S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 02.09.2019 um 10.30 UTC

Meist zyklonales, durch Tröge oder Höhentiefs geprägtes Wetter mit zeitweiligen
Niederschlägen und eher verhaltenen Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 09.09.2019

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag ist es
mit dem Aufbegehren des Spätsommers, das die Tage zuvor zumindest in der Mitte
und im Süden zu spüren war, schon wieder vorbei. Ursache ist ein progressiv
agierender Höhentrog, der von Westen her recht zügig auf Deutschland übergreift.
Zusammenarbeiten tut der Trog mit einem Bodentief, das im Laufe des Tages den
weiten Weg von Süd- nach Nordskandinavien zurücklegt. Die zugehörige Kaltfront –
direkt dem Höhentrog vorgeschaltet und bereits am Mittwoch im Nordwesten des
Landes zu Gast – hat bis Mittag wahrscheinlich schon den gesamten Vorhersageraum
südostwärts überquert, wobei sie im äußersten Süden etwas ins Trudeln, nein, ins
Schleifen gerät. Rückseitig gelangt eine echte Portion erwärmter Meereskaltluft
(sub)polaren Ursprungs, in der die 850-hPa-Temperatur auf 7 bis 2°C (im
Nordwesten evtl. sogar noch etwas tiefer) zurückgeht. Vom nahen Atlantik schiebt
sich der KLA folgend der Keil eines veritablen Hochs (> 1035 hPa im Zentrum)
west-südwestlich von UK/Irland bis zum westlichen Mitteleuropa vor, der aber
nicht verhindern kann, dass sich in hochreichender Kaltluft (gewittrige) Schauer
entwickeln, deren räumliche Ausdehnung nach Süden und Südosten derzeit aber noch
unsicher ist. Im Süden jedenfalls kommt es zu frontalen, an den Alpen
orografisch verstärkten Regenfällen, wobei die Schneefallgrenze in der Nacht zum
Freitag wahrscheinlich auf unter 2000 m sinken wird.

Am Freitag zieht der Trog unter deutlichem Konturverlust als kurzwelliges Relikt
rasch aus Deutschland heraus. Dahinter zonalisiert die Höhenströmung
vorübergehend, bevor sie noch im Laufe des Freitags vorderseitig eines neuen,
recht scharf ausgeprägten KW-Trogs rückdreht. Dieser neue Trog lag
Donnerstagfrüh noch recht unscheinbar über der Irminger See, konnte auf seinem
Weg zur westlichen Nordsee (Freitag 12 UTC) aber deutlich an Krümmung zulegen.
Mit im Boot ist ein Bodentief, das aus dem gleichen Raum kommt und zum Tagesende
den Skagerrak erreicht. Derweil schafft es der sich südlich anschließende
Bodenkeil, eine zaghafte Verbindung zu einem Hoch über Russland aufzubauen, so
dass sich das Muster einer Brücke (BM => Brücke Mitteleuropa) ergibt – eine sehr
brüchige Brücke. Immerhin wird es reichen, zwischen den auslaufenden Regenfällen
im äußersten Süden und dem neuen, auf Nordwestdeutschland übergreifenden
Niederschlägen einen trockenen Korridor zu schaffen, in dem ab und zu auch mal
die Sonne ein paar Arbeitsnachweise liefern kann. Auf die Temperaturen hat das
allerdings keinen großen Einfluss, die bleiben ziemlich verhalten (T850 2-6°C).

Am Wochenende – die Bundesliga macht Pause und überlässt den
Nationalmannschaften die Bühne – deutet sich sehr durchwachsenes Wetter an. Der
Trog schwenkt nach Deutschland rein, und schon in dem Moment, wo uns sein
Drehzentrum gen Ostsee wieder verlassen will, setzt vom Europäischen Nordmeer
respektive von der Nordsee der nächste Oschi nach. Dabei handelt es sich um ein
abgeschlossenes Höhentief, das offensichtlich nur einen einzigen Plan verfolgt:
den Sonntag in (oder besser über) Deutschland zu verbringen. Am Boden eiert das
o.e. Tief im wahrsten Sinne des Wortes bis Sonntagabend via Kattegat und
Dänemark bis zur westlichen Ostsee bzw. Schleswig-Holstein, wobei auf seiner
West- und Südwestflanke während der ganzen Zeit Meeresluft polaren Ursprungs
(T850 0 bis 5°C) in den Vorhersageraum gepumpt wird. Fortwährende
Hebungsprozesse um oder unter dem Höhentief sorgen an beiden Tagen vielerorts
(ebenso wie „verbreitet“ ein von Meteorologen gern gewähltes Wort, ist man doch
nicht gezwungen, Butter bei die Fische zu geben nach dem Motto „ja wo genau
regnet es denn?“ – es lässt sich heute tatsächlich noch nicht belastbar
beantworten) für schauerartig verstärkten, teils länger andauernden Regen, bei
dem man sich auch über ein eingelagertes Gewitter nicht wundern sollte.
Tagestemperaturen von häufig unter 20°C und ein mitunter böig auffrischender
West-Nordwestwind erinnern uns nachhaltig daran, dass wir uns nicht mehr im
Sommer sondern bereits im meteorologischen Herbst befinden.

Zu Beginn der neuen Woche verabschiedet sich das Höhentief zu unseren polnischen
Nachbarn, während sich das Bodentief irgendwo über Norddeutschland auffüllen
soll. Dabei kommt die eingeflossene maritime Polarluft etwas zur Ruhe, es deuten
sich aber weitere Regenfälle an bei wenig geänderter Temperatur.

Noch ein Satz zur erweiterten Mittelfrist von Dienstag bis Donnerstag: evtl.
Übergreifen der Frontalzone, entsprechend vorwiegend zyklonal geprägt mit
weiteren Niederschlägen, dabei kühl oder nur mäßig warm. Jetzt aber das große
Aber: im Laufe der nächsten Woche könnte der aktuell bei den Bahamas
positionierte Major-Hurrikan DORIAN in welcher Form auch immer in das hiesige
Wettergeschehen eingreifen (dann natürlich nicht mehr als Hurrikan sondern als
ehemaliger Tropensturm, der zu einem extratropischen Tief der mittleren Breiten
mutiert ist). Wetterlagen mit „Ehemaligen“ weisen traditionsgemäß nicht nur ein
hohes Überraschungspotenzial auf, sie stellen zudem die Wettermodelle nicht
selten auf eine harte Probe.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Sieht man einmal von den handelsüblichen Unschärfen einer mittelfristigen
Wetterprognose ab, kann man dem IFS (ECMF) aktuell eine gute Konsistenz
attestieren. Oder mit anderen Worten, für die Zeit bis nächsten Montag gibt es
von Lauf zu Lauf an der einen oder anderen Stelle durchaus leichte Unterschiede
(etwa bei der genauen räumlichen Verteilung der Niederschläge oder auch beim
Wind), eine grundlegende Änderung des gestern eingeschlagenen Vorhersagekonzepts
ist deswegen aber nicht erforderlich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Großen und Ganzen haben die anderen an dieser Stelle für gewöhnlich
gecheckten Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) auch keine wirklich neuen Ideen.
Auf der anderen Seite verwundert es angesichts der Tatsache, dass Höhentiefs in
der Prognose eine prominente Rolle spielen, nicht, dass es bei der Kongruenz der
Basisfelder auch mal zu größeren Abweichungen kommt. So schert z.B. ICON am
Wochenende insofern aus, als dass der erste Trog am Samstag schwächer gerechnet
wird. Noch gravierender aber ist die Tatsache, dass das nachfolgende Höhentief
komplett fehlt und stattdessen ein Rücken von der Nordsee übergreift, der den
Sonntag weitaus trockener gestalten würde.

FAZIT:
Der Kurs in Richtung unbeständig und eher frisch scheint eingemeißelt. Die
ICON-Lösung für das Wochenende wird zunächst mal als Außenseiter abgestempelt,
der aber ein Plätzchen im Hinterkopf bekommt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen (ähnlich auch bei GFS-EPS) verschiedener deutscher
Städte zeigen insgesamt einen gutmütigen Verlauf mit einem langsam, aber
kontinuierlich zunehmenden Spread, der aber nicht exorbitant anwächst.
Interessant dabei, dass die meisten Ensembles am Sonntag ähnlich wie der
Hauptlauf einen Rückgang des Potenzials (500 hPa) simulieren. Ein paar Strategen
(etwa eine Handvoll) sind aber darunter, die nach oben tendieren und somit das
Szenario von ICON stützen. Trotz der zunehmenden Streuung ist im Laufe der
nächsten Woche ein leichter Aufwärtstrend bei Potenzial und Temperatur (850 hPa)
erkennbar – bei täglich wiederkehrenden Niederschlagssignalen.
Von den rauchenden Colts zu den Clustern, wo für das erste Zeitintervall
T+72…96h (Donnerstag zu Freitag) vier Schubladen aufgemacht werden, die alle den
Höhentrog von Westen her übergreifen lassen. Mal tropft er im Süden (also
südlich der Alpen) ab, was bei uns einen etwas stärkeren Zwischenhocheinfluss
zur Folge hätte. Mal tropft er nicht ab, was eine höhere Schaueraktivität
bedeuten würde.
Von Samstag bis Montag (T+120…168h) verringert sich die Anzahl der Cluster auf
drei (21 Fälle + HL/KL, 18, 12). Im Gegensatz zum Hauptlauf zieht es das
Höhentief in CL 2 nach Süden und nicht nach Osten, während CL 3 einen Rücken zu
Wochenbeginn übergreifen lässt. Die Troglage am Wochenende scheint auf Basis der
Cluster aber unstrittig, auch wenn sich der Verfasser wundert, dass kein Cluster
nach dem Muster von ICON vorliegt.
In der erweiterten Mittelfrist ab Dienstag (T+192…240 h) werden wieder vier
Cluster angeboten (20 KL, 14, 11+HL, 6), die sich – oh Wunder – recht
facettenreich präsentieren. So rückt in CL 1 ein breiter Höhenrücken heran, der
spätsommerliches Wetter bringen würde. CL 4 hingegen simuliert gegenteilig eine
zyklonale West-Nordwestlage. Bei CL 2 und 3 wartet der o.e. Höhenrücken westlich
von uns ebenfalls darauf, bei uns einen Fuß in die Tür zu bekommen, was aufgrund
des resistenten Troges respektive Höhentiefs über Mitteleuropa aber nur sehr
zögerlich bis gar nicht gelingt.

FAZIT:
Abzüglich der normalen Unschärfen stützen die Ensembles den Hauptlauf. Spannend
gestaltet sich der Verlauf in der kommenden Woche, der in verschiedene
Richtungen gehen kann.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Viel geben weder die deterministischen Modelle noch die probabilistischen
Anschlussprodukte in Sachen „signifikante Wettererscheinungen“ nicht her. Für
die Küste liegen bis etwa Samstag leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Böen 8
Bft aus westlichen Richtungen vor, ohne dass sich eine wirklich fette Windlage
abzeichnet.
Mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit könnte es am Donnerstag am Alpenrand in
Staulagen für etwas mehr als 30 l/qm innert 24 h reichen, allerdings ist dieses
„Eis“ ziemlich dünn.
Ach ja, und dann wären da am Wochenende in Verbindung mit dem Höhentief da noch
vereinzelte kurze Kaltluftgewitter, die auftreten können, ohne aber für großen
Ärger zu sorgen.

Basis für Mittelfristvorhersage
Aufgrund der abweichenden Lösung von ICON am Wochenende wird bei der Vorhersage
auf MOS-IFS und IFS-EPS zurückgegriffen.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann