#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 31.12.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 311800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 31.12.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Turbulenter Jahreswechsel: Erst kommt GINETTE mit Sturm, später zusätzlich noch
mit Regen und Schneefall. Der Süden kämpft noch mit Nebel, Frost und Glätte. Am
Ende der Kurzfrist lauern vielleicht schon die nächsten Überraschungen.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … liegen wir in den letzten Zügen des Jahres 2024. Und wie für so
vieles gilt auch hier: Des einen Freud, des anderen Leid. Eine mittlerweile
teilweise schon seit Tagen andauernde Nebel- und Hochnebeldecke liegt über
größeren Teilen des Landes, vornehmlich über Bayern und der West- bzw.
Nordwesthälfte, während der Rest strahlenden Sonnenschein genießen darf – oder
durfte: Schließlich stehen wir zum Zeitpunkt des Verfassens schon wieder kurz
vor dem Sonnenuntergang. Wie dem auch sei: insbesondere in den südlichen
Nebelgebieten schlagen auch aktuell und in der kommenden Nacht nochmal die
bekannten Grenzschichtproblematiken zu. Die da heißen: Frost, Nebel und auch
Glätte. Denn aus der Hochnebeldecke sprüht es immer wieder heraus, woraufhin es
auf den ausgekühlten Böden erneut überfriert.
Zu verdanken haben wir das den Herren GÜNTHER und HERWIG, die sich in Form einer
großräumigen Hochdruckzone über ganz Südeuropa erstrecken mit Zentren über
Spanien und den südöstlichen Mittelmeeranrainern. Noch erstrecken sie ihre
Fühler bis zu uns. Aber die Tage des ewig andauernden Hochdrucks mit Dauerfrost
und -nebel sind gezählt. Dafür werfen wir nun einen Blick nach Norden. Dort
befindet mit Tief GINETTE die Hauptprotagonistin für das Wettergeschehen
hierzulande bereits in den Startlöchern und manifestiert sich zunächst noch als
relativ klar strukturiertes Tiefdruckgebiet über Nordschottland. Mit
fortschreitender Zeit verkompliziert sich diese Angelegenheit aber zusehends.
Eingebettet in einen kräftigen Jet und eine generell gut ausgeprägte
Zonalwindzone bilden sich neue Randtiefs aus. Diese formen in den kommenden
Stunden eine ausgeprägte Tiefdruckrinne aus, die sich von Schottland über das
Nordmeer bis weit nach Südskandinavien hinein erstreckt und mehrere Tiefzentren
aufweist. Daraus resultierend nimmt bei uns der Druckgradient von Norden her
immer weiter zu. Im Ergebnis führt dies dazu, dass bereits zum jetzigen
Zeitpunkt der Wind vor allem entlang der Küste an Fahrt aufgenommen hat und vor
allem entlang der Nordsee bereits in Böen Stärke Bft 7-8 weht.
Das Ganze wird nun im weiteren Verlauf der Neujahrsnacht mit fortschreitender
Gradientzunahme weiter an Intensität gewinnen. Vor allem entlang der Küste kommt
es heute Nacht zu einer ausgewachsenen Südwest-Sturmlage mit schweren Sturmböen
Bft 10, auf den Nordsee-Inseln auch einzelnen orkanartigen Böen Bft 11, aus.
Aber auch weiter im Landesinneren geht es zunehmend zur Sache. Das Windfeld
kommt etwa bis zur Mitte des Landes voran, wo es verbreitet zu starken bis
stürmischen Böen Bft 7-8, in den Mittelgebirgen Sturmböen Bft 9, kommt. Auch die
alten Bekannten wie der Brocken und der Fichtelberg sind wieder gut dabei. Auf
ersterem wird volle Orkanstärke (Bft 12, >120 km/h) erreicht, auf dem
Fichtelberg immerhin auch orkanartige Böen (um 110 km/h, Bft 11).
Mittwoch … früh erreicht die bereits schleifende Kaltfront von GINETTE den
Norden. Dort setzt bereits in den frühen Neujahrsstunden Regen ein, der sich
über den ganzen Tag hinzieht. Im Norden von Schleswig-Holstein können dadurch
durchaus nennenswerte Niederschlagsmengen um 30 mm innerhalb von 18 bis 24
Stunden fallen. Im Tagesverlauf zieht diese Kaltfront anschließend immer weiter
südwärts. Angetrieben wird sie dabei unter anderem von einer nordatlantischen
positiven Geopotentialanomalie – sprich: Grönlandhoch inkl. Höhenkeil – in deren
Zuge über Nordeuropa ein Austrogungsprozess angestoßen wird. Dabei wird mit
meridionaler Höhenströmung eine geballte Ladung hochreichender polarer Kaltluft
südwärts geführt. Die hinter der Kaltfront einfließende Kaltluft ist dabei
zunächst noch von gemäßigtem maritimem Charakter mit T850 von etwa -2°C. Bis
eingangs der Nacht zum Donnerstag kommt die Kaltfront etwa bis zur Mitte
Deutschlands voran. Dabei regnet es vor allem in der Westhälfte relativ kräftig.
Das bekommen vor allem die nach Westen ausgerichteten Mittelgebirgsstaulagen zu
spüren, vor bis Donnerstagfrüh durchaus 15 bis 25 l/qm Regen und mit der
einfließenden Kaltluft in Hochlagen mit zunehmenden Schneeanteilen fallen.
Zurück zum Wind bzw. Sturm. Dieser ist natürlich auch morgen weiterhin ein
großes Thema. Dabei simulieren die Modelle bis zum Mittag vor allem an der
Nordsee ein nahe an die Kaltfront gekoppeltes Windmaximum im Bereich der
Nordseeküste mit schweren Sturm- (Bft 10) und mitunter auch orkanartigen Böen
(Bft 11) im Bereich der Nordfriesen mit landaufwärtigem Südwestwind. Daran
gekoppelt ist ein sehr schmaler, hyperbarokliner Bodentrog. Nach Durchzug dieses
Bodentroges nimmt der Wind anschließend rasch deutlich um eine bis mehrere Bft
ab. Mit fortschreitender Tageszeit verliert der Bodentrog schnell an Kontur,
sodass etwaige singuläre Windmaxima in den Hintergrund treten. Fraglich ist
auch, wieviel Höhenwind entlang der Front überhaupt herabgemischt wird. Das
Umfeld der Front erscheint leicht bis moderat stabil geschichtet, was den
vertikalen Impulstransport deutlich erschwert. Nichtsdestotrotz treten in der
Nordhälfte alleine schon gradientbedingt weiterhin verbreitet Sturmböen von
meist Bft 8, in höheren Lagen auch teils schwere Sturmböen Bft 9-10 auf. Auf dem
Brocken nimmt der Sturm (bzw. hier schon Orkan) weiter zu. Mit dem mächtigen
Höhenwind (LLS 0-1 km teils über 50 kt, Höhenwinde 925 hPa um 60 kt) sind
extreme Orkanböen von deutlich über 140 km/h zu erwarten. Auch in den südlichen
Mittelgebirgen wie Schwarzwald und Bayerwald nimmt der Wind nun spürbar zu und
weht in Form von (schweren) Sturmböen Bft 9-10 bis hin zu teils orkanartigen
Böen (Bft 11) in Hochlagen des Schwarzwaldes. Windtechnisch ebenfalls relevant
ist gegen Abend ein möglicher sekundärer Bodentrog, der dann auf die
Nordseeküste treffen soll. So zumindest die Lesart der ICON-Modellkette. Daran
geknüpft wäre ein weiteres Windmaximum über wenige Stunden, das mit einer
erneuten Zunahme bis hin zu schweren Sturmböen (Bft 10) im Umfeld der Deutschen
Bucht einherginge. Eine derartige Entwicklung wird allerdings von den weiteren
Modellen nicht gestützt und ist dementsprechend noch mit größeren Unsicherheiten
behaftet.
Von all diesem Unbill bekommt man im Süden insgesamt noch nicht viel mit. Hier
ist noch Hochdruck wirksam und sorgt, abseits etwaiger Nebelfelder, für viel
Sonnenschein und ruhige Verhältnisse und milde Temperaturen bis teils in den
zweistelligen Bereich in den höheren Lagen oberhalb der Grenzschichtinversion.
In der Nacht zum Donnerstag zieht die Kaltfront von GINETTE weiter südwärts. Die
Niederschläge erreichen in etwa die Donaulinie. Vorderseitig regnet es weiterhin
kräftig, teils auch schauerartig verstärkt. Rückseitig an der eigentlichen Front
sinkt, u.a. tageszeitbedingt, die Schneefallgrenze mit einfließender Kaltluft
rasch ab auf teils unter 400 Meter, sodass die letzten Niederschläge mehr und
mehr in Schnee übergehen. Dabei können vor allem im Bergland durchaus einige
Zentimeter Neuschnee zusammenkommen. Von Norden fließt gleichzeitig mit
langsamer Norddrehung der Höhenwinde ein weiterer Schwall polarer Kaltluft nach
und sorgt für ein Absinken von T850 auf Werte von unter -5°C, was das Absinken
der Schneefallgrenze im Laufe der Nacht zusätzlich stützt.
Im Umfeld der Kaltfront weht weiterhin kräftiger Wind, verliert allerdings
zusehends an Stärke. Vor allem in Höhenlagen ist es weiterhin stürmisch (Bft
8-9, in Hochlagen des Schwarzwaldes Bft 10-11), in tieferen Gefilden treten
dagegen meist nur noch Böen Bft 7 auf oder bleiben schon gänzlich unterhalb der
Warnschwellen.
Im Norden lassen rückseitig der Kaltfront die Niederschläge in der zweiten
Nachthälfte nach. Nur an der Küste kommt es noch zu Regen- oder Schneeschauern.
Dort dreht der Wind endgültig auf Nordwest und weht weiterhin mit Bft 7-8, an
der Ostsee auch vereinzelt mit Bft 9.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … zieht Tief GINETTE ostwärts ab. Die schleifende Kaltfront
erreicht gegen Abend die Alpen. Dabei schneit es abgesehen von wenigen Ausnahmen
mittlerweile bis in die tiefen Lagen und vor allem im Nordstau der Gebirge recht
kräftig. In der Nordhälfte bleibt es dagegen meist trocken und es lockert
zeitweise auf. Nur aus Richtung der See bilden sich einzelne Schauerstraßen, aus
denen etwas Regen bzw. Schnee fällt. Bei T850 um -6°C kommt es auch in tiefen
Lagen allmählich zu Phasenübergängen beim Niederschlag. Wind ist zum Einen im
Süden im Zuge der Kaltfront noch ein Thema, wo noch immer Böen Bft 7 auftreten
können. Im Bergland weht er noch in Sturmstärke, lässt aber auch dort zum Abend
hin nach. An der Küste treten zum Anderen mit der weiterhin einfließenden
Polarluft auflandige Windböen aus Nordwest mit Bft 7-8 auf.
In der Nacht zum Freitag deutet sich im Zuge des mittlerweile meridional
ausgerichteten Jetstreams eine „giftige“ Randtiefentwicklung an. Dabei wird eine
Zugbahn ausgehend von der norwegischen Küste über die dänische Ostsee hinweg
Richtung Baltikum prognostiziert. Daran gekoppelt ist ein weiterer, diesmal
möglicherweise sehr scharfer Bodentrog, der an der Nordseeküste den nächsten
Sturm einläutet. Die Entwicklung ist nachvollziehbarerweise noch ziemlich
unsicher. Die Numerik zeigt mit Böen zwischen Bft 9 und 11 ein momentan noch
breites Spektrum an Lösungen.
Mit der eingeflossenen Kaltluft sinken nachts die Temperaturen wieder in den
Frostbereich. Nach den gefallenen Niederschlägen könnte es dabei hier und da
wieder glatt werden.
Modellvergleich und -einschätzung
Im Großen und Ganzen steht der Ablauf mit dem Durchzug von GINETTES Kaltfront
nebst dazugehörigem Windfeld. Einzelne Detailfragen sind noch von Unsicherheiten
geprägt. Dazu gehört vor allem das Verhalten des Windes an der Kaltfront selbst.
Möglicherweise übertreiben hier die Modelle etwas, da die Schichtung doch recht
stabil scheint. Des Weiteren ist die Entwicklung eines weiteren Bodentroges am
Mittwochabend noch unklar und damit die Frage, ob es zu einem zweiten
Windmaximum am Mittwochabend an der Nordseeküste kommt.
Abschlussbemerkung:
Liebe Leserinnen und Leser. Mit viel Freude durften wir Sie durch das Wetterjahr
2024 führen. Wie immer hoffen wir, dass wir zum Erkenntnisgewinn und manchmal
auch zur Erheiterung beitragen durften. Wir hoffen, dass Sie uns auch im neuen
Jahr 2025 gewogen bleiben und sind ebenso gespannt wie Sie, was dieses an
synoptischen Leckerbissen für uns bereit hält. Wir wünschen Ihnen einen Guten
Rutsch und Alles Gute. Bis 2025!
Ihr Team der Vorhersagezentrale Offenbach
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
M.Sc. Felix Dietzsch