#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 21.12.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 211800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 21.12.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Gleich zwei „Kacktore“ in Frankfurt, den Zeigler wirdŽs freuen – ansonsten
interessante Umstellung der GWL mit winterlichen Komponenten (Tief DIANA),
insbesondere im Bergland.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … befinden wir uns seit einigen Stunden offiziell im Winter, im
kalendarischen Winter, auch wenn man atmosphärisch wenig bis nichts davon merkt.
Wz, zu Deutsch West zyklonal, lautet das Zauberwort, der die aktuelle Wetterlage
treffend beschreibt. Nun ist Wz alles andere als ein Winterperformer, was so
kurz vor Weihnachten für Viele keine gute Nachricht ist. Dafür bietet eine
zyklonale Westlage in der Regel reichlich Abwechslung und Dynamik, was auch was
hat. Hinzu kommt, dass die Atmosphäre dabei ist, das großräumige Strömungsmuster
umzustellen in eine Richtung, die im Bergland im Allgemeinen und in den
Nordalpen im Speziellen sehr wohl was mit Winter (was man im landläufigen Sinne
darunter versteht) zu tun hat. Doch eins nach dem anderen.
Aktuell befindet über dem mittleren Nordatlantik eine sehr gut ausgeprägte, bis
nach UK/Irland reichende Frontalzone mit ausgeprägtem Jetmaximum. Kein Wunder,
dass bei derartiger Konstellation ein Tief nach dem nächsten auf der Bühne
erscheint, die alle ganz ordentlich was zu bieten haben. Während die Damen ANKA
und CAROLINE (Nordeuropa) und das international benannte Tief Dionisio
(Südeuropa) für uns so gut wie keine Bedeutung mehr haben, sieht das bei DIANA
ganz anders aus. Die Rede ist von einem äußerst attraktiven Exemplar der
Kategorie Sturm- respektive Orkantief, das heute Mittag mit einem Kerndruck von
nahe 965 hPa auf halber Strecke zwischen Island und den Färöers gesichtet wurde.
Aufgrund ihrer quasisenkrechten Achsstellung hatte DIANA um 12 UTC ihren
Karrierehöhepunkt wahrscheinlich gerade erreicht aber mitnichten überschritten,
hält sie doch dieses Druckniveau auf ihrem Weg in Richtung südnorwegische
Westküste (Svinöy) bis in die kommende Nacht hinein. Der korrespondierende
Potenzialtrog, z.Zt. noch sehr flach und unscheinbar aufgestellt, wird seine
Wellenlänge und Amplitude in den nächsten Stunden deutlich vergrößern, um schon
am morgigen 4. Advent bei uns aufzuschlagen. Aus Wz mach TrM (Trog
Mitteleuropa), so schnell kannŽs gehen.
In der Nacht zum Sonntag überquert uns das okkludierende Frontensystem des Tiefs
den Vorhersageraum südostwärts, wobei sich die Verlagerungsgeschwindigkeit durch
die Austrogung und dem damit verbundenen Rückdrehen der Höhenströmung mehr und
mehr verlangsamt. Zwar setzt sich der Okklusionsprozess weiter fort, trotzdem
kann davon ausgegangen werden, dass zumindest Teile Süd- und Südwestdeutschlands
vorübergehend in den schmaler werdenden Warmsektor gelangen. Dort könnte die
Schneefallgrenze kurzzeitig mal auf über 1000 m ansteigen, während sie sonst
zwischen 700 und 1000 m anzusiedeln ist (Bayerischer Wald im Anstau mit etwas
Restkaltluft zumindest anfangs deutlich darunter). In der postfrontal
einfließenden subpolaren Meeresluft (mPs) geht T850 im Westen und Nordwesten auf
bis zu -4°C zurück, so dass die von skalig in konvektiv übergehenden
Niederschläge in den frühen Morgenstunden oberhalb 400-500 m (westliche
Mittelgebirge) in Schnee übergehen. Zudem sind im Nordwesten erste
Graupelschauer bzw. -gewitter möglich, schließlich sorgt die reinschießende
Höhenkaltluft (T500 um oder knapp unter -30°C) für eine deutliche Labilisierung.
Es sind ganz erkleckliche Niederschläge, die unser Land von West nach Ost-Südost
überqueren. Bis in den Vormittag hinein kommen in den Staulagen der
Mittelgebirge 15 bis 25, lokal um 30, im Schwarzwald lokal zwischen 40 und 50
l/m² zusammen (markante RR-Warnung aktiv). Der meiste Schnee fällt im
Bayerischen Wald, wo bis Sonntagnachmittag oberhalb etwa 800 m zwischen 10 und
20, in einigen Staulagen bis zu 30 cm Neuschnee zusammenkommen können. Ansonsten
stehen noch das Allgäu oberhalb 1000 m (15 bis 25 cm bis zum Nachmittag) sowie
die Spitzen des Schwarzwalds (bis zu 15 cm) bei Frau Holle gut im Kurs.
Abschließend noch ein, zwei Sätze zum Wind, der sich aus Südwesten kommend recht
nachtaktiv präsentiert, ohne dabei unmoralisch über die Stränge zu schlagen.
Während er im Norden und später auch im Westen mit Ausnahme des unmittelbaren
Küstenstreifens nebst vorgelagerter Inseln (dort Böen 7-8 Bft, Nordsee exponiert
9 Bft) an Substanz verliert, legt er in der Mitte und im Süden noch etwas zu
(7-8 Bft, Hochlagen 9-10, auserwählte exponierte Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen
(z.B. Brocken, Feldberg, Alpen) sogar 11 bis 12 Bft).
Sonntag … tänzelt DIANA eine gewisse Zeit lang vor Svinöy rum, als wüsste sie
nicht, wo sie hinsollte. Dann am Nachmittag – mittlerweile ist der Kerndruck auf
rund 980 hPa angestiegen – eine plötzliche Eingebung, eine Idee, ein Impuls, was
auch immer. Das Tief setzt sich in Bewegung und steuert einen Süd-Südostkurs in
Richtung Kimbrische Halbinsel an. Ausschlagegebend scheinen die weitere
Amplifizierung, vor allem aber die leichte Progression des Potenzialtrogs zu
sein, der das Bodentief unter eine steuernde nord-nordwestliche Höhenströmung
bringt. Ganz nebenbei versorgt uns der Trog noch mit hochreichend polarer
Kaltluft, in der T850 auf -3 bis -6°C und T500 auf -30 bis -37°C zurückgehen und
die Tropopause auf rund 400 hPa absinkt (heute noch zwischen 250 und 200 hPa).
Nach einfacher Schichtungsmathematik kann die Luftmasse durchaus als erzlabil
bezeichnet werden, allerdings ist sie nicht besonders feucht. Die PPWs sinken
verbreitet auf unter 10 mm, die spezifische Grundfeuchte auf unter 5 g/kg.
Gleichwohl, bei wechselnder bis starker Bewölkung entwickeln sich mit
Unterstützung des Tagesgangs zahlreiche Schauer sowie kurze Graupelgewitter, die
von Böen 7-8 Bft, bei starker Ausprägung auch 9 Bft begleitet sein können. Die
Schneefallgrenze sinkt von Nordwesten her auf rund 300 m, bei besonders
intensiven Geräten kann es kurzzeitig aber auch mal bis ganz runter schneien
oder graupeln. Im Süden startet der vierte Advent in der Peripherie der
inzwischen vollständig okkludierten Front regnerisch (SFG 700 bis 1000 m), bevor
sich der skalige Anteil in die Alpen verzieht und bei sinkender Schneefallgrenze
ebenfalls Schauer und kurze Gewitter das Tagesbild prägen. Die große
Neuschneeakkumulation steht tagsüber aber (noch) nicht an. Abgesehen von dem,
was weiter oben schon erwähnt wurde (Allgäu, Bayerischer Wald), bildet sich in
den höchsten Lagen der Mittelgebirge eine dünne Schneedecke, während sonst eher
(Stunden)Matsch auf der Karte steht. Klassisch für eine zwar höhenkalte, aber
eben gut durchmischte maritime Polarluft, in der die Tagestemperatur meist
zwischen 3 und 8°C zu finden ist.
Neben der facettenreichen Niederschlagsentwicklung spielt auch der Wind eine
prominente, wenn auch nicht herausragende Rolle. Zum einen rückt uns das Tief
immer dichter auf die Pelle, zum anderen thront über dem nahen Atlantik westlich
der Iberischen Halbinsel ein potentes 1040-hPa-Hoch. Das ergibt einen veritablen
Druckgradienten mit vielen Isobaren und einer flotten Grundströmung, wobei der
Wind von Südwest auf westliche Richtungen dreht. Insbesondere der Süden und
Südwesten dürfen sich zeitweise auf eine ruppige Luftbewegung mit Böen 7-8 Bft
einstellen, wobei im Alpenvorland vorübergehend der Leitplankeneffekt zuschlägt.
Ansonsten werden die höchsten Windspitzen in den Hochlagen der Berge (8-9 Bft,
exponiert 10 Bft, Feldberg und Alpengipfel bis zu 12 Bft) erwartet. Auch an der
Küste brist es immer mal wieder auf, obwohl der Gradient dort etwas divergiert,
was aber durch Konvektion teilkompensiert wird.
In der Nacht zum Montag zieht das Tief entlang der jütländischen Westküste
(wahrscheinlich offshore) in Richtung Elbmündung respektive Unterelbe/HH.
Derweil verlagert sich der Höhentrog geringfügig nach Osten bei weiterer
Ausdehnung nach Süden über die Alpen hinweg. Über Oberitalien bzw. dem Golf von
Genua wird bereits tagsüber eine Zyklogenese angestoßen. Das resultierende Tief
zieht zur Adria, wo es für unseren Raum keine Rolle spielt. Wir werden weiterhin
von polarer, in der Höhe allerdings nicht mehr ganz so kalter Meeresluft
geflutet, in der sich von der Nordsee her sogar ein leichter Warmlufteinschub
andeutet (um den Kern herumgeholte Warmluft; Anstieg T850 auf rund -2°C).
Während die konvektiven Aktivitäten nicht zuletzt tagesgangbedingt Einbußen
hinnehmen müssen, setzen im Westen und Nordwesten kurz nach Mitternacht skalige
Niederschläge ein, die sich bis zur Mitte vorarbeiten. Gekoppelt ist der
Niederschlag an einen in den Haupttrog hineinlaufenden Sekundärtrog sowie einen
vor allem bei ICON recht scharf geschnittenen Bodentrog, der von der Deutschen
Bucht hereinschwenkt. Während in den west-nordwestdeutschen Tiefen die flüssige
Phase Trumpf ist, dürfte mit Erreichen der Mittelgebirge sowie der mittleren
Landesteile (Südniedersachsen, Westthüringen, Teile Hessens und Badens,
vielleicht noch Unterfranken) das Thema Schnee auf die Anzeigetafel kommen. Hier
könnte sich eine abendliche bzw. frühnächtliche Abkühlungsphase in der
eingeflossenen Polarluft vor Eintreffen des Niederschlags für ein Ausschlagen
des Pendels in Richtung Schnee bis in tiefe Lagen sorgen (Stichwort Isothermie
in den unteren Schichten). Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass
das Gleichungssystem noch viele Unbekannte aufweist (Konfiguration und Timing
des Bodentrogs, Intensität und Timing des Niederschlags, vorherige
Abkühlungsrate, Durchmischung usw.), die eine vollumfänglich belastbare Aussage
zum Verhalten der Schneefallgrenze heute Abend nahezu unmöglich macht. Nur so
viel, die Chancen, dass z.B. Wintersporthochburgen wie das Rhein-Main-Gebiet mal
Schnee bis ganz runter abbekommen, standen lange nicht so gut wie am
Montagmorgen, auch wennŽs am Ende vielleicht nur für ein paar Stunden
Patscheschnee reicht.
Mit Drehung auf Nordwest frischt der Wind zunächst an der Nordsee, Richtung
Morgen dann auch im nordwestdeutschen Binnenland merklich auf. Auf und an der
See reicht es mindestens für Sturm-, wenn nicht sogar für schwere Sturmböen 9
(10) Bft. Selbst orkanartige Böen 11 Bft sind je nach Konstellation und Zugbahn
des Tiefs nicht gänzlich ausgeschlossen. Im Binnenland geht es mit Böen 7-8 Bft
freilich etwas gediegener zur Sache. Windig bis stürmisch bleibt es auch im
höheren Bergland.
Die Temperatur geht je nach Bewölkung auf 4 bis 0°C zurück. Leichter Frost bis
zu -4°C steht im Bergland, stellenweise aber auch im Süden sowie der östlichen
Mitte auf der Karte.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … gelten im Großen und Ganzen die Ausführungen der Frühübersicht, auch
wenn hinsichtlich der Zugbahn des Tiefs noch immer Unschärfen vorhanden sind.
Das Wichtigste: Auch wenn die Summen bei ICON etwas zurückgerechnet wurden,
stellt sich an den Alpen eine bis in den Dienstag andauernde
Nord-Nordweststaulage mit kräftigen Schneefällen bis in die Täler ein. KannŽs
ein schöneres Weihnachtsgeschenk geben…
Modellvergleich und -einschätzung
Summa summarum simulieren die Modelle ähnlich, auch wenn es noch ein paar
Ungereimtheiten gibt (siehe Text). Langweilig wirdŽs vorerst nicht, das kommt
dann erst mittelfristig.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann