SXEU31 DWAV 251800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.06.2025 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Abwechslungsreicher Donnerstag mit Front- und Trogpassage, zahlreichen Gewittern
(teils WU), mitunter stark böig auffrischendem Wind und noch einigen Unbekannten
in der komplexen Wettergleichung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Aktuell … hat sich in Deutschland leichter Zwischenhocheinfluss durchgesetzt.
Namentlich aber ohne Namen handelt es sich um eine langgestreckte, eher
brückenartige und vergleichsweise schmale Hochdruckzone, die vom zentralen
Mittelmeer bis hoch ins Nordmeer um Spitzbergen herum reicht. Sie trennt zwei
Alphatiere aus der Kategorie zyklonal drehender Wirbel: im Osten der alte
Bekannte ZIROS, mittlerweile in Karelien angekommen, im Westen BASTIAN dicht bei
Island. Doch zurück zum Hoch, das man kurz und bündig als „lang und leicht“
betiteln könnte, bringt die Zone doch gerade mal um oder sogar nur unter 1015
hPa auf das Barometer. Unterstützung kommt von einem leicht nach Westen
versetzten Höhenrücken, der ebenso wie sein Pendant am Boden langsam ostwärts
vorankommt. Damit kommen wir nicht umhin, unser Blick nach Westen zu richten, um
zu schauen, was denn danach so kommt.

Ausgehend von BASTIAN erstreckt sich ein solider Potentialtrog mit leicht
negativer Achse in Richtung Biskaya, wo er gerade dabei ist, ein keines
Höhentief aufzupicken, das von der Iberischen Halbinsel kommt. Dieses kleine
Tief wird in den nächsten Stunden via Bretagne und Normandie gen Ostausgang
Ärmelkanal gesteuert, wobei es mehr und mehr zu einem scharf geschnittenen
Randtrog mutiert. Begleitet wird dieser von einem flachen Tief, das Bestandteil
einer Rinne ist und bis zum Morgen gen Rheinmündung zieht.

Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich bereits am Nachmittag beginnend aus den
Pyrenäen und dem Zentralmassiv heraus sowie über der Biskaya Gewitter
entwickelt, die sich mittlerweile deutlich vermehr und ost-nordostwärts
ausgebreitet haben. Es ist deutlich erkennbar, dass sie vielfach die Form von
Multizellengewittern respektive -clustern annehmen, die irgendwann auch
unweigerlich an der deutschen Grenze anklopfen werden. Mitternacht wäre kein
schlechter Zeitpunkt, wo man sich die Szenerie im Westen und Südwesten etwas
genauer anschauen sollte – obwohl, eigentlich ist es schon zu spät, denn es
schadet freilich nicht, ja es ist sogar essenziell, die Entwicklung bei unseren
Nachbarn schon im Vorfeld möglichst genau zu monitoren. Die
Luftmasseneigenschaften auf deutscher Seite sind im Westen und Südwesten nicht
die schlechtesten, wenn es um Konvektion geht: trotz einsetzender KLA noch
ausreichend labil, zunehmend feucht (=> einige hundert J/kg MU-CAPE), dazu sehr
gute Scherung. Was fehlt, sind die Antriebe, da die Trogvorderseite mit
PVA-Maximum noch etwas zu weit weg ist. Zwar zieht am Boden ein leicht diffuser
Trog mit Windkonvergenzen zu uns rein, allerdings ist zu bezweifeln, ob dessen
Schaffenskraft ausreicht, in dieser „ungünstigen“ Tageszeit konvektive
Umlagerungen zu bewerkstelligen.

Wahrscheinlicher ist das Szenario, wonach wir die französischen und
belgisch-luxemburgischen Gewitter (oder das, was noch davon übrig ist) bei uns
einführen. Zu diesem Zeitpunkt (zweite Nachthälfte) ist von abgehobener,
tendenziell sich abschwächender Konvektion auszugehen, so dass am ehesten
Starkregen (markant) als begleitender Parameter auf der Agenda steht. Gleichwohl
beharren einige externe hochaufgelöste Modelle darauf, dass nach Mitternacht ein
Windmaximum mit lokalen Spitzen bis zu 10/11 Bft auf BaWü, RP/Saarland und den
Süden NRWs übergreift. Möglicherweise sind es Cold-Pool-Effekte, die den nötigen
Antrieb leisten und die Böen bis in die Grundschicht bringen. Die deutsche
Modellkette hingegen bleibt ihrer defensiven Rolle treu (vor allem ICON-D2, RUC
zeigt etwas mehr bis 70 km/h) und auch SuperHD von 06 UTC hat etwas
zurückgerudert. Letztlich bleibt uns nichts, als die Entwicklung abzuwarten. An
den Formulierungen in den Warnlageberichten wird zunächst nichts geändert.

Donnerstag … wird sicherlich ein spannender und abwechslungsreicher Wettertag,
bei dem aber leider immer noch der volle Durchblick fehlt. Man muss sich nur mal
die EPS-Prognosen vom LPI (Lightning Potenzial Index) oder UH (Updraft Helicity)
anschauen, um schnell zu erkennen, dass hier noch Žne Menge Blackbox-Potenzial
gegeben ist. Und man wird das Gefühl nicht los, dass je mehr numerische Outputs
man sich anschaut, desto verwirrter wird man in der Birne.

Was wissen wir zur Synoptik? – Als erstes schwenkt der Bodentrog
ost-nordostwärts durch, wobei man sich diesen nicht als klar strukturiertes
Parademodell vorstellen darf. Vielmehr handelt es sich um eine leicht diffuse
Struktur, was ins trübe Gesamtbild passt. Aus diesem Grund wurde in den
Vorhersagekarten auch auf eine Fischgräte (Konvergenz) verzichtet. Am Nachmittag
reicht der Trog bogenförmig vom Norden über den Osten/östliche Mitte bis in den
Südosten. Dem Bodentrog folgt unmittelbar die Kaltfront, die sich ebenfalls
alles andere als eindeutig in den numerischen Feldern abzeichnet. Das klarste
Element des ganzen Systems ist der scharfe Randtrog, der wiederum direkt auf die
Kaltfront folgt. Seine Achse erreicht in den Mittagsstunden und damit erst recht
spät den äußersten Westen, um danach unter leichtem Konturverlust ostwärts zu
schwenken. Der Trog verfügt auf seiner Vorderseite über ein gut ausgeprägtes
PVA-Maximum, das allerdings von KLA teilkompensiert wird. Auch ein Sachverhalt,
der mehr Dunkel als Licht in die Angelegenheit bringt.

Und dann wären da noch die Luftmassen, ebenfalls ein Fall für sich. Die
feuchteste und energiereichste Luft befindet sich präfrontal im Bodentrog. KLA
sorgt zwar weiterhin für eine Limitierung der Labilität, dafür kann mit
Wasserdampf gepunktet werden. PPW erreicht Werte bis zu 40 mm, die spez.
Grundschichtfeuchte bis zu rund 14 g/kg. Das genügt, um etwa 500 bis 1500 J/kg
ML-Cape zu generieren, die es bei weiterhin guten bis sehr guten
Scherungsbedingungen in konvektive Umlagerungen umzusetzen gilt. Rückseitig von
Front und Höhentrog strömt eine stabilere und nicht mehr ganz so feuchte
Atlantikluft heran, in der es aber durchaus noch zu der ein oder anderen
Nachzüglerkonvektion kommen kann.

Zu den morgigen Abläufen, die gleich mal mit dem Zusatz „ungefähr“ und „ohne
Garantie“ versehen werden. Gehen wir die Sache chronologisch an. Da gilt es
zunächst mal die nächtlichen Gewitter, Gewitterreste oder auch nicht gewittrigen
Regenfälle zu würdigen, die sich im Laufe des Vormittags ost-nordostwärts
ausweiten. Ein Teil davon dürfte in die berühmt-berüchtigte vormittägliche
Depression hineinlaufen, aber eben auch nur ein Teil. Insbesondere für den
Westen und Nordwesten, wo sich die trogvorderseitige dynamische Hebung am
griffigsten zeigt, deutet sich ein Aktivitätsschwerpunkt an, sei es durch
Regenerieren der nächtlichen Gewitter oder aber durch Neubildung. Das Potenzial
für organisierte Zellen ist vorhanden, Hinweise auf Starkregen und Sturmböen
auch. Hagel kann auch nicht ausgeschlossen werden. In der Basis ist von
markanten Entwicklungen auszugehen, lokale Unwetter (Starkregen, Hagel um 2 cm)
nicht ausgeschlossen. Unklar ist derzeit immer noch, wie sich die Lage im
Südwesten und Süden darstellt. Möglich, dass Reste aus der Nacht mit Hilfe von
Druckanstieg ostwärts verfrachtet werden. Großes Fragezeichen.

Im weiteren Verlauf des Tages breitet sich die Gewitteraktivität dann auch
zunehmend in den Osten und Südosten aus, wo (aber auch schon auf dem Weg dahin)
ebenfalls organisierte Strukturen auftreten dürften. Gemäß der o.e.
Rahmenbedingungen sind hier lokale Unwetter zu erwarten, entweder durch größeren
Hagel (2-3 cm) und/oder schwere Sturmböen oder orkanartige Böen (10/11 Bft). Die
Pseudoreflektivitäten der üblichen Verdächtigen zeigen verschiedene Muster,
darunter auch einige Bogensegmente oder Ansätze von (durchbrochenen) Linien,
aber auch Einzel- und Multizellen. Es versteht sich von selbst und soll hier
auch gar nicht plump-nölig gemeint sein, dass das Gesamtbild uneinheitlich und
wenig kongruent ist. Starkregen ist freilich auch mit von der Partie, aufgrund
von Zug ist die Unwettergefahr aber vermindert.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es recht lange dauern kann, bis die
Gewitterei auch im Westen und Nordwesten zur Ruhe kommt. Vor allem das
französische AROME hat es alles andere als eilig, was möglicherweise der sehr
schleppenden Verlagerung des Höhentrogs geschuldet ist. Als erstes dürfte im
Südwesten Ruhe einkehren. Zusätzlich muss konstatiert werden, dass sich zwischen
dem Bodentrog und einem nachfolgenden, sich Richtung Süddeutschland und Alpen
vorschiebenden Hochkeil (Absender ist zum x-ten Mal in diesem Jahr die Mutter
aller Hochs mit Vornamen „Azoren“) ein nicht zu vernachlässigender Gradient
einstellt. Heißt, der auf westliche Richtungen drehende Wind frischt auch
abseits der Konvektion außer im Osten und Nordosten mitunter spürbar auf mit
Böen 7, exponiert 8, Bergland 8-9 Bft.

Die Temperatur erreicht im Osten und Südosten mit Hilfe anfänglicher
Einstrahlung 28 bis 32, sonst 25 bis 29, im Nordwesten 21 bis 25°C. Dabei ist es
vielerorts schwülwarm bis -heiß.

In der Nacht zum Freitag zieht die gesamte Mischpoke konvektiver Unbilden nebst
ihrer Verursacher zügig nach Osten ab. Die Höhenströmung glättet deutlich durch,
führt aber einen flachen KW-Trog zur Nordsee. Dort sowie allgemein im Westen
kommt es zu einigen Schauern, während es sonst zwar wolkig, aber auch weitgehend
trocken bleibt. Da die neue Luftmasse alles andere als kühl ist und außerdem der
Wind nicht gänzlich zur Ruhe kommt, bleibt die Nacht relativ mild mit 20 bis
13°C.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag … Es gelten im Großen und Ganzen die Ausführungen der Frühübersicht.

Modellvergleich und -einschätzung

Obwohl das nächste Gewitterereignis nicht mehr weit entfernt ist, fehlt der
klare Durchblick nach wie vor. Die meisten Unschärfen und Unterschiede wurden im
Text hoffentlich angerissen. Es wird eine Lage mit viel Nowcast-Warnmanagement.
Für eine Vorabinformation Unwetter ist das Gesamtbild zu diffus, wirkliche
Schwerpunkte lassen sich kaum bis gar nicht herausarbeiten. Außerdem steht die
berechtigte Frage im Raum, ob es überhaupt für überregionale Unwetter reicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann