SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.05.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL. Anfangs noch HNFz (Hoch Nordmeer Fennoskandien zyklonal), am Wochenende in TM (Tief Mitteleuropa) übergehend

Bis Sonntag sukzessive Steigerung des (unorganisierten)
Konvektionspotenzials bis hin zu örtlichen Unwettern vor allem durch Starkregen.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… zeigt die aktuelle Potenzialverteilung Deutschland im Bereich eines komplexen, aus mehreren Höhentiefs und Partialtrögen bestehenden Höhentrogs, der
von Grönland über weite Teile Mitteleuropas bis in den Mittelmeerraum reicht, wo
er sich in einen West- und in einen Ostteil aufspaltet. Die
Potenzialgegensätze über dem Vorhersageraum sind dabei extrem flau mit nur schwachen bis mäßigen Höhenwinden aus Süd bis Südost. Von daher verwundert es auch nicht, dass aus der
quasigeostrophischen Diagnostik nicht viel zu holen ist, sprich, nennenswerte dynamische Prozesse stehen am heutigen Freitag nicht auf der Agenda. Zwei kleine
Ausnahmen gilt es dann aber doch zu erwähnen: da wäre zum einen eine kleines Höhentief mit Kaltlufttropfencharakter, das heute früh über Westdeutschland liegt, von wo aus es im Tagesverlauf via Benelux zur südwestlichen Nordsee zieht. Auf seiner Rückseite ist relativ schwache WLA wirksam, die aber ausreicht, ein kleines Regengebiet zu generieren, das in den frühen Morgenstunden etwa von der Eifel bis zum RMG reichte und lokal durchaus Raten bis zu 3 mm/h aufwies. Aufgrund der sehr pomadigen Verlagerungsgeschwindigkeit des Höhentiefs und der andauernden WLA, wird das Regengebiet nur äußerst schleppend deutsches Hoheitsgebiet verlassen, so dass vor allem Teile NRWs noch bis in den Nachmittag davon profitieren. Aber auch im westlichen Niedersachsen reicht es noch für ein paar Tropfen. Die zweite Ausnahme betrifft die Ostsee, wo zwischen dem besagten Trog und einem
Höhenrücken über Nordeuropa WLA wirksam ist, die für stratiforme Regenfälle verantwortlich zeichnet. Dabei wird vor allem der Nordosten Vorpommerns gestreift, aber auch auf Fehmarn und im nördlichsten SH könnte es später etwas regnen.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass nach Auflösung letzter Nebelreste die Wolkendecke insbesondere im Süden sowie in den östlichen Landresteilen durchaus geneigt ist, entweder für längere Zeit (Süden) oder zumindest partiell (Osten) aufzulockern respektive aufgelockert zu bleiben. Auch in der Mitte neigt die Wolkendecke im Verlauf von Süden und Osten her für die eine oder andere Lockerungsübung. Die
eingeflossene bzw. mit ost-südöstlicher Strömung (am Rande einer vom westlichen Mittelmeer bis zur südwestlichen Nordsee reichenden Tiefdruckzone) immer noch einfließende mäßig warme Luftmasse zeigt sich besonders im südlichen Bayern und BW sowie zunehmend auch in Sachsen und BB leidlich labil, was bei nicht gerade überschwänglich hohen Feuchtewerten (spez. F. bei 6-7 g/kg, PPW 15-20 mm) zum Aufbau von etwas ML-CAPE gereicht (wenige hundert J/kg). Mit Hilfe der Orografie, im Osten auch mit Erreichen der Auslösetemperatur (um 20°C) muss am Nachmittag etwa zwischen Zittauer Gebirge/Osterzgebirge und
Niederlausitz sowie zwischen Südschwarzwald und Alpenrand mit Schauern und – mit geringer Wahrscheinlichkeit – auch vereinzelten
Gewittern gerechnet werden. Aufgrund geringer
Verlagerungsgeschwindigkeit der Zellen könnte es mal für einen Starkregen von rund 15 mm/h reichen und auch kleiner Hagel ist nicht ausgeschlossen, möglicherweise bleibt es gewittertechnisch aber auch bei „gelb“. Die Prognosesoundings jedenfalls sehen recht vielversprechend aus, es hapert wahrscheinlich aber am Auslöseimpuls.
Fakt ist, dass es temperaturmäßig bergauf geht, die Luft erwärmt sich verbreitet
auf 15 bis 20°C, im Süden und Osten punktuell sogar etwas darüber, in Küstennähe
sowie in mittleren und höheren Lagen des Berglands etwas darunter. Apropos Küste, dort ist der nordöstliche Wind im bundesweiten Vergleich noch am beweglichsten, Warnschwellen werden aber kaum noch gerissen und die Grundtendenz
ist im Zuge eines mehr und mehr aufweichenden Gradienten ohnehin abnehmend.

In der Nacht zum Samstag schiebt sich von Osten her ein flacher Rücken zu uns rein. Im äußersten Norden sowie im Südwesten kann es noch etwas regnen bzw. schauern, sonst bleibt es meist trocken. Da die Grundschicht tagsüber etwas abtrocknet, ist die die Nebelneigung deutlich geringer als in der Vornacht. Gleichwohl können lokale Nebelfelder nicht ausgeschlossen werden. Am nebligsten (auch flächig) wird es aber wahrscheinlich auf der Ostsee.
Samstag… verbleibt Deutschland am Rande respektive auf der Vorderseite des o.e. Trogkomplexes, wobei die Höhenströmung gegenüber Freitag noch etwas rechtdreht. Sie ist leicht flatternd, meint, es laufen von Süd nach Nord flache Trog-Keil-Strukturen durch. Der flache Rücken aus der Nacht verlagert sich dabei
langsam von Süddeutschland zur Mitte, wo seine zonal exponierte Achse Deutschland am Nachmittag in zwei Hälften teilt. Um Missverständnissen vorzubeugen, aufgrund der schwachen Höhenströmung sind die kurzen Wellen nicht besonders wirksam (schwache Advektionsterme bedingen auch nur schwache Vergenzen). Dass der Samstag mal abgesehen vom letzten Spieltag der Fußballbundesliga (Bayern wieder mal Meister, Frankfurt nach Supersaison am Ende
nicht mal Euroleague) trotzdem interessant wird, hat andere Gründe. Da gilt es zunächst mal einen Blick auf das Bodendruckfeld zu werfen, wo sich inzwischen ein „barischer Sumpf“ mit einem flachen Tief von etwas unter 1005 hPa
über Süddeutschland und Frankreich etabliert hat. Bezogen auf die Luftmasse ist dieser Sumpf allerdings noch relativ trocken. Nimmt man das PPW als Referenz, lassen sich zwei Schwerpunkte detektieren, wo die Werte mit rund 20 mm oder etwas darüber, maximal aber 25 mm etwas erhöht sind: in SH und MV auf der einen sowie im Westen und Südwesten auf der anderen Seite. Da hat man in zurückliegenden Jahren zu gleicher Zeit und ähnlicher Druck- und Potenzialkonstellation schon ganz andere Luftmassen gesehen (höhere Nullgradgrenze, höherer fühlbarer und latenter Wärmegehalt) und auch die prognostizierten Taupunkte, die maximal bis 15°C hochgehen (im Norden), sind nicht gerade Indiz für einen Treibstoff mit Super-Plus-Qualität.
Trotzdem, die eingeflossene Luftmasse (T850 am Nachmittag 5 bis 10°C) ist hinreichend labil geschichtet und in den genannten Gebieten plus Alpenrand auch mit ausreichend ML-CAPE ausgestattet (lokal bis etwas über 600 J/kg), so dass sich Schauer sowieso, aber auch das eine oder andere Gewitter entwickeln kann. Als Trigger kommen neben der genannten kurzen Wellen in der Höhe (wenn auch nur limitiert) vor allem die Orografie, konfluente Strukturen in der Bodenströmung (im Norden liegt eine ausgeprägte Küstenkonvergenz vor mit Nordost über See vs. Ost-Südost über Land) sowie bedingt auch diabatische Prozesse (Erreichen der Auslösetemperatur von meist rund 20°C) in Frage. Aufgrund geringer Scherungswerte ist organisierte Konvektion nicht sehr wahrscheinlich, stattdessen läuft es eher auf pulsierende Einzelzellen hinaus, die im Norden etwas ziehen (850-/700-hPa-Winde 15-20 Kt), im Süden und Westen dagegen zu Stehversuchen neigen. Dort spricht also Vieles für Starkregen (markant, lokal sogar Unwetter mit >25 mm/h nicht ausgeschlossen) als primärer Begleitparameter,
aber auch kleinerer Hagel ist denkbar, während im Norden durchaus auch mal eine 8er-Böe am Start sein kann. Z.T. entwickeln sich aber auch nur „gelbe“ Gewitter.

Zwischen den genannten Konvektionsschwerpunkten signalisieren die meisten Modelle (vor allem ICON, IFS und EURO4, etwas weniger GFS und das von GFS angetriebene SuperHD) einen von Südost nach Nordwest exponierten Streifen, in dem hinsichtlich konvektiver Umlagerungen wenig bis nichts passiert – offensichtlich ein Resultat kompensatorischem Absinkens und einem geringeren Feuchtegehalt der Luftmasse. Trotzdem sollte man vereinzelte Schauer oder Gewitter z.B. im Nordwesten sowie über dem Bergland nicht kategorisch ausschließen. Fakt ist, dass in weiten Teilen des Landes die Sonne scheint und das sogar für längere Zeit. Abstriche sind besonders im Südwesten zu machen, wo der Tag häufig schon stark bewölkt startet, was übrigens für die spätere potenzielle Gewitterbildung eher kontraproduktiv ist. Die Temperatur steigt verbreitet auf 18 bis 23°C, in den östlichen Bundesländern stellenweise sogar bis 24°C. Etwas frischer bleibt es unmittelbar an der Küste (bei auflandigem Wind), gebietsweise im Südwesten sowie im mittleren und höheren Bergland.
In der Nacht zum Sonntag fällt die Konvektion in weiten Teilen des Landes zusammen. Lediglich im Südwesten hält ein von der Schweiz heranschwenkender Sekundärtrog den Hebungsimpuls aufrecht, was zu weiteren schauerartigen Regenfällen und anfänglichen Gewittern führt. Dort, wo die Grundschicht durch vorherigen Regen ausreichend angefeuchtet ist und es für längere Zeit aufklart, bildet sich Nebel. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist im äußersten Norden am höchsten.

Sonntag… ändert sich an der Druck- und Potenzialverteilung wenig. Der o.e. Sekundärtrog schwenkt über den Südwesten und Westen hinweg in Richtung Nordfrankreich und Benelux. Ansonsten sind über dem Vorhersageraum bei weiterhin
schwachen Höhenwinden keine wirklichen Strukturen im Geopotenzialfeld zu erkennen. Das sieht im Bodendruckfeld geringfügig anders aus, hält uns doch bei landesweit gradientschwachen Bedingungen das flache Tief (etwas unter 1005 hPa) – es müsste AXEL sein – über Süddeutschland die Treue. Mit der schwachen östlichen bis südöstlichen Grundströmung wird nun noch etwas feuchtere und wärmere Luft nach Deutschland advehiert, deren fühlbarer und latenter Energiegehalt zwar nicht an klassisch subtropische Luftmassen z.B. aus dem mediterranen Raum herankommt, die aber trotzdem nicht unterschätzt werden darf. Während die
850-hPa-Temperatur auf 7 bis 10°C steigt, gehen die PPW-Werte zumindest im Osten und Nordosten auf etwas über 25 mm hoch (nicht aber über 30 mm), und auch die spezifische Feuchte im unteren Troposphärenbereich (Referenz 200 m) erhöht sich gebietsweise auf rund 10 g/kg.
Da es an der Labilität der Luftmasse keine Zweifel gibt, vergrößert sich das generierte ML-CAPE nicht nur quantitativ (im Norden und Osten lokal bis nahe 1000 J/kg), es nimmt zudem auch eine größere Fläche als am Samstag ein. Entsprechend vergrößert sich auch das Areal potenzieller Gewitter, wobei als Trigger außer im Südwesten (KW-Trog; dort wahrscheinlich auch die früheste Auslöse) weiterhin mesoskalige Phänomene wie konfluente Windstrukturen (im Norden nach wie vor Konvergenz, die gegenüber Samstag aber etwas landeinwärts vorankommt), Outflow-Boundaries, das Erreichen der Auslösetemperatur oder die Orografie in Frage kommen. Während die Gewitter im Norden – wenn auch nicht schnell – ziehen, bleibt die Angelegenheit in den übrigen Regionen zäh und unbeweglich. Folglich nimmt die Gefahr von Starkregen bis in den Unwetterbereich
zu, wobei nicht nur das einstündige, sondern besonders im Südwesten auch mal das
sechsstündige Kriterium gerissen werden kann. Hagel nebst größeren Hagelansammlungen ist ebenfalls möglich, auch wenn die Organisation der Gewitter
mangels ausreichend Scherung weiterhin zu wünschen übriglässt. So wird es im Wesentlichen bei pulsierender Konvektion mit Einzelzellen bleiben, die durchaus mal kleineren multizellenartigen Clustern „verkleben“ können. Stand heute fällt es schwer, einen Schwerpunkt der Gewitteraktivität bzw. Gebiete mit wenigen oder überhaupt keinen konvektiven Umlagerungen herauszuarbeiten. Plausibel erscheint ein Minimum an der Küste, insbesondere an der Ostsee, was sich durch den kühlen und somit stabilisierend wirkenden Seewind
erklärt. Ob allerdings weitere, von verschiedenen Modellen angebotenen Schwachzonen im Nordwesten, Nordosten oder auch Südosten tatsächlich so umgesetzt werden, ist fraglich. Erfahrungsgemäß tut sich die Numerik bei antriebsschwachen Wetterlagen wie dieser schwer, die korrekte räumliche Verteilung zu treffen.
Bliebe abschließend noch zu erwähnen, dass sich am Sonntag nicht alles um Gewitter, Schauer oder schauerartige Regenfälle dreht, wie man nach dem bisher geschriebenen meinen könnte. Nein, es scheint sogar in weiten Landesteilen die Sonne und die Konvektion setzt vermehrt erst in der zweiten Tageshälfte ein. Nach wie vor etwas in der Hinterhand in Sachen „Sonne“ bleibt der Südwesten durch die Randtrogpassage, auf
Auflockerungen darf man aber auch dort hoffen. Trotzdem bleibt die Temperatur gebietsweise unter der 20°C-Marke (gilt auch für
Küstenabschnitte mit auflandigem Wind und das höhere Bergland), wohingegen sonst
20 bis 25°C, zwischen Altmark und Niederlausitz punktuell sogar 26°C auf der Karte stehen.
Modellvergleich und -einschätzung

Im Groben haben die externen Modelle keine andere Idee als von deutschen Modellkette simuliert. Einmal mehr fokussieren sich Unschärfen und Unterschiede auf die bevorstehenden Niederschläge und Gewitter. Zwei Beispiele: COSMO_D2_EPS zeigt bereits heute Nachmittag eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Starkregen südlich der Donau, im Chiemgau sogar mit 30%iger Wahrscheinlichkeit für Unwetter! Das scheint doch etwas übertrieben, was auch in der morgendlichen Konferenz so artikuliert wurde. Interessant auch die Tatsache, dass EURO 4 quasi als einziges Modell (zumindest von denen, die sich der Verfasser angeschaut hat) am morgigen Samstag überhaupt keine Konvektion im Norden simuliert, was – bei allem geschätzten Respekt vor der Performance dieses Modells – ebenfalls fraglich erscheint. Last but not least läuft es beim Warnmanagement am Ende im Wesentlichen ohnehin wieder mal auf Nowcasting heraus.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann