#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 21.05.2025 um 08 UTC
SXEU31 DWAV 210800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 21.05.2025 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
Nordwest zyklonal (NWz)
Heute im Süden teils kräftige Gewitter und noch mäßig warm. An den Küsten ab
morgen zunehmend stürmisch und nahezu herbstlich mit Schauern und
Graupelgewittern. Dazu deutlich kühler, in den Nächten gebietsweise Bodenfrost.
In der Mitte weiterhin vielfach trocken.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
Mittwoch… ist die Umstellung zu deutlich zyklonaler geprägtem Wetter in vollem
Gange. So stößt an der Westflanke eines hochreichenden Zentraltiefs über
Skandinavien ein satter Schwall polarer Luftmassen (T850 hPa vor der
Norwegischen Küste schon < -5°C und in 500 hPa < -35°C nach Süden vor, woraus
sich nebst leichter Achsenneigung das korrespondierende Bodentief über
Südschweden und dem Oslofjord speist und weiter an Stärke zulegt. An dessen
Südwestflanke kommt schubweise Kaltluftadvektion in Gang, die frontogenetisch
wirkt und eine Kaltfront über dem Süden und eine über der Nordsee und Dänemark
zur Folge hat. Außerdem befindet sich über Südengland ein markanter Randtrog mit
eigenständigem Wirbel, der nun immer mehr in die allgemeine Zirkulation
einbezogen und südostwärts gesteuert wird. Hierzulande dreht die flatternde, von
zahlreichen Kurzwellen durchlaufene Strömung dadurch von West etwas auf Südwest
zurück.
Dadurch kann sich die gestern noch im äußersten Süden befindliche potentiell
labil geschichtete und feuchte Luftmasse ein Stück weit nach Norden ausgreifen.
Man erkennt es bereits an zweistelligen Taupunkten, die nicht nur in die
Südpfalz, sondern inzwischen bis nach Thüringen und Südbrandenburg geschwappt
sind. Über Teilen Baden-Württembergs und Ostfrankreichs sind bereits erste
abgehobene Schauer- und Gewitterzellen unterwegs und selbst hier im Rhein-Main
Gebiet zeigen sich die „klassischen“ Gewittervorboten in Form von AC floccus und
castellanus am Morgenhimmel. Die Hauptaktion spielt heute südlich einer Linie
Kaiserslautern-Aschaffenburg-Dresden.
Die Luftmasseneigenschaften sind dabei aber – der Jahreszeit entsprechend möchte
man sagen – noch recht limitiert. Theta 850 dürfte kaum einmal die 40°C
überschreiten. Da stehen in den kommenden Wochen und Monaten mit Sicherheit
wieder Lagen mit > 60°C bevor. Bei einer Grenzschichtfeuchte bis 10 g/kg, PPW’s
zwischen 20 und 25 mm und insgesamt nur langsamer Verlagerung der Zellen muss im
Tagesverlauf lokal mit Starkregen und bei MU Cape bis 1000 J/kg auch mit Hagel
von 1 bis 2 cm gerechnet werden. Die Scherung ist allerdings arg limitiert, sie
erreicht nur kleinräumig mal Werte knapp über 15 m/s zwischen 0 und 6 km. Die
Hodographen sind vergleichsweise gradlinig, nur in den untersten Schichten kann
sich gerade durch die Orographie entlang der Schwäbischen Alb beispielsweise mit
Rückdrehung des Bodenwindes auf Südost nennenswerte Krümmung zwischen 0 und 1 km
aufbauen. Dementsprechend reagieren die konvektionserlaubenden Modelle nicht nur
mit einer sehr frühen Auslöse bereits im Laufe des Vormittags, sondern auch mit
pulsierenden Einzel- und Multizellen, die gerade in BaWü auch mal organisierter,
linienhafter auftreten können. Vereinzelte Superzellen sind nicht gänzlich
ausgeschlossen, ICON-RUC zeigt einige wenige updraft helicity plots über BaWü
und Unterfranken. In der Regel sollte alles mit „ocker“ (Starkregen, kleiner
Hagel, Sturmböen) zu erschlagen sein. Bezüglich der Böen hat ICON-D2 immer noch
vereinzelte Entwicklungen bis an die Grenze zu schweren Sturmböen drin und in
der Tat zeigen sich Richtung Niederbayern auch einzelne Temps mit inverted V
Strukturen. Das sonst so aggressive AROME reagierrt darauf mit etwas über 70
km/h bei einer Zelle südlich von Regensburg heute Abend, was realistisch ist.
Bft 10 sollte den absoluten Worst Case darstellen, im ICON-D2-EPS sucht man
selbst Signale für Bft 9 schon mit der Lupe.
Nördlich daran schließt sich ein breiter Streifen über der Landesmitte mit zwar
instabiler, aber sehr trockener Luft an, wo trotz zyklonaler Höhenströmung
konvektiv nicht viel geht und bei flachen Quellwolken häufiger die Sonne
scheint.
Im Norden startet der Tag vielfach trüb mit Hochnebel, der aus Nordwesten von
der Nordsee den Weg nach Norddeutschland gefunden hat und sich unterhalb der
Inversion bei 900 hPa ausgebreitet hat. Erst dien Einstrahlung und der spürbar
auflebend Westwind reißen bis zum Mittag zunehmend Lücken in die tiefen Wolken.
Regen fällt daraus so gut wie keiner, allenfalls geringer Sprühregen.
An der See sind exponiert bereits erste Böen um 65 km/h zu verzeichnen und der
Wind legt weiter zu und dehnt sich im Tagesverlauf auf das angrenzende
Binnenland mit verbreiteten Böen 60-70 km/h (Bft 7-8) aus. Entsprechende
Warnungen sind aktiv. Die Temperaturen liegen je nach Sonne bei 18 bis 24°C,
ganz im Norden und Nordwesten macht sich die zunächst in flacher Schicht
einsetzende Zufuhr eines ersten Schwalls subpolarer Meeresluft mit einem
Temperaturrückgang auf 13 bis 17°C bemerkbar, sprich die Temperaturen steigen
dort von derzeit 12 Grad kaum noch nennenswert an.
In der Nacht zum Donnerstag stößt das Höhentief über Skandinavien mitsamt
Höhenkaltluft weiter südwärts bis nach Dänemark und Schleswig-Holstein vor. Das
Bodentief entwickelt am Okklusionspunkt ein neues Teiltief im Raum Stockholm.
Dadurch entwickelt das Gesamtsystem einen Dipolcharakter und der westliche Teil
über dem Oslofjord wird süd-südostwärts Richtung Belte und Sund gesteuert, was
natürlich eine weitere Windverschärfung auch an den Deutschen Küsten zur Folge
hat. In Nordfriesland und auf Fehmarn sind Böen um 80 km/h (Bft 9) aus West bis
Nordwest wahrscheinlich, an den übrigen Küstenabschnitten weiterhin mehrheitlich
60-70 km/h. Im Binnenland entkoppelt die Grundschicht und der Wind lässt
vorübergehend etwas nach.
Die südliche Kaltfrontstaffel, die im Wesentlichen die Grenze zur
gewitterträchtigen Luft markiert, schwenkt im Nachtverlauf allmählich zu den
Alpen. Die nördliche Kaltluftstaffel kann sich immer besser formieren, da der
weitere Nachschub an Polarluft durch den starken Gradienten über der gesamten
Nordsee gut funktioniert. Mithin gehen die 850 hPa Temperaturen im Norden auf
unter 0°C zurück, an den Alpen auf etwa 5°C zurück. Das weitere Höhentief an der
Südwestflanke orientiert sich allmählich zum Zentralmassiv.
Im Süden lassen die Gewitter mit Tagesende nach, es regnet aber gelegentlich
weiter, da das Aufgleiten noch ganz gut funktioniert (in der Höhe Südwest mit
kurzwelligen Anteilen zudem und am Boden schwacher Nordwest). Die südliche,
thermisch betrachtet deutlich schwächere Kaltfront bekommt zunehmenden
Anacharakter. An den Alpen kommt allmählich eine schwache Staukomponente hinzu,
mehr als gebietsweise 5 bis 10 l/qm fallen aber erstmal (Konvektionsreste
ausgeklammert) nicht.
Sonst verläuft die Nacht ruhig und größeren Auflockerungen mit der zunehmenden
KLA aus Norden. Dort wo es geregnet hat, kann sich Nebel bilden. Erst in den
Frühstunden kommen im Zuge der Höhenkaltluft an der Dänischen Grenze erste
Schauer oder kurze Kaltluftgewitter auf. Die Tiefstwerte liegen bei 12°C unter
den Wolken im Süden, sonst bei 10 bis 6°C, in einigen Mittelgebirgstälern bis
3°C.
Donnerstag… erreicht die Höhenkaltluft die Norddeutsche Tiefebene, wird dann
allerdings parallel zu den Isohypsen und der weitere südwärtige Ausbruch ist
vorerst gestoppt. Das gilt jedoch nicht für die unteren Troposphärenschichten,
wo die 0°C Isotherme in 850 hPa die mittleren Landesteile erreicht und nur durch
die Einstrahlung „künstlich“ zurückgehalten wird, die Alterung der Luftmasse
beginnt. Der Dipolhafte Charakter des Bodentiefs endet ebenfalls wieder und so
erscheint es bis zum Abend nahezu kreisrund über Mittelschweden, wodurch der
Gradient in Küstennähe bei uns zum Abend hin deutlich aufweicht. Doch passiert
dies schon früher? Laut ICON ja, das bei dieser Umwandlung erhebliche Probleme
zu haben scheint. So simuliert es en südlichen Dipol um 12z schon auf Höhe von
Öland, wohingegen er bei GFS und UK10 noch unweit von Kopenhagen liegt. Es ist
zu erwarten, dass sich ICON bei der Übermacht der Lösungen externer Modelle
anpasst. Unser zweites Drehzentrum über Frankreich, das zwischendurch fast schon
als Kaltlufttropfen agiert, findet wieder gewohnte Unterstützung am Boden, in
dem es prädestinierte Gefilde dafür erreicht: Den Golf von Genua.
Die südliche Kaltfrontstaffel wird dadurch über dem Alpenraum zurückgehalten,
womit es dort zu weiteren, länger anhaltenden Niederschlägen kommt. Die
Schneefallgrenze liegt zunächst relativ stabil um die 2000 m. Obschon eine
deutliche Stabilisierung eingesetzt hat, sind unterhalb von 650 hPa immer noch
recht steile Lapse Rates vorhanden, wodurch noch immer Spuren von zumindest
etwas MU CAPE generiert werden können. Durch Auflockerungen und Einstrahlung am
unmittelbaren Nordrand des Regenbandes kann es im Tagesverlauf auch vom
Südschwarzwald bis zum Bayerwald noch zu einzelnen konvektiven Umlagerungen
kommen. In den Prog-Temps ist aber bei -10°C Schluss, weshalb schauerartige
Verstärkungen innerhalb des Regens und neue Schauer an der Nordkante durchaus
wahrscheinlich sind, für Gewitter reicht es aber nur noch ganz vereinzelt und
dann eher der Marke „Gelb“.
Über einem Streifen über der Landesmitte bildet sich kompensatorisch ein flacher
Keil aus und in der trockenen Luftmasse unter seichter KLA scheint bei lockerer
Quellbewölkung (Auslöse wird bei 10 bis 14°C schnell erreicht) länger die Sonne
und es bleibt in diesem Bereich leider nach wie vor trocken.
Von den Küsten bis zur Mittelgebirgsschwelle herrscht dagegen Herbstfeeling pur.
Die hochreichende Labilisierung mit bis zu -34°C in Nordfriesland fördert
zahlreiche Schauer und kurze Graupelgewitter zutage, die mit einem stark böigen
Wind einhergehen, der allein aufgrund des „Basiswindes“ spielerisch Sturmstärke
erreichen kann. Legt man das ICON-D2 EPS zugrunde, dann gibt es unter
Berücksichtigung der regen Schauertätigkeit etwa nördlich einer Linie
Hannover-Neuruppin immer mal wieder zu stürmischen Böen oder vereinzelten
Sturmböen (Bft 8-9). Windböen der Stärke 7 greifen etwa bis zum Ruhrgebiet, nach
Nordhessen und bis nahe Berlin und Leipzig aus. Es wird unter Berücksichtigung
der monatelangen Flaute, belaubten Bäume und schwächelnden Deutschen Modellkette
auf eine offensive Warnstrategie hinauslaufen.
Dazu liegen die Temperaturen in den Niederschlägen bei oft einstelligen Werten,
außerhalb in den Auflockerungen bei gerade einmal 12 bis 16, im Südwesten bis
18°C.
In der Nacht zum Freitag schwenken an der Südflanke des Skandinavientiefs
weitere Randtröge von West nach Ost durch und regenerieren dieses. Damit bleibt
auch die Schaueraktivität im Norden aufrecht, warnwürdige Böen ziehen sich aber
immer mehr zur Nordseeküste zurück. Das Höhentief im Süden erreicht über Italien
bis zum Morgen den Nordteil der Adria. Die Hebungsvorgänge bleiben mehrheitlich
südlich des Alpenhauptkammes, womit auch die Stauniederschläge an den Alpen
allmählich abebben. Zeitgleich sinkt mit seichter Kaltluftzufuhr aus Norden und
fortwährender Niederschlagsabkühlung die Schneefallgrenze bis auf 1500 m ab.
Unterm Strich sind in Staulagen im gesamten Zeitraum bis dahin punktuell um die
30 l/qm zusammengekommen, im Vorland recht verbreitet 10 bis 20 l/qm.
Über der Mitte bleibt es vielfach klar und bei nur schwacher Luftbewegung in der
frisch eingeflossenen Polarluft gehen die Temperaturen ordentlich in den Keller.
Während die Deterministik bis auf Super HD kaum Luftfrost anbietet, tauchen im
Mos-Mix schon vereinzelte „0er“ auf. Angesichts der letzten Maidekade empfiehlt
sich auch hier eine offensive Warnstrategie, die morgen abgestimmt wird. Von der
Lausitz bis zur Eifel muss in jedem Fall recht verbreitet mit leichtem Frost in
Bodennähe gerechnet werden.
Freitag… in aller Kürze alles wie am Vortag – nur schwächer. Der Haupttrog
kann zwar nochmal s durch einen neuerlich von Südnorwegen zur Deutschen Bucht
ablaufenden Kurzwellentrog regeneriert werden, die Höhenkaltluft wird allerdings
ein Stück weit „aufgebraucht“ mit Werten an die -30°C, womit die Konvektion
nicht mehr ganz so hochreichend ist und sich in rund 650 hPa auch eine kleine
Absinkinversion einlagert. Das südliche Randtief verliert sich in seiner
Struktur über dem Balkan und wird in die allgemeine Zirkulation um das
Skandinavientief, dessen Zentrum über Mittelschweden liegt, mit eingebunden. Am
Boden schiebt sich ein flacher Keil vom Azorenhoch vom Südwesten in die
Landesmitte.
So gibt es zwar weitere Schauer, die aber an Häufigkeit, Intensität und Wucht
insgesamt einbüßen. Auch einzelne kurze Kaltluftgewitter treten kaum noch auf,
am ehesten noch in Küstennähe. Dafür sorgt der erwähnte KWT für eine leichte
Ausweitung der Niederschläge nach Süden, womit auch der Westen und die Mitte von
einem schlappen Schauer profitieren könnten. Vom Saarland und dem Breisgau über
Franken bis in die Lausitz scheint dagegen länger die Sonne und es bleibt meist
trocken. Am Alpenrand hält sich zähe Restbewölkung, aus der es aber kaum noch
regnet.
Der Wind ist vor allem über der Nordhälfte weiterhin stark böig unterwegs,
erreicht aber nicht mehr ganz das Niveau des Vortages. Häufig spielt es sich im
Bereich von Stärke 6-7, an der Nordsee vereinzelt noch Stärke 8 Bft in Böen ab.
Das Temperaturniveau bleibt mit 12 bis 18°C eher unterkühlt. Ob das für einen
eventuell knapp zu kalten Monat Mai 2025 im Vergleich zum langjährigen Mittel
1991-2020 ausreicht, entscheiden die letzten Maitage. Zumindest für den Osten
und Südosten Deutschlands stehen die Chancen aber nicht schlecht.
Modellvergleich und -einschätzung
Im Großen und Ganzen herrscht Übereinstimmung. Frappierend ist allerdings die
Umwandlung des Skandinavientiefs vom Dipol in ein kreisrundes steuerndes
Zentraltief im Laufe des Donnerstags, womit vor allem ICON so seine Probleme zu
haben scheint. Die Variante von IFS und Co ist deutlich wahrscheinlicher und
wurde bereits im Text diskutiert. Ansonsten ergeben sich noch kleinere
Unterschiede in der Akzentuierung der Niederschlagssignale. Auch hierbei machen
IFS und UK einen guten, realistischen Eindruck – beispielsweise auch darin, wie
die nächtliche Konvektion an den Küsten bewertet wird. ICON zeigt dort teilweise
das klassische „Abschneiden“ an den Küstenlinien.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen