#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Donnerstag, den 28.11.2024 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 28.11.2024 um 10.30 UTC
Am Sonntag hochdruckbestimmter 1. Advent, danach wieder unbeständiger, mäßig
kalt bis mild.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 05.12.2024
Am kommenden Sonntag ist nicht nur der offizielle Start des mittelfristigen
Prognosezeitraums. Er markiert darüber hinaus den ersten Advent und – ganz
wichtig – den Beginn des meteorologischen Winters. Es wird, da beißt die Maus
keinen Faden ab, ein ruhiger und weitgehend ungestörter Start unter der Ägide
einer umfangreichen Hochdruckzone, die sich von Südwest- über Mittel- bis nach
Osteuropa erstreckt und von einem langgezogenen Rücken gestützt wird. Als
zyklonale Konterparts fungieren ein quasistationäres und hochreichendes Tief
über Hellas sowie ein positiv geneigter Potenzialtrog über dem nahen Atlantik,
der mit einer sich von der Biskaya bis zum Nordpolarmeer erstreckenden
Bodentiefdruckzone mit mehreren Drehzentren korrespondiert. Vorgelagerte, nicht
allzu üppig ausgestattete Wolkenfelder beeinflussen am Sonntag den Norden und
Nordwesten, während sonst im Vorhersageraum klassisch-winterliche
Grundschichtmeteorologie unter höhenmilder Luft (T850 um +7°C) angesagt ist. Bei
südlicher Anströmung stehen vor allem die Regionen nördlich der zentralen
Mittelgebirge sowie allgemein die Leeseiten und natürlich höhere Lagen des
Berglands „on the sunny side oft the street“ (schöner alter Jazzsong), während
sich die Niederungen, Täler und Flussläufe im Süden und in der Mitte unseres
Landes eher auf Permanentgrautöne in Form von Hochnebel oder einiger zäher
Nebelfelder einstellen sollten.
Zu Beginn der neuen Woche ändert sich das Geschehen. So zieht sich die
Hochdruckzone mehr und mehr nach Osteuropa zurück respektive wird hier bei uns
unterbrochen. Nicht nur der nördliche Teil des o.e. Höhentrogs (der südwestliche
Part tropft ab), sondern auch die vorgeschaltete, stark verwellte Kaltfront
findet den Weg zu uns, wenn auch nicht mit Höllentempo. Bis Dienstagabend sollte
die Kaltfront den Vorhersageraum aber weitgehend überquert haben, auch wennŽs im
Südosten eventuell noch etwas hakt. In der rückseitig einfließenden maritimen
Polarluft wird die Inversion vom Wochenende abgebaut, T850 sinkt bis
Dienstagabend auf unter 0°C, in der Nordhälfte gar bis zu -8°C, was mit Fug und
Recht als winterlich zu bezeichnen ist. Aber auch die aktuell laufende fünfte
Jahreszeit kommt nicht zu kurz, tritt doch die Kaltfront in den kalten Gebieten
mit Dauer(hoch)nebel maskiert auf, weil sie dort einen Temperaturanstieg bringt.
Maskiert hin oder her, Fakt ist, dass es sowohl zu frontalen als auch
konvektiven Niederschlägen kommt, die zumindest im Bergland zunehmend in Schnee
übergehen. Vielleicht reicht es aber auch mal für einen Schneeschauer ganz
runter.
Zur Wochenmitte steigt der Luftdruck wieder an, auch wenn der Trog ein echter
Trödel ist und nur sehr langsam ostwärts schwenkt. Nicht ausgeschlossen, dass er
sogar hier im Osten oder knapp östlich von uns abtropft, wie von IFS simuliert.
Bodennah regeneriert sich die Hochdruckzone und es braucht gar nicht so viel an
atmosphärenphysikalischer Fantasie um zu erkennen, dass Luftdruckverteilung ein
ähnliches Muster aufweist wie am Wochenende zuvor (auch wenn der Schwerpunkt
etwas weiter nördlich im Baltischen Raum zu liegen kommt, was bei uns schwache
nordöstliche Bodenwinde zur Folge hat). Die eingeflossene Kaltluft wird
konserviert, was sich vor allem durch Nachtfrost äußert.
Lange scheint das Hoch bei uns nicht durchzuhalten, denn bereits ab Freitag
(erweiterte Mittelfrist) werden von Westen her wiederholt zyklonale Attacken
simuliert. Wie diese im Detail aussehen werden, ist heute freilich noch nicht
belastbar zu sagen.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Der neueste Modelllauf von IFS (ECMF) bleibt der Linie seiner diversen Vorgänger
zunächst treu. Demnach schließt sich dem hochdruckbestimmten ersten
Adventswochenende ein unbeständiger Start in die erste Dezemberwoche an. Danach
verliert die Modellkonsistenz etwas an Qualität, weil die Läufe in Eigensinn
verfallen bzw. sich in Einzelheiten verlieren, die detaillierte Aussagen
erschweren. So ist z.B. nicht klar, wie schnell oder langsam die von Westen
übergreifende wellende Kaltfront vorankommt und wie stark ihre Wirkung ist.
Hinzu kommen Unschärfen hinsichtlich Timings und Konfiguration des nachfolgenden
Höhentroges, der von Lauf zu Lauf ein anderes Gesicht bekommt. Bei aller
Ungewissheit zeichnet sich aber ab, dass der Luftdruck zur Wochenmitte wieder
steigt und sich zumindest vorübergehend Hochdruckeinfluss einstellt, was heute
klarer simuliert wird (auch modellübergreifend) als das gestern noch der Fall
war.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die Aussagen aus dem Abschnitt zuvor lassen sich ohne große Abstriche auf den
Modellvergleich projizieren. Es ist unstrittig, dass am Montag ein Wetterwechsel
einsetzt. Genauso unstrittig und evident ist aber auch, dass alle Modelle
Schwierigkeiten haben, Timing und Geometrie des übergreifenden Potenzialtroges
kongruent und auch konsistent zu simulieren. Wenn sich die Globalmodelle aber
durch die ersten beiden Tage der neuen Woche jedes auf ihre Art
durchgewurschtelt haben, wird erneuter Hochdruckeinfluss avisiert (da hatten
gestern ICON und UK10 ein ganz gutes Näschen).
Interessant in diesem Zusammenhang der Blick auf die erweiterte Mittelfrist, wo
die meisten Modelle inkl. der KI, die diesen Prognosezeitraum anbieten,
weitgehend dem IFS folgen (also wieder zyklonaler). Einzig das kanadische GEM
tanzt aus der Reihe, indem es ein fast lehrbuchartiges „High-over-low-Muster“
(fennoskandisches Hoch über mediterranen Tief) offeriert – eine Lösung, die
gestern immerhin noch von 21 Mitgliedern aus der IFS-EPS-Clusterung gerechnet
wurde.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen (die von GFS-EPS sehen ähnlich aus) geben im Großen und
Ganzen das wieder, was auch der Hauptlauf zeigt. Zugegebenermaßen mit einer ab
Dienstag zunehmenden Streuung. Dabei fällt auf, dass die postfrontale Abkühlung
im Hauptlauf am stärksten ausfällt. Die T850-Kurve von HRES markiert beginnend
am Dienstag bis in den Donnerstag hinein den unteren Rand der Kurvenschar. Somit
sind die o.e. -8°C in Frage zu stellen. Niederschlagssignale ziehen sich durch
die ganze Woche, ohne dass am Mittwoch/Donnerstag (wo sich ja wieder
Hochdruckeinfluss durchsetzen soll) ein klares Minimum zu erkennen wäre.
Bei der Clusterung starten wir am Sonntag/Montag mit nur einem einzigen Cluster
(NAO+), was keines weiteren Kommentars bedarf. Ab Dienstag (T+120…168h) gehtŽs
rauf auf drei Cluster, die alle den Trog über Mitteleuropa wenn auch jeweils mit
etwas anderer Konfiguration im Portfolio haben. Interessant dabei, dass CL 1 und
2 (28 Fälle + HRES, 15 Fälle) den o.e. zunehmenden Hochdruckeinfluss bestätigen
(CL 2 wechselt sogar von NAO+ auf Blockierung). CL 3 (8 Fälle) hingegen lässt
den Trog bei uns liegen, simuliert mithin ein zyklonaleres Szenario, das gestern
aber noch deutlich prominenter vertreten war. Für den Zeitraum T+192…240h
(Freitag bis Sonntag) werden vier Schubladen aufgemacht, von denen die ersten
drei (18 + HRES, 16, 13 Fälle) dem NAO+-Regime treu bleiben. CL 1 und CL 2 sind
dabei etwas antizyklonaler aufgestellt als CL 3, ähnlich dem
Großwetterlagenmuster Wa (West antizyklonal oder gemeinhin auch nördliche
Westlage). Nur CL 4, gerade mal mit 4 tapferen Außenseiterlösungen besetzt, geht
in Richtung des kanadischen Modells („high-over-low“). Im Gegensatz dazu greift
in dieser Variante ein abgeschlossenes Höhentief als Kaltlufttropfen auf den
Vorhersageraum über.
FAZIT:
Nach dem hochdruckbestimmten ersten Adventssonntag startet die neue Woche
unbeständig, wobei sich die genauen Abläufe noch recht nebulös (aber nicht
nebellastig) darstellen. Die einfließende maritime Polarluft sorgt für eine
Normalisierung des vertikalen Temperaturprofils (Abbau der Inversion) sowie für
etwas Schneefall im Bergland. Ein vorübergehender Hochdruckeinfluss zur
Wochenmitte (Mittwoch/Donnerstag) ist wahrscheinlich und wird inzwischen breiter
gestützt als das gestern noch der Fall war. In der erweiterten Mittelfrist wird
mehrheitlich auf einen erneuten Übergang zu unbeständigem Wetter (NAO+) gesetzt.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Mit dem Übergreifen der Kaltfront und des nachfolgenden Troges kommen bei und
zwar Niederschläge auf und es wird auch etwas windiger. Die
Wahrscheinlichkeiten, dass dabei Kriterien für markantes Wetter gerissen werden,
sind aber nicht besonders hoch. Böen 8, mit viel Wohlwollen vielleicht auch mal
9 Bft an der Küste sowie in exponierten Hochlagen haut keinen wirklich vom
Hocker. Und auch die zur Zeit apostrophierten Niederschlagsmengen liegen trotz
der hohen Streuung unterhalb markanter Warnschwellen. Gerade beim Niederschlag
ist aber nicht ganz ausgeschlossen, dass sich mit Verkürzung des
Prognosehorizonts zumindest kleinräumig noch was tut.
Basis für Mittelfristvorhersage
Modellmix mit MOS-Mix und IFS-EPS
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann