#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Freitag den 03.01.2025 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 031800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 03.01.2025 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Zum Samstag leichter Zwischenhocheinfluss (ANKE). Dann kommt BERND, ein wahres
Warmluftmonster. Ab der Nacht zum Sonntag von Südwest nach Nordost erst Schnee,
dann Regen mit zwischenzeitlicher Glatteisphase und nachfolgend deutlicher
Erwärmung.
Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
Aktuell … ist der dritte Tag des neuen Jahres noch nicht zu Ende und trotzdem
sind wir auf der Namensliste für Tiefdruckgebiete schon bei B angelangt. Und
dass, obwohl mit GINETTE noch ein weiteres Tief am Start war, ein Übrigbleibsel
aus dem alten Jahr, das es nach 2025 geschafft hat. Wir erinnern uns, der
schwere Südweststurm an der Nordsee inkl. Dauerregen zum Jahreswechsel.
Mittlerweile ist Madame weit im Norden Europas angekommen, aber ihre männlichen
Nachfolger sind auch nicht von schlechten Eltern, wie ihr gleich noch erfahren
werdet.
Zur aktuellen Wetterlage, die bei uns geprägt ist von kalter Meeresluft
arktischen Ursprungs (mA), in der T850 auf -7 bis -11°C zurückgegangen ist. In
der mittleren und oberen Troposphäre ist die kälteste Luft inzwischen
ost-nordöstlich von uns angelangt, weil der korrespondierende Potenzialtrog den
Vorhersageraum knapp hinter sich gelassen hat. Folgerichtig befinden wir uns
unter einer leicht zyklonal konturierten nordwestlichen Höhenströmung, unter der
sich das Wetter winterlich-wechselhaft gestaltet. Einen nicht unerheblichen
Beitrag dazu leistet das kleine Tief AARON, letzte Nacht im Lee der
südnorwegischen Berge geboren und mittlerweile schon vor der baltischen
Westküste angelangt. Nicht nur, dass AARON heute den Norddeutschen eine
Kaltfront mit schauerartigen Schneefällen und sogar vereinzelten Wintergewittern
vorbeigeschickt hat. Auch die Windmaschine wurde im Norden und Osten sowie in
Teilen der Mitte kräftig angekurbelt.
In den nächsten Stunden – und damit wären wir voll drin in der Nacht zum Samstag
- beruhigt sich Szenerie allmählich. Dabei spielt neben dem Tagesgang leichter
Druckanstieg eine entscheidende Rolle. So spaltet sich aus dem Südteil eines
langgestreckten Hochs über dem Ostatlantik eine eigenständige 1025-hPa-Parzelle
ab, die von Frankreich her auf Süddeutschland und den Alpenraum übergreift
(ANKE). Dort sorgt das (Zwischen)Hoch nicht nur für Bewölkungsrückgang, es
blockiert auch die o.e. Kaltfront, die sich über dem zentralen Mittelgebirgsraum
auflöst. Auch das zugehörige Schauerband verliert zunehmend an Kontur,
gleichwohl reicht es noch für einige Schneeschauer, die in Summe eine dünne,
lokal (Bergland) bis zu 5 cm dicke Neuschneeauflage bringen. Ansonsten ziehen
von der Nordsee her noch einige Schnee- oder Schneeregenschauer in südöstliche
Richtung landeinwärts. Gerade zwischen Elb- und Wesermündung bis hinunter ins
nordöstliche NDS könnte es an verschiedenen Orten für eine dünne Schneedecke
reichen.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass die Temperatur mit Ausnahme einiger
küstennahen Striche, wo der Wind auflandig daherkommt, in den leichten, im
Bergland und im Süden mäßigen Frostbereich zurückgeht. Im Schwarzwald, der
Schwäbischen Alb sowie an den Alpen ist über den Schneeflächen bei längerem
Aufklaren sogar strenger Frost zwischen -10 und -15°C, vereinzelt sogar dicht
bei -20°C drin.
Mit zunehmender Entfernung zum Kollegen AARON fächert der Gradient
kontinuierlich auf. Dementsprechend nimmt der anfangs noch recht flotte und
ruppige Wind immer weiter ab, so dass am Morgen selbst auf den anfälligsten
Kuppen und Hügeln keine nennenswerten Böen mehr auf dem Zettel stehen.
Samstag … lässt sich das Tagesgeschehen vergleichsweise schnell abhandeln,
schließlich gilt es die Konzentration voll auf die Folgenacht zu bündeln.
Zwischen dem weiter gen Osten schwenkenden Trog und einem flachen Rücken über
Westeuropa bzw. dem nahen Atlantik dreht die zunehmend neutral konturierte
Höhenströmung zurück auf West-Nordwest. Der Schwerpunkt des Zwischenhochs
verlagert sich zügig ostwärts, trotzdem zeigt sich im Süden und Südwesten
zeitweise die Sonne. In den übrigen Regionen mehr oder weniger dichte Wolken am
Himmel, dazwischen einige Auflockerungen (Norden/Osten), in der Nordhälfte
einzelne Schnee- oder Schneeregenschauer, direkt an der Nordsee auch
Regenschauer. Der Wind hat nicht allzu viel zu bieten, einzig an der Ostsee
erreicht er am Nachmittag und Abend in Böen Stärke 7 Bft aus Südwest. In weiten
Teilen der Südhälfte sowie in Lagen oberhalb 200 bis 400 m hält sich auch
tagsüber leichter Frost. Sonst liegen die Höchstwerte zwischen 0 und +4°C.
Kommen wir zur Nacht auf Sonntag und es wird allerhöchste Zeit, sich das
Geschehen auf dem nahen Atlantik genauer anzuschauen. Dort tummelt sich schon
seit einiger Zeit BERND, seines Zeichens Tiefdruckgebiet mit
Shapiro-Keyser-Allüren, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.
Ausgestattet mit etwas unter 990 hPa im Kern befindet sich BERND zur Mittagszeit
noch west-südwestlich von Irland auf Höhe 20° West. Nun pirscht sich das Tief
unter permanenter Intensivierung – die Lage zum korrespondierenden Höhentrog
sowie zum rechten Eingang des stromab positionierten Jet-Streaks ist günstig –
aber immer dichter an die Grüne Insel heran, was seinen Wirkungsradius auf den
Europäischen Kontinent übergreifen lässt. Eines der Hauptmerkmale des Tiefs ist
die massive, weit nach Osten ausgreifende WLA, die eine hochbarokline Warmfront
(WF) ankündigt, wie sie nicht alle Tage zu beobachten ist. Auch der ausgewiesene
Bodentrog, in den die WF eingebettet ist, findet man sonst eher in Verbindung
mit ausgeprägten Kaltfronten.
Zwar greift der o.e. Rücken von Westen her auf Deutschland über, wo er aber
hilflos mit anschauen muss, wie er von der kräftigen WLA überlaufen wird.
Jedwede Versuche, auch noch so kleine antizyklonale Impulse zu setzen, werden im
Keim erstickt. Im Gegenteil, die WF überquert erst Frankreich, dann Belgien und
Luxemburg, um schlussendlich am Sonntagmorgen etwa! eine Linie
Selfkant-Bergstraße-Chiemgau zu erreichen. Während T850 präfrontal ein Niveau
zwischen -4 und -7°C hält, steigt sie im Warmsektor bis zum Morgen auf 0 bis
+4°C.
Damit wird schnell klar, dass die von der Schweiz und Frankreich übergreifenden
stratiformen Niederschläge mit Schnee anfangen, zumal die Temperaturkurve auch
in anderen, darunter liegenden Höhenschichten zunächst komplett unter der
Nulllinie verläuft. Z.T. stellt sich vorübergehend eine Isothermie ein, bevor
später die sogenannte „warme Nase“ (Temperaturanstieg oberhalb der kalten
Grundschicht auf über 0°C) ihren Zinken ost-nordostwärts nach vorne streckt.
Zuvor fällt bis 06 UTC aber erstmal ganz ordentlich was an Schnee, teils bis 5,
lokal vielleicht sogar bis 10 cm innert weniger Stunden. Dabei gilt, je weiter
von den südlichen und westlichen Landesgrenzen weg, desto besser für den
Schneefall. Bis 06 UTC arbeitet sich die vordere Schneekante bis zu einer
gedachten, mit etwas Toleranz ausgestatteten Linie
Niederrhein-Mittelhessen-Niederbayern voran.
Mit Winddrehung in der unteren Troposphäre auf Südwest stößt die mildere Luft
relativ zügig ost-nordostwärts vor, setzt sich aber nicht sofort bis ganz unten
durch, weil dort eben noch die vertikal zwar nicht allzu mächtige, aber doch
vorhandene kalte Grundschicht sowie ein noch etwas länger wehender Südostwind
dagegenhalten. Also kommt es wie es kommen muss, der in die warme Schicht
fallende Schnee wird zu Regen, der dann unten auf gefrorene Böden trifft und
gefriert. Gerade in dem Moment, wo die Nase noch vergleichsweise platt ist (nur
kurze Antauphase), besteht auch die Möglichkeit, dass feste Eiskörner fallen.
Egal, so einfach und nachvollziehbar das konzeptionelle Schema zu den
geschilderten Niederschlagsabläufen auch sein mag, im Detail ist das Ganze
hochkomplex. Das belegen eindrucksvoll die Erfahrungen der Glatteislage vom
17.1.2024, wo sowohl die Modelle, aber auch wir Meteorologen und Berater einige
Dinge nicht ganz richtig simuliert, interpretiert und prognostiziert haben. Zu
viele Unbekannte hat das nicht-lineare Gleichungssystem „Schnee-Glatteis-Regen“,
angefangen von der Schichtung (eine zu flache und nur schwach ausgekühlte
frostige Kaltluftschicht spricht gegen starken und andauernden Glatteisregen)
inkl. Erwärmungsrate (wie schnell, wie langsam, gibtŽs vorübergehend Isothermie
bei 0°C) über die Verhältnisse im und am Boden (wie weit nach unten reicht der
Frost im Boden, was bewirkt vorherige Gegenstrahlung) bis zu den
Niederschlagsraten (zu hohe Stundenraten sind kontraproduktiv für starkes
Glatteis, vor allem, wenn die Böden nicht tiefgefroren sind (früher gabŽs so was
mal nach vier Wochen Hochdruck und dann Warmfront)). Hinzu kommt die Tatsache,
dass vor dem gefrierenden Regen Schnee fällt, der das ganze Geschehen mehr oder
weniger entschärft. Auf der anderen Seite wird der Schnee teilweise aber auch
geräumt, was wieder für Verschärfung spricht. Kurzum, wir könnten das Rad hier
noch beliebig weiterspinnen und weitere Argumente ins Feld werfen, was aber nur
bedingt was bringt. Fünf Meteorologen, sechs Meinungen, man kenntŽs und alle
haben natürlich recht. –
Naja, Fakt ist, dass die Abhängigkeiten und Wechselwirkungen untereinander alles
andere als trivial sind, nichtsdestotrotz wird von uns eine Entscheidung, ein
Signal, eine Aussage, ein Ping verlangt. Genau unter diesem Licht ist die
Vorabinformation Unwetter Glatteis von heute Nachmittag zu sehen, die nach
Abwägung der verschiedenen Parameter die Region markiert, in der Stand heute
Abend!! ab der Nacht zum Sonntag die Glatteislage am kritischten werden könnte.
Ausschlaggebend dafür waren u.a. die am besten ausgeprägte Kaltluftschicht mit
den niedrigsten Temperaturen bei gleichzeitig progressivem Vorstoß der milden
Luft darüber, zudem Frost im Boden bis rund 10 cm, eine z.T. nur kurz andauernde
Schneephase sowie relativ schwacher Wind. Das heißt ausdrücklich aber nicht,
dass woanders nicht auch Glatteis auftreten kann. Zudem kann es gut sein, dass
am Samstag an der einen oder anderen Stelle noch ein paar Anpassungen
vorgenommen werden, sei es vom Timing, sei es in räumlicher Hinsicht.
Der Chronistenpflicht halber sei noch erwähnt, dass die NO-Hälfte abgesehen von
anfänglich einzelnen Schnee- oder Schneeregenschauern noch niederschlagsfrei
bleibt. Außerdem frischt der Wind mit Annäherung der WF im Süden und Westen auf,
wobei das aufgrund der stabilen Schichtung genau genommen nur für die Hochlagen
gilt mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, Hochschwarzwald bis 10 oder gar 11 Bft.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Sonntag … bleibt es hochspannend und auch brisant, nachzulesen in der heutigen
Frühübersicht. Hoffmann hat (fast) fertig!
Modellvergleich und -einschätzung
Was die Basisfelder angeht, zeigen die Modelle eine hohe Übereinstimmung. Das
löst aber noch nicht die Unschärfen rund um das ab dem späten Samstagabend
einsetzende Niederschlagsereignis (Phasenübergang wo/wann, Intensität, Impact
etc.). Die Erfahrung lehrt, dass selbst am morgigen Samstag wenige Stunden vor
dem Ereignis noch nicht alle Fragen restlos getilgt sind. Wetter bleibt Wetter,
und das ist gut so, auch wenn die Rechner noch größer, die Modelle noch
ausgeklügelter, die Forecaster noch schlauer werden und schlussendlich
irgendwann die KI die Oberhand gewinnt.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann