S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.09.2020 um 10.30 UTC

Wechselhaft, im Süden Dauerregen, Alpen Neuschnee möglich. Zumeist mäßig warm.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.09.2020

Grundsätzlich ähneln die für diese Mittelfrist entscheidenden
synoptisch-skaligen Druckfelder der Vorhersage vom vergangenen Freitag. Daher
wird mit Blick auf die technische Diskussion auf die Mittelfrist von Freitag
verwiesen (siehe: https://bit.ly/3hQQr2i ).

Im Folgenden werden Änderungen angesprochen, die sich seit Freitag ergeben
haben:

  • Die signifikanteste Änderung ist bei der außertropischen Umwandlung bzw. dem
    Einbinden des aktuellen Hurrikans (Kat 3) in die Frontalzone auszumachen. Der
    Hurrikan verlor u.a. im Zuge mehrere sog. „eyewall replacements“ etwas an
    Verlagerungsgeschwindigkeit und vergrößerte dabei seinen Wirkungsradius
    bezüglich der Sturm- und Orkanböen. Durch die verzögerte Verlagerung nach Norden
    sollte der sich dann in Umwandlung befindliche TEDDY laut eng gebündelter EPS
    Vorhersagen von IFS/GEFS Nova Scotia im Verlauf des Mittwochs erfassen,
    allerdings etwas östlicher als am Freitag noch gedacht.
    Zudem wird Tropensturm BETA im Golf von Mexiko mittlerweile schwächer gerechnet
    bzw. es wird von einem früheren Landgang an der texanischen Küste ausgegangen,
    sodass dessen diabatischer Input und die daraus eigentlich angedachte
    Keilaufwölbung (vom Süden bis in den Nordosten der USA reichend) somit deutlich
    schwächer ausfällt. Bedeutet, dass der PV streamer über dem Nordosten der USA
    durch die negative PV Produktion des outflows von TEDDY rasch abgebaut wird und
    (Ex-)TEDDY nun zügig über den Sankt-Lorenz-Golf in Richtung Labradorsee geführt
    wird.
  • Dieses leicht verzögerte „timing“ bedeutet nun ein hervorragendes „in Phase
    treten“ mit einem progressiven Trog, der über die Hudson Bay in Richtung
    Labradorsee ziehen und selber eine Bodenzyklogenese induzieren soll, die zum
    Beginn der Mittelfrist zusammen mit Ex-TEDDY über der Labradorsee ein
    umfangreiches Konglomerat aus mehreren eigenständigen Tiefdruckzentren bilden
    soll. Ein bisschen konträr zur genannte Aussage einer verzögerten polwärtigen
    Verlagerung wird Ex-TEDDY nun zügiger als in den Vorläufen in Richtung Südspitze
    Grönlands geführt, da das Einbinden in die Frontalzone schneller klappt, sodass
    Ex-TEDDY zum Ende der Woche bereits die Irminger See als Sturmtief voll erfasst
    (sollte Ex-TEDDY bis dahin noch als eigenständiger Wirbel zu identifizieren
    sein). Allerdings wird es durch die komplexe Interaktion beider Tiefdruckgebiete
    sicherlich noch die eine oder andere Überraschung geben.
  • Diese Entwicklung bedeutet nun, dass sich der Einfluss von (Ex) TEDDY aktuell
    und im Verlauf der Mittelfrist verzögert auf die nach Europa ziehende
    Rossby-Welle auswirkt. Die Intensivierung des PV-Gradienten bzw. Entwicklung des
    supergeostrophischen Höhenjets im Südwestquadranten der Rossby-Welle wird nun
    etwas nördlicher und später angesetzt. Zudem deutet sich bei IFS ein zyklonales
    Wellenbrechen über West-/ und Mitteleuropa an, sodass der dadurch induzierte
    Geopotenzialanstieg über Osteuropa/Skandinavien zusammen mit andauerndem
    Geopotenzialanstieg vom Nordatlantik in Richtung Island/Schottland gerichtet
    sukzessive einen Abschnürungsprozess über Mitteleuropa nach sich ziehen könnte.
    Allerdings muss festgehalten werden, dass dieser Prozess des Abschnürens
    weiterhin sehr unsicher innerhalb der Numerik erfasst wird und daher auch
    eventuell begleitende intensive Bodentiefentwicklungen von Lauf zu Lauf stark
    variabel berechnet werden.
  • zuletzt sei noch erwähnt, dass sich die Mittelfrist über der Höhenjet über dem
    Nordpazifik laut der letzten Phasendiagrammprognose zunächst in der Phase
    „Jetrückzug“ und später „polwärtige Verschiebung“ befindet. Bedeutet, dass sich
    zwischen Japan und den Aleuten ein Jetmaximum aufbaut, das in der Folge in den
    Nordwesten der USA geführt wird. Durch den Aufbau barokliner Instabilität
    beginnt die Strömung zu wellen (unterstützt durch Input vom asiatischen Raum,
    der der Übersicht halber hier nicht näher erläutert wird) und es deutet sich
    eine markante Verwellung der Strömung im kanadisch/nordamerikanisch-pazifischen
    Sektor in Form zwei stehender Rossby-Wellen an (inkl. Absturz der PNA in stark
    negative Gefilde). Diese Entwicklung ist für das Ende unserer Mittelfrist/Beginn
    der erweiterten Mittelfrist von Interesse, da sich per „downstream development“
    auch über dem Nordatlantik die Strömung verstärkt verwellen könnte.

Was bedeuten nun diese Änderungen für unsere Mittelfrist? Berücksichtigt man die
Tendenz innerhalb der vergangenen IFS-Läufe (siehe folgender Abschnitt), dann
kann weiterhin von einem deutschlandweit wechselhaften Wetterabschnitt
ausgegangen werden. Allerdings verschieben sich die Niederschlagsschwerpunkte
mit einem zügigen Abtropfprozess über dem Alpenraum zunehmend in den Süden und
Osten Deutschlands, wenngleich hervorgehoben werden soll, dass es noch
erhebliche Diskrepanzen bezüglich der Niederschlagsschwerpunkte gibt. Dazu ist
die Handhabe möglicher Randtiefs peripher des umfangreichen Höhentiefs noch sehr
unsicher. Auch wenn der aktuelle IFS-Lauf keine signifikante Randtiefentwicklung
über Deutschland zeigt, so wurde das in der Vergangenheit wiederholt angedeutet
und wird es aktuell weiterhin bei anderen Modellen.

Der Mittwoch (Beginn der Mittelfrist) und Donnerstag gestalten sich zumeist
leicht wechselhaft, wobei es immer wieder Regionen geben wird, wo für längere
Zeit keine Schauer und/oder Gewitter auftreten werden. An beiden Tagen bleibt es
noch vergleichsweise warm mit 22 bis 28 Grad am Mittwoch und 21 bis 26 Grad am
Donnerstag (mit den höchsten Werten zunehmend im Osten). Die Luftmasse ist
besonders im Süden hochreichend mild und feucht, sodass dünne/gesättigte
CAPE-Profile mit PWs um 25 mm auf lokales Starkregenpotenzial in Verbindung mit
Gewittern hindeuten.

Ab der Nacht zum Freitag bis weit in den Samstag hinein wäre dann bei der
aktuellen Entwicklung einer Zyklone über Norditalien ein deutlicher
Niederschlagsschwerpunkt im Süden und Südosten von Deutschland auszumachen
(südlich der Donau mit Zunahme zum Alpenstau). Kräftiges Aufgleiten aus Süd über
einer niedertroposphärisch westlichen bis nordwestlichen Anströmung plus die
ansatzweise gezeigte Bildung eines Deformationsbandes über Niederbayern deuten
auf skalige/anhaltende Niederschläge hin.
Ansonsten fallen im restlichen Deutschland durch kompensatorisches Absinken bzw.
durch den beginnenden Geopotenzialanstieg des fortschreitenden Abtropfprozesses
die Niederschlagswahrscheinlichkeiten deutlich geringer aus, vielerorts bleibt
es auch trocken. Die Höchstwerte gehen deutschlandweit zunehmend auf unter 20
Grad zurück und liegen im Dauerregen Süddeutschlands gar teils nur wenig über 10
Grad. Neuschnee oberhalb von 1500 m ist in den Alpen zu erwarten, wobei sich das
je nach timing/Intensität der KLA/Niederschlagsintensität noch nach oben oder
unten verschieben kann.

In der Nacht zum Sonntag und Sonntag tagsüber würden nach dem jüngsten Lauf im
Zuge einer Bodentiefentwicklung über Polen skalige Niederschläge auf den
gesamten Osten und Süden übergreifen, doch alleine schon die zahlreichen
Fragezeichen bei der Bodentiefentwicklung erübrigen eine genauere regionale
Einteilung. Es bleibt auf jeden Fall wechselhaft und in der eingeflossenen
modifizierten marinen Polarluft auch nur mäßig warm.

Gröbere Windereignisse sind zwar aktuell nicht zu erkennen, allerdings gab es in
der Vergangenheit in der Numerik bzw. bei vergleichbaren Abtropfprozessen sowie
aktuell in anderen Globalmodellen teils kräftige Randtiefentwicklungen, die auch
Deutschland beeinflussten. Daher muss dieser Parameter genau im Auge behalten
werden. Ebenso ist ein signifikantes Dauerregenereignis weiterhin nicht
auszuschließen, da die zyklonal brechende Rossby-Welle über Mitteleuropa eine
markante Blockierung über Skandinavien und/oder Sibirien in Gang setzt, sodass
jegliche Randtiefs an einer zügigen Nordverlagerung gehindert werden.

In der erweiterten Mittelfrist würde sich das Wetter unter höherem Geopotenzial
vorerst beruhigen, jedoch deutet sich im Zuge der angesprochenen Zunahme der
Wellenamplitude über dem Nordatlantik bereits der nächste Langwellentrog am
Vorhersagehorizont an, der uns erfassen könnte.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die vergangenen Läufe von IFS zeigen die grobe Entwicklung auf synoptischer
Skala einheitlich in Form eines von Westen hereinschwenkenden Langwellentroges,
der im Verlauf der Mittelfrist über Mitteleuropa abtropfen und wechselhaftes
Wetter bringen soll.
Größere Unsicherheiten (und das bereits zum Beginn der Mittelfrist) gibt es
weiterhin bei der Frage, wie zügig der Trog nach Osten vorankommt. Zeigte der
Lauf vom 19.9. 00Z noch ein stark verzögertes Vorankommen nach Osten, deuten die
beiden jüngsten Läufe an, dass die Trogachse von Freitag auf Samstag bereits im
Grenzbereich Frankreich-Deutschland liegen soll und somit rund 500 km östlicher
als es der älteste Lauf zeigte.
Das hat auch Auswirkungen auf eine Mittelmeerzyklogenese über Norditalien, die
nun immer zügiger und östlicher gerechnet wird. Allerdings verschwimmen diese
Unterschiede in der Folge, da nun die jüngsten Läufe eine deutlich kräftigere
und hochreichende Zyklone von Norditalien in Richtung Österreich führen, während
sich im ältesten Lauf die Zyklone rasch zu einer offenen Welle abschwächte, um
nordostwärts nach Tschechien zu ziehen.
Diese Tendenz der Tiefdruckentwicklung würde verstärkt dem Südosten und Osten
Deutschlands Niederschlag bringen, während sonst vergleichsweise wenig
Niederschlag fallen würde (im jüngsten Lauf würde die Mittelfrist z.B. in einem
Streifen von der Eifel bis nach Hamburg mehr oder weniger trocken verlaufen).
Allerdings gibt es bei dieser Entwicklung sicherlich noch größere
Unsicherheiten. Zusammengefasst verläuft die Mittelfrist auf jeden Fall
wechselhafter als die vergangenen Wochen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Eine ähnliche „Problematik“ ist auch beim internationalen Modellvergleich
auszumachen, denn der Hauptunterschied besteht in einer unterschiedlich
progressiven Verlagerung des Langwellentroges. Dabei ist ICON aktuell das
langsamste Modell, während GFS und IFS eine zügigere Entwicklung erwarten.
Entsprechend herrscht auch hier noch eine große Variabilität bezüglich der Lage
des möglicherweise abtropfenden Höhentiefs sowie begleitender Randtiefs, wobei
letztere entscheiden sind bezüglich der regionalen Eingrenzung eines möglichen
Dauerregen- bzw. Starkwindereignisses.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bei der Clusteranalyse starten wir mit 6 an der Zahl (das maximal Mögliche),
wobei alle das klimatologische Regime „NAO positiv“ aufweisen. Die für uns
wichtigste Diskrepanz innerhalb der Cluster ist das zeitliche Hereinschwenken
des Langwellentroges, wenngleich die Unterschiede eher gering sind. Bis auf
Cluster 6 zeigen alle auch einen Trog mit großer Wellenamplitude und
einsetzender Keilaufwölbung stromab über Osteuropa.

In der Folge (Donnerstag bis Samstag) werden 4 Cluster gezeigt mit variierenden
klimatologischen Regimen (tendenziell jedoch einer Zunahme der blockierenden
Muster). Auch hier zeigt sich die größte Unsicherheit, wie die Geometrie des
Langwellentroges aussehen wird und auch, ob es wirklich zu einem Abtropfprozess
kommt. Kontroll.- und det. Lauf zeigen jeweils den beginnenden Abtropfprozess,
während andere Cluster das nicht unterstützen. Viel hängt davon ab, wohin die
Keilaufwölbung über Osteuropa zielen wird – eher in Richtung westliches
Skandinavien im Zuge eines markanten Höhentroges oder eher nordwärts in Folge
eines schwächeren Troges, wobei dann eine Verbindung mit extrem hohem
Geopotenzial über Sibirien denkbar wäre. Abgesehen von diesen Feinheiten zeigen
jedoch alle Cluster eine zunehmend blockierende Grundströmung mit tiefem
Geopotenzial über Mitteleuropa.

In der Folge (erweiterte Mittelfrist) zeigen die Cluster durchweg eine massive
Blockierung über dem eurasischen Sektor, sodass vorerst jegliche Trogpassagen
vom Nordatlantik spätestens über Mitteleuropa stark abgebremst werden dürften.

Die Rauchfahnen bzw. Meteogramme stützen einen wechselhaften Wetterabschnitt bei
sinkendem Geopotenzial und abnehmender Temperatur sowie variablen Schwerpunkten
beim Niederschlag. Die Rauchfahnen sind bis zum Freitag stark gebündelt und
weisen in der Folge eine rasche Zunahme der Unsicherheiten auf. Dabei sinken die
Mediane der Temperaturvorhersage im Südosten Bayerns bereits nahe an das Minimum
der Klimatologie (sollte es zu einer Dauerregenlage kommen).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Der EFI springt zunächst am Mittwoch noch auf die Trogvorderseite mit leicht
positiven Werten bezüglich der Modellklimatologie an (besonders Ostdeutschland
betreffend), die Ausschläge sind jedoch gering. In der Folge stützt der EFI
zunächst eine warnarme Mittelfrist (abgesehen von etwas Wind über der Deutschen
Bucht), bevor zum Wochenende am Alpenrand eine Mischung aus leicht positiven
Anomalien beim Niederschlag und negativen Anomalien bei der Temperatur auf die
potenzielle Dauerregenlage im Süden Deutschlands hindeutet.

Am Donnerstag stützt IFS-EPS mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8
über der Deutschen Bucht/dem Norden Schleswig-Holsteins und dem Umfeld der Eifel
eine vorübergehende Windzunahme, bevor in der Folge keine klaren Schwerpunkte
mehr im EPS auszumachen sind. Es zeigt sich eher ein Verschmieren möglicher
Einzelereignisse von kräftigen Randtiefentwicklungen einzelner Member, weshalb
deutschlandweit geringe Wahrscheinlichkeiten für Bft 8/9 Böen zu erkennen sind.
Am Wochenende gibt es für den Alpenrand immerhin 24-std. Dauerregensignale von
bis zu 40% für mehr als 30 l/qm und geringe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 50
l/qm im Alpenstau. Allerdings sind von Freitag bis Sonntag noch keine richtigen
zeitlichen Schwerpunkte auszumachen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy