SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 050800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T ausgegeben am Freitag, den 05.07.2019 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: schwierig, aber am ehesten vielleicht NWa (Nordwest antizyklonal)
Heute nicht viel los. Morgen von Norden her langsame Kaltfrontpassage mit auffrischendem Wind im Norden. Im Süden erste Gewitter, in der Nacht zum und
zunächst auch am Sonntag andauernd. Richtung Alpen dann auch nicht-gewittriger
Starkregen möglich.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
Freitag… befindet sich Deutschland nach wie vor am Rande der etwas weiter nördlich verlaufenden Frontalzone, deren Ausprägung zwischen dem Seegebiet südlich Islands und Polen am stärksten ist. Wichtig sind zwei Drehzentren auf
der kalten Seite, von denen das erste (also das östliche) gerade die Südwestspitze Finnlands passiert, um heute Abend in Estland aufzuschlagen. Numero zwei zieht gleichzeitig von Island her in Richtung Färöer Inseln. Zwischen den Höhentiefs hat sich ein flacher Rücken etabliert, der auf Südskandinavien zusteuert. Bei uns resultiert aus dieser Konstellation eine nordwestliche Höhenströmung, die anfangs – quasi im Schlepptau des ersten Höhentiefs – noch leicht zyklonal konturiert ist (vor allem nach Nordosten hin),
bevor sie unter leichtem Rückdrehen in den indifferenten Modus wechselt. Entsprechend lassen sich aus der mittleren und oberen Troposphäre keine omegafördernden Prozesse ableiten, die Höhenströmung verhält sich also neutral.
Kommen wir zum bodennahen Niveau, wo zunächst mal die beiden zu den o.e. Drehzentren korrespondierenden Bodentiefs ins Auge fallen. Während das westliche
auf den Namen PIRMIN „hört“, wurde dem östlichen wundersamerweise die Taufe verwehrt. Zu Unrecht, wie der Verfasser findet, verfügt dieses Tief doch über
eine Kaltfront, die zwar nicht in die Geschichte zeitgenössischer Meteorologie
eingehen wird, die aber immerhin den äußersten Norden und Nordosten mit ein paar
Regenspritzern ankratzt und weite Teile Nord- und Ostdeutschlands mit dichter,
bis in höhere Stockwerke der Atmosphäre reichenden Bewölkung versorgt. Diese hat
sich mit der nordwestlichen Höhenströmung in unterschiedlich dünner Form (teils
translucidus, teils aber auch opacus) über die Mitte bis nach Bayern sowie in
den Norden BWs vorgearbeitet, wo sie auf Dauer wohl aber nicht viel ausrichten
kann. Mit anderen Worten, Süddeutschland, aber auch der größte Teil der Mitte
werden heute einmal mehr einen sommerlich geprägten Tag mit reichlich Sonnenschein erleben, auch wenn nicht überall „sky clear“ gemeldet werden wird
und der bis dato wetterbestimmende Keil des Atlantikhochs WINNIE gewisse Atemprobleme meldet. Als Backup agiert quasi ein Höhenrücken über Frankreich,
der auf seiner Vorderseite leichtes Absinken induziert. Dadurch trocknet nicht
nur die Luftmasse ab respektive wird stabiler, es steigt auch die 850-hPa-Temperatur im Süden und Südwesten von etwa 12 bis 15°C heute früh auf 14
bis 18°C heute Abend. Folgerichtig werden dort Tageshöchstwerte von 26 bis 32°C
erwartet, im südlichen Oberrheingraben blinkt vielleicht sogar eine 33°C auf.
Zurück noch mal in den Norden, wo man mancherorts wahrscheinlich gar nicht glauben kann, dass im Süden der Sommer in voller Blüte steht. Die Kaltfront jedenfalls kommt nicht wirklich nach Süden voran, weil sie über der Nordsee bereits wieder in die Warmfront des nächsten Tiefs (also PIRMIN) übergeht. Mit
Sonnenschein sieht es im Norden und Osten ziemlich mau aus, vielleicht bekommt
das nördlichste Vorpommern um Rügen, den Darß und Usedom herum ein paar Strahlen
ab, sollte man dort auf die Rückseite der Kaltfront gelangen. So oder so, von
der Nordsee bis hinüber nach MV und das nördliche BB wird es nix mit dem Überschreiten der 20°C-Marke, bei 16 bis 20°C ist Schluss. Mit dem langsamen
Abzug des namenlosen Tiefs fächert der Gradient im Tagesverlauf ganz gemächlich
auf. Und da der Tagesgang aufgrund der starken Bewölkung nicht allzu viel auszurichten vermag, dürfte der westliche Wind heute nur Nebenrolle spielen.
Warnrelevante Böen 7 Bft dürfte es in Einzelfällen an der an der Ostseeküste
geben (vor allem in MV) sowie anfangs an der nordfriesischen Nordseeküste.
In der Nacht zum Samstag wandert der Höhenrücken von Frankreich her unter Abflachung langsam ostwärts, während Höhentief Numero zwo den Süden Norwegens
ansteuert. Dazwischen dreht die Höhenströmung bei uns rück auf West-Nordwest. Im
Norden setzt dabei leichte WLA ein, der zur Folge in der zweiten Nachthälfte mit
Passage der o.e. Warmfront von der Nordsee her leichter stratiformer Regen auf
Teile Nord- und Nordwestdeutschlands übergreift. Während der ebenfalls etwas
rückdrehende Bodenwind (auf W-SW) an der Ostsee weiter an Stärke einbüßt, setzt
er an der Nordsee neue Lebenszeichen mit ersten Böen 7 Bft.
Zur Mitte und nach Süden hin passiert hingegen nüschts, bei gering bewölktem
oder klarem Himmel geht die Temperatur auf schlummerfreundliche 16 bis 10°C zurück. Lediglich im äußersten Süden und Südwesten rücken die Tiefstwerte mit 16
bis 19°C schon wieder ein wenig aus dem Komfortbereich
heraus.
Samstag… erreicht das Höhentief nebst korrespondierendem Bodentief (wahrscheinlich wird das ursprüngliche Tief PIRMIN durch eine orografisch induzierte Neubildung über Südnorwegen ersetzt, was aber nur von akademischen
Interesse ist) gegen Mittag den Skagerrak und zum Abend hin das Kattegat respektive Südschweden. Die zugehörige Kaltfront greift bis Mittag von der Nordsee her auf SH, HH sowie das nördliche NDS über. An bzw. vor der Front bildet sich ein definiertes, zonal orientiertes Regenband, das sich langsam über
die Norddeutsche Tiefebene hinweg nach Süden vorarbeitet. Trotz mangelnder Unterstützung aus der Höhe (weit nach Süden ausgreifende KLA, zu weit nördlich
liegende PVA) simulieren die Modelle fast unisono gebietsweise 5 bis 10 mm Regen
innert 12 h. In der postfrontal einfließenden polaren Meeresluft (Rückgang T850
auf 5 bis 3°C) lockert die Bewölkung zum Nachmittag hin von Norden her auf, Schauer dürften aufgrund fehlender Höhenkaltluft weder hochfrequent noch großflächig auftreten. Dafür frischt der auf West bis Nordwest drehende Wind
insbesondere an der Küste und im küstennahen Binnenland sowie in exponierten
Hochlagen der Mittelgebirge merklich auf mit Böen der Stärke 7 bis 8 Bft. Während sich Norddeutschland also auf eine Kaltfrontpassage einstellen muss,
erleben die Mitte und der Süden den nächsten Sommertag. Zwar sucht man das vermeintlich verantwortliche Hoch auf der Bodenvorhersagekarte vergebens, der
o.e. flache Rücken reicht aber noch aus, um einigermaßen stabile Verhältnisse zu
garantieren. Einigermaßen deswegen, weil die alternde Warmluft nun doch allmählich labiler wird und ganz im Süden auch etwas feuchter wird. Im Süden BWs
sowie im südwestlichen Bayern wird mit Hilfe der starken Einstrahlung entsprechendes ML-CAPE generiert, das z.T. etwas über 1000 J/kg beträgt – allerdings weitgehend gedeckelt. Am späten Nachmittag bzw. Abend können sich in
den genannten Regionen – am ehesten aus dem Bergland heraus – durchaus einzelne
Gewitter entwickeln, die bei langsamer Verlagerung und etwas Scherung von Starkregen und/oder etwas größerem Hagel, aber auch von Sturmböen (trockene Grundschicht mit inverser V-Struktur => Downburst) begleitet sein können (WU
möglich). Weiter nördlich (grob südliche Mitte) deutet die Numerik auch etwas
Hebung an, die in den Outputs mit schwachen Schauern quittiert wird – fraglich
angesichts der zunächst noch ziemlich trockenen Luftmasse (besonders in der Grundschicht, dazu trockene Böden). Auf alle Fälle lebt der westliche Wind auch
im Süden mitunter böig auf, wobei auch mal Žne vereinzelte „Sieben“ am Start
sein kann. Ob das für Warnungen ausreicht, ist allerdings mehr als fraglich. Die
Spitzen der Berge reagieren mit Böen 7-8 Bft, was zunächst aber als Einzelfallentscheidung abgeheftet werden kann.
Der Temperaturunterschied zwischen Nord und Süd bleibt äußerst opulent mit 16
bis 20°C im nördlichen Viertel, 20 bis 26°C im sich anschließenden Viertel und
26 bis 32°C in der Südhälfte.
In der Nacht zum Sonntag erreicht die Kaltfront die mittleren Landesteile. Das
frontale Regenband schwächt sich im Zuge andauernder KLA mehr und mehr ab, vor
allem in seinem westlichen Teil. Weiter im Osten könnte es punktuell aber für 5
mm oder etwas mehr binnen 12 h reichen. Im Norden bilden sich in der frisch einfließenden Meeresluft, die aber ziemlich trocken ist, nur wenige schwache
Schauer. Auf der Rückseite des gen Baltikum abziehenden Bodentiefs bleibt es
besonders im Küstenraum windig mit Spitzen 7, exponiert 8 Bft aus Nordwest. Im Süden, also vor der Kaltfront, wird die Warmluft advektiv mit Wasserdampf
angereichert, was den Feuchtigkeitsgehalt erhöht. Labil bleibt die Luftmasse,
MU-CAPE ist ebenfalls vorhanden, so dass – bei aller noch gegebenen Unschärfe
hinsichtlich der genauen räumlichen Verteilung – mit Gewittern, aber auch mit
gewittrigem oder nicht-gewittrigem Starkregen gerechnet werden muss (der nötige
Hebungsimpuls resultiert aus der Annäherung der Kaltfront sowie eines schwachen
Randtrogs von Westen her). Vor allem ICON und IFS hauen diesbezüglich ordentlich
auf die Kacke mit Hotspots von z.T. über 50 mm innerhalb weniger Stunden (Allgäu
sowie südlich der Isar).
Sonntag… ist die Höhenströmung über Deutschland deutlich zyklonal gekrümmt,
wobei der Wind aus West bis Nordwest kommt. Die Kaltfront des zum Baltikum ziehenden Bodentiefs erreicht im Tagesverlauf die Alpen, wobei sie aber zunehmend von ihrer anfangs noch vorhandenen Baroklinität einbüßt. Es reicht
aber, den gesamten Vorhersageraum mit einer Portion Meeresluft polaren Ursprungs
zu versorgen, die im Norden naturgemäß relativ frisch ankommt (T850 um 2°C),
während sie in Süddeutschland modifiziert und deutlich erwärmt aufschlägt (T850
6 bis 10°C). Der postfrontalen KLA folgend setzt Druckanstieg ein, der sich in
Form eines vom nahen Ostatlantik bis nach Mitteleuropa vorstoßenden Hochkeils
widerspiegelt. Unten antizyklonal, oben zyklonal ergibt unter dem Strich gemischtes Wetter mit wechselnder Bewölkung und einzelnen Schauern, die aber
nicht allzu ergiebig ausfallen dürften. Im äußersten Nordosten, wo etwas Höhenkaltluft vorhanden ist (T500 um -22°C) wird z.B. von ICON sogar ein kurzes
Gewitter zugelassen, was es aber abzuwarten gilt. Wahrscheinlicher als das ist
auf alle Fälle ein bevorzugt im Norden und Nordosten auffrischender und böiger
West-Nordwestwind mit Maximalböen der Stärke 7 Bft, an der Küste (Ostsee, Nordfriesland) exponiert 8 Bft. Wie weit diese Windstärke letztlich nach Süden
ausgreift, sprich, wo eine Warnung vonnöten sein wird, kann heute noch nicht
abschließend beantwortet werden.
Fakt ist, dass es vor der Kaltfront zu weiteren Gewittern und (Stark)Regenfällen
kommt, die sich peu a peu in und an die Alpen zurückziehen. ICON und IFS klotzen
dabei weiterhin ordentlich ran, will heißen, punktuell können noch mal 30 bis 50
mm zusammenkommen. Am deutlichsten, weil auch von der Probabilistik gestützt,
ist dieses Signal im Allgäu. Mal sehen, ob das in den folgenden Prognosen so
bleibt. Der auf Nordwest drehende Wind frischt mitunter auf, auf den Alpengipfeln reicht es mit konvektiver Unterstützung für Böen 8-9 Bft. Die Temperatur erreicht an der Nordsee gerade mal 15/16°C, sonst werden von Nord
nach Süd 17 bis 24°C, am Oberrhein vielleicht 25°C erreicht, was für Süddeutschland und die Mitte eine merkliche Abkühlung bedeutet (ohne dass es
freilich wirklich kühl wird aus in den Regionen mit Starkregen).
Modellvergleich und -einschätzung
Während die synoptische Entwicklung unisono simuliert wird, gibt es insbesondere
bei der Niederschlags- und Gewittersimulation Unterschiede. So werden die im
Text erwähnten, von IFS und ICON im Süden gerechneten hohen RR-Werte von GFS
nicht gestützt. Hier wird man sehen, was am Ende übrigbleibt. Die über einen
längeren Zeitraum simulierten Regenmengen lassen durchaus auch die Idee einer
Dauerregenwarnung erwachsen, aufgrund des überwiegend konvektiven Charakters
(der z.T. auch die Heterogenität der Prognosen erklärt) läuft es wohl auf mehrstündige Starkregenwarnungen hinaus.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann