#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 26.11.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 261800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.11.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Mittwochabend und in der Nacht zum Donnerstag in der Nordhälfte. Von
Ostfriesland bis nach Ostwestfalen vorübergehend schwere Sturmböen. Nachfolgend
aus Nordwesten wieder kühler, im Bergland teils winterlich.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … schwenkt ein flacher, aber doch noch recht wetterwirksamer Trog vor
allem über die Nordhälfte Deutschlands hinweg ostwärts. Er gehört zum Südrand
eines Höhentiefkomplexes, der sich von Südskandinavien bis nordwestlich von
Irland erstreckt, wobei er im Westteil lediglich in der Höhe abgebildet ist.
Dabei ist anfangs noch etwas Restlabilität, die im Norden bei T500 unter -30°C
auch hochreichend ist, vorhanden. Dies äußert sich eingangs der Nacht zunächst
noch in zahlreichen Schauern, die bei guten Scherungsbedingungen und einer
leicht konvergenten Windstruktur im Bereich des Bodentroges in linienhaften
Schauerstaffeln im Norden und Nordwesten des Landes, die teils mit Graupel und
vereinzelten Gewittern einhergehen.
Im Süden geht den Schauern nun zunehmend die Puste aus, wirkt neben dem
konvektionshemmenden Tagesgang durch aus Süden einsetzender leichter
Druckanstieg entgegen, womit der Wind stärker rück auf südliche Richtungen
dreht. Zum Morgen schläft er in der Südhälfte teilweise ganz ein. Bei recht
hohen Taupunkten aktuell von teilweise 6 oder 7°C steht gebietsweise bei zu
erwartenden größeren Auflockerungen rasch die Ausbildung dichter Nebelfelder auf
der Karte. Im WarnMos stechen vor allem die prädestinierten Gebiete zwischen
Donau und Inn heraus sowie auch das Saarland.
Bei letztgenanntem kommt allerdings hinzu, dass sich in der zweiten Nachthälfte
von Westen bereits ein neuer Wolkenschirm nähert, der die Nebelneigung eher
wieder dämpft. Er gehört zu einem weit präfrontal ausgreifenden WLA-Feld einer
flachen Frontalwelle, die sich innerhalb einer Tiefdruckrinne westlich des
Ärmelkanals vom steuernden Atlantiktief auf Höhe Kap Farvels abspaltet. Die
thermischen Gegensätze halten sich im Bereich des Tiefkerns in Grenzen,
allerdings interagiert es gerade ab den frühen Morgenstunden immer besser mit
dem o.e. westlichen Teil des Höhentiefs. Somit setzt in den Frühstunden westlich
des Rheins erster Regen ein. Bis dahin haben sich dann auch letzte Schauer an
den Küsten sowie im Osten weitgehend verzogen beziehungsweise aufgelöst.
Durch den seichten Druckanstieg von Süden weicht auch der Gradient im Norden
nach Abzug des Bodentroges immer mehr auf und der Wind lässt in den tagsüber
bewarnten Gebieten rasch nach. Mit 6 bis 1°C bleibt es weitgehend frostfrei.
Lediglich in einigen Hochlagen sowie am Alpenrand kann es hier und da für
leichten Frost reichen.
Mittwoch … spaltet sich die Rinne als eigenständiges Tief endgültig vom
Muttertief ab und liegt um 06z in etwa im Großraum London. Nach dessen
Abspaltung setzt umgehend kräftige nordwärts gerichtete WLA über dem nahen
Ostatlantik ein, wodurch die westliche Grundströmung stärker beginnt zu
mäandrieren. Als unmittelbare Folge verstärkt sich via Downstream Development
unmittelbar auf der Rückseite unseres Tiefs mit dem Namen TELSE die Baroklinität
sowie der Betrag der Kaltluftadvektion. Mehr noch, auf der Vorderseite des sich
verstärkenden Jets über Irland, der Irischen See und England formiert sich eine
stark diffluente Vorderseite, die das Bodentief weiter auspumpt. Die Diffluenz
wird dadurch noch verstärkt, dass ein kleiner vorlaufender Randtrog über
Ostfrankreich und dem Alpen den flachen Höhenrücken unterläuft. Dementsprechend
reagieren auch die Modelle mit einer Vertiefung von TELSE von anfänglich 1010
auf 1005 hPa bis zum Mittag, wo es die südwestliche Nordsee erreicht. Mithin
entwickelt es dabei ein kleinräumiges, wenngleich giftiges Sturmfeld, wovon aber
erstmal nur exponierte Kamm- und Leelagen NRW’s mit steifen Böen (Bft 7) aus
südlichen Richtungen etwas spüren.
Richtig spannend wird es dann zum Abend und eingangs der Nacht zum Donnerstag,
wenn das Tief unter weiterer Vertiefung das Ijsselmeer erreicht. Es sollte dann
einen Kerndruck unweit der 1000 hPa sowie ein sattes Sturmfeld an seiner Nord-
und Westflanke – weniger an seiner Südflanke – aufweisen. Neben der Entwicklung
im linken Jetausgang, einer doch recht wetteraktiven Kaltfront sowie eines nicht
übermäßig warmen Kerns nebenbei bemerkt Indizien, dass es sich um keine
klassische Shapiro-Keyser Zyklone, sondern allenfalls eine Hybridform handelt.
Aber auch diese können bekanntlich unangenehm und „giftig“ sein. Diesem Umstand
tragen auch die Kollegen und Kolleginnen vom Niederländischen Wetterdienst
(KNMI) Rechnung, die den Sturm international als CONALL benannt haben und somit
mindestens von Code ORANGE in ihrer Warnkategorie ausgehen. Um Sturmwarnungen
„bis zum Anschlag“ werden wir auch nicht umhinkommen. Bis zum späten Abend
reichen aber wohl erstmal Bft 8-9 auf den Nordseeinseln (aus Nordost) sowie von
NRW bis ins südliche Niedersachsen (aus Südwest) aus. Dass zeitgleich auch
einige Höhenlagen mit anspringen, versteht sich dabei von selbst.
Neben der Wind- ist aber auch die Niederschlagsentwicklung nicht uninteressant.
So breitet sich der (meist leichte) Warmfrontregen bis zum Nachmittag rasch bis
in den Nordosten aus. Von Westen folgt unmittelbar die Kaltfront nach. Im
Bereich des Okklusionspunktes und stärksten Druckfalls regnet es teils kräftig
und auch längere Zeit. So fallen vom Niederrhein bis zur Weser binnen 12h 10,
Richtung Ostfriesland teils bis 20 l/qm, wobei es hier auch noch gewissen
Unschärfen gibt, die mit einer von den externen Modellen etwas nördlicheren
Zugbahn (< 100 km Spread) zusammenhängen. Es könnte also hier und da knapp
werden mit den Schwellen für Dauer-/Starkregen, wobei bekannt ist, dass die
Auswirkungen mit jedem Kilometer weiter Richtung Nordsee sehr überschaubar bzw.
teils nahe 0 sind.
Im Bereich des Tiefkerns/Okklusionspunktes sowie unmittelbar mit
Kaltfrontpassage sind Richtung Ostfriesland, Emsland und Niederrhein zum Abend
auch vereinzelte Gewitter möglich. Die Gefahr einzelner Tornados (starke
Richtungs- und Geschwindigkeitsscherung in unteren Niveaus, niedrige HKNs,
allerdings kaum Labilität => Low CAPE, High Shear) lässt sich nicht
wegdiskutieren.
Weiter im Süden und Osten, im präfrontalen Bereich der Kaltfront, verläuft der
Tag vergleichsweise ruhig und geschmeidig. Bis auf etwas Regen im Schleifbereich
der nach Nordosten schwenkenden Warmfront beziehungsweise schlappen abgehobenen
Schauern (abgehobene Mischungsschicht zwischen 800 und 600 hPa) passiert außer
der generellen Bewölkungszunahme wenig. Im Gegenteil, leicht föhnig unterstützt
scheint in Sachsen und Südbrandenburg sowie von den Alpen bis zum Neckar auch
zeitweise die Sonne und es bleibt weitgehend trocken. Fernab des
Tiefdruckgeschehens kann sich an der unteren Donau aus der Nacht heraus zäher
Nebel und Hochnebel bei nur schwachen Ostwinden teils ganztags halten.
Die Temperaturen erreichen dort kaum 5°C, sonst meist 6 bis 11°C, im Westen bei
guter Durchmischung an den Nordrändern der Mittelgebirge bis 14°C.
In der Nacht zum Donnerstag liegt der Fokus weiterhin voll auf der Entwicklung
des Sturms TELSE, das von den Niederlanden kommend Niedersachsen erreicht und im
Laufe der Nacht knapp nördlich an Hamburg vorbei Richtung Vorpommern zieht. Bis
zum Morgen wird es zunehmend achsensenkrecht und hat damit seinen vorläufigen
Höhepunkt überschritten. Die Zugbahn wird modellübergreifend trotz anfänglicher
beschriebener, leichter Diskrepanz recht ähnlich simuliert. Allerdings ist noch
unklar, wie nah das Sturmfeld am tatsächlichen Tiefkern liegen wird, sprich wie
weit die Kernisobare „ausgehölt“ ist. Die Deutsche Modellkette lässt hier
gebührend Abstand bis etwa zum Raum Hannover und südlich angrenzend. UK setzt
quasi direkt im Hamburger Stadtgebiet auf der Elbsüdseite an.
Wie auch immer, letztlich muss in einem breiten Streifen vom nördlichen NRW über
weite Teile Niedersachsens, später auch bis nach Thüringen, Sachsen-Anhalt und
Sachsen mit Sturmböen (Bft 8-9) aus westlichen Richtungen gerechnet werden. Das
Bergland ist mit schweren Sturmböen, der Brocken kurzzeitig auch mit Böen bis
Orkanstärke (Wind 850 hPa bis 60 Knoten) mt dabei. Zarte Hinweise für schwere
Sturmböen bis 100 km/h (Bft 10) gibt es im ICON-D2 EPS auch vom Münsterland über
Ostwestfalen hinweg bis zum Harz, was teilweise auch in Verbindung mit
Konvektion stehen kann. Auch der 12z AROME Lauf schlägt in diese Kerbe. In jedem
Falle ist ein satter IPV Vorstoß im Nordwesten mit einer deutlichen Abtrocknung
und Einmischen stratosphärischer Luft zu sehen, was immer ein Indikator für
potentielle Instabilität. Dementsprechend entwickelt die Zyklone ein sehr
ästhetisches, spiralförmiges Wolkenband, das sich immer weiter um den Tiefkern
wickelt.
An der Nordflanke des Tiefs regnet es weiter kräftig und im Schleifbereich sind
gerade über dem Norden Schleswig-Holsteins Mengen zwischen 20 und 30 l/qm binnen
weniger Stunden vorstellbar – Auswirkungen wie in Ostfriesland überschaubar.
Auch sonst verläuft die Nacht mit Kaltfrontpassage südostwärts vielerorts
regnerisch, wenngleich es nicht für Warnschwellen reicht. Allerdings könnte es
zum Morgen hin Richtung Staulagen des Schwarzwaldes und des Oberallgäus knapp
werden, wo ebenfalls 20-30 l/qm binnen 12 Stunden zu erwarten sind. Allerdings
fallen diese nicht durchweg als Regen, da rückseitig ein Schwall frischer
polarer Meeresluft mit T850 von rund -3°C südwärts vorstößt. Die
Schneefallgrenze liegt dabei im Süden anfangs noch bei knapp 2000 m, sinkt bis
zum Donnerstagvormittag auf unter 1000 m, in der Landesmitte auf rund 600 m ab.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … Abzug des Sturmtiefs unter zögernder Abschwächung nach Nordpolen.
In der rumgeholten Warmluft über der Osthälfte noch länger andauernde
Niederschläge, am Erzgebirge bis in mittlere Lagen als Schnee. Zudem dort
weiterhin windig, an der Ostsee und im Erzgebirgsvorland auch stürmisch. Auch an
den Alpen staubedingt noch länger anhaltende Niederschläge bei absinkender
Schneefallgrenze auf rund 600-800 m.
Sonst wechselnd bewölkt und nur einzelne Schauer, teils mit Schnee oder Graupel
bis in tiefere Lagen. In der Nacht zum Donnerstag in der Westhälfte unter
Druckanstieg wieder zunehmende Frostgefahr. Keine signifikanten Änderungen zur
Frühübersicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Alles Erwähnenswerte wurde bereits oben im Text angesprochen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen