder ob nicht doch zyklonale Einflüsse langsam die Oberhand gewinnen.
Möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich ist natürlich auch ein „teils, teils“.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Was signifikante Wettererscheinungen angeht, scheint das Pulver erst mal
verschossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit IFS-MOS. Wegen der allein von ICON vor allem Anfang kommender Woche
simulierten höheren Temperaturen kein MOS-Mix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann