SXEU31 DWAV 020800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.10.2025 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von HFa (Hoch Fennoskandien antizyklonal) zu Wz (West zyklonal)

Zunächst noch geschmeidiges Hochdruckwetter mit Nachtfrost. Zum Wochenende
kontinuierlich zyklonaler, regnerischer und windiger bzw. stürmischer, aber kein
„Herbstliches-Sturmtief-Volltreffer“ (außer an der Nordsee).

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC

Donnerstag… braut sich weit auf dem Atlantik was zusammen, das am Wochenende
auch bei uns einen spürbaren Wetterwechsel zur Folge hat. Ein Orkantief vom
Feinsten, entsprungen aus dem inzwischen nur noch als unscheinbares Relikt
vorhandenen, ehemaligen Major-Hurrikan HUMBERTO, nimmt Kurs auf UK/Irland, wobei
es sich mächtig vertieft auf unter 950 hPa. Aufgrund seiner synoptischen Genese

  • das Tief ist aus einer HUMBERTO anhängigen Rinne entstanden, während HUMBERTO
    selbst dem Fujiwhara-Effekt mit dem nächsten Hurrikan IMELDA zum Opfer gefallen
    ist – hat es einen neuen Namen erhalten, genau genommen sogar deren zwei.
    International wurde es von der Gruppe West AMY getauft, von der BWK/FU Berlin
    schlicht und einfach DETLEV. Bevor AMY/DETLEF aber so richtig auf die
    europäische Anzeigetafel kommen, vergeht noch ein wenig Zeit, die es an dieser
    Stelle mit Leben zu füllen gilt.

Wobei der Begriff „Leben“ angesichts der vorherrschenden Wetterlage eigentlich
nicht der richtige ist, befinden wir uns doch aktuell in einem hochgradig
undynamischen, weil gradientschwachen Hochdrucksumpf, in dem der Jahreszeit
entsprechend wenig passiert. Zum wiederholten Male in dieser Woche war die Nacht
eine kalte, teilweise mit Luft- und/oder Bodenfrost. Dazu gebietsweise, aber
nicht verbreitet Nebel oder Hochnebel, vielfach aber auch klar – typisch Herbst
halt, wenn eine nicht überbordend feuchte, kontinental geprägte Polarluft (xP)
Einzug gehalten hat, die in den windschwachen Nächten ordentlich auskühlen kann.

Schauen wir auf die großräumige Druck- und Potenzialverteilung, so fällt ganz
klar die Formierung einer zunächst recht glatt gebügelten Frontalzone über dem
Atlantik ins Auge. Dem gegenüber bleibt die Zirkulation über dem europäischen
Kontinent erst noch schwer gestört mit einem umfangreichen Höhentief über dem
östlichen Mittel- bzw. nahen Osteuropa, das im Laufe des Tages eine dipolartige
Konfiguration annimmt. Bereits jetzt ist über der nördlichen Adria die Bildung
eines Sekundärkerns erkennbar, welcher langsam südostwärts zieht und dabei
früher oder später Kontakt zu einem vom Ionischen Meer gen Griechenland
ziehenden Bodentief aufnimmt. Für Teile Südosteuropas ist das keine gute
Nachricht, weil sich das Tief dadurch intensiviert und teils kräftige Regenfälle
mit Gewittern sowie Wind/Sturm generiert. Zudem wird an und über der Adria eine
zünftige Bora angefacht.

Wir bei uns sind von solchen Unbilden meilenweit entfernt. Wie auch, befinden
wir uns doch inmitten einer langgestreckten, scheinbar unendlich dimensionierten
Hochdruckzone, die vom Nordwesten Russlands respektive Fennoskandien (dort der
1035+x-hPa-Schwerpunkt PETRALILLY) über Mitteleuropa (hier geht PETRALILLY in
QUINN über) bis weit auf den Atlantik westlich der Iberischen Halbinsel reicht.
Gestützt wird die Zone von einem schmalen Rücken, an dessen Ostabdachung bei uns
eine indifferente, nach Osten hin leicht zyklonal konturierte nördliche
Höhenströmung vorherrscht. Deren Impact hält sich arg in Grenzen, so dass sich
nach teilweise wieder mal zähen Auflösung der obligaten Nebel- und
Hochnebelfelder in weiten Landesteilen die Sonne durchsetzt. Im Westen und
Nordwesten tummeln sich einige hohe Wolkenfelder, die quasi als erste harmlose
Vorboten der zunehmenden Bewegung über dem Atlantik angesehen werden können.
Konkret sprechen wir von einem ersten Tief, das gerade dabei ist, die Hebriden
bzw. Schottland anzusteuern. Das zugehörige Frontensystem hat Verbindung zu
weiteren Tiefs südlich und östlich von Grönland, deren Warmfront die Nordsee
erreicht hat, wo sie gegen die blockierende Wirkung des Hochs nur schwerlich
ostwärts vorankommt.

Etwas eingeschränkt ist die Sonnenscheindauer auch im Grenzbereich zu
Polen/Tschechien bzw. im Südosten Bayerns. Grund ist die Nähe zum o.e. großen
Höhentief, das mit etwas Höhenkaltluft für eine gewisse Labilität sorgt.
Außerdem ist die Sperrschicht schwächer ausgeprägt als weiter westlich bzw.
liegt höher, so dass sich aus den tagesgangbedingten Quellungen sogar einzelne
schwache Schauer bilden können (vor allem über dem Bergland). Zu mehr (also
elektrisch) dürfte es aufgrund der Trockenheit der Luftmasse aber nicht reichen.

Die Temperatur erreicht Höchstwerte zwischen 14 und 18°C (am mildesten am Rhein
und seinen Nebenflüssen), nach Südosten hin meist nur 11 bis 14°C, wo es
besonders lange dauert mit der Nebel-/Hochnebelauflösung nur um 10°C.

In der Nacht zum Freitag verschiebt sich das gesamte Strömungsmuster geringfügig
nach Osten, was für uns aber noch keine substanziellen Konsequenzen hat. Am
auffälligsten ist die Windauffrischung über der Nordsee, die zumindest Sylt und
Helgoland zum Morgen hin die ersten steifen Böen 7 Bft aus etwa 160/170° bringt.
Ansonsten ziehen mit Annäherung des o.e. Frontensystems neben hohen nun auch
erste mittelhohe Wolken in den Westen. Die Vertikalsondierungen zeigen nicht nur
niedertroposphärisch, sondern auch weiter oben noch ziemlich trockene Schichten,
so dass kaum mit Regen zu rechnen ist. Nur mit Glück schaffen es vielleicht ein
paar Tropfen bis ganz runter. Immerhin sorgen die Wolken dafür, dass die Nacht
insbesondere zwischen Niederrhein und Ems-/Ostfriesland mit 10 bis 5°C fernab
jedweder Frostgefahr (auch am Boden) bleibt.

Ansonsten lautet das Motto „teils klar, in der Osthälfte einige Nebel- oder
Hochnebelfelder“. Dort, wo es aufklart, kühlt es erneut auf Werte um oder sogar
unter den Gefrierpunkt ab, was genau wie gestern die Ausgabe prophylaktischer
Frostwarnungen gegen 12:30 GZ zur Folge hat.

Freitag… (Tag der Deutschen Einheit) zieht der erste Wirbel in Richtung
Norwegische See, wo er sich zusehends auffüllt. Das mittlerweile okkludierte
Frontensystem erreicht in den Mittagsstunden Benelux. Im Vorfeld der Okklusion
sorgt zunehmende WLA für eine allmähliche Wolkenverdichtung im westlichen
Drittel des Landes, Regen bleibt aber wegen der immer noch relativ trockenen
Grundschicht weiterhin Mangelware. Der Wind weht über der Nordsee konstant aus
Süd-Südost mit Böen 7-8 Bft, wovon hauptsächlich die Inseln betroffen sind. Zum
Abend hin nimmt der Wind zu und erreicht auf der offenen See Sturmstärke. Grund
ist eine Gradientverschärfung bedingt durch die Annäherung von DETLEF, der mit
einem Kerndruck von nahe 960 hPa um 12 UTC noch einige hundert Kilometer
westlich der Äußeren Hebriden liegt. Um 00 UTC hat er die Inselgruppe bereits
knapp hinter sich gelassen und sich auf stattliche 945 hPa oder noch etwas
darunter vertieft (fruchtbare Interaktion mit left-exit-region eines
ausgeprägten Jetstreaks), was ihm den ehrenhaften Titel eines Orkantiefs
verleiht.

Orkantief hin oder her, das mittlere und östliche Längsdrittel des
Vorhersageraums juckt das zunächst noch gar nicht, weil man sich lieber noch in
der nur langsam nach Osten weichenden Hochdruckzone weidet. Heißt im
Umkehrschluss, dass nach z.T. zögerlicher Auflösung von Nebel oder Hochnebel die
Sonne von einem nur locker bewölkten Himmel scheint (flache Cu hum, zur Mitte
hin auch einige Aufzugscirren).

Die Spanne der Höchsttemperatur liegt landesweit zwischen 12 und 17°C, im
höheren Bergland um 10°C.

In der Nacht zum Samstag zieht das Orkantief knapp nördlich an Schottland vorbei
in Richtung Shetlands. Seinen Kerndruck von rund 945 hPa oder sogar etwas
darunter behält DETLEF, was darauf hindeutet, dass er den Höhepunkt seiner
zweifelsfrei bemerkenswerten Karriere erreicht hat. Sein Frontensystem mit
relativ schalem Warmsektor nimmt Kurs auf die Nordsee bzw. Benelux. Dicht davor
auf deutscher Seite die alternde Okklusion des Vorläufertiefs, die am Samstag
die Rolle der Warmfront übernimmt (weshalb der Warmsektor in der Vorhersagekarte
T+60 h nicht schmaler gegenüber T+48 h wird). Zunehmende WLA sorgt dafür, dass
es im Westen und Nordwesten nun tatsächlich anfängt zu regnen – schöner solider
stratiformer Landregen, der sich etwa bis zu einer Linie
Timmendorf-Hannover-Kaiserlautern (+/-; IFS am progressivsten) ausweitet und
ganz im Nordwesten bis zu 10 l/m² bringt.

Darüber hinaus legt der Süd-Südostwind weiter zu, wovon nunmehr nicht nur mehr
die Nordsee betroffen ist. Dort sowie auf dem Brocken geht es freilich am
meisten zur Sache mit Böen bis 10 Bft (vor allem Helgoland und Sylt), auf
offener See bis zu 11 Bft, während sich die Ostsee sanfter gibt (7-8 Bft, offene
See bis 9 Bft, überwiegend ablandig). Stürmisch 8-9 Bft wird es auch auf anderen
Mittelgebirgshöhen (außer im Südosten) und im west- bzw. nordwestdeutschen
Binnenland nimmt die Wahrscheinlichkeit für Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft bis zum
frühen Morgen kontinuierlich zu.

Darüber hinaus bliebe nur noch zu konstatieren, dass es im Süden und Osten
längere Zeit klar oder nur gering bewölkt bleibt (Nebelfelder im Südosten) und
entsprechend natürlich auch trocken. An der Neiße, im Grenzbereich zu Tschechien
sowie zwischen Oberpfalz und Alpenrand kann es nochmal leichten Luft-, auf alle
Fälle aber gebietsweise Bodenfrost geben.

Samstag… zieht unser Orkantief langsam weiter in Richtung Norwegische See, wo
es um Mitternacht irgendwo zwischen den Shetlands, den Färöers und Svinöy (NOR)
erwartet wird. Inzwischen hat es sich schön eingekringelt (wie Claudia Kleinert
immer zu sagen pflegt), was nichts anderes heißt, dass es seinen
Karrierehöhepunkt überschritten hat. Über dem nahen Atlantik und der Nordsee hat
sich ein veritabler Potenzialtrog gebildet, in dessen Zentrum das hochreichende
Tief steht. Darüber findet man keine Höhendivergenz mehr, so dass der
Auffüllprozess begonnen hat. Nichtsdestotrotz kommt das Tief am Ende des Tages
noch immer auf 965 bis 960 hPa, was äußert veritabel ist.

Nun aber in die hiesigen Gefilde, die am Samstag ganz klar unter dem Einfluss
der Kaltfrontpassage des Orkantiefs stehen. Diese schwenkt – angetrieben vom
nachfolgenden Höhentrog – vergleichsweise zügig über den Vorhersageraum hinweg,
wobei der Warmsektor immer schmaler wird. Die zugehörigen Regenfälle breiten
sich ebenfalls südostwärts aus, wobei der meiste Niederschlag ganz klar im
Nordwesten fällt (gebietsweise 10 bis 15, lokal um 20 l/m² innert 6-12 Stunden).
Zwar hört dort der stratiforme Regen am Nachmittag auf, in der postfrontal
einfließenden maritimen Polarluft (mP) entwickeln sich aber insbesondere über
der Nordsee (bis in die Nacht hinein), abgeschwächt aber auch im Binnenland
troggebundene, vielleicht sogar gewittrige Schauer. Die Mengen, die dabei an der
Nordsee zusammenkommen, sind nicht ganz ohne, auch wenn das letzte Wort in
Sachen Gesamtsumme noch nicht gesprochen ist. Akkumuliert bis Sonntagfrüh können
aber durchaus 20 bis 30, lokal über 30 l/m² Regen fallen. Ob dafür eine
Stark-/Dauerregenwarnung fällig wird, bleibt abzuwarten. Ausgeschlossen ist es
nicht.

Thema #2 neben dem Regen ist der Wind, der von IFS und UK10 traditionell etwas
stärker, vor allem aber flächiger simuliert wird als bei ICON. Auch hier ist die
letzte Messe noch nicht gelesen, nichtsdestotrotz zeichnen sich einige
grundlegende Dinge ab:
Erstens, nach einer kurzen postfrontalen Delle legt der auf Südwest bis West
rechtdrehende Wind über und an der Nordsee wieder zu mit Böen 8-9 Bft, Küste SHs

  • offene See bis 10 Bft. Möglich, dass mit der Winddrehung und der Dauer des
    Sturms (bis in den Sonntag hinein) an der schleswig-holsteinischen Küste eine
    Sturmflut droht. Hier gilt es die Vorhersagen des BSHs zu monitoren.
    Zweitens, die Ostseeküste kommt weiterhin glimpflicher weg als die Küste auf der
    anderen Seite. Das Sturmmaximum tritt auf bei Windrichtung Süd-Südost, also vor
    der Kaltfront/Okklusion. Postfrontal dürfte der Südwestwind dann „nur noch“ Böen
    7-8 Bft, exponiert 9 Bft erreichen.
    Drittens, auf den Bergen verläuft der Samstag durchweg stürmisch, je nach
    Exposition werden Böen 8-9 Bft, Brocken und Schwarzwaldhöhen 10-11 Bft erreicht.
    Ob der Brocken auf die von MOS-Mix apostrophierte „12“ kommt (volle
    Orkanstärke), bleibt abzuwarten.
    Viertens, im Tiefland ist das Windmaximum an bzw. um die Kaltfront herum zu
    erwarten. Zwar ist die Schichtung recht stabil, so dass die durchaus prominenten
    Höhenwinde über der Front (auf 850 hPa bis zu 55 Kt) zumindest nicht in dieser
    Stärke runtergemischt werden dürften. Sehr wohl muss aber von Böen 7-8 Bft,
    vereinzelt 9 Bft ausgegangen werden, Wie gesagt, ein vorübergehende Aufflackern
    des Windes, kein Dauerstarkwind. Heißt im Umkehrschluss, dass der Gradient auch
    nur moderat ausgeprägt ist. Gerade im nordwestdeutschen Binnenland reicht es am
    Nachmittag aber trotzdem für häufige Böen 7, vereinzelt 8 Bft.

Wer am Samstag die Sonne zu Gesicht bekommen möchte, sollte sich in die Regionen
zwischen Lausitz und Oberbayern orientieren, wo dichte Bewölkung und Regen
zuletzt ankommen. Auch postfrontal zeigt sich mal die ein oder andere Lücke, ein
nachhaltiger Beitrag zur allgemeinen Sonnenscheinbilanz ist damit aber nicht zu
bewerkstelligen. Thermisch macht sich der kurze Warmlufteinschub am ehesten im
Süden bemerkbar, wo stellenweise 20°C oder ein paar Zehntel mehr erreicht
werden. Ansonsten stehen 12 bis 18°C auf der Karte, wobei es im Nordosten am
frischesten bleibt (kalt aus der Nacht, dann einsetzender Regen, da bleibt der
Temperatur nur wenig Zeit zum Erholen).

Nur kurz noch ein Ausblick auf die Nacht zum Sonntag, die abziehenden frontalen
Regen, in den Hochalpen etwas Schnee (Absinken der Schneefallgrenze auf rund
1500 m), an den Küsten weitere Schauer (oder kurze Gewitter) sowie an der See
und in exponierten Hochlagen weiterhin stürmische Verhältnisse bringt. Das Thema
Frost hingegen hat sich erstmal erledigt.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Grunde ist alles gesagt und die Modelle simulieren die Basisfelder auch
erfreulich kongruent. Gleichwohl bleiben natürlich noch ein paar Fragen
hinsichtlich der Fragen in Bezug auf die Hauptimpactfaktoren Wind/Sturm sowie
Regen offen (Intensität, räumliche Verteilung). Der grobe Fahrplan steht aber
auf einem sehr soliden numerischen Sockel.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann