#DWD -> #SYNOPTISCHE UEBERSICHT #MITTELFRIST Montag, den 08.11.2021 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.11.2021 um 10.30 UTC
Am Wochenende vorübergehend unbeständig, vor allem an der See und im Bergland
teils stürmisch. Kälter, im höheren Bergland und an den Alpen Schnee möglich. Zu
Wochenbeginn wieder Wetterberuhigung.
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 15.11.2021
Zu Beginn der Mittelfrist und der fünften Jahreszeit am Donnerstag (Helau, Alaaf
und Ahoi!) befindet sich Deutschland zwischen einem Höhentiefkomplex über dem
westlichen Mittelmeerraum und der zunächst nur leicht undulierenden Westdrift
über dem Norden des Kontinents. Während sich die Südhälfte im Einflussbereich
einer zwischengeschalteten Geopotenzial- und Hochdruckbrücke befindet, greift im
Norden die Frontalzone in Form einer mit einem flachen Kurzwellentrog
korrespondierenden schwachen Kaltfront über. Sie kommt zwar rasch unter
Hochdruckeinfluss, sodass nur hier und da leichter Regen fällt, die dichte
Stratusbewölkung wird aber immerhin bis zur Mittelgebirgsschwelle gedrückt. Doch
auch im Süden herrscht alles andere als eitel Sonnenschein, denn dichte Nebel-
und Hochnebelfelder halten sich in der feuchten Grenzschicht hartnäckig. Die
größten Chancen auf Sonne gibt es im höheren Bergland oberhalb der Inversion. Im
Nebel werden kaum 5 Grad erreicht, mit Sonne sowie im Norden und Nordwesten
immerhin bis 12 Grad. In der Nacht zum Freitag verdichten sich Nebel und
Hochnebel in der Südhälfte wieder, zudem stellt sich gebietsweise leichter Frost
ein.
Am Freitag beginnt die Frontalzone zunehmend zu mäandrieren. Ausgangspunkt ist
eine massive Austrogung über dem Nordatlantik. Das korrespondierende Tief kann
sich – auch mit Unterstützung der Energie aus einem sich integrierenden
tropischen Tief/Sturm – zu einem Orkantief mausern (IFS: <965 hPa). Kräftige,
meridional orientierte WLA stützt einen Rücken, der sich stromab bis Grönland
aufwölbt. Dadurch kann sich eine langestreckte, von den Kanaren bis zur
Grönlandsee reichende Hochdruckzone ausbilden. Per Downstream Development kann
ein über die Britischen Inseln zur Nordsee und in der Nacht zum Samstag nach
Deutschland hereinschwenkender Trog seine Wellenlänge rasch vergrößern. Auch das
mit diesem Trog in Verbindung stehende Tief entwickelt sich zumindest zu einem
kleinen Sturmtief (IFS: <985 hPa), gelangt aber bereits über den Britischen
Inseln unter die Trogachse und füllt sich auf seinem Weg nach Norddeutschland
folglich bereits auf (IFS: 1000-1005 hPa). Tagsüber dominiert zunächst noch
schwacher Hochdruckeinfluss, sodass sich zumindest abseits von zähen Nebel und
Hochnebel die Sonne zeitweise zeigen kann. Auch die Stratusbewölkung wird durch
die aufkommende südwestliche Strömung nach Nordosten gedrückt bzw. wird im Lee
der Mittelgebirge aufgelöst. Im Tagesverlauf beginnt es im Nordwesten
WLA-bedingt zu regnen. Im Zuge der Kaltfront, die abends auf den Nordwesten
übergreift und bis Samstagfrüh nach IFS-Lesart weite Teile des Landes
südostwärts überquert haben soll, kommt es zu kräftigeren, schauerartig
verstärkten Regenfällen. Im Trogbereich folgen schließlich Schauer, auch kurze
Gewitter sind nicht ganz ausgeschlossen. Obwohl das Tief seinen
Entwicklungshöhepunkt überschritten hat, muss vor und mit der Kaltfront mit
starken bis stürmischen Böen gerechnet werden, an der Nordsee mit Sturmböen,
eventuell mit schweren Sturmböen. Im Südosten ist zuvor nochmal mit Nebel und
leichtem Frost zu rechnen, gefrierender Regen ist – Stand jetzt – aber eher
unwahrscheinlich.
Am Samstag schwenkt der Rücken ins Seegebiet knapp westlich von Irland und zur
Grönlandsee, die Hochdruckzone verlagert sich zum Nordmeer. Der Trog über
Mitteleuropa kommt nur noch langsam ostwärts voran, vielmehr zieht er sich immer
mehr in die Länge und neigt zum Mittelmeer abzutropfen. Das ehemalige Sturmtief
füllt sich weiter auf und ins östliche Mitteleuropa. Gleichzeitig ereignet sich
eine Zyklogenese über dem Ligurischen Meer. Die Kaltfront zieht über die Alpen
ab, dort kommt es staubedingt aber zu länger anhaltenden Niederschlägen.
Ansonsten sind unter Trogeinfluss weitere Schauer oder schauerartige
Niederschläge zu erwarten. Mit Winddrehung auf Nordwest bis Nord gelangt polare
Meereskaltluft nach Deutschland (T850 bis Sonntagfrüh auf +1 im Südosten und -5
Grad im Norden absinkend). Dadurch gehen die Niederschläge in höheren
Mittelgebirgslagen und an den Alpen zunehmend in Schnee über. Die
Neuschneemengen bleiben wahrscheinlich aber unter den markanten Warnschwellen.
Der Wind bleibt vor allem an der See sowie im höheren Bergland weiterhin ein
Thema, Sturmböen sind wahrscheinlich, schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Tagsüber erwärmt sich die Luft abseits vom Nebel auf 7 bis 13 Grad, nachts gibt
es in den Mittelgebirgen und an den Alpen mitunter leichten Frost und Glätte.
Am Sonntag tropft der Trog endgültig zum westlichen Mittelmeer ab, das Residuum
schwenkt beschleunigt nach Osteuropa. Der Rücken beginnt zu kippen und schwenkt
in seinem Nordteil nach Großbritannien und zu Nordmeer, auch über Deutschland
konturiert sich die nördliche bis nordöstliche Höhenströmung zwischen
Trogresiduum und Cut-Off zunehmend antizyklonal. Das blockierende Hoch (>1040
hPa!) verlagert seinen Schwerpunkt zur Nordsee und nach Skandinavien. Daraus
resultiert bodennah eine nordöstliche bis östliche Strömung, in der zunehmend
trockene kontinentale Polarluft einfließt (T850 zwischen 0 Grad im Westen und -7
Grad im Osten). Im Südosten sind in der feuchteren Luft und unter schwindendem
Trogeinfluss zunächst noch zeitweilige Regen-, in hohen und mittleren Lagen der
Mittelgebirge sowie an den Alpen Schneefälle möglich. Ansonsten setzt sich durch
den zunehmenden Hochdruckeinfluss und die Abtrocknung der Luftmasse von Norden
her immer mehr die Sonne durch und es bleibt meist trocken. An der Küste sind
anfangs stürmische Böen, im süd- und südwestdeutschen Bergland (Bise) auch
Sturmböen möglich. Die Höchsttemperaturen liegen meist im einstelligen
Plusbereich, nachts breitet sich in vielen Regionen leichter Frost aus.
Am Montag bildet sich ein Höhenhoch über dem nahen Ostatlantik, von dem
ausgehend sich ein Rücken nach Mitteleuropa erstreckt. Dorthin verlagert auch
das Bodenhoch seinen Schwerpunkt. Während der Osten im Zustrom der (sehr) kalten
Polarluft verbleibt (T850 -4 bis -7 Grad), kann sich die Luft sonst
absinkbedingt bzw. durch leichte WLA in der aufkommenden westlichen Strömung im
Norden etwas erwärmen (T850 -3 bis +3 Grad). Wenigstens dürfte in der recht
trockenen Luftmasse die Nebelneigung gering ausfallen und einem freundlichen
oder sonnigen Tag wenig im Wege stehen.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die jüngsten IFS-Simulationen sind bereits ab Freitag in höherem Maße
inkonsistent. Der 00Z-Lauf von heute früh rechnet einen recht kräftigen, von den
Britischen Inseln auf Mitteleuropa übergreifenden Trog inklusive einer
Sturmtiefentwicklung. Mit Abstrichen und mit nach Norden verschobener Zugbahn
war dieser Trend bereits im gestrigen 12Z-Lauf erkennbar. Im gestrigen 00Z-Lauf
sollte der Trog noch in rudimentärer Ausprägung über Skandinavien ablaufen und
Deutschland im Wesentlichen unter dem Einfluss einer Hochdruckbrücke verbleiben.
Im weiteren Verlauf tropft der Trog im neusten IFS-Lauf über Mitteleuropa
Richtung zentralen Mittelmeerraum ab. Dadurch wird auch der sich stromauf
ausbildende Rücken im Vergleich zu den gestrigen IFS-Läufen zurückgehalten,
sodass Deutschland zwischen dem mit dem Rücken korrespondieren Blockadehoch und
dem abziehenden Tief in eine nördliche, später nordöstliche Strömung gelangt,
mit der kalte Polarluft herangeführt wird.
Im Hinblick auf das Vorhersagekonzept wird der zyklonale Einfluss am Wochenende
inklusive einer möglichen vorübergehenden Sturmlage sowie deutlich niedrigere
Temperaturen und etwaige Schneefälle vor allem im Bergland und an den Alpen
deutlich stärker betont. Allerdings ist die Entwicklung mit Vorsicht zu
genießen.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Sowohl GFS als auch ICON haben den auf Mitteleuropa übergreifenden
Kurzwellentrog am Wochenende nun im Programm, wenngleich Timing und Ausprägung
noch stärker variieren. ICON ist dem IFS noch am ähnlichsten, allerdings ist das
Tief über Norddeutschland bei ICON noch etwas „giftiger“, was an der See
rückseitig verbreiteter schwere Sturmböen und im Binnenland Sturmböen zur Folge
hätte. GFS lässt das Tief über Südskandinavien ziehen, sodass die
Windentwicklung über Deutschland schwächer ausfällt.
Im weiteren Verlauf gehen ICON und IFS weiter quasi Hand in Hand. In der
GFS-Simulation hält sich der Trog über Mitteleuropa hartnäckiger, es nistet sich
sogar ein Kaltlufttropfen ein. Statt Hochdruckeinfluss würde dies zyklonaleres
Wettergeschehen bedeuten, wobei die zu erwartenden Niederschläge in der aus
Nordosten fortwährend einfließenden Polarluft zunehmend bis in tiefe Lagen in
Schnee übergehen würden.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
IFS-EPS:
Die Unsicherheiten im Hinblick auf den Trog und das (Sturm-)Tief am Wochenende
bilden sich auch in den Rauchfahnen ab. Insbesondere die Rauchfahne des
Geopotenzials weitet sich am Freitag und Samstag vorübergehend deutlich auf. Der
deterministische Lauf bekommt zwar Unterstützung von einigen EPS-Membern,
befindet sich Freitag/Samstag insgesamt aber am untersten Ende der
Geopotenzialverteilung. Nicht wenige Member zeigen keinerlei Einbruch, sowohl im
Norden als auch im Süden Deutschlands. Im weiteren Verlauf nimmt der Spread
zumindest beim Geopotenzial wieder ab, so sehen alle zuvor „absackenden“ Member
einen neuerlichen Anstieg auf ein hohes Geopotenzialniveau bis Montag. Bei der
850-hPa-Temperatur nimmt der Spread ab dem Wochenende dagegen stark zu.
Teilweise liegt er bei 20 K! Der deterministische Lauf läuft zwar eher im
unteren Drittel der Verteilung, aber nahe des Medians.
CLUSTER:
Schon im Zeitraum +120-168 h wird die Maximalzahl von 6 Clustern angeboten. C1,
C2 und C4 (12+11+9=32/51, inklusive HL und CL) rechnen den „giftigen“ Trog am
Samstag mit Einfluss auf Mitteleuropa, bei C3, C5 und C6 (10+7+2=19/51) trogt es
erst über Osteuropa aus.
In der Folge unterscheiden sich die Cluster bezüglich der Ausprägung und
Orientierung von westeuropäischem Rücken und osteuropäischem Trog. C1, C2 und C6
(25/51), lassen den Trog abtropfen, wodurch sich über Mitteleuropa stärkerer
antizyklonaler Einfluss breitmachen kann. C3, C4 und C5 (26/51) rechnen einen
stark amplifizierten Trog über dem östlichen Mitteleuropa oder Osteuropa mit
mehr oder weniger starkem Einfluss auf Deutschland.
FAZIT: Der Trend zu zyklonalerem und kälterem Wettergeschehen am Wochenende
steht noch auf wackeligen Beinen. Da sich das IFS-EPS mehrheitlich dafür
ausspricht und ICON als deterministisches Modell dem IFS zur Seite springt, wird
dieses Szenario heute bevorzugt. Ob es für eine nennenswerte Sturmlage reicht
(Sturmböen auch abseits von Küste und Berggipfeln) lässt sich freilich noch
nicht beurteilen.
Zu Wochenbeginn stehen die Zeichen wieder etwas deutlicher auf
hochdruckdominiertem Wetter. Allerdings ist völlig offen, welche Luftmassen
dabei beteiligt sind bzw. ob und wie schnell sich das Temperaturniveau wieder
erholt.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
STURM:
Am Freitag an der Nordsee sowie in Hochlagen des Berglandes Sturmböen aus
Südwest bis West möglich, schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen. Im Tiefland
vor allem im Westen und Nordwesten stürmische Böen gering wahrscheinlich.
Am Samstag und Sonntag mit Winddrehung auf Nord an der Küste weiterhin erhöhte
Sturmgefahr. Ansonsten vor allem am Samstag im höheren Bergland Sturmböen noch
möglich. Aber auch im Tiefland vorübergehend und gebietsweise stürmische Böen
nicht ausgeschlossen.
Sonntag und zu Wochenbeginn in südwestdeutschen Mittelgebirgen stürmische Böen
und Sturmböen gering wahrscheinlich (Bise).
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser