SYNOPTISCHE UEBERSICHT MITTELFRIST
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.08.2019 um 10.30 UTC
Von Sonntag auf Montag Kaltfrontpassage mit kräftigen Gewittern und nachfolgend
deutlich zurückgehenden Temperaturen.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 05.09.2019
Nur noch wenige Tage und er ist vorbei – der Sommer 2019. Ein Sommer, der in
Erinnerung bleiben wird mit diversen Gewitterlagegen, Hitzeperioden,
Hitzerekorden und so weiter, und so fort. Auch aktuell gibt der Spätsommer in
Deutschland noch mal richtig Gas mit schawülen Tagestemperaturen teils deutlich
oberhalb der 30°C-Marke, tropisch anmutenden Nachttemperaturen um oder sogar
über 20°C und Tag für Tag aufs Neue regional schadensträchtigen Gewittern. Ganz
ehrlich, liebe Leserschaft, der Verfasser findet: es reicht! So viel
Meinungsfreiheit muss sein in einem Metier, in dem man normalerweise zu
neutraler Berichterstattung verpflichtet ist, aber – man mag es kaum glauben –
auch Meteorologen sind Menschen.
„Sommer 2019 vorbei“ meint zunächst mal, dass am kommenden Samstag, den 31.
August der Sommer per definitionem endet. Die meteorologischen Jahreszeiten sind
wie man weiß ein menschgemachtes Konstrukt, welches ein ganzes Jahr in vier
dreimonatige (also ganze Kalendermonate) Abschnitte gliedert. Tja, und so
beginnt am kommenden Sonntag, dem 1. September der meteorologische Herbst, was
zunächst aber nichts bedeuten muss. Unzählige Beispiele aus der Vergangenheit
beweisen eindrucksvoll, dass sich die Natur mitunter nicht mal in Ansätzen an
solch anthropogene Vorgaben hält, sondern einfach ihr Ding weiterspinnt, dass
sie Tage oder Wochen zuvor angefangen hat.
Doch sieh da, sieh da, Timotheus, in diesem Jahr ist alles anders, zumindest
beim Übergang vom Sommer in den Herbst. Die Natur spielt das Spielchen mit, wenn
auch mit einer klitzekleinen Verzögerung, doch dazu später mehr. Jetzt zu den
Fakten und damit zur „neutralen“ Berichterstattung.
Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag befindet
sich Deutschland auf der unmittelbaren Vorderseite eines gut ausgeprägten, aber
nicht als Langwellenexemplar durchgehenden Höhentrogs über dem nahen Ostatlantik
respektive Westeuropa. Das eingelagerte Drehzentrum korrespondiert mit einem
Tief, das von Süden her über die Norwegische See in Richtung Ostgrönlandsee
zieht – ein Kurs, der eigentlich von unserem Raum weggerichtet ist. Trotzdem
setzt dieses Tief eine nachhaltige Duftmarke in Form einer Kaltfront, die ihren
Namen wirklich verdient hat und Deutschland im Laufe des Sonntags bis Montagfrüh
von West nach Ost überquert (deswegen im Osten und Südosten die o.e. kleine
Verzögerung). Dabei kommt es zu einem deutlichen Luftmassenwechsel von
präfrontaler, potenziell instabiler und sehr warmer Subtropikluft hin zu
postfrontaler, merklich kühlerer Meeresluft polaren Ursprungs. In Zahlen
ausgedrückt: die 850-hPa-Temperatur geht von 14 bis 17°C auf 7 bis 3°C zurück,
was einem regelrechten Temperatursturz gleichkommt. Dass ein solcher Wechsel
nicht von zarten Violinenklängen sondern Pauken und Trompeten begleitet wird,
liegt in der Natur der Sache. Insbesondere im Süden und Osten, wo der Thermostat
vor Ankunft der Front noch mal auf Anschlag steht und zumindest regionsweise
eine vorlaufende Konvergenz durchgeht, ist mit kräftigen Gewittern bis in den
Unwetterbereich zu rechnen.
Im Laufe des Montags zieht die Kaltfront aus dem Bundesgebiet raus, hinkt aber
im Süden wegen der alpinen Barriere etwas zurück. Dort nimmt sie Anacharakter an
und es kommt auf der kalten Seite (der Bodenwind dreht auf West bis Nordwest) im
Süden und Südosten Bayerns zu länger andauernden, wahrscheinlich aber nicht mehr
gewittrigen Regenfällen. Als Unterstützer fungiert zudem der nun von Westen
übergreifende Höhentrog, auch wenn dieser zunehmend an Kontur einbüßt.
Höhenkalte Luft mit T500-Werten um -23°C sorgt in den nordwestlichen
Landesteilen für eine Labilisierung der frisch eingeflossenen maritimen
Luftmasse, was mit der Entwicklung von Schauern und vielleicht sogar kurzen
Gewittern quittiert wird. Zwischen dem Regen im Süden und den Schauern im
Nordwesten kann sich der nach Osten vorstoßende Azorenhochkeil soweit in Szene
setzen, dass ein von Südwest nach Nordost verlaufender, weitgehend trockener
Korridor dabei herauskommt.
Am Dienstag bekommt der Hochkeil, der zusehends die Rolle einer Brücke einnimmt
(GWL-Muster BM => Brücke Mitteleuropa) Unterstützung von einem sich von
Frankreich langsam ostwärts vorarbeitenden Höhenrücken. Unter dem Strich
bedeutet das weitgehend trockenes Wetter, wieder zunehmende sonnige Abschnitte
(vor allem im Südwesten) sowie eine allmähliche Erwärmung der eingeflossenen
Meeresluft (Anstieg T850 bis zum Abend auf 5°C im äußersten Norden und 9°C im
äußersten Süden).
Bereits am Mittwoch, nachhaltiger dann aber am Donnerstag wird die antizyklonale
Herrlichkeit dann schon wieder attackiert. So dringt am Mittwoch eine erste
schwache Kaltfront oder Okklusion von der Nordsee her landeinwärts ein, die aber
noch sehr schmal auf der Brust ist und wahrscheinlich nur wenig wetterwirksam
ist (etwas Regen im Norden und Nordwesten). Am Donnerstag folgt eine weitere,
thermisch stärker ausgeprägte Kaltfront nach, die zudem noch von einem Höhentrog
unterstützt wird. Ob und wie lange sich im Süden noch der Hochdruckeinfluss
halten kann, ist fraglich. Der Norden und Westen jedenfalls wird von einem
frischen Schwall maritimer Polarluft geflutet (T850 unter 5°C), die für
wechselhaftes Wetter sorgt.
In der erweiterten Mittelfrist ab Freitag deutet sich zunächst eine Troglage
unter der Ägide des sich über Mitteleuropa amplifizierenden Höhentrogs an
(wechselhaft und relativ kühl). Wohl erst im Laufe des Sonntags wird dieser Trog
von einem sich über Westeuropa aufwölbenden Rücken peu a peu nach Osten
abgeschoben – so zumindest die Meinung des IFS von heute 00 UTC.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Obwohl IFS seit gefühlt 23 Läufen für Anfang kommender Woche eine merkliche
Abkühlung und das Übergreifen eines Höhentroges simuliert, was unbestritten eine
tolle Leistung ist, kann bei der Konsistenzbetrachtung doch nicht die Note
„eins“ vergeben werden. Der Grund dafür liegt vor allem in der Geometrie des
Troges, die immer wieder etwas anders gerechnet wird. Auf die bevorstehende
Abkühlung hat das nur wenig Einfluss, auf die Niederschlagsverteilung schon
etwas mehr, wenn auch nicht über die Maße hinaus. So sollte es z.B. nach dem
gestrigen 12-UTC-Lauf am Montag im Osten längere Zeit und durchaus veritabel
regnen, was nun aber wieder gecancelt wurde – leider.
Eine grundlegende Änderung des gestern veröffentlichten Vorhersagekonzepts ist
trotz der Unschärfen nicht notwendig.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Offensichtlich hat nicht nur IFS, sondern auch die gesamte Mannschaft der
etablierten Globalmodelle von ICON über GFS und GEM bis zum britischen UKMO die
Nase voll vom Powersommer. Oder anders formuliert, alle finden die Idee mit der
sonntäglichen und am Montag abgeschlossen Kaltfrontpassage sowie dem
nachfolgenden Besuch des Höhentrogs ziemlich gut. Genau wie bei der
Konsistenzbetrachtung zeigt sich auch im Modellvergleich, dass die Modellierung
der Konfiguration bzw. der Geometrie des Troges offensichtlich nicht trivial
ist. Mal erfolgt eine Abtropfung, dann wieder erfolgt die Passage straight
foreward. Interessant, dass ICON vom zweiten Höhentrog am nächsten Donnerstag
nichts wissen will, sondern eher in Richtung Hochdruckeinfluss tendiert, was ein
etwas abgespecktes Comeback des Sommers bedeuten würde – eine Außenseiterlösung.
FAZIT: Die Abkühlung kommt sicher und auch die Niederschlagsprognosen für Montag
(Regen im Süden und Südosten) sehen relativ homogen aus.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte von IFS-EPS sprechen eine recht
deutliche Sprache, auch wenn die Streuung im Laufe der nächsten Woche zunimmt.
Die wesentlichen Pflöcke, die der Hauptlauf setzt, spiegeln sich mit
ausreichender Belegung auch im Ensemble wider. Eine Kleinigkeit fällt allerdings
ins Auge. Es gibt 2-3 Lösungen, die nicht den abrupten Temperaturrückgang von
Sonntag zu Montag mitmachen, sondern eine eher graduelle Abkühlung simulieren.
Die GFS-EPS-Grafiken zeigen übrigens eine sehr ähnliche Charakteristik wie die
Kollegen aus Reading.
Zur Clusterung, die schon im ersten Zeitsegment T+72…96h (Sonntag zu Montag) mit
voller Kapelle (sechs Cluster) aufwartet. CL 1 bis 5 ähneln sich sehr bezogen
auf den Vorhersageraum (nur minimale Timingunterschiede). CL 6 allerdings
repräsentiert genau jene 3 Lösungen, die die graduelle Abkühlung propagieren.
Der Grund dafür: eine Abtropfung des Troges westlich der Iberischen Halbinsel,
die bei der Mehrheit der Ensembles nicht stattfindet.
Von Dienstag bis Donnerstag (T+120…168h) werden ebenfalls sechs Cluster
angeboten. CL 6 setzt im Anschluss an den obigen CL 6 auf eine nördliche
Westlage. Alle anderen Szenarien setzen nach einem kurzen antizyklonalen
Einschub auf das abermalige Übergreifen eines Höhentroges, der aber
unterschiedlich geformt ist und auch beim Timing Diskrepanzen an den Tag legt.
Bliebe noch ein kurzer Blick auf die Tage von Freitag bis Sonntag (T+192…240h),
die sich ebenfalls sechs Cluster gönnen. CL 1, 2 und 4 (insgesamt 31 Fälle +
HL/KL) rechnen TrM (Trog Mitteleuropa), CL 5 (6 Fälle) eine zyklonale W-NW-Lage
und CL 3 und 6 (14 Fälle) sehen einen mehr oder weniger ausgeprägten Rücken über
Mitteleuropa.
FAZIT: Trotz hoher Clusterzahlen scheint die Vorhersage probabilistisch
ausreichend abgesichert. Eine graduelle Abkühlung in der nächsten Woche scheint
unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Die erweiterte Mittelfrist gibt
sich noch sehr unsicher.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Zu Beginn der Mittelfrist am Sonntag/Montag ist die Wahrscheinlichkeit für
signifikante Wettererscheinungen am größten. Da wäre zunächst die KF-Passage mit
der Gefahr kräftiger Gewitter im Süden und Osten, lokale Unwetter inclusive.
Am Montag (bzw. schon in der Nacht zuvor) folgt dann im äußersten Süden und
Südosten wahrscheinlich eine markante Dauerregenlage (auch wenn die
probabilistischen Hinweise nur dezenter Natur sind). Dazu gesellen sich im
Norden ein paar Kaltluftgewitter, außerdem kann es an der See mitunter mal etwas
stärker brisen (bis max. 8 Bft).
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-IFS mit IFS-EPS und Modellmix, dazu etwas „Bauch“.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann