#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 01.10.2025 um 08 UTC
SXEU31 DWAV 010800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.10.2025 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFa (Hoch Fennoskandien antizyklonal)
Ruhige Kurzfrist mit typischem Grundschichtgedöns inkl. Nachtfrost. Zum
Wochenende dann deutlich spannender.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
Mittwoch… begrüßen wir recht herzlich den Oktober 2025, der in Teilen des
Landes ziemlich frisch an den Start geht. In der leicht gealterten und
abgetrockneten Polarluft (xP) ist die Temperatur insbesondere im Norden und
Osten sowie in der Mitte ganz schön in den Keller gegangen. Verbreitet wurden
weniger als 5°C registriert und an der Grenze zu Tschechien sowie im magischen
Dreieck Niedersachsen-Sachsen-Anhalt-Thüringen gab es stellenweise den ersten
Frost des Monats. Ansonsten gibt die Wetterlage zumindest heute und morgen nicht
besonders viel her, bevor am Freitag (Tag der Deutschen Einheit) eine Umstellung
der Wetterlage eingeleitet wird. Doch der Reihe nach.
Aktuell zeigt die großräumige Zirkulation noch ein stark gestörtes
Strömungsmuster, das von drei prägenden Systemen bestimmt wird: Einem
breitgelatschter Potenzialtrog mit mehreren Bodentiefs über dem Nordostatlantik
steht ein weiterer Trog mit abgeschlossenem Drehzentrum über dem östlichen
Mittel- respektive dem nahen Osteuropa gegenüber. Hier fällt besonders ein
Bodentief ins Auge, das unter Verstärkung vom Ionischen Meer hinüber nach
Griechenland zieht und dabei reichlich Regen, Gewitter und auch Wind (u.a. eine
kräftige Bora im Adriaraum) produziert. Getrennt werden die beiden zyklonalen
Systeme von einem positiv geneigten Höhenrücken, der sich von der Iberischen
Halbinsel (was Žne Klatsche gestern für die Eintracht) bis zum Nordmeer
erstreckt, um von dort bogenförmig Richtung Fennoskandien/Nordwestrussland
abzubiegen. Korrespondieren tut der Rücken mit einer über tausende von
Kilometern reichenden Bodenhochdruckzone, die sich aus dem Dauerbrenner
PETRALILLY mit 1040+x-hPa-Zentrum über Karelien und der etwas schmaler
daherkommenden QUINN über Teilen Westeuropas und des nahen Atlantiks
zusammensetzt.
Deutschland befindet sich im hybriden Teil dieses Konglomerats: in der Höhe eine
indifferente bis leicht zyklonale konturierte nördliche Strömung, am Boden
mittemang in der Hochdruckzone und zwar knapp südlich der Hauptdivergenzachse.
Heißt im Umkehrschluss ein schwacher, maximal mäßiger östlicher Wind, der
relativ trockene, kontinental geprägte Polarluft advehiert (T850 3 bis 0°C).
Ganz „astrein“ ist die Luftmasse aber nicht. Vor allem in der östlichen Mitte
sowie ganz im Süden halten sich viele Wolken oder Hochnebel. Während an den
Alpen die Schauerneigung abnimmt, lässt sich für die Regionen zwischen Lausitz
und Niederbayern nicht ausschließen, dass sich im Tageverlauf nicht mal
vereinzelte schlappe Schauer entwickeln. Je weiter wir uns gen Westen und Norden
orientieren, desto größer die Sonnenausbeute (wenn sich Nebelreste aufgelöst
haben), was nicht ohne Folgen für die Temperatur bleibt. So erwärmt sich die
Luft am Rhein und seinen Nebenflüssen auf rund 17°C, während es im Osten und
Südosten schwer wird, die 15°C-Marke zu erreichen geschweige denn zu
überschreiten.
In der Nacht zum Donnerstag ändert sich kaum etwas an der eingefahrenen Lage.
Somit hängt alles vom Sonnenstand ab, der des Nachts in der Regel ja
unterhorizontal aufgestellt ist. Bedeutet nix anderes als keine Energie ins
System rein, dafür strahlungsbedingt aber welche raus (Stefan-Boltzmann lässt
grüßen). Die Abkühlungsrate hängt natürlich stark von der Bewölkung ab oder ob
bzw. wann sich Nebel/Hochnebel bildet – ein Gleichungssystem, das nicht ganz
trivial zu lösen ist. So hält sich besonders in der Osthälfte teils starke
Bewölkung oder es bildet sich Hochnebel. Das Problem dabei, es gibt dort auch
Areale, wo es aufklart, was aber je nach Modell immer etwas anders gerechnet
wird. Ja, ja, die Grenzschichtphänomene sind und bleiben wohl auch nicht der
Numerik liebstes Kind, auch wenn sich gegenüber früher schon Vieles deutlich
verbessert hat. In den Arealen, wo es länger aufklart, ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Lufttemperatur auf den Gefrierpunkt oder etwas
darunter sinkt. Nach Westen hin, wo die Wahrscheinlichkeit für eine klare Nacht
tendenziell höher ist als im Osten, wird es wohl trotzdem nur vereinzelt für
leichten Luftfrost reichen (Favorit ist die Eifel), weil die Luft etwas milder
ist und die abendlichen Startwerte höher liegen. Und dann wäre da noch die Frage
nach Nebel, der sich zumindest in der warnwürdigen Kategorie (< 150 m
Sichtweite) laut WarnMOS stark zurückhält. Ein paar kleinere Hotspots im
Nordosten und im Süden, dazu ein etwas größeres Gebiet in
Nordhessen/Westthüringen, mehr ist nicht im Angebot. Wir dürfen sicher sein,
dass die Variable „Nebel ja/nein“ das Gleichungssystem „nächtliche Grundschicht“
eher komplizierter als einfacher macht.
Donnerstag… bildet sich im östlich gelegenen Trog ein zweites Drehzentrum, das
sich in Richtung südliche Adria orientiert, wo es zur o.e. Intensivierung des
vom Ionischen Meer kommenden Bodentiefs beiträgt. Für das Geschehen bei uns hat
das nur minimale Folgen, indem nämlich der Höhenrücken geringfügig dichter an
den Vorhersageraum heranrückt, während die Druckkonfiguration am Boden kaum eine
Regung zeigt. Das Absinken verstärkt sich noch etwas, wodurch sich etwas klarer
als heute eine Absinkinversion herauskristallisiert. Diese liegt nach Osten und
Südosten zu zwischen 800 und 700 hPa, sonst zwischen 800 und 900 hPa. Darüber
ist die Luft ohnehin trocken, aber auch in der leicht labil geschichteten
Grundschicht lässt sich ein Rückgang des Wasserdampfgehalts ausmachen.
Kurzum, in weiten Landesteilen scheint nach Auflösung der Nebelfelder die Sonne,
in der Westhälfte z.T. sogar von einem wolkenlosen Himmel. Nach Osten zu ist
zunächst noch etwas Sand im Getriebe, aber auch dort stehen die Chancen gut,
dass sich die nächtliche Restbewölkung bzw. Hochnebelfelder lichten respektive
in flache Cu-Bewölkung übergehen, deren Zwischenräume den Input solarer
Direktstrahlung zulassen. Thermisch läuft das auf Tageshöchstwerte zwischen 12
und 17, an Rhein und Ems lokal 18°C hinaus. Wer sich in höhere Lagen der
Mittelgebirge (und logischerweise auch der Alpen) begibt, muss mit 10°C oder
sogar nur einstelligen Werten rechnen.
In der Nacht zum Freitag bleibt das Setup bei uns zunächst noch antizyklonal
coloriert, auch wenn die Tiefdruckgebiete über dem Ostatlantik den Druck erhöhen
(Tiefs erhöhen den Druck, hat man auch selten, aber gemeint ist hier
ausdrücklich nicht der Luftdruck). So passiert ein erster kleiner Wirbel
Schottland nordostwärts. Zwar bleiben die zugehörige Kaltfront nebst
korrespondierendem Randtrog noch weit außen vor, trotzdem erreichen die ersten
hohen und mittelhohen Vorbotenwolken die Westhälfte des Landes. Für Regen wird
es voraussichtlich noch nicht reichen, zumindest nicht für solchen, der unten
auch ankommt. Zwar feuchtet die Luft von oben immer weiter durch, die untere
Troposphäre hingegen dürfte zunächst noch zu trocken sein, so dass der
Niederschlag verdunstet. Fakt ist, dass die Bewölkungszunahme die Frost- und
Nebelwahrscheinlichkeit im Westen und Nordwesten auf nahe null konvergieren
lässt. Ganz anders der Wind, der seit geraumer Zeit mal wieder etwas Würdigung
in diesem Bulletin verdient. Wenn auch zunächst nur über der Nordsee, wo er aus
Süd-Südost kommend kontinuierlich zunimmt und den Inseln (allen voran Helgoland)
die ersten Böen 7 Bft bringt.
Von der windigen Nordsee in die windstille Südosthälfte. Zwar hält sich die
Nebelproduktion aufgrund der trockenen Luft auch dort in Grenzen (örtliche
Nebelfelder insbesondere in Gewässernähe), dafür muss bei vielfach klarem oder
nur gering bewölktem Himmel wieder mit leichtem Luftfrost gerechnet werden. Und
wennŽs dafür gerade so nicht reichen sollte, steht zumindest noch leichter Frost
in Bodennähe auf der Karte. Verhindern kann das eigentlich nur Hochnebel, der
sich gebietsweise in den östlichen Landesteilen bilden soll.
Freitag… (Tag der Deutschen Einheit) ist eine deutliche Zunahme an Isobaren
auf der Wetterkarte erkennbar, wobei sich die neuen Linien gleichen Luftdruck
vor allem über dem nahen Atlantik sowie über UK/Irland akkumulieren. Nach Abzug
des ersten kleinen Wirbels Richtung Shetlands/Färöers folgt ein zweiter nach,
der um 12 UTC knapp 700 km westlich von Schottland mit einem Kerndruck von rund
970 hPa aufschlägt, um zum Datumswechsel mit unter 950 hPa! (evtl. sogar nahe
940 hPa) den Äußeren Hebriden sehr nahe zu kommen. Um das Tief gibt es intern
und wahrscheinlich auch extern reichlich Diskussion, ob es sich dabei um den
ehemaligen Major-Hurrikan HUMBERTO handelt. Antwort von dieser Stelle: viel
Nein, aber auch ein bisschen Ja. Fakt ist, dass HUMBERTO schon im Laufe des
heutigen Mittwoch stark mit dem sich nähernden Hurrikan IMELDA interagiert.
Dabei soll es zum berühmten Fujiwhara-Effekt kommen, bei dem HUMBERTO am Ende
den Kürzeren zieht. Allerdings bildet sich zuvor ausgehend von HUMBERTO eine
ausgeprägte Tiefdruckrinne, in der mehrere Kerne integriert sind. Einer davon
soll auf dem Weg nach Osten „überleben“ und sich dabei kräftig vertiefen (siehe
oben). Kurzum, beim beschriebenen Tief handelt es sich nicht um den physikalisch
umgewandelten Originalkern HUMBERTO, sondern um ein nicht ganz unbedeutendes
„Nebenprodukt“. Wie man dieses am Ende benennt, darüber lässt sich trefflich
streiten.
Ex-HUMBERTO II wäre der Vorschlag meiner Wahl, wäre aber wahrscheinlich zu
irritierend. Jetzt warten alle auf die Storm-naming-group West, die ja am
meisten von diesem Wirbel betroffen sind, für welchen Namen sie sich
entscheiden.
Nun zurück aber zur Freitagslage, die uns die schwache Kaltfront des ersten
Tiefs beschert. Da diese überhaupt keinen Support aus der Höhe erfährt (sie
läuft quasi in den vorgelagerten Rücken bzw. fängt an, diesen zu überlaufen),
beschränkt sich ihr Impact auf mehrschichtige Bewölkung und vor allem am
Vormittag zeitweiligen leichten Regen im westlichen Drittel des Vorhersageraums
(man stelle sich Deutschland in drei Längsstreifen aufgeteilt vor, um zu wissen,
was gemeint ist). Nennenswerter Wind bleibt auf die Deutsche Bucht inkl. der
Inseln beschränkt mit Böen 7 bis 8 Bft aus Süd.
Im großen Rest der Nation verläuft der Feiertag störungsfrei und freundlich,
nachdem sich Nebel- oder Hochnebelfelder aufgelöst haben. Zwar machen die hohen
und mittelhohen Wolken etwas Boden Richtung Mitteldrittel (also bezogen auf
Deutschland, nichts mit Eishockey) gut, trotzdem bleiben die Bedingungen
passabel für jedwede Outdoor-Aktivität. Thermisch gibt es nicht Viel Neues mit
12 bis 17°C, wobei es im Westen kühler wird als an den Vortagen.
In der Nacht zum Samstag bringt sich das zweite, zum Orkantief angewachsene Tief
in Stellung (siehe oben). Die Warmfront erreicht mit stratiformem Regen den
Westen und Nordwesten, wobei an der Nordsee sowie an der Grenze zu den
Niederlanden 5 bis 10 l/m² innert 6 bis 12 Stunden zusammenkommen können. Weit
relevanter als der Niederschlag ist aber der Wind, der weiterhin aus Süd-Südost
kommend insbesondere an und über der Nordsee (bis 10 Bft auf offener See),
zunehmend aber auch an und auf der Ostsee (7-8 Bft) sowie im höheren westlichen,
nördlichen und zentralen Bergland (7-9 Bft) spürbar zulegt. Nach Süden und Osten
hin bleibt es noch trocken, teils sogar gering bewölkt oder klar mit leichter
Luftfrostgefahr im Grenzbereich zu Polen und Tschechien.
Modellvergleich und -einschätzung
Hinsichtlich der beschriebenen Grundschichtphänomene (Nebel/Hochnebel, aber auch
Nachtfrost) bieten die diversen numerischen Produkte leider kein einheitliches
Bild. Aufgrund des noch frühen Zeitpunkts (das Winterhalbjahr geht ja heute erst
los) wurde sich für ein progressives Frost-Warnmanagement entschieden (Ausgabe
heute Mittag), eine erhöhte FAR-Rate in Kauf nehmend.
Hinsichtlich der bevorstehenden Umstellung der Wetterlage in Richtung zyklonal
haben sich die Modelle erfreulicherweise stark angenähert. Zugbahn und
Intensität des Orkanwirbels werden mittlerweile ohne großen Spread angeboten.
Heißt für uns relative Entwarnung, zumindest was das Binnenland angeht. Ist aber
ohnehin Mittelfristangelegenheit (Samstag/Sonntag). Jetzt muss nur noch der
richtige Name gefunden werden.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann