SYNOPTISCHE UEBERSICHT MITTELFRIST
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 20.04.2020 um 10.30 UTC
Zyklonaler Touch, jedoch weitgehend ruhig und aus deterministischer Sicht fast
trocken.
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 27.04.2020
Am Donnerstag, zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraumes, befindet sich
Deutschland unter dem Einfluss eines breiten Höhenrückens, der sich vor allem
über Westeuropa bis nach Island und Ostgrönland aufwölbt. Von diesem geht ein
Sekundäranteil aus, der sich ostwärts bis nach Polen erstreckt und somit auch
für uns wetterbestimmend ist. Der Rücken wird flankiert von einem breiten Trog,
der vor allem über Nordosteuropa ausgeprägt ist, jedoch seine „Fühler“ bis in
den Mittelmeerraum ausstreckt. An der Westflanke des Rückens erkennt man
kurzwellige Troganteile, die zum Abtropfen neigen und sich relativ schnell in
Wohlgefallen auflösen. Im Bodenniveau stützt der Rücken ein Hochdruckgebiet mit
Schwerpunkt über dem Europäischen Nordmeer, dessen Keil bis in den Norden
Deutschlands gerichtet ist und von dem aus sich eine mehr oder minder breite
Hochdruckbrücke bis zum Schwarzen Meer erstreckt. Einzig im Süden Deutschlands
erkennt man mit viel Wohlwollen zyklonale Strukturen, mit etwas Fantasie
vielleicht auch so etwas wie eine Rinne im äußersten Süden. Niederschlag wird
jedoch indes nicht simuliert. Bei 850-hPa-Temperaturen zwischen 3 °C im
Nordosten und um 8 °C im Südwesten bleibt das aus der Vergangenheit bekannte
Temperaturgefälle erhalten, wenngleich nicht mehr in so ausgeprägter Form. Wind
spielt im Gegensatz zu den Vortagen keine Rolle mehr.
In der Nacht zum Freitag und am Freitag selbst verliert der westeuropäische
Rücken peu à peu an Kontur, beeinflusst jedoch unser Wetter weiterhin. Zwar
krümmt sich die sich nun einstellende nordwestliche Höhenströmung in Richtung
Nordosten leicht zyklonal, jedoch hat das keine nennenswerten Auswirkungen. Das
gilt auch für die eine Front eines Tiefs über Südschweden, die in ganz diffuser
Form in den Norden hereinzieht. Bei der 850-hPa-Temperatur tut sich ebenfalls
nicht wirklich etwas, sie liegt zwischen 4 °C im Norden und 10 °C im Süden.
Schon in der Nacht zum Samstag baut sich der Höhenrücken über Westeuropa immer
weiter ab. In den Morgenstunden erfasst die Spitze eines scharfen
Kurzwellentroges, der um den nordosteuropäischen Trog (Drehzentrum westlich von
Nowaja Semlja) geführt wird, den äußersten Nordosten unseres Landes. Thermisch
ist dieser ganz gut aufgestellt, weist er doch knapp -29 °C im 500-hPa-Niveau
auf. Bei dortigen 850-hPa-Temperaturen um 2 °C wird es sicherlich schauerartige
Niederschläge geben, vielleicht auch mal ein kurzes Gewitter, aber der große
Bringer wird es nicht und bleibt sowieso nur auf den äußersten Nordosten
beschränkt. Auch im übrigen Land ist die Höhenströmung zyklonal, jedoch ohne
signifikante Auswirkungen. Selbst die trogvorderseitig nun etwas besser
erkennbare Kaltfront bringt keinen Niederschlag. Einzig im äußersten Süden kann
es vereinzelt mal ein paar Tropfen geben. Dabei stößt postfrontal schon wieder
der Keil eines Hochs über dem Atlantik zu uns vor, womit die Strömung eine
deutliche nördliche Komponente bekommt. So verwundert es auch nicht, dass die 5
°C-Isotherme (T850) abends den Main erreicht, die 0 °C-Isotherme den Nordosten.
Nennenswert ist noch der etwas zunehmende Luftdruckgradient, der tagsüber dem
Osten die ein andere Windböe, in den Gipfellagen des Erzgebirges auch stürmische
Böen bescheren kann. Bis zum Abend ist dies dann mit dem Vorstoß des o.e. Keils
aber auch schon wieder passé.
Am Sonntag bleibt uns die im Mittel nordwestliche Höhenströmung erhalten. In
diese sind zwar auch kleine kurzwellige Troganteile eingelagert, jedoch
resultiert daraus allenfalls an der Nordsee etwas Niederschlag, begünstigt durch
ein schwaches Frontengebilde, das von einem Tief über dem Kattegat ausgeht. An
den Alpen kann es ebenfalls etwas Niederschlag geben, am ehesten darin
begründet, da sich dort noch die etwas wärmere und tendenziell feuchtere Luft
hält.
Am Montag zieht das o.e. Tief vom Kattegat über Südschweden und die Ostsee
weiter in Richtung Podlachien. Seine Kaltfront erreicht abends in etwa die
Mitte, womit dort und im Norden die T850 verbreitet auf Werte 0 bis -3 °C
zurückgeht. Weiter südlich hält sich fortwährend die mildere Luftmasse (im
äußersten Süden sogar knapp 9 °C), bis auf ein geringes Regenrisiko über dem
Bergland bleibt es aber trocken. Auch aus der Front wird nicht ein Tropfen
rausgequetscht, obwohl es die Natur und der Garten doch mittlerweile wieder
einmal nötig hätte. Einzig der Nordosten geht niederschlagstechnisch nicht leer
aus, denn dort nähert sich in der zweiten Tageshälfte ein markantes Höhentief
(unter 540 gpdam, T500 unter -30 °C), das mit o.e. Tief korrespondiert und zwar
haarscharf an unseren Außengrenzen vorbeischrammt, jedoch in seinem Dunstkreis
vor allem in Vorpommern und Teilen der Uckermark schauerartigen Regen bringen
soll.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des – heute pünktlich vorliegenden – neuesten Laufes des IFS
lässt sich zu Beginn noch als sehr gut bezeichnen, ab dem Wochenende laufen die
verschiedenen deterministischen Varianten aber doch merklich auseinander. Die
beiden alten Läufe zeigten ab Samstag noch eine vergleichsweise rege zyklonale
Tätigkeit mit zeitweiligen und relativ flächendeckenden Niederschlägen. Zwar
kann man auch im neuesten Lauf immer mal wieder zyklonale Strukturen erkennen,
jedoch sind diese schwächer auf der Brust und meist dominiert doch die
Antizyklonalität. So kommt es gemäß, wie oben beschrieben, nur gebietsweise,
wenn nicht gar nur vereinzelt zu Niederschlägen, die dann zum Leidwesen der
Bauern und Gärtner auch eher schwacher Natur wären (gestern sah das auch noch
anders aus). Immerhin lässt sich sagen, dass es tendenziell kühler wird: So ließ
der gestrige 12-UTC-Lauf in der Nacht zum Dienstag sogar die -5 °C-Isotherme bis
zum Main vorstoßen, der aktuelle Lauf simuliert an gleicher Stelle nun jedoch
auch schon wieder die 0 °C im 850-hPa-Niveau.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Anderen Globalmodelle zeigen bis Freitag ähnliche Szenarien wie das IFS. Am
Samstag jedoch lassen sowohl GFS als auch ICON von der Nordsee her einen
Kurzwellentrog hereinziehen. Im Gegensatz zu IFS gäbe es nach diesen Modellen
(teils auch frontal bedingt) zumindest in der Mitte und im Süden Regen, der nach
ICON sogar gebietsweise kräftiger ausfallen könnte.
Statt eines Hochkeils findet sich sowohl bei ICON als auch bei GFS ein
hochreichendes Tief bei den Britischen Inseln. Die frontalen Prozesse griffen
demnach im Tagesverlauf von Westen über. Interessant sind auch die Unterschiede
im Muster der Höhenströmung: Während IFS ja mehr oder weniger eine konstante
Nordwestströmung zeigt, simulieren GFS und IFS eine westliche Höhenströmung (mit
Aufwölbung eines Rückens). Letztere divergieren dann zum Montag. So lässt ICON
einen zum Abtropfen neigenden Trog über Westeuropa bestehen, was in einer
südwestlichen Strömung bei uns resultiert. GFS hingegen belässt das Höhentief
bei relativ glatter westlicher Strömung bei den Britischen Inseln. Dadurch ist
ICON auch die wärmste Variante (T850 2 bis 9 °C), IFS die kälteste (-3 bis + 8
°C). GFS liegt in der Mitte (0 bis 6 °C).
Fazit: Es ist noch nicht das letzte Wort gesprochen und die Hoffnung auf
Niederschlag stirbt zuletzt.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bis
einschließlich Freitag einen gebündelten Verlauf der T850-Kurvenschar. Dabei
steigt das Temperaturniveau bis zum Freitag zum Teil noch einmal um 2 bis 3 K.
Ab Samstag divergieren die unterschiedlichen Lösungen stark, wobei sowohl Haupt-
als auch Kontrolllauf in etwa mittig liegen und zumindest am Samstag auch im
Bereich der wahrscheinlichsten Lösung. Vor allem am Sonntag liegen sie jedoch
leicht darüber. Übereinstimmend wird auch gezeigt, dass das Geopotenzial am
Donnerstag fällt, ab der Nacht zum Samstag werden die Unsicherheiten jedoch
größer, Haupt- und Kontrolllauf befinden sich mittig. Während für Donnerstag und
Freitag keine Niederschlagssignale vorhanden sind (im Westen gibt’s ein, zwei
nicht ernstzunehmende Ausreißer), zeigt am Wochenende und zu Beginn der neuen
Woche doch eine Vielzahl von Membern Hinweise auf Regen. Demzufolge ist es also
gut möglich, dass mit kommenden deterministischen Läufen auch wieder etwas mehr
Niederschlag auftaucht. Schön wär’s…
Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Donnerstag bis Freitag (T+72…96h)
drei, mit 19, 18 und 14 Membern in etwa gleich stark besetzte Cluster, wobei
Haupt- und Kontrolllauf mit dem ersten Cluster korrespondieren. Wesentliche
Unterschiede zeigen sich für Mitteleuropa nicht.
Auch beim nachfolgenden Zeitraum von Samstag bis Montag (T+120…168h) gibt es
drei Cluster (19/17/15 Member, Haupt- und Kontrolllauf Cluster I), wobei sich
diese in Lage und Ausprägung der Tröge unterscheiden. Der erste Cluster lässt
diese nur über den Norden/Nordosten schrammen, während diese im zweiten Cluster
am Sonntag zum einen weiter westlichen ansetzen (wir erinnern uns an die
Lösungen von GFS und ICON) und zum anderen weiter nach Süden ausgreifen.
Insbesondere am Montag unterscheidet sich der zweite auch vom dritten Cluster,
da er bis zur Normandie ausgreift, während der dritte Cluster da nur noch ein
Höhentief über Osteuropa zeigt. Nach dem zweiten Cluster würde auch bodennah
zwischen tiefem Luftdruck über Finnland und einem Azorenhoch noch einen Zacken
kältere Luft einströmen als bei Cluster I und III.
Also: Es ist noch nichts in trockenen Tüchern.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Die Lage gibt kaum etwas her für signifikante Wettererscheinungen. Einzig am
Samstag kann es im Kamm- und Gipfelniveau des Erzgebirges bei vorübergehend
zunehmendem Gradienten zeitweise stürmische Böen aus Nordwest geben.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix
VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach