S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.12.2024 um 10.30 UTC

Umstellung der Wetterlage von zonal zu meridional, dabei kälter mit
Niederschlägen, teils bis runter als Schnee. Zuvor am Wochenende Passage eines
„wankelmütigen“ Sturmtiefs (noch Unsicherheiten).

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 11.12.2024

Eines ist mal gewiss: Die Wetterentwicklung der nächsten Tage hatŽs in sich und
ich findŽs schön, dass sich das bis weit in die Mittelfrist hineinzieht.
Langeweile jedenfalls geht anders. Das Problem, oder positiv ausgedrückt die
Herausforderung liegt in den Details, den genauen zeit-räumlichen Abläufen, den
Intensitäten der beteiligten Systeme und, und, und. Im Grunde geht das „Malheur“
schon in der Kurzfrist los (siehe dazu auch Synoptische Übersicht früh) und
setzt sich mittelfristig nahtlos fort. Aber gut, wie heißt es doch so schön im
Kölner Grundgesetz: „Et es wie et es“ und „Es kütt wie es kütt“.

Eingestiegen wird am kommenden Samstag, dem offiziellen Beginn des
mittelfristigen Prognosezeitraums, wo es gleich mal mit einem echten
Paukenschlag losgeht. Die Rede ist von einem kleinen, aber äußerst kompakten
Sturmtief (voraussichtlich XAVERIA), das deutliche Züge einer
Shapiro-Keyser-Zyklone aufweist (u.a. doppelte Jetstruktur, recht warmer Kern,
T-bone-artige Wolkenstruktur). Laut IFS von 00 UTC soll das Tief am
Samstagnachmittag mit einem Kerndruck zwischen 980 und 985 hPa von den
Niederlanden auf NRW übergreifen, um von dort unter allmählichem Auffüllen
weiter in Richtung Harz zu ziehen. Derweil hat über dem nahen Atlantik kräftiger
Druckanstieg eingesetzt, aus dem ein echt fettes (über 1045 HPa im Zentrum) und
ausladendes Blockadehoch resultiert, das am Sonntag 00 UTC vom Seegebiet
westlich der Iberischen Halbinsel bis hoch nach Ostgrönland reicht. Damit werden
nicht nur die Schotten dicht gemacht für weitere Tiefdruckgebiete, die geblockt
werden und sehr weit nach Norden ausweichen müssen. Auf der Ostabdachung wird
zudem eine nördliche Strömung gestützt, mit der straight ahead maritime
Polarluft arktischen Ursprungs bis zu den Alpen und sogar noch darüber hinaus
vorstoßen kann. Der damit einhergehende Potenzialverlust induziert einen
mordmäßigen Höhentrog, der am Sonntag vom Nordpolarmeer bis hinunter in den
westlichen und zentralen Mittelmeerraum reicht und dem über dem Ostatlantik ein
nicht minder prominenter Höhenrücken gegenübersteht. So schnell kannŽs gehen von
einer anfangs noch zonal geprägten High-Index- zu einer stark meridionalen
Low-Index-Lage.

Bevor es allerdings soweit ist, wird vorderseitig des Tiefs am Samstag
kurzzeitig eine Portion milder Subtropikluft angezapft (T850 im Süden bis +6°C),
bevor die Kaltluft dann erst am Sonntag so richtig zu uns vorstößt (T850 am
Sonntag 18 UTC etwa -3 bis -7°C). Das Tief bringt sowohl kräftige Niederschläge,
die zumindest im Bergland zunehmend als Schnee fallen, als auch kräftigen Wind
respektive Sturm. Aufgrund noch immer vorhandener Unsicherheiten in Bezug auf
die detaillierte Vita des Tiefs (Zugbahn, Timing, Intensität) wird an dieser
Stelle auf genauere Schilderungen verzichtet und auf die nächsten Übersichten
der Kurzfrist verwiesen.

Am Sonntag füllt sich das Tief auf seinem Weg in Richtung Polen bis fast zur
Unkenntlichkeit auf. Das Tief, was auf den Vorhersagekarten über Tschechien
erscheint, ist ein neues Exemplar, das vom nördlichen Balkan heraufgezogen ist.
Das macht die Einschätzung keinesfalls leichter, ist doch noch völlig unklar,
welchen Impakt dies auf den Vorhersageraum hat. Steuert es etwas Warmluft in den
Osten, so dass es dort regnet? Oder reicht die Kaltluft für Schnee bis ganz
runter? Fakt ist, dass es am Sonntag bei recht flottem nördlichem Wind zu
weiteren Niederschlägen kommt, die Bergland auf alle Fälle in Schnee übergehen.
Zumindest im Süden, bedingt aber auch in der Mitte, stehen die Chancen für
Schnee bis ganz runter nicht schlecht.

Zu Beginn der neuen Woche beginnt der Rücken in seinem Nordteil im Uhrzeigersinn
nach Südosten zu schwenken, was einen Keil sowohl in der Höhe als auch am Boden
unweigerlich nach Südskandinavien bringt. Mit der Folge, dass sich der Trog zu
einem großen elliptisch konfigurierten Höhentief mit mindestens zwei Drehzentren
isoliert, von denen eines im Bereich Österreich/Tschechien zu finden ist. Das
o.e. Bodentief vom Balkan füllt sich auf, gleichzeitig verliert auch das
Bodenhoch an Substanz. Entsprechend weicht der Gradient kontinuierlich auf,
wobei der abnehmende Wind sukzessive über Nord auf Nordost dreht. Dabei beginnt
die Kaltluft allmählich abzutrocknen. Trotzdem fallen weitere Niederschläge,
teils bis in tiefe Lagen als Schnee, Tendenz bis zur Wochenmitte abnehmend.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bereits zum Ende des kurzfristigen Prognosezeitraums am übermorgigen Freitag
haben die Modelle offensichtliche Probleme, die Passage eines ersten kleinen
Tiefs kongruent zu simulieren. Dieser Malus setzt sich am Samstag mit dem
nächsten Tief – wahrscheinlich ein echter Kracher – fort, auch wenn die
Diskrepanzen nicht mehr ganz so deftig ausfallen wie es gestern noch der Fall
war. So gesehen entpuppt sich schon der Start in die Mittelfrist als kritisch,
zumal das Tief mit einen hohen Impactfaktor (Sturm, Niederschläge) dekoriert
ist.
Im weiteren Verlauf bleiben sich IFS, aber auch die anderen Modelle insofern
treu, als dass uns eine mordsmäßige Portion feuchter polarer Kaltluft serviert
wird, in der es wiederholt zu Niederschlägen kommt – im Bergland durchweg, im
Tiefland teilweise als Schnee. Was Details angeht, bleibt Vieles aber noch im
Verborgenen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Das kleine, aber äußerst wirksame Tief (bleiben wir bei XAVERIA), das uns am
Samstag von Westen ereilt, haben alle gängigen Globalmodelle im Katalog. Es
hapert vielmehr an der individuellen Ausgestaltung des Tiefs, sprich, Zugbahn,
Timing, Kerndruck, was für die Auswirkungen freilich von fundamentaler Bedeutung
ist. Als Beispiel seien hier kurz die Position des Kerns am Samstag 12 UTC sowie
der Folgekurs bis Sonntag 00 UTC auf Basis der 00-UTC-Läufe aufgeführt:

IFS: westliche Niederlande (981 hPa), Kurs Harz
ICON: knapp südlich von Bremen (985 hPa), Kurs MV/Nordwestpolen
GFS: südwestliche Nordsee (976 hPa), Kurs zentrales Niedersachsen
GEM: westfriesische Küste (984 hPa), Kurs Rügen/Berlin (Dipol)
UK10: Humber (981 hPa), Kurs Luxemburg

Fragen? – Jo, genügend, aber keine guten Antworten, zumal der 06er-Lauf von ICON
nun schon wieder eine etwas südlichere Zugbahn vorschlägt. Es wird uns, die wir
nicht auf Klickzahlen angewiesen sind, nichts anderes übrigbleiben, als
abzuwarten und heute noch mit viel Konjunktiv und Allgemeinplätzen zu hantieren,
was übrigens auch für die Zeit nach XAVERIA gilt. Immerhin können sich die
Modelle da auf einen gemeinsamen Witterungscharakter einigen ((nass)kalt mit
Berglandwinter, aber auch nicht vollkommen aussichtslosen Optionen fürŽs
Flachland respektive die Niederungen).

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Hier wird noch mal eindrücklich unter Beweis gestellt, wie unsicher die genaue
Prognose schon beginnend am Samstag noch ist. Als Beispiel sei der Parameter
Luftdruck am Standort Hamburg genannt, der für Samstag/Nacht zum Sonntag sowohl
im IFS- als auch im GFS-Ensemble auf einen bemerkenswerten Spread von 30 bis 35
hPa kommt. Heißt in Zahlen, ein genau über das Millerntor ziehendes
975-hPa-Sturmtief ist demnach ebenso möglich wie eine
„1010-hPa-weit-weg-vom-Tief-Peripherie“.

Richtet man seine Augen auf die üblichen Standardrauchfahnen verschiedener
deutscher Städte (IFS-EPS), lässt sich bereits ab Freitag (also noch in der
Kurzfrist) ein wenn auch allmähliches Aufspreizen der Kurven konstatieren.
Gleichwohl wird der Hauptlauf HRES am Wochenende im Trend bestätigt, womit aber
nicht die Frage beantwortet wird, wo genau das Tief langzieht. In der nächsten
Woche fällt auf, dass HRES bei T850 im Norden und Westen den unteren Rand des
Ensembles mitmarkiert bzw. (Beispiel Wangerooge) sogar darüber hinaus geht.
Außerdem lässt sich spätestens ab Dienstag eine Abnahme der Signaldichte – und
höhe (Intensität) beim Niederschlag erkennen.

Die Clusterung zeigt für den ersten Zeitraum Samstag/Sonntag (T+72…96h) drei
Cluster, die das Dilemma mit dem Tief eindrucksvoll bestätigen. CL 1 (22 Fälle)
lässt es dicht an der deutschen und niederländischen Nordseeküste nach Jütland
ziehen, wo es durch das Blockadehoch über Russland gestoppt wird. CL 2 (17
Fälle) ist auf ähnlicher Bahn nicht nur schneller unterwegs, hier schafft es das
Tief sogar bis ins Baltikum. Deutlich langsamer hingegen CL 3, wo sich der
Wirbel am Samstag noch über UK befindet, um danach irgendwo über der Nordsee zu
irrlichtern. Wohlbemerkt, das sind „nur“ drei zusammengefasste Muster. Würde man
das Ganze noch weiter in seine Einzelteile zerlegen (was man theoretisch machen
kann, praktisch aber zu aufwendig ist, von der Aussagekraft mal abgesehen),
würde sich ein noch diffuseres Bild ergeben.
Unstrittig scheint die grobe Entwicklung am Montag (T+120…168h) zu sein, werden
doch nur noch zwei Cluster, beide im Regime „Blockierung, angeboten. Das
Südostwärtschwenken des atlantischen Rückens wird ebenso gezeigt wie der
Cut-Off-des Troges. Unterschiedlich wird die Geometrie beider Systeme
dargestellt. Bei beiden schiebt sich das Hauptdrehzentrum des Troges aber unter
den Rücken (=> High-over-low“).
Ab Donnerstag steigt die Zahl der Cluster wieder auf drei, wobei von Übergang
auf West/Nordwest zyklonal (CL 1, 26 Fälle) über Trog-/Tiefvorderseite (CL 2, 14
Fälle) bis hin zu Hochdruckbrücke (CL 3, 11 Fälle) fast alles dabei ist

FAZIT:
Wettervorhersage ist ein interessantes und spannendes, mitunter aber auch
schwieriges Metier. So auch heute. Zwar lässt sich sowohl auf deterministischer
als auch auf probabilistischer Basis ein belastbarer Grundtenor herausarbeiten
(am Samstag erst Sturmtief, danach kälter mit Niederschlägen, im Bergland
durchweg, in tiefen Lagen teilweise als Schnee). Die wichtigen, weil mit hohem
Impactfaktor ausgestatteten Details geben sich heute aber noch ziemlich nebulös.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Mit dem Sturmtief, das uns wie auch immer geartet am Wochenende besucht, frischt
der Wind in weiten Landesteilen stürmisch auf (vor allem am Samstag und in der
Nacht zum Sonntag). Prädestiniert scheinen aus heutiger Sicht die südlichen und
mittleren Landesteile, verlassen sollte man sich darauf aber nicht. Sollte sich
die ICON-Lösung von 00 UTC bewahrheiten, wären in NRW mit dem Cold-Jet
(eventuell würde sogar das Skorpion zustechen) Orkanböen bis ganz runter
möglich. Aber bitte liebe Leute, jetzt nicht gleich durchdrehen, ist nur eine
von gefühlt tausenden Lösungen, wolltŽs nur mal erwähnen. Sturmböen oder gar
schwere Sturmböen 9-10 Bft bis runter wären aber tatsächlich keine Überraschung.

Wenig überraschend wären auch wiederholte, teils länger andauernde
Niederschläge, die im Bergland sicher, in tiefen Lagen bedingt in Schnee
übergehen. Nochmal und damit auch zum letzten Mal, wann wo genau wie viel fällt,
ist noch offen. West- und Nordstaulagen sind favorisiert, hinzu kommen evtl.
Schneeverwehungen. Und als wenn das alles nicht schon genug wäre, kommen hier in
Offebach nun auch noch Serverprobleme dazu. Man, man, man…

Basis für Mittelfristvorhersage
Von allem was.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann