#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 13.06.2025 um 08 UTC
SXEU31 DWAV 130800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 13.06.2025 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Sa (Süd antizyklonal), am Wochenende zyklonaler Übergang zu NWa (Nordwest
antizyklonal)
Heute störungsfrei, im Südwesten heiß. Am Wochenende von Westen her zunehmend
gewittrig, teils Unwetter, vor allem durch Starkregen.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
Freitag… der Dreizehnte, na wenn das kein Omen ist. Fragt sich nur für was.
Beim Wetter, so viel sei an dieser Stelle schon verraten, passiert sehr
wahrscheinlich nichts Unvorhergesehenes. Sommer ja, aber das große Tamtam, von
dem seit Tagen schon die Rede ist, wird fürs Wochenende aufgespart. Wie, wo,
wann, wie viel, warum und warum nicht, dazu später mehr.
Steigen wir ein mit der Großwetterlage, die uns in der Potenzialkarte ein
lupenreines Omega kredenzt mit Trögen respektive Höhentiefs über dem nahen
Atlantik sowie dem nahen Osteuropa und einem Rücken mittenmang dazwischen.
Dazwischen heißt konkret Mitteleuropa und somit auch Deutschland, die Hauptachse
reicht heute Mittag leicht bogenförmig von NW-Afrika genau über den
Vorhersageraum hinweg bis hoch nach Skandinavien. Das Wellenmuster ist zwar
nicht stationär, auf der anderen Seite hält sich die Progression aktuell sehr in
Grenzen. Erst wenn zum Wochenende über dem mittleren Nordatlantik mehr Bewegung
ins Strömungsmuster kommt, fangen auch hier – quasi als downstream development –
die Glocken an zu läuten.
Korrespondierend zum Rücken hat sich ein wuchtiges und vor allem langgestrecktes
Bodenhoch namens XARA niedergelassen, das vom zentralen Mittelmeer bis hoch nach
Nowaja Semlja und sogar noch etwas darüber hinaus reicht. Solide 1030 hPa oder
noch ein paar Hektopascal mehr bringt XARA heute Mittag über der Ostsee und
Südschweden aufs Barometer, wodurch schnell klar wird, dass wir uns auf der
Westflanke und damit auf der sogenannten warmen Seite des Hochs befinden.
Flankiert wird das Hoch im Westen von einer flachen, rinnenartigen Tiefdruckzone
über Frankreich und der Iberischen Halbinsel, die mit feuchter und potenziell
instabiler Subtropikluft gefüllt ist, in der heute schon so einiges geht in
Sachen konvektiver Umlagerungen.
Anders die Situation bei uns, wo mit dem ageostrophisch aus dem Hoch
ausfließenden Ostwind eine trockene Kontinentalluft advehiert wird, die nach
Südwesten hin durchaus mit cSp tituliert werden kann, während sie nach Nordosten
hin eher noch Züge alternder Polarluft aufweist (xPs). Deutlich wird das u.a.
auch an den 850-hPa-Temperaturen, die heute früh am Hochrhein schon beachtliche
20°C erreicht haben, während es in Vorpommer nur 8 oder 9°C sind. Bis heute
Abend geht’s hoch auf rund 22°C in Südbaden bzw. Oberschwaben und 12°C am
Oderhaff. Keine Frage, das ist insbesondere nach Süden und Westen hin hochgradig
sommerlich und garantiert dort bei viel Sonnenschein und nur wenigen Wolken
Tageshöchsttemperaturen von z.T. weit über 30, aber nicht über 35°C. Warum nicht
noch mehr, was angesichts von 20°C und mehr auf 850 hPa durchaus möglich wäre?
Zum einen funktioniert das mit der (über)adiabatischen Durchmischung nicht
optimal, weil kleine Sperrschichten ins vertikale Temperaturprofil eingebaut
sind. Und zum anderen könnte gerade in den Westen und Südwesten etwas
Saharastaub in gepustet werden, der fast nahtlos die kanadischen Rauchpartikel
ablöst. Sei es wie es sei, mit jedem Kilometer nach Nordosten wird der Tag
weniger heiß. In der NO-Hälfte stehen 25 bis 30°C auf der Karte, ganz im
Nordosten sowie an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind noch etwas weniger.
Apropos Küstenabschnitte, dort baut sich zwischen dem Hoch und der Rinne
vorübergehend ein veritabler Gradient auf, der den Ost-Südostwind vor allem an
den schleswig-holsteinischen Küsten (Ostsee mehr als Nordsee) soweit auffrischen
lässt, dass einige steife Böen 7 Bft auf der Bildfläche erscheinen.
Bliebe nur noch die Frage zu klären, ob konvektiv heute schon was geht. Immerhin
wird die Subtropikluft im Westen und Südwesten energetisch ordentlich
aufgemotzt. Der fühlbare Wärmeanteil ist per se schon hoch und potenziell
instabil ist die Luftmasse auch geschichtet. Nun erhöht sich im Tagesverlauf
auch noch der Wasserdampfgehalt (PPW teils über 30 mm, spezifische
Grundschichtfeuchte um oder über 10 g/kg), so dass die Taupunkte im Rheintal
sowie westlich davon auf 16, 17, oder 18°C steigen. Das reicht, um einen
gewissen Hitzestress zu generieren, gemeinhin als Schwüle bekannt, wobei hierbei
natürlich auch immer der subjektive Faktor berücksichtigt werden muss. Der eine
japst bei diesen Bedingungen schon, andere federn das noch locker weg. Zurück
zur Schichtung, die wie gesagt energetisch nicht von schlechten Eltern ist –
teils steigt das MU-CAPE auf locker über 2000 J/kg, stellenweise sogar auf über
3000 hPa. Das Problem ist die Deckelung (CIN teils über 100 J/kg) sowie die
trotz Anfeuchtung noch immer vorhandenen trockenen Schichten im Vertikalprofil.
Auch der permanent von Osten wehende trockene Wind ist alles andere als
konvektionsfördernd. In Ermangelung dynamischer Antriebe ist es mehr als
zweifelhaft, dass selbst ein so hochtalentiertes Mittelgebirge wie der
Schwarzwald in der Lage ist, den vorhandenen Deckel zu sprengen. Und auch die
Wahrscheinlichkeit, dass französische oder belgisch-luxemburgische
Importgewitter den in diesem Genre strengen Zoll überwinden können, ist alles
andere als hoch. Sollte es in dem einen oder in dem anderen Fall wider Erwarten
doch passieren, dann sind wir freilich ganz schnell im roten Bereich.
In der Nacht zum Samstag verschiebt sich das gesamte Strömungsmuster
(Boden/Höhe) nur marginal nach Osten. Die blockierende Wirkung des Hochs bleibt
erhalten, auch wenn XARA leichte Abschwächungstendenzen zeigt. So ist davon
auszugehen, dass die Nacht landesweit ruhig über die Bühne geht, meint gering
bewölkt oder klar. An der See bleibt der Südostwind recht sportlich unterwegs,
für Böen 7 Bft dürfte es aber nicht mehr reichen. Während es im Osten z.T. auf
10°C oder etwas darunter abkühlt (Schlafzimmerfenster auf!), wird es nach Westen
und Südwesten hin zunehmend schwieriger, die 20°C-Marke zu unterschreiten. Vor
allem in den Ballungsräumen/größeren Städten kann es passieren, dass bei 21 oder
22°C das Ende der abkühlenden Fahnenstange erreicht ist.
Stichwort Westen, zwar hält sich die Numerik weiterhin sehr zurück in Sachen
Niederschlag/Gewitter usw. respektive belässt das ganze Geschehen auf Seiten
unserer westlichen Nachbarn. Nun ist die Numerik das eine, die Natur das andere.
Aus synoptischen Erwägungen heraus ist es durchaus nachvollziehbar, dass die
Modelle für unseren Raum defensiv agieren. Gleichwohl sollten die Nachtdienste
immer mal wieder nach Westen blicken. Es wäre nicht das erste Mal, dass durch
nicht zu 100% vorhersehbare Prozesse bzw. Eigendynamiken dortiger
Gewittersysteme Ableger entstehen, die sich einen feuchten Kehricht um
Ländergrenzen scheren und auf einmal doch unverblümt vor den Toren von
Heinsberg, Mönchengladbach oder Wesel stehen, und sei es auch nur als Schauer
oder gewittriger Regen.
Samstag… verschiebt sich das Strömungsmuster weiterhin nur in kleinen, fast
homöopathisch anmutenden Schritten nach Osten. Immerhin reicht das, um dem
äußersten Westen und Nordwesten im Tagesverlauf eine schwache diffluente
Vorderseite zu verpassen (bei allerdings recht limitierten Höhenwinden), die
sich leicht anfällig für zyklonale Störungen zeigt. Und tatsächlich taucht am
Nachmittag von Benelux her ein ganz flacher Sekundärtrog auf, der eigentlich nur
in der IPV-Darstellung als kleine Anomalie auszumachen ist. Bodennah schiebt
sich peu a peu die Tiefdruckrinne in den Westen rein, die durch eine deutliche
Windkonvergenz (SO vorn, W hinten) markiert wird („Fischgräte“ in der
Vorhersagekarte). Erst später, genau genommen in der Nacht zum Sonntag greift
dann die Kaltfront eines über UK zu den Färöers ziehenden Tiefs (XHEVAT) über.
Die energiereichste und labilste Luftmasse weitet sich auf nahezu die gesamte
Westhälfte aus, im Süden sogar noch etwas darüber hinaus. Dabei steigt das PPW
auf über 30, im Grenzbereich zu Benelux gar über 40 mm an, die
Grundschichtfeuchte erreicht im Nordwesten teils 15 g/kg. Daraus resultieren
CAPE-Werte, die abermals vierstellig sind, lokal um 2500 J/kg (ML, MU noch
mehr). Trotz dieser herausragenden Werte bleibt es dabei, dass zumindest die
Numerik summa summarum nur schwer in die Gänge kommt, sprich, konvektive
Umlagerungen simuliert, nicht zuletzt, weil die Luftmasse noch immer gedeckelt
ist. So fällt z.B. auf, dass in der Rinne im Bereich der stärksten
Windkonvergenz so gut wie keine Konvektion gerechnet wird. Einzig im Süden sind
am Nachmittag mit orografischem Support (Schwarzwald, Schwäbische Alb, Alpen)
erste Überentwicklungen in Form von Einzelzellen möglich, die im Anfangsstadium
größeren Hagel bringen können, sonst aber eher durch Starkregen auffallen.
Darüber hinaus rücken der äußerste Westen und Nordwesten ab dem Nachmittag
zunehmend in den Fokus, wenn zwischen Konvergenz und Kaltfront der Sekundärtrog
als möglicher „Sprengmeister“ in Erscheinung tritt und den Deckel soweit
sprengt, dass es für die ersten Gewitter reicht. Die Scherung ist eher mau, so
dass eher von starkregenlastigen Einzel- und Multizellen auszugehen ist. Hagel
ist sicherlich auch im Spiel, allerdings ist schwer abzuschätzen, wie weit der
westliche Wind unten schon dämpfend wirkt (keine bodennahe Richtungsscherung,
anständiger Inflow). Beim Thema Wind/Sturm dürften die Trauben nicht besonders
hoch hängen.
Ansonsten bliebe nur noch zu konstatieren, dass verbreitet die Sonne scheint (im
Westen und Nordwesten zeitweise wolkig) und die Temperatur auf 29 und 35°C
steigt. Einzig ganz im Norden und Nordosten wird mit 22 bis 27°C nicht
sommerlich heiß, sondern „nur“ sommerlich warm. An der See sowie im Grenzbereich
zu Dänemark frischt der Südostwind böig auf, Böen 7 Bft bleiben aber wohl die
Ausnahme.
In der Nacht zum Sonntag wird der Rücken allmählich nach Osten rausgedrückt, was
die Vorderseite des nachfolgenden Höhentrogs prominenter in Stellung bringt.
Außerdem greift die Kaltfront über, die nach Süden hin etwas zurückhängt, weil
sie durch tiefen Luftdruck über der Iberischen Halbinsel gebremst wird. Während
tagsüber noch mit angezogener Handbremse agiert wurde, wird nun
modellübergreifend eine deutlich höhere Wetteraktivität simuliert, was
angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen auch folgerichtig ist. So kommt
es von Westen her zu einer erhöhten Gewittertätigkeit, die sich langsam nach
Osten vorarbeitet. Nach wie vor ist die Scherung eher unterbelichtet, trotzdem
sind linienhafte Segmente oder auch eine Linie (an der Kaltfront) denkbar, wie
die Pseudoreflektivitäten einiger konvektionsauflösenden Modelle zeigen.
Ansonsten besteht aber stark der Hang zur Verclusterung mit Cold-Pool-Bildung.
Da es von unten weiter stabilisiert (abgehobene Labilität), nimmt die
Wahrscheinlichkeit für Hagel und Sturm ab, so dass vor allem auf Starkregen zu
achten ist. Unwetter sind wahrscheinlich, ggf. auch mehrstündig (Cluster). Der
Osten und Südosten bleiben bis zum Morgen noch außen vor und auch im Südwesten
ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. IFS ist sehr defensiv und auch
ICON-D2 lässt einen Cluster über Ostfrankreich zur westlichen Mitte ziehen,
während sich der südliche Teil abschwächt.
Sonntag… greift der Haupttrog von Westen her über und drückt die Kaltfront
sowie die vorlaufende Konvergenz nach Osten durch. Sowohl der Trog als auch die
Kaltfront hängen im Süden zurück, so dass dort der Luftmassenwechsel auf sich
warten lässt. In den Westen und Nordwesten gelangt rückseitig ein Schwall
deutlich trockenerer und stabiler Meeresluft subpolaren Ursprungs (mPs; T850
7-10°C), in der sich das Wetter rasch beruhigt. Es schiebt sich ein
Azorenhochkeil vor (YVONNE), in dem die Bewölkung mitunter auflockert (am
meisten an der Nordsee) und die Temperatur keine 25°C mehr erreicht.
Ansonsten breiten sich die Schauer und Gewitter respektive die gewittrigen und
ungewitrigen Regenfälle aus der Nacht ostwärts aus. Dabei besteht Unwettergefahr
durch heftigen Starkregen, auch extreme Mengen können nicht gänzlich
ausgeschlossen werden. Ganz im Osten und Südosten scheint zuvor wahrscheinlich
noch für ein paar Stunden die Sonne, was die Luftmasse energetisch aufpeppen
könnte. Die Folge wären teils kräftige Gewitter mit Hang zum Unwetter (vor allem
Starkregen), allerdings bleibt auch hier abzuwarten, inwieweit der schon früh
auf West-Nordwest drehende Wind als „Spielverderber“ fungiert. Außerdem kann
nicht ausgeschlossen werden, dass schon früh eine Outflow-boundary nächtlicher
Gewitter durchläuft, die den Dampf ebenfalls rausnehmen würde.
Scherungstechnisch ist weiterhin wenig los, die Werte steigen erst in der
rückseitigen Subpolarluft merklich an, wodurch Eulen nach Athen getragen werden.
Summa summarum ein komplexes Gleichungssystem mit noch einigen Unbekannten,
denen heute nur schwer beizukommen ist. Das trifft auch auf mögliche
Überlegungen zu Vorabinformationen zu, sie jetzt schlichtweg noch nach vorne
prokrastiniert werden müssen, in den Folgekonferenzen (vor allem am Samstagfrüh)
aber auf die Agenda gehören.
Abseits des Nordwesten erreicht die Temperatur 25 bis 32°C, begleitet von hohem
Dampfdruck (Schwüle).
Modellvergleich und -einschätzung
Die Basisfelder werden von den Modellen sehr ähnlich simuliert. Allerdings fällt
auf, dass es IFS (ECMF) am wenigsten eilig hat mit der Progression des
Strömungsmusters (siehe auch Text oben). Von daher bestehen schon noch einige
Unschärfen, was auf das detaillierte konvektive Geschehen ohnehin zutrifft.
Langweilig wird’s jedenfalls nicht am Wochenende.
Gesamtheitlich ist die ganze Lage als handelsübliche sommerliche
Schwergewitterlage mit Schwerpunkt Starkregen einzustufen – nicht mehr, nicht
weniger.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann