SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 280800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.01.2020 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)
Heute LOLITA und Höhentrog => Wind/Sturm, Gewitter, Schnee-, Regen- und
Graupelschauer. Schöne Formel!
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
Dienstag… steht eindeutig im Zeichen des kleinen und im Druckfeld
vergleichsweise unscheinbaren Sturmtief LOLITA, das heute extrem langsam und
einem Kerndruck von etwas über 980 hPa von der Nordsee zum Skagerrak und von
dort weiter gen Südschweden zieht. Dass nicht noch mehr aus LOLITA geworden ist,
hängt an der Ausrichtung der Frontalzone respektive des Jets, die
nordwest-südost-orientiert vom nahen Ostatlantik kommend via Frankreich zu den
Alpen gerichtet sind, Damit ist der Abstand zwischen Bodentief und linkem
Jetausgang mit der höchsten Höhendivergenz zu groß, um das Tief noch weiter
auszupumpen. Damit wird aber auch gleich die Begründung geliefert, warum sich
das Tief nur so langsam verlagert. Am kalten Rand der Frontalzone wird es nicht
von den flotten Höhenwinden gesteuert, im Gegenteil, es liegt inmitten des
Höhentroges, der heute von Westen her den Vorhersageraum beehrt und uns einen
sehr abwechslungsreichen, turbulenten und – Achtung, nicht erschrecken –
teilweise sogar winterlichen Dienstag beschert. Prall gefüllt mit hochreichender
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs (T500 bis zu -37°C, T850 -2 bis -6°C) sorgt
der Trog für „Aprilwetter im Januar“ (Zitat Donald Becker im „Wetter vor acht“
gestern Abend) mit allen Schikanaten, die die Wetterpalette zu bieten hat.
Dem Trog vorgeschaltet ist eine Kaltfront, die bereits einen großen Teil unseres
Landes hinter sich gelassen hat und Deutschland noch im Laufe des Vormittags mit
dem zugehörigen Regengebiet ostwärts verlassen wird. Die Baroklinität an dieser
Front ist nur schwach ausgeprägt und für einige Regionen im Osten und Südosten,
in denen die Grundschicht noch mal etwas ausgekühlt war, agiert sie sogar
maskiert, sprich, bringt eine leichte Erwärmung. Die Hauptmusi spielt
postfrontal, wenn nämlich der Höhentrog mit seiner leicht positiv geneigten
Achse und einem IPV-Maximum sowie einem korrespondierenden Bodentrog noch im
Laufe der Morgenstunden von Westen her übergreift. Dabei wird nicht nur die
Luftmasse immer labiler (die Lapse-Rates kommen in den Bereich -0,75 bis -0,8
K/100 m), es bohrt sich von Frankreich her auch ein veritabler Low-Level-Jet bis
nach Süddeutschland mit bis zu 60 Kt in 850 hPa und bis zu 45 Kt in 925 hPa. Nun
mag man vielleicht einwenden, dass 850-hPa-Wind als Indikator für
runtergemischte Böen für winterliche Szenarien etwas zu hoch angesiedelt sind,
trotzdem, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Der LLJ geht einher mit
hoher Labilität und sehr guten Scherungsbedingungen, was für organisierte
Konvektion in Form von Linien oder Bändern spricht. Das sehen die
hochauflösenden Modelle übrigens genauso, simulieren sie doch in ihren
Pseudoreflektivitäten teils bogenförmige und unterbrochene Linien, die im Laufe
des Vormittags vor allem den Süden und die Mitte traktieren. Damit wird der
Höhepunkt der heutigen Oper auch schon erreicht, denn bis zum frühen Nachmittag
überquert der Bodentrog mit zugehöriger Schauerlinie den Süden und die Mitte
rasch ostwärts. Teils kräftige Graupel-, Regen- und Schneeschauer (die
Schneefallgrenze sinkt auf rund 400 m) stehen dabei ebenso auf der Karte wie
kurze Gewitter, begleitet, von Sturmböen 8 bis 9 Bft, vereinzelt schweren
Sturmböen 10 Bft. Südlich der Donau sind mit orografischer Unterstützung
(Leitplankeneffekt) sogar orkanartige Böen 11 Bft nicht ausgeschlossen. Aber
auch abseits der starken Konvektion lässt sich der gradientgetriggerte Südwest-
bis Westwind nicht lumpen mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, in höheren Kamm-,
Kuppen und Gipfellagen bis zu 12 Bft.
Der Norden und Nordosten bleibt aufgrund seiner Nähe zum Tiefkern vom Starkwind
zunächst noch ausgespart (außer Nordseeküste), was sich ab Mittag von Südwesten
her aber ändern wird. Mit Durchgang des im Norden weniger wetterintensiven
Bodentrogs nehmen Gradient und Wind zu, so dass verbreitet mit Böen 7-8 Bft, in
Schauern bis 9 Bft zu rechnen ist. Die Ostseeküste und das küstennahe Binnenland
hingegen bleiben bis zum Abend vergleichsweise windschwach, während die
Ostfriesischen Inseln auch ohne Schauer die eine oder andere Sturmböe 9 Bft
abbekommen.
Neben dem Wind spielt freilich auch der Niederschlag eine prominente Rolle. Wie
bereits erwähnt sinkt die Schneefallgrenze auf rund 400 m, so dass sich bis zum
Abend oberhalb etwa 600 m eine 2 bis 7 cm dicke/dünne Schneedecke bildet. In
Staulagen sind auch mal 10 cm drin und im Stau von Schwarzwald und Alpen
akkumuliert bis Mittwochmittag sogar 20 bis 40 cm, was eigentlich eine gute
Nachricht ist. In den höchsten Lagen kommt es zudem zu Schneeverwehungen.
Interessant könnt es am späten Nachmittag/frühen Abend im Nordosten werden, wenn
dort der Niederschlag zunehmend skaligen Charakter annimmt (Trogvorderseite) und
in den windschwachen Bereich gelangt. Dabei kann sich vorübergehend eine
isotherme Schichtung nahe 0°C einstellen, was nassen Schneefall zur Folge hat.
Ob dieser liegenbleibt und nicht kurze Zeit später der aufkommenden
Durchmischung zum Opfer fällt, ist derzeit noch schwer abzuschätzen. Wundern
sollte man sich in MV und im nördlichen BB aber nicht, wenn es kurzzeitig mal
weiß wird am Boden.
Bei guter Durchmischung geht es temperaturmäßig hoch auf 4 bis 9°C, lokal
vielleicht sogar 10°C, in kräftigen Schauern vorübergehend aber auch spürbar
abwärts.
In der Nacht zum Mittwoch zieht der Trog nach Osten ab, in der rückseitig sich
einstellenden west-nordwestlichen Höhenströmung folgen aber kurzwellige Anteile
nach. Diese sorgen vor allem im Süden, etwas gebremst auch in der Mitte für
weitere, meist schauerartige Niederschläge, die bis ganz runter als Schnee
fallen können (kleine Schneefallwarnung oberhalb 400 m, darunter eher
Glättewarnung vor geringfügigem Schneefall/gefrierende Nässe). Dazu sind auch
noch einzelne kurze Gewitter am Start, allerdings mit abnehmender Tendenz. Im
Nordosten ziehen Nassschnee- und Regenfälle nur langsam Richtung Polen und
Ostsee ab. Gleichzeitig kommen von der Nordsee her neue Regen- und
Graupelschauer landeinwärts voran, Richtung See auch mit Blitz und Donner. Unter
dem Strich ist im nordwestdeutschen Binnenland sowie in der nördlichen Mitte ein
klares Niederschlagsminimum zu erkennen.
Der Südwestwind nimmt in der Nacht tendenziell ab, ohne sich aber vollständig zu
verabschieden. Im Nordosten und Osten
geht ein flacher Bodentrog durch, der vorübergehend Böen 7-8 Bft bringt, die
auch an der Nordsee zu erwarten sind. Ansonsten fokussieren sich warnwürdige
Böen vor allem auf das Bergland (anfangs je nach Exposition bis 12 Bft, später
maximal 10 Bft) sowie das höhere Alpenvorland (7-8 Bft), Gefahr von
Schneeverwehungen inclusive.
Mittwoch… stellt sich über Deutschland eine nordwestliche Höhenströmung ein,
in die ein weiterer KW-Trog eingelagert ist, der bis zum Abend südostwärts aus
dem Vorhersageraum rausgezogen ist. Rückseitig greift WLA über, die einen
flachen Rücken über Westeuropa überläuft und bei uns das Potenzial allmählich
wieder ansteigen lässt. Derweil stellt sich bodennah eine relativ geradlinige
und immer noch spürbare westliche Strömung ein, mit der auch morgen subpolare
Meereskaltluft advehiert wird (T850 um -5°C). Da auch die Höhenkaltluft nur
zögerlich weichen will, entwickeln sich weitere Schauer, die bis in tiefe Lagen
mit Schneevermischt sein können oder als Graupel fallen. Nur im Norden, wo der
wärmende Meereseffekt greift und auch die 850-hPa-Temperatur nicht ganz so hoch
ist, überwiegt die flüssige Phase, dafür sind dort aber kurze Gewitter (mit
Graupel) möglich. An den Alpen dauern die Schneefälle an (5 bis 10 cm, Staulagen
auch mehr), was eine Verlängerung der bis 10:00 MEZ laufenden Schneefallwarnung
erforderlich macht. Auch im Schwarzwald können noch mal 5 bis 10 cm Neuschnee
zusammenkommen.
Der Wind erreicht gebietsweise in Böen Stärke 7 Bft, in Schauern und Gewittern
vereinzelt 8 Bft. 8er-Böen stehen grundsätzlich auch an der Nordsee sowie im
Bergland an, in exponierten Hochlagen geht es hoch bis zu Stärke 10 Bft. Die
Temperatur erreicht Spitzen zwischen 2 und 8°C, oberhalb 600 bis 800 m gibt es
leichten Dauerfrost.
In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der flache Rücken nach Osten aus, ohne
sich dabei weiter aufzuwölben. Andauernde WLA sorgt für eine allmähliche
Stabilisierung der Luftmasse, die sich in abnehmender Schaueraktivität
widerspiegelt. Über den Norden und Nordosten zieht die Warmfront eines Tiefs
zwischen Island und Irland hinweg, die stratiformen (oder wie die Modellbauer
gerne sagen skaligen) Regen von gebietsweise 5 bis 10 mm innert 12 h bringt.
Nach Osten hin kann es anfangs schneien, bevor der Schnee in Regen übergeht.
Während sich der Wind im Süden außer auf den Höhen deutlich beruhigt, reicht es
in der Nordhälfte (vor allem an der Küste) für einzelne Böen 7 Bft, an der
Nordsee auch 8 Bft aus Südwest. Frost/Glätte ist insbesondere im Bergland ein
Thema.
Donnerstag… wandert der flache Höhenrücken über Deutschland hinweg ostwärts.
Gleichzeitig wölbt sich über dem nahen Ostatlantik schon der nächste, etwas
stärker amplifizierte Rücken auf. Somit verbleibt der Vorhersageraum unter einer
west-nordwestlichen Höhenströmung, in der die mitteltroposphärische WLA im Laufe
des Tages langsam abebbt. Zwischen den beiden Rücken kann sich ein kurzwelliger
Trog in Szene setzen, der um 12 UTC den Norden UKs passiert. Dabei arbeitet er
gut mit dem o.e. Bodentief zusammen, das sich auf seinem Weg zur nördlichen
Nordsee merklich vertieft auf unter 975 hPa Kerndruck. Die zugehörige Warmfront,
die ursprünglich von einer weiter südlich positionierten Welle stammt (siehe
Bodenvorhersagekarte T+48h), greift mit Regenfällen in der zweiten Tageshälfte
auf Deutschland über. Regnen tut es auch im Nordosten, wo der Niederschlag aus
der Nacht nur sehr zögerlich weichen will (gebietsweise noch mal 5-10 mm/12 h).
Etwas Sonne gibt es am ehesten an den Alpen sowie im Alpenvorland.
Mit der auf Südwest rückdrehenden Strömung wird sukzessive mildere Meeresluft
aus niedrigeren Breiten herangeschafft, so dass die 850-hPa-Temperatur bis zum
Abend deutschlandweit in den positiven Bereich ansteigt (1 bis 6°C). Projiziert
auf 2m bedeutet das Höchstwerte von 5 bis 12°C und auch im Bergland war es das –
abgesehen von ganz oben – schon wieder mit dem Dauerfrost. Der Wind zieht wieder
an und erreicht seinen Höhepunkt in der Nacht zum Freitag mit Böen 7 Bft
(gebietsweise), an der Nordsee und der westlichen Ostsee 8 Bft, auf den Bergen
je nach Ausrichtung 8 bis 11 Bft.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle zeigen summa summarum eine sehr ähnliche Entwicklung. Der aktuelle
Blick auf die Remote-Sensing-Daten bestätigt die Prognosen der Numerik, dass
nicht eine einzige Troglinie durchgeht, sondern kleinräumige Elemente das
Geschehen bestimmen. Teilweise sind die Schauer auch schon ganz schön
verclustert, was gegen stärkere Windentwicklungen spricht. Trotzdem, einige
10er-Böen wurden bereits gemessen, in Kandem-Gupf bei Basel wurde sogar eine 11
Bft registriert.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann