#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Montag, den 30.12.2024 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.12.2024 um 10.30 UTC
Turbulenter Jahresstart: Nach Tief GINETTE mit Sturm und Schneefall folgt
winterliche Witterung. Danach unklarer Fortgang: Deutliche Milderung oder weiter
Winter? Am Sonntag vorübergehend gefrierender Regen nicht ausgeschlossen.
Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 06.01.2025
2025 steht vor der Tür. Und auch das neue Jahr hält sicher wieder einige
Überraschungen bereit. Die ersten lauern auch schon direkt zu Beginn. Uns
erwartet eine durchaus abwechslungsreiche, vor allem aber unsichere
Mittelfristprognose.
Los geht’s am Donnerstag. Dabei gibt sich der Winter ein erneutes Stelldichein.
Aus der Kurzfrist kommend ist das Tief GINETTE mittlerweile weit nach Russland
abgezogen und hat sich dort mit einem eindeutigen Tiefkern manifestiert.
Rückseitig bildet sich über dem nördlichen Atlantik ein blockierendes Hoch
südlich von Island und streckt seine Fühler bis zu den Britischen Inseln aus.
Mit der daraus resultierenden nördlichen bis nordwestlichen Höhenströmung ist
der Weg frei für jede Menge Polarluft bis zu uns nach Deutschland. Während die
Hauptkaltfront bereits über dem Süden Deutschlands liegt, folgen aus Norden
rasch weitere Staffeln hochreichender Kaltluft nach. Hier sinken die
Temperaturen in 850 hPa auf unter -5, in 500 hPa auf unter -30 Grad. Entlang der
Kaltfront regnet es recht kräftig, spätestens in Lagen ab 400 bis 600 Metern
gehen diese Niederschläge in Schnee über. Dabei dürften z.B. im Hochschwarzwald
oder im Bayerwald ordentliche Neuschneemengen zusammenkommen. Das alles ist noch
garniert mit den letzten Nachwehen von GINETTE, die in Form stürmischen Winds
vor und entlang der Kaltfront daherkommen.
In der Nacht zum Freitag beruhigt sich das Geschehen vorübergehend. Die
Kaltfront erreicht die Alpen und zieht südwärts ab. Dabei gibt es vor allem im
dortigen Gebirgsraum weitere Schneefälle. Ansonsten bleiben nur letzte
Niederschlagsreste, die in geringen Mengen hier und da in Form von Schnee, an
der Küste mitunter auch als (Schnee-)Regen niedergehen.
Am Freitag ändert sich an der Gesamtkonstellation zunächst wenig. Dem
Atlantikblock steht der skandinavische Tiefdruckkomplex entgegen. Dabei bildet
sich im Skandinavien-Lee ein neues Randtief. Dieses zieht rasch weiter über den
Kattegat Richtung Ostsee und streift dabei mit seinen Ausläufern den Norden
Deutschlands. Verbreitet fällt etwa bis zur Mittelgebirgsschwelle etwas Schnee
oder Schneeregen. Im Süden überwiegt dagegen der Einfluss eines Zwischenhochs,
dass sich mit der eingeflossenen Kaltluft aufbauen konnte. Mit Durchzug des
Tiefs frischt auch der Wind erneut auf. Zunächst an der Küste, später auch im
nordöstlichen Binnenland. An der Küste geht es dabei nochmals hinauf bis auf Bft
8-9. In der Nacht zum Samstag lassen sowohl Wind als auch Niederschläge nach.
Am Samstag verabschiedet sich das blockierende Atlantikhoch. Dafür bildet sich
über dem südlichen Mittel- und Osteuropa ein umfangreicher Hochdruckkomplex aus.
Auch in der Höhe bauen sich die Geopotentialdifferenzen deutlich ab. Von den
Alpen bis zu den Britischen Inseln baut sich dabei ein Zwischenhochkeil auf,
während sich auf dem Atlantik bereits die nächste großräumige Tiefentwicklung
andeutet.
Deren erste Ausläufer erreichen uns nach Lesart der gängigsten Modelle am
Sonntag in Form einer Warmfront. Dabei setzt in der Höhe rasche und
durchgreifende Milderung ein. Die Temperaturen steigen in 850 hPa auf bis zu +4
Grad. Damit gehen dementsprechende Niederschläge einher. Sollte dieses Szenario
allerdings in der Form so eintreffen, könnte das überregional zu großen
Problemen aufgrund gefrierenden Regens führen. Dieser trifft auf die dann noch
vorhandenen bodennahen Kaltluftschichten vor allem in den topografisch
zergliederten Lagen des Westens und Südwestens, wo sich solche Kaltluftseen
etwas länger halten. Gleichzeitig zeichnet sich das Durchgreifen dieser
Warmfront als außerordentlich unsicher ab, sodass dieser Ausgang als
Worst-Case-Szenario mit zunächst nur geringer Wahrscheinlichkeit zu
interpretieren ist. Mehr dazu in den nachfolgenden Abschnitten.
In der Nacht zum Montag gelangen wir nach vollumfänglich in den Warmsektor des
sich nun bei den Britischen Inseln befindlichen Tiefzentrums, sodass
Niederschläge bis in die Gipfellagen der Mittelgebirge in Regen übergehen.
Am Montag zieht dieses Tief langsam weiter Richtung Nordsee. Dabei erreicht uns
von Westen die nachfolgende Okklusion. Mit dieser gelangt wieder leicht kühlere
Meeresluft (T850 um 0°C) nach Deutschland. Es bleibt somit weiterhin
unbeständig. Im höheren Bergland fällt wahrscheinlich wieder zunehmend Schnee,
sonst verbreitet Regen. Zudem wird es mit Annäherung des Tiefs wohl auch im
Landesinneren wieder windiger. Mit der stattfindenden Durchmischung steigen
dabei die Temperaturen deutlich an und erreichen eventuell am Rhein erstmals
wieder knapp zweistellige Höchstwerte.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz der letzten IFS-Läufe ist mäßig bis schlecht. Sicher erscheint
dabei der zunächst folgende eher winterliche Witterungsabschnitt. Wie turbulent
der Kaltfrontdurchgang dabei abläuft, ist dabei noch nicht abschließend klar.
Dies ist der komplexen Struktur von Tief GINETTE mit mehreren Zentren
geschuldet, die der Numerik noch Probleme bereitet. Aber dass Niederschlag in
allen Phasen und Formen fällt und es dabei auch in der ein oder anderen Form
stürmisch wird, scheint relativ sicher.
Völlig unklar ist dagegen, wie es ab dem Wochenende weitergeht. Dass das
Geschehen so abläuft wie oben beschrieben, ist noch alles andere als gesichert.
Der gestrige 00Z-Lauf sieht z.B. eine Fortsetzung der winterlichen Lage mit sich
ausweitendem Atlantik-Blocking.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Das bereits Geschrieben gilt so oder so ähnlich auch für die anderen Modelle.
Der Ablauf des finalen Kaltfrontdurchgangs am Donnerstag weist noch einige
Unsicherheiten auf, der danach folgende Kaltluftvorstoß ist gesichert. Die
enorme Unsicherheit nach dem Wochenende bildet sich dann aber auch in der
Deterministik ab. ICON und IFS sehen den Warmluftvorstoß in Kombination mit
einer kräftigen atlantischen Tief-Entwicklung. GFS ist dagegen ein großer Fan
des Atlantik-Blocks und belässt es damit bei der Winterfortsetzung. UK10 sitzt
ein wenig zwischen den Stühlen und sieht zwar auch einen Warmluftvorstoß und
wenig Blocking. Dieser soll aber nur den äußersten Südwesten streifen, während
der Nordosten weiter auf der kalten Seite verbleibt. Das alles ist relativ
spannend, und aus der Erfahrung heraus würde man als Forecaster wohl sein Pferd
eher auf die Milderung setzen. Aber man soll ja nie „nie“ sagen…
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Unsicherheiten spiegeln sich auch modellintern in den Rauchfahnen wider.
Dabei zeichnet sich aber bei IFS durchaus eine Favorisierung der milden Variante
ab, die aber nicht lange anhalten soll. Mit Beginn der kommenden Woche laufen
die Lösungen aber komplett auseinander, wobei das komplette Temperatur- und
Geopotentialspektrum abgedeckt wird. Unsicherer geht’s kaum.
Faszinierenderweise bietet das Ensemble aber bis t+196 jeweils nur ein einziges
Cluster an. Diese betonen jeweils auch das vorher angesprochene
Atlantik-/Grönland-Blocking. Was nicht abgebildet wird: Die Luftmasse, die
daraufhin einbezogen wird. Heißt also: Die Clusterbildung hilft bei der Prognose
diesmal nicht unbedingt weiter.
Darüber hinaus werden bis t+240 zwei Szenarien simuliert: +NAO und Atlantischer
Rücken, beide gleich wahrscheinlich. Bei ersterer Variante steht ein
südeuropäischer Hochdruckblock im Raum, bei letzterer eine neue Austrogung über
Mitteleuropa, was wohl mit weiterer Fortsetzung winterlicher Witterung
einherginge.
Das GFS-Ensemble ist gelinde gesagt „Kraut und Rüben“. Während der nahende
Kaltluftvorstoß im neuen Jahr auch noch als quasi gesichert einzustufen ist,
laufen die einzelnen Member danach vollständig auseinander. Der operationelle
Hauptlauf zeigt sich dabei aber als Vertreter der kalten Zunft, während der
Großteil der restlichen Member eher mildere Varianten vertritt.
Fazit:
Das neue Jahr startet direkt ziemlich spannend aus Synoptikersicht. Zunächst ist
noch mit den Nachwehen von GINETTE zu kämpfen. Näheres dazu ist den Synoptischen
Übersichten der Kurzfrist zu entnehmen. Danach geht es für etwa zwei Tage
nochmals eher winterlich weiter. Vor allem in den südlichen Mittelgebirgen und
den Alpen riecht es dabei nach einer vernünftigen Ladung Neuschnee. Wie es dann
aber ab dem Wochenende weitergeht, ist mit „Rätselraten“ noch wohlwollend
umschrieben. Zwischen Frühling und Hochwinter sind alle denkbaren Varianten in
der Modellwelt vertreten. Der Kopf sagt, dass sich wohl mal wieder die Milderung
durchsetzen wird, das Herz wünscht sich natürlich die Wintervariante… Schau
‚mer mal.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Sturm:
Am Donnerstag anfangs noch stürmische Böen, in höheren Lagen Sturmböen
wahrscheinlich.
Am Freitag an Nord- und Ostseeküste Sturmböen wahrscheinlich, vereinzelt schwere
Sturmböen an der Ostsee nicht ausgeschlossen. Im angrenzenden Binnenland
einzelne Sturmböen gering wahrscheinlich.
Schneefall:
Am Donnerstag vor allem in den südlichen Mittelgebirgen und an den Alpen
markante Neuschneemengen wahrscheinlich. Unwetterartige Neuschneemengen vor
allem in Nordstaulagen nicht ausgeschlossen.
Glatteis:
Am Sonntagmorgen im Westen und Südwesten gefrierender Regen über wenige Stunden
nicht ausgeschlossen.
Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF+ENS, ICON, GFS+ENS mit Abstrichen, UK10, MOS
VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch