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SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.11.2021 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Troglage mit nasskalter, im Bergland winterlicher Witterung.
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … wird die großräumige Potenzialverteilung im Wesentlichen von zwei
Global Playern aus der Langwellenliga bestimmt. So steht einem fetten und
breiten Rücken über dem Ostatlantik ein vom Nordpolarmeer bis inzwischen an die
Küste Nordwestafrikas reichender Trog gegenüber. Während der Rücken nur
mittelbar am Wettergeschehen beteiligt ist (was auch erklärt, warum das
korrespondierende Bodenhoch mit immerhin über 1040 hPa im Zentrum (dynamisch
erzeugt!) von der FU Berlin keinen Namen bekommen hat), legt sich der Trog
ordentlich ins Zeug und wird zum ständigen Begleiter der nächsten Tage. Nun ist
so ein Trog ein recht klobiges, mit reichlich Kaltluft angefülltes Gebilde, in
dem die kleineren Elemente die „Musikke“ machen, und so müssen auch wir uns
umschauen, wo ein solches, für uns relevantes Element sein Unwesen treibt.
Beim Blick auf die nicht allzu weit entfernte Nordsee ist die Antwort schnell
gefunden. Kein Geringerer als ANDREAS hat sich dort eingefunden und man macht
keinen Fehler, ihn als veritables Sturmtief zu bezeichnen. Heute Nachmittag 15
UTC konnte ohne fremde Hilfe und sehr gut belegt eine 975-hPa-Kernisobare über
dem Seegebiet Forties analysiert werden, wobei sich das Tief mit
quasisenkrechter Achse aber schon sehr weit in die mittlere Troposphäre gebohrt
hat – ein Indiz dafür, dass ANDIs Karrierehöhepunkt erreicht ist. Der Hauptsturm
findet übrigens auf der Westflanke des Tiefs im Bereich der größten
Luftdruckgegensätze statt, während der Wind bei uns in Teilen zwar spürbar, aber
doch erheblich abgeschwächt auf den Plan tritt. Aus südlichen Richtungen kommend
erreicht der Wind mit Hilfe eines Low-Level-Maximums (925 hPa bis zu 35 Kt)
heute Abend bis in die Nacht zum Samstag im äußersten Westen und Südwesten, an
der Nordsee sowie in einigen Hochlagen der zentralen und nördlichen
Mittelgebirge Böen der Stärke 7 Bft, im höheren Bergland und auf den Inseln
(plus schleswig-holsteinische Nordseeküste) 8-9 Bft. Vor dem Hintergrund der
Tatsache, dass sich ANDREAS auf seinem nächtlichen Weg zur südwestlichen Nordsee
um rund 10 hPa auffüllt (bei gleichzeitiger Teiltiefkernbildung weiter östlich
=> Dipolstruktur und Winddrehung an der Nordsee auf Ost bis Südost), schwächt
sich der Wind bis zum Morgen schon wieder ab, lediglich in einigen Hochlagen
bleibt er in Böen noch steif bis stürmisch unterwegs.
Fast wichtiger als der doch eher moderate Wind ist das, was sich auf dem
Niederschlagssektor so abspielt. Da gilt es zunächst zu konstatieren, dass die
anfänglich noch auftretenden leichten Schneefälle in Südostbayern (die übrigens
auf das transalpine Wirken des Mittelmeertiefs YILMAZ zurückgehen) alsbald
aufhören. Dafür breiten sich von Westen her schauerartig verstärke Niederschläge
allmählich ostwärts bis in die Mitte aus, angetrieben von einem zunehmend
okkludierenden Frontensystem sowie PVA auf der diffluenten Vorderseite des
Höhentiefs. In der einfließenden polaren Meeresluft (die allerdings einen großen
Bogen um das Tief herum schlagen muss) etabliert sich die 850-hPa-Tempertur bei
Werten um -3°C, was bei nur schwacher bis mäßiger Durchmischung Schneefall
oberhalb von 200 bis 300 m bedeutet. Während in den unteren Lagen nur eine
geringe bis keine Neuschneeauflage sowie Schneematsch zu erwarten ist, reicht es
oberhalb etwa 400 m für 1 bis 5 cm, punktuell mit Stauunterstützung rund 10 cm,
was man durchaus als erste Einwinterung titulieren kann. Ansonsten bleibt nur
noch zu sagen, dass die Temperatur – sofern sie es nicht schon getan hat – im
Osten und Süden sowie in Teilen der Mitte (Bergland) – trotz vieler Wolken in
den leichten Frostbereich zurückgeht.
Samstag … weitet sich der LW-Trog noch etwas weiter nach Süden aus, während
sich gleichzeitig seine Längsachse minimal gen Osten verlagert. Das
Hauptdrehzentrum rutscht unweit der Grenze zu Benelux nach Süden, was auch für
das korrespondierende Bodentief ANDREAS, da sich am Abend mir rund 990 hPa über
Nordostfrankreich wiederfindet. Derweil macht es sich das o.e. Teiltief mit
ebenfalls rund 990 hPa im Kernbereich über der Deutschen Bucht respektive den
Seegebieten Humber und Dogger bequem (die genaue Position bzw. Konfiguration
dieses Tiefs steht noch nicht fest). Wie auch immer, wichtig ist, dass sich in
ganz Deutschland labil geschichtete maritime Polarluft durchsetzt (T850 -2 bis
-5°C, T500 -30 bis -35°C, nur in Südostbayern noch etwas wärmer), in der es zu
schauerartigen Niederschlägen meist seichter Intensität kommt. Dynamische
Impulse fehlen weitestgehend, so dass der Antrieb im Wesentlichen aus der
Labilität kommen muss. Unter dem Strich akkumulieren sich die Niederschläge über
12 h auf rund 1 l/m² oder sogar noch etwas weniger. Dabei steigt die
Schneefallgrenze auf rund 400 m, wo man aber mit einer Glättewarnung auskommen
sollte. Im Nordosten allerdings, wo mit südöstlichem Wind nicht-maritime
Kaltluft angesaugt wird, könnte es gebietsweise auch mal bis ganz runter nass
schneien.
Eine Ausnahme gibt es allerdings, und die ist morgen ganz im Süden an den Alpen
sowie im südlichen Alpenvorland zu finden. Dort macht sich auf der diffluenten
Südostflanke des sich amplifizierenden Tiefs ein PVA-Maximum bemerkbar, das im
Tagesverlauf für etwas synoptisch-skalige Hebung sorgt. Die Folge sind
Schneefälle bis ganz runter, wobei die Neuschneeauflage bis zum Abend zwischen 1
und 3 cm, lokal um 5 cm beträgt.
Die Sonne hat es angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen mehr als schwer,
nennenswerte Akzente zu setzen. Immerhin könnte es für ein gewisses Quantum an
kompensatorischem Absinken zwischen den beiden Tiefs reichen, was in einige
Auflockerungen mündet. Laut MOS-Mix, teils aber auch den deterministischen
Prognosen, ist dafür vor allem ein von NRW bis hinüber nach Sachsen bzw. in die
Lausitz reichender Korridor. Einen großen Beitrag zu Tageserwärmung werden die
Lücken nicht beitragen, mehr als 1 bis 6°C sind morgen nicht drin. Im höheren
Bergland herrscht leichter Dauerfrost. Noch ein Satz zum Wind, der keine große
Rolle spielen wird. Ein paar stürmische Böen um Süd im Hochschwarzwald und
anfangs auf dem Brocken sowie ein flotter Ostwind auf der Nordsee
(wahrscheinlich unterhalb der Warnschwelle), das war´s.
In der Nacht zum Sonntag verlagert sich der Höhentrog noch etwas weiter nach
Osten. Parallel dazu verschiebt sich das Tief über der Nordsee etwas
landeinwärts (Jütland, Norddeutschland, Niederlande? – noch gewisse Unschärfen),
während vom ursprünglichen Kraftprotz ANDREAS über Frankreich nicht mehr viel
übrigbleibt. Im Norden kommt es zu zeitweiligen Niederschlägen (wahrscheinlich
unter 5 l/m² innert 12 h), die bei T850 um -5°C und geringer Durchmischung bis
ganz runter als nasser Schnee fallen können. Allerdings könnte die genaue
Positionierung des Tiefkerns (bzw. der Kerne) und der daraus resultierende Wind
zum Zünglein an der Waage hinsichtlich der Niederschlagsphase werden. Je
maritimer geprägt die Windrichtung, desto weniger wahrscheinlich die feste
Phase.
Im großen Rest des Landes machen die Schauer tagesgangbedingt eine Pause, nur
vereinzelt kommt es noch zu Schnee-, Regen- oder Schneeregenschauern. Die
Ausnahme liegt einmal mehr im Süden und Südosten Bayerns, wo sich zum einen die
Reste vom Tagesschneefall halten, zum anderen ein kleiner Zusatzimpuls von einer
einsetzenden Zyklogenese über dem Ostalpenraum greift. Am Alpenrand sowie von
Chiemgau bis hoch zum Bayerischen Wald werden 1 bis 5 cm, in den Berchtesgadener
Alpen vielleicht um 10 cm Neuschnee anvisiert. Mit Ausnahme des äußersten
Nordens geht die Temperatur in den leichten Frostbereich zurück, wobei in
einigen Tieflagen (z.B. Rheinschiene) ebenfalls eine paar frostfreie „Inseln“
übrigbleiben. Streckenweise besteht Glättegefahr durch gefrierende Nässe.
Sonntag … verbringen wir den ersten Advent unter dem mit polarer Kaltluft
angefüllten Höhentrog, was einer Fortsetzung der unbeständigen und vielfach
nasskalten Witterung gleichkommt. Wie so häufig bei vergleichbaren Troglagen
eiern verschiedene Drehzentrum im inneren Bereich mitunter etwas
orientierungslos umher, was auch von den mittlerweile gut performenden Modellen
nicht vollständig in den Griff zu kriegen ist. Immerhin herrscht inzwischen
soweit Einigkeit, das am Sonntag zwei solcher Tiefs für den Vorhersageraum
verantwortlich zeichnen. Bei dem einen handelt es sich um das o.e. ehemalige
Teiltief, das im Bereich Jütland und nähere Umgebung Advent feiert. Es lenkt auf
inzwischen relativ direktem Wege etwas kältere polare Meeresluft nach
Deutschland (T850 um -6°C), in der es gebietsweise bis ganz runter schneit. Im
Norden und Westen, wo die maritime Komponente am größten ist, fällt teilweise
Regen oder Schneeregen. In Lagen oberhalb etwa 300 bis 400 m können über den Tag
1 bis 5 cm Neuschnee zusammenkommen, wobei es hinsichtlich der genauen
Positionierung noch ein paar Fragezeichen gibt.
Die gibt es übrigens auch in den östlichen Landesteilen, womit wir bei Tief
Numero zwo wären. Dieses löst sich aus den Ostalpen heraus, von wo aus es auf
Vb-artiger Bahn in Richtung Polen zieht. Dass so eine Entwicklung ansteht,
dürfte mittlerweile klar sein, nachdem es da gestern Morgen noch erhebliche
Zweifel gab (nur IFS hatte diese Idee). Die Frage ist nur, wie genau verläuft
die Zugbahn? Je weiter im Westen, desto stärker der Einfluss auf unseren
Bereich. Gerade eben ist der neueste Lauf von GFS erschienen, der gegenüber den
Vorläufen einen deutlichen Ruck nach Osten anzeigt, so dass die Regionen
zwischen Erzgebirge und Ostsee gar nicht mehr von irgendwelchen Niederschlägen
betroffen wären. In die gleiche Kerbe schlägt übrigens IFS (00 UTC), während
ICON von 12 UTC wenigstens die Lausitz mit etwas Schnee oder Schneeregen
bedenkt. Aufgrund der mit Verlaub eher bescheidenden Modellkonsistenz scheint
das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.
Offen ist derzeit auch noch die Windentwicklung an der Nordsee, die natürlich
von der genauen Lage des Tiefs abhängt. Laut ICON könnten am Nachmittag und
Abend zumindest die Ostfriesischen Inseln nebst Küste von Böen 7-8 Bft aus
Nordwest bis Nord heimgesucht werden. Weniger fraglich ist die Spanne der
Höchsttemperatur, die zwischen 1 und 5°C, im mittleren Bergland um 0°C und
weiter oben im Dauerfrostbereich zu verorten ist.
In der Nacht zum Montag zieht das „Vb-Tief“ zur südöstlichen Ostsee, von wo aus
es mit dem weiter westlich liegenden Tief fusioniert. Heraus kommt eine
rinnenartige Struktur, die sich genau über Norddeutschland legt. In dieser Rinne
fällt der eine oder andere Regen- oder Schneeschauer, teils klart es aber auch
mal auf, was Nebelfelder nach sich zieht. Mehr Niederschlag als im Norden kommt
allerdings südlich der Rinne runter (bei T850 von -6/-7°C teils bis ganz nach
unten), insbesondere an den Alpen und im Schwarzwald, wo etwas Stau mithilft. Im
Allgäu deuten sich punktuell mehr als 10 cm innert 12 h an, sonst dürften die
Mengen meist darunter liegen. Die Temperatur geht verbreitet auf 0°C oder etwas
darunter zurück, einige frostfreie Areale sind am ehesten im Norden (vor allem
Küstennähe) sowie den Rhein entlang zu finden. Dass streckenweise mit Glätte
gerechnet werden muss, ist evident.
Montag … gelangen wir unter den Westteil des nur langsam nach Osten wandernden
Troges. Mit west-nordwestlicher Strömung wird weiterhin maritime Polarluft
advehiert (T850 -5 bis -8°C), in der es zu zeit- und gebietsweise zu
Niederschlägen kommt. Oberhalb 200 bis 400 m fällt durchweg, darunter nur z.T.
Schnee. Im Norden ist die Niederschlagsneigung geringer, dafür lockert es hier
und da mal auf. 1 bis 5°C, im höheren Bergland Dauerfrost.
Modellvergleich und -einschätzung
An der Troglage und der daraus erwachsenen nasskalten, im Bergland winterlichen
Witterung lässt sich nicht rütteln. Dass es dabei im Detail noch Differenzen
gibt (exemplarisch sei die Entwicklung am Sonntag im Osten genannt, die immer
noch nicht klar ist), liegt in der Natur der Sache und wurde im Text
angesprochen. Außerdem sind derartige Lagen auch immer mal für Überraschungen
gut (z.B. Schnee bis in tiefe Lagen).
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann