SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.10.2025 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL HFa am Freitag, Übergang zu Wz
Am Wochenende stürmisch, mit schweren Sturmböen im höheren Bergland und an der
See, Nordsee und Berggipfel mit orkanartigen Böen. Nordwesten markanter
Dauerregen bis Samstagmittag und Starkregen in der Nacht auf Sonntag bis
Sonntagmittag.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… Deutschland liegt noch im Einflussbereich eines Höhenrückens, der
sich von Frankreich über Deutschland bis nach Finnland erstreckt und zunächst
für einen recht ruhigen Herbsttag sorgt. In der Osthälfte plagt man sich bei
gradientschwachen Verhältnissen teils noch mit Nebel und Hochnebel aus der Nacht
herum, ehe im weiteren Verlauf unter Absinken nochmals ein sonniger Tag erwartet
wird. Mit der hochreichend sehr trockenen Luftmasse (vergleiche
Prognosesoundings oder Aufstieg Meiningen) gibt es wieder einen kräftigen
Tagesgang, und die Temperatur kann von teils frostigen Werten am Morgen noch bis
auf 17 Grad ansteigen.

Die bevorstehende Änderung, die zu einem komplett anderen Wetter am Samstag
führen wird, macht sich in der Westhälfte bereits heute bemerkbar. Man sieht es
beim Blick nach oben: mehrschichtige Bewölkung ist aufgezogen und breitet sich
allmählich bis in die mittleren Landesteile aus. Abgesehen von wenigen Tropfen
bleibt es aber noch meist trocken. Die Wolken gehören zu einem WLA-Feld, das aus
Frankreich kommt. Das Aufgleiten lässt sich auch gut in den Aufstiegen erkennen
(beispielsweise Paris 00 UTC). Dass es zunächst noch nicht regnet, liegt vor
allem an der weiterhin trockenen unteren Troposphäre. Das Aufgleiten greift
zunächst nur in höheren und später in mittleren Troposphärenschichten. Die Echos
im Radar erreichen damit zunächst noch kaum den Boden.

Im Westen und Nordwesten macht sich die zunehmende Gradientverschärfung im
Tagesverlauf allmählich bemerkbar. Das verantwortliche Orkantief Detlef (intern
„Amy“) erreicht bis zum Abend Schottland, wo der britische Wetterdienst vor
Spitzenböen bis 150 km/h warnt. Bei uns sorgt der zunehmende Druckgradient ab
dem Mittag für Windböen an der Nordsee, die sich bis zum Abend auf stürmische
Böen auf den Nordfriesischen Inseln steigern können. Durch den Südwind sind die
Ostfriesen aufgrund der ablandigen Komponente zunächst noch nicht so stark
betroffen. Südwind bedeutet auch Leeeffekte, sodass am Nordrand der westlichen
Mittelgebirge (z. B. Eifel, Sauer- und Siegerland) bis zum Abend mit ersten
Windböen gerechnet werden muss.

In der Nacht auf Samstag zieht das Orkantief weiter zum Nordmeer und beginnt
zunehmend zu okkludieren. Das kräftige WLA-Feld auf seiner Vorderseite erfasst
nun ganz Deutschland. Am längsten gering bewölkt oder klar bleibt es von der
Lausitz bis nach Südostbayern, wo dichtere Wolkenfelder erst in den
Morgenstunden aufziehen. In diesen Regionen kann die Temperatur ein letztes Mal
bis um oder unter den Gefrierpunkt absinken (bis -2 Grad). Sonst verläuft die
Nacht schon deutlich milder, im Westen und Nordwesten sogar zweistellig. Das
liegt nicht nur an den dichten Wolken, sondern auch an der weiteren Windzunahme.

Der Gradient im Vorfeld der Kaltfront, die bis zum frühen Morgen Deutschland
noch nicht erreicht hat, nimmt deutlich zu, sodass nach Westen und Nordwesten
sowie nördlich der Mittelgebirge bereits recht verbreitet mit Windböen zu
rechnen ist. In Leelagen der westlichen Mittelgebirge treten bereits stürmische
Böen auf. Die starken Höhenwinde (bis 55 kt in 925 hPa) können sich aufgrund der
stabilen Schichtung aber noch nicht voll durchsetzen. Anders an der See und im
höheren Bergland, wo verbreitet Sturmböen (Bft 8/9) zu erwarten sind. An der
Nordsee und in exponierten Berglagen sind bereits schwere Sturmböen (Bft 10)
möglich. Auf der Nordsee und am Brocken sind am Morgen orkanartige Böen (Bft 11)
zu erwarten.

Als weiteres Warnkriterium kommt der Regen hinzu. Die Luftmasse, die Amy
mitführt, ist ausgesprochen feucht (sie hat tropische Ursprünge). Die ppw-Werte
liegen oberhalb von 40 mm, sodass viel Flüssigwasser zum Ausregnen zur Verfügung
steht. Damit ergibt sich über 12 bis 18 Stunden anhaltender Dauerregen (bis zur
Kaltfrontpassage). Am intensivsten fallen die Niederschläge über dem Nordwesten
und Norden sowie in NRW (letzteres bevorzugt ICON) aus. Dort werden
modellübergreifend Niederschlagssummen im markanten Bereich vorhergesagt (25 bis
40 l/qm in 12 bis 18 Stunden). Auch die Wahrscheinlichkeiten geben klare
Hinweise auf eine Schwellwertüberschreitung. Vereinzelte Hinweise auf eine
Überschreitung der Unwetterschwelle (z. B. Nordfriesland) sind zwar zu sehen,
müssen aufgrund der Kleinräumigkeit und noch bestehender Unsicherheiten bei den
absoluten Maxima aber nicht vorgewarnt werden.

Samstag… Das sich langsam abschwächende Orkantief verbleibt östlich von
Schottland über dem Nordmeer. Die langsame Verlagerung ist sicher auch als
Ursache für die Dauerniederschläge heranzuziehen. Die Warmfront samt
Aufgleitniederschlägen erreicht nun auch die Lausitz und Südostdeutschland,
bringt dort aber keine größeren Niederschlagsmengen. Am Vormittag erreicht
schließlich auch die Kaltfront von Amy den Nordwesten des Landes. Sie verlagert
sich in den Mittagsstunden bis zur Mitte des Landes und erreicht den Südosten
Bayerns am Abend.

Nach Passage der Kaltfront hören die Dauerniederschläge im Nordwesten auf und
gehen nach einer Pause in Schauer über.

Der Wind nimmt im Vorfeld der Kaltfront im Tagesverlauf weiter zu. Abgesehen vom
Südosten und Osten kommt es zunehmend zu Windböen, nach Westen und Nordwesten
auch zu stürmischen Böen. Von Letzteren sind aufgrund der stabilen Schichtung
zunächst vornehmlich die Leelagen nördlich der Mittelgebirge betroffen. Im
höheren Bergland und an der See treten Sturmböen (Bft 8/9) auf, an der Nordsee
und in höheren Lagen auch schwere Sturmböen (Bft 10). Auf den Nordseeinseln und
exponierten Bergkuppen muss mit orkanartigen Böen gerechnet werden.

Der Wind weht zunächst aus südlichen Richtungen, dreht mit Passage der Kaltfront
aber auf West bis Südwest und lässt dann vorübergehend nach.

Für das Tief- und Binnenland liegt der Fokus auf der Passage der Kaltfront. Die
Prognosereflektivitäten zeigen durchaus eine dünne Linienstruktur mit abrupter
Windrichtungsänderung und rückseitigem Druckanstieg. Allerdings ist die
Schichtung im Bereich der Kaltfront noch recht stabil, wie man den
Prognosesoundings entnehmen kann. Gewitter sollte es also nicht geben. Dennoch
sehen die Drucktendenzen über der Mitte und im Süden, ostwärts wandernd, recht
eindrücklich aus, sodass von einer ruppigen Kaltfrontpassage auszugehen ist, die
dort recht verbreitet stürmische Böen und Sturmböen bringt. Schwere Sturmböen
können zwar nicht ausgeschlossen werden, sind aber derzeit eher gering
wahrscheinlich, was auch an den recht parallelen Winden zur Kaltfront und der
fehlenden Labilität liegt.

An den Alpen kann sich mit Annäherung der Kaltfront ein Leitplankeneffekt mit
Böen Bft 7/8 entwickeln.

Rückseitig der Kaltfront folgt eine ausgeprägte postfrontale Subsidenz mit einer
deutlichen Abtrocknung (siehe Tendenz spezifische Feuchte) und vorübergehend
deutlicher Windabnahme.

Der Kaltfrontpassage, die an eine erste Trogachse gekoppelt ist, folgt ein
Sekundärtrog nach. Damit kommt nun auch die Labilität mit Unterstützung von
Höhenkaltluft richtig in Gang. Zunächst sind die bodennahen spezifischen
Feuchtewerte noch relativ gering. Im späteren Nachmittag und Abend nehmen sie
jedoch von Nordwesten her wieder zu, sodass etwas CAPE generiert wird und neben
Schauern – bevorzugt vom Emsland bis zur Nordsee – auch mit einzelnen Gewittern
zu rechnen ist. Auch der Gradient legt wieder zu, sodass der Wind nach kurzer
Pause im Westen und Nordwesten erneut stürmisch auflebt. Vor allem mit Schauern
und Gewittern ist mit Sturmböen zu rechnen.

In der Nacht auf Sonntag hält die Schaueraktivität an und greift mit der
Labilität bis in die mittleren Landesteile aus. Gewitter gibt es vornehmlich im
Nordseeumfeld, wo das warme Nordseewasser die Konvektion fortlaufend in Gang
hält. Dort kann es durch wiederholte Schauer und Gewitter zu Starkregen kommen –
betroffen sind insbesondere die Nordsee, Ostfriesland und Schleswig-Holstein.

An den Alpen halten die Niederschläge noch etwas an und gehen in Lagen oberhalb
von 2000 m in Schnee über.

Der Wind bleibt weiterhin ein Thema. Besonders in der Nordwesthälfte muss bei
weiter kräftigem Gradienten mit Windböen, nach Westen und Nordwesten auch mit
stürmischen Böen gerechnet werden. Letzteres gilt bevorzugt in Verbindung mit
Schauern. In der zweiten Nachthälfte lässt der Wind im Binnen- und Tiefland
etwas nach. Auf den Bergen und an der See treten weiterhin Sturmböen auf,
exponiert auch schwere Sturmböen. Einzelne orkanartige Böen sind zumindest
eingangs der Nacht noch möglich. Der Wind weht dann aus West bis Südwest.

Sonntag… Der Kern von Amy zieht nach Dänemark und bis zum Abend weiter an die
vorpommersche Ostseeküste. An seiner West- und Südwestflanke besteht weiterhin
ein kräftiger Gradient. Im Vormittagsverlauf nimmt der Wind damit auch im Flach-
und Binnenland wieder deutlich zu.

Das Maximum der Windentwicklung wird am Nachmittag erwartet. Dann zieht nochmals
ein Sekundärtrog durch, der erneut zu einem Aufleben der Schaueraktivität führt.
Mit etwas Labilitätsenergie sind dann häufiger Gewitter möglich. Es gibt eine
gute Überlappung von erhöhter Feuchte und Labilität. In den Prognosesoundings
erkennt man zudem ein ausgeprägtes Windmaximum zwischen 700 und 900 hPa. Dann
muss über der Nordhälfte recht verbreitet mit stürmischen Böen und Sturmböen
gerechnet werden. Auch schwere Sturmböen sind bei Windgeschwindigkeiten von 55
bis 60 kt in 1 km Höhe denkbar.

Auffällig ist, dass die deutsche Modellkette insgesamt deutlich aggressiver ist
als das ECMWF-Modell und UK10, die beide etwa 1 Beaufort darunter liegen.

Erwähnt sei noch, dass die stärkste Windzunahme mit einer leichten Rechtsdrehung
der Hodographen zwischen Boden und 1 km Höhe einhergeht. Bei gleichzeitig
niedrigem HKN kann auch ein Tornado nicht ausgeschlossen werden.

Über der Südhälfte treten ebenfalls Schauer auf, diese fallen jedoch weniger
häufig und schwächer aus als im Norden. Auch der Wind ist in der Südhälfte mit
Böen Bft 7, vereinzelt Bft 8, zwar sehr lebhaft, aber schwächer als im Norden.

In der Nacht auf Montag zieht das Tief Amy unter deutlicher Abschwächung nach
Polen weiter, und ein Rücken kann sich von Westen heranschieben. Dieser wird von
WLA überlaufen, sodass es deutlich stabilisiert. Dadurch nimmt auch der Wind
deutlich ab, der – abgesehen von höheren Berglagen und den Küsten – nicht mehr
warnwürdig ist. In den genannten Regionen sind noch markante Böen mit bis zum
Morgen abnehmender Tendenz zu erwarten.

Auch die Schaueraktivität nimmt ab, mit dem WLA-Feld greift im Nachtverlauf aber
wieder skaliger Niederschlag auf den Westen und Nordwesten Deutschlands über.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle zeigen noch Unsicherheiten bezüglich der markanten
Dauerniederschläge – ob diese eher nur den Nordwesten betreffen (z. B. ECMWF)
oder auch bis nach NRW ausgreifen (ICON).

Unsicher ist auch die Stärke des Windes am Sonntag. ICON ist hier etwa 1
Beaufort stärker als das ECMWF oder UK10.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer