SYNOPTISCHE UEBERSICHT MITTELFRIST
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.09.2019 um 10.30 UTC
Unbeständig und windig, am Montag Gefahr einer Sturmlage. Insbesondere ab
Wochenmitte zurückgehende Temperaturen.
Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 04.10.2019
Am Montag, zu Beginn des mittelfristigen Vorhersagezeitraumes, befindet sich
Deutschland zunächst an der Südflanke eines Sturmtiefs, das von Fünen/Seeland
über die Ostsee ostwärts zieht, um dann vor der litauischen Küste scharf
nordnordostwärts abzubiegen und zum Tageswechsel den Finnischen Meerbusen bzw.
die südfinnische Küste zu erreichen. Nach Lesart des neuesten IFS-Laufes
resultiert der durchaus veritable Gradient (Kerndruck unter 985 hPa) in recht
verbreitet auftretenden stürmischen Böen oder Sturmböen. Selbst in Tieflagen
lassen sich einzelne schwere Sturmböen nicht ausschließen. Mit Verlagerung des
Tiefs lässt der Wind im Tagesverlauf von Südwest nach Nordost nach. In der Höge
schwenkt der korrespondierende Kurzwellentrog durch und sorgt, teils in
Verbindung mit der rückgebundenen Okklusion des Tiefs, insbesondere im Norden
und in der Mitte für schauerartige Regenfälle, die auch mal kräftiger ausfallen
können. Immerhin setzt sich im Tagesverlauf im Süden schwacher
Zwischenhocheinfluss durch, sodass die Niederschlagsneigung dort nachlässt.
Mit der auf Nordwest drehenden Strömung gelangt polare Meeresluft auf direktem
Wege nach Deutschland (wobei sie natürlich über der noch warmen See erwärmt
wird), sodass die Temperaturen im 850-hPa-Niveau auf Werte zwischen knapp 1 °C
in Südschleswig und 9 °C am Alpenrand zurückgehen.
Am Dienstag greift das nächste Frontensystem auf Deutschland über. Dieses gehört
zu einer mehrkernigen, relativ schmalen Tiefdruckzone, die sich zonal von der
Keltischen See bis nach Norddeutschland ausdehnt. Der eine Tiefkern zieht von
Westfriesland über den Norden Deutschlands zur Danziger Bucht. Im Umfeld dieses
Tiefs gibt es insbesondere im Norden reichlich Regen, wobei gebietsweise die
Warnschwellen für Dauerregen überschritten werden können. Nach dem neuesten
IFS-Lauf stünde vom Emsland bis nach Bremen sogar eine Unwetterlage ins Haus.
Man kann dies durchaus auch darauf schieben, dass die sich ausbildende
Luftmassengrenze (ob nun Warm-Kalt-Welle oder Okklusion mit KF-Charakter sei mal
dahingestellt) längere Zeit verharrt und zumindest zeitweise mit dem von
Skandinavien zu den Britischen Inseln weisenden Trog interagieren kann. Weiter
südlich gibt es schauerartige und teils gewittrige Regenfälle. Auch der Wind
frischt in weiten Teilen Deutschlands wieder stark böig, teils auch stürmisch
auf. Bei Gewittern ist sicherlich auch die eine oder andere Sturmböe denkbar.
Während die T850 in weiten Teilen des Landes mittags noch zwischen 7 °C im
Norden und 17 °C am Alpenrand liegt (nur im äußersten Norden sind es auf der
kalten Seite des Tiefs 1 bis 6 °C), geht diese zum Tagesende mit Winddrehung auf
Nordwest und entsprechendem Einfließen polarer Meeresluft immer weiter zurück,
sodass den Norden die 0-Grad-Isotherme erreicht. Die eigentliche
Luftmassengrenze (die immer mehr als Kaltfront bezeichnet werden kann) erreicht
dabei die Mitte des Landes.
Am Mittwoch verlagert sich die wellende Kaltfront nur allmählich südostwärts.
Sie wird jedoch durch den von Skandinavien südwestwärts weisenden und ostwärts
vorankommenden Trog aktiviert, was in der Südosthälfte verbreitet für
schauerartige und teils gewittrige Regenfälle sorgt, die auch mal kräftiger
ausfallen können – an den Alpen stellt sich eine Staulage ein, wobei
Dauerregenwarnschwellen überschritten werden können. Mit der im Tagesverlauf
zunehmend frontsenkrechten Komponente der Höhenströmung wird die Kaltfront ost-
und südwärts aus Deutschland abgedrängt. Postfrontal fließt weiterhin bzw.
zunehmend polare Meeresluft ein (T850 am Tagesende landesweit um 1 °C). Gepaart
mit Höhenkaltluft gibt es im Norden (dort T500 unter -25 °C) häufiger Schauer,
die bedingt durch die „warme“ Nord- und Ostsee in Küstennähe auch mal ein paar
Liter mehr bringen können. Bedingt durch eine Zyklogenese über Südnorwegen
verschärft sich im Tagesverlauf der Gradient noch einmal und sorgt vor allem an
den Küsten und im höheren Bergland für stürmische Böen, exponiert für einzelne
Sturmböen. Blickt man schon einmal nach Westen auf den Atlantik, so findet man
dort den ehemaligen Tropensturm LORENZO. Durch die kräftige Warmluftadvektion
auf seiner Vorderseite baut sich auf dem Atlantik ein kräftiger Rücken auf, der
bis nach Grönland reicht. Dieser Rücken stützt am Boden eine Antizyklone über
dem westlichsten Europa.
Am Donnerstag kommen der Rücken und das Bodenhoch zwar ostwärts voran, können
aber zunächst noch keinen richtigen Einfluss auf Deutschland ausüben. Somit
verbleibt Deutschland im unmittelbaren Einflussbereich des Langwellentroges, der
vom Nordpolarmeer bis nach Libyen reicht. Dieser ist hierzulande mit
Höhenkaltluft gefüllt (T850 um 1 °C, T500 verbreitet unter -25 °C), sodass es
vielfach zu Schauern und einzelnen Kaltluftgewittern kommt. Noch dazu sorgt eine
im thermischen Feld kaum erkennbare Okklusion im äußersten Norden für Regen.
Erst zum Abend bildet sich über Süd- und Südwestdeutschland vorübergehend ein
abgeschlossenes Bodenhoch (mit 1015er Isobare) und von Westen her steigt das
Geopotenzial, sodass die Niederschlagsneigung allmählich nachlässt. Einzig der
Norden wird auch in der Nacht zum Freitag noch von der Okklusion in Form von
gebietsweisem Regen beeinflusst. Mit der Verlagerung des sich allmählich
auffüllenden Tiefs nach Südschweden (zu diesem Tief gehört auch die Okklusion)
gibt es im Norden und Nordosten steife, vor allem an der Nordseeküste auch
stürmische Böen.
Am Freitag befindet sich Deutschland am Boden unter leichtem Hochdruckeinfluss,
nur der Norden wird weiterhin von der Okklusion des mittlerweile nach Gotland
gezogenen Tiefs in Form strichweisen Regens beeinflusst. In der Höhe tut sich
nur insofern etwas, dass die Achse des Langwellentroges Deutschland zwar bereits
ostwärts verlassen hat, in nennenswertem Geopotenzialanstieg resultiert das
allerdings nicht. Lediglich die Temperatur im 500-hPa-Niveau steigt an, weswegen
die Atmosphäre bei nahezu gleichbleibenden T850 weniger labil geschichtet ist
und insofern mit oben erwähnter Ausnahme keine oder keine nennenswerten
„schaurigen“ Niederschläge ins Haus stehen.
Notiz am Rande: Blickt man wieder nach Westen, so sieht man, dass Ex-LORENZO in
der zweiten Tageshälfte die Bretagne erreicht und von dort aus unter weiterer
Auffüllung südostwärts zieht.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Grundsätzlich offenbart der neueste Lauf des IFS in den ersten Tagen der
Mittelfrist keine neuen Erkenntnisse, was die Existenz und die grobe Lage
synoptischer Strukturen angeht. Wohl gibt es aber doch Unterschiede im Detail,
insbesondere bei der Intensität, dem Timing und der Zugbahn. Das äußert sich
beispielsweise in noch immer leichten Sprüngen bei der Einschätzung der
Sturmlage am Montag und bei der nun am Dienstag in Norddeutschland erhöhten
Wahrscheinlichkeit für Dauerregen. Insbesondere ab Donnerstag zeigt der heutige
00-UTC-Lauf auch bei den synoptischen Strukturen stärker abweichende Lösungen,
was zu großen Teilen der veränderten Zugbahn des – dann – ehemaligen Hurrikans
Lorenzo geschuldet ist (er erreicht laut neuestem Lauf am Freitag die Bretagne
statt sich – wie in den Vorläufen angedacht – südwestlich von Island zu
positionieren). Demnach befänden wir uns jetzt zum Nationalfeiertag unter
deutlich zyklonalerem (nicht nur im Norden und Nordosten, sondern landesweit
Schauer und Kaltluftgewitter), tags darauf zumindest teilweise antizyklonalerem
Einfluss.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Zunächst simulieren andere Globalmodelle die Entwicklung ähnlich wie IFS,
wenngleich dieses am Montag den schärfsten Gradienten und somit auch die
stärkste Sturmentwicklung zeigt. Am Dienstag ähneln sich die Modelle weiterhin,
jedoch ist GFS in der Ostverlagerung des Tiefs schneller als IFS und ICON.
Erneut zeigt das IFS auch in diesem Fall den schärfsten Gradienten. Am Mittwoch
werden die Unterschiede schon größer: Zum einen erreicht der thermische Trog
beim IFS nur den Nordwesten, während er bei ICON und GFS den gesamten Norden
erreicht, sodass dort Schauer etwas verbreiteter auftreten würden. Auch wird die
Kaltfront etwas schneller süd- und ostwärts gedrückt.
In den folgenden Tagen zeigen ICON und GFS im Gegensatz zum IFS einen mehr oder
minder ausgeprägten Rücken über West- und Mitteleuropa, der Langwellentrog ist
bei diesen schon nach Osteuropa abgedrängt. Interessant ist auch die sehr
unterschiedlich berechnete Zugbahn von LORENZO: Bei ICON liegt der Kern schon am
Donnerstag 00 UTC etwa 500 km westlich der irischen Grafschaft Kerry, beim IFS
noch weitere 600 km westlich, beim GFS hingegen 900 km weiter nördlich. Im
Folgenden zieht der ehemalige Tropensturm beim GFS südwestlich von Island vorbei
zum Kap Farvel, während er beim ICON und IFS weiter in Richtung Irland zieht.
Jedoch füllt er sich dabei beim ICON zum Ende des Donnerstags vollends auf, bei
IFS hingegen ist er noch wunderbar ausgeprägt und zieht am Freitag schließlich
zur Bretagne.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bis
Donnerstag einen weitgehend gebündelten Verlauf der Lösungen der
Ensemblemitglieder, wobei der deterministische Lauf relativ mittig liegt. Das
gilt sowohl für die 850-hPa-Temperatur als auch für das 500-hPa-Geopotenzial,
die beide bis Dienstag (resp. bis zur Nacht zum Dienstag) ansteigen. Nachfolgend
gehen sie kontinuierlich zurück, wobei sich die T850 bei etwa 0 °C einpegelt. Am
Donnerstag (vor allem beim Geopotenzial) und Freitag (T850 und Geopotenzial)
laufen die unterschiedlichen Lösungen viel stärker auseinander, was für eine
zunehmende Unsicherheit spricht, die sicherlich dem ehemaligen Tropensturm
LORENZO geschuldet ist und die sich auch in den Konsistenzbetrachtungen
widerspiegelt. Die Deterministik verbleibt dabei mit T850 weiterhin um 0 °C im
Bereich der wahrscheinlichsten Lösungen, jedoch macht eine nicht unbedeutende
Anzahl an Lösungen einen Sprung nach oben.
Die in der Deterministik vorhandenen Niederschlagssignale werden auch von einer
Vielzahl an Ensemblemitgliedern gestützt. Dass es am Freitag unter Umständen mit
Ausnahme des Nordens doch nicht unbedingt trocken bleibt, zeigen immerhin einige
Lösungen.
Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Montag bis Dienstag (T+72…96h)
drei in etwa gleich besetzte Cluster, wobei sich Haupt- und Kontrolllauf dem
zweiten Cluster zuordnen lassen. Wirklich signifikante Unterschiede ergeben sich
jedoch nicht für Deutschland.
Auch für den Zeitraum von Mittwoch bis Freitag gibt es drei Cluster, die mit 21,
18 und 12 Membern besetzt sind. Haupt- und Kontrolllauf passen zum zweiten
Cluster. Unterschiede werden vor allem für den Freitag sichtbar, denn nach dem
ersten und dritten Cluster wäre der Trog schon etwas weiter nach Osten
abgedrängt und das Geopotenzial dementsprechend hierzulande höher als beim
zweiten Cluster. Zudem etabliert sich vor allem im dritten Cluster eine
westliche Strömung.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Am Montag sind in Verbindung mit dem ostwärts abziehenden Tief in weiten Teilen
des Landes stürmische Böen oder Sturmböen aus West wahrscheinlich und
strichweise schwere Sturmböen bis ins Tiefland nicht ausgeschlossen. Auf
exponierten Berggipfeln der östlichen Mittelgebirge kommt es zu orkanartigen
Böen oder Orkanböen. Der Wind lässt mit dem Abzug des Tiefs im Tagesverlauf von
Südwest nach Nordost nach.
Am Dienstag gibt es aufgrund eines neuerlichen Tiefs über Südschweden im Norden
erneut zeit- und gebietsweise stürmische Böen. Sonst treten insbesondere im
höheren Bergland und bei Schauern und Gewittern stürmische Böen oder Sturmböen
auf, auf exponierten Gipfeln sind es schwere Sturmböen oder orkanartige Böen aus
Südwest bis West. Zudem ist im Norden gebietsweise Dauerregen gering
wahrscheinlich und strichweise sogar ergiebiger Dauerregen nicht ausgeschlossen.
Am Mittwoch gibt es an der Küste und im oberen Bergland stürmische Böen aus
Nordwest bis West, exponiert Sturmböen. An den Alpen werden durch eine
vorübergehende Staulage möglicherweise Dauerregenwarnschwellen überschritten. Im
Süden kommt es zudem zu einzelnen einzelne Gewittern, wahrscheinlich aber ohne
signifikante Begleiterscheinungen.
Am Donnerstag treten vor allem an der Nordsee und auf exponierten Gipfeln des
östlichen Berglandes stürmische Böen aus westlichen Richtungen auf. Vereinzelt
gibt es in der hochreichenden und labilen Kaltluft Gewitter, die im Norden von
stürmischen Böen begleitet sein können.
Am Freitag kommt es voraussichtlich nicht zu signifikanten Wettererscheinungen.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach