#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 23.11.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 231800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 23.11.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Orkantief SIGRID mit Frühling im November – (über)deutlicher Temperaturanstieg,
teilweise windig.
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … fällt der Luftdruck über Deutschland, ein untrügliches Zeichen, dass
sich das Wetter bereits wieder ändert. Und wie, möchte man hinzufügen, legt doch
die Wetterlage eine nicht alltägliche 180°-Schleife binnen kürzester Zeit aufŽs
Parkett, die sich gewaschen hat. Doch der Reihe nach.
Zunächst mal gilt es das heutige Zwischenhoch BURKHARD zu verabschieden, was im
Grunde aber schon passiert ist. So hat sich sein Schwerpunkt über die Alpen
hinweg zum Balkan verlagert, wo der gute BURKHARD sein Nachtlager aufschlägt.
Der nachfolgende flache Rücken ist nicht ganz so flott unterwegs, seine
Hauptachse ist gerade erst dabei, den Vorhersageraum von Westen her zu
erreichen, Tendenz ostwärts schwenkend. Überlaufen wird der Rücken von kräftiger
WLA, womit wir beim Geschehen über dem nahen Atlantik wären. Dort hat sich
nordwestlich von Irland das Orkantief SIGRID (int. Bert) eingefunden, wo es mit
bemerkenswerten 940 hPa im Kern (+/- weniger Hektopascal) um sich selbst
kreiselt. SIGRID weist Züge einer Shapiro-Keyser-Zyklone auf (doppelte
Jetstruktur, eingangsdominant, warmer Kern, aus Satbildern abgeleitet
wahrscheinlich mit Sting-Jet), was für uns aber nur von akademischem Interesse
ist. Der korrespondierende Potenzialtrog reicht weit nach Südwesten und kommt
nur langsam gen Osten voran. Unter der vorderseitigen südwestlichen
Höhenströmung liegt die wellende Kaltfront des Tiefs, deren Progression
ebenfalls gehemmt ist. Sie wird uns erst zum Auftakt der letzten Novemberwoche
traktieren.
Zuvor, genau genommen bereits in der kommenden Nacht, bekommen wir es mit der
Warmfront des Tiefs zu tun, die in den nächsten Stunden relativ zügig über
Deutschland hinwegschwenkt. Damit gelangen wir in den breiten Warmsektor, in dem
ein aufgrund seiner Schnelligkeit als ungewöhnlich zu bezeichnender
Temperaturanstieg erfolgt. Zumindest niedertroposphärisch, steigt z.B. die
850-hPa-Temperatur von -7 bis -2°C heute Mittag auf +5 bis +10°C am
Sonntagmorgen – Wahnsinn! Mit Ausnahme des vom Warmfrontgeschehen entkoppelten
Südens und Südostens, wo die Luft auf wenige Grad unter dem Gefrierpunkt
abkühlt, erfolgt ein kontinuierlicher Temperaturanstieg, der im Westen und
Nordwesten in zweistelligen Frühwerten von 10°C oder etwas mehr mündet.
Neben der thermischen Entwicklung weisen auch die Parameter Niederschlag und
Wind einige nicht uninteressante Aspekte auf. Zunächst der Wind, der aufgrund
eines steig anwachsenden Druckgradienten zwischen dem Orkantief und dem
scheidenden Zwischenhoch zulegt, allerdings nicht überall. Wegen der stabilen
Schichtung ist die damit einhergehende Windzunahme in höheren Lagen des
Berglands (in den Alpen aufkommender Südföhn) inkl. deren Leeseiten sowie auf
der offenen Nordsee am spürbarsten. Auf exponierten Kämmen, Kuppen und Gipfeln
sowie im Freiwasser und direkt an der Küste stehen (schwere) Sturmböen 9-10 Bft,
auf dem Brocken orkanartige Böen 11 Bft aus südlichen Richtungen auf der Karte.
Ansonsten muss ebenso wie im west- und nordwestdeutschen Tiefland mit Böen der
Stärke 7 bis 8 Bft gerechnet werden.
Thema #2 ist der Niederschlag, der sich im Wesentlichen als WLA-getriggertes
stratiformes Regengebiet darstellt, welches den äußersten Nordwesten erreicht
hat und sich nun über den Norden und die Mitte ostwärts ausbreitet. Dabei kommen
zwischen NRW und Deutscher Bucht respektive SH gebietsweise respektable, wenn
auch nicht warnwürdige Mengen zwischen 10 und 15, lokal sogar um 20 l/m²
zusammen. Wichtiger als die Intensität ist allerdings die Phase des
Niederschlags. So hält sich in höheren Lagen der westlichen, zentralen und
östlichen Mittelgebirge (> 600 m) noch leichter Frost oder es kühlt stellenweise
auf etwas unter 0°C ab (Vogtland/Oberfranken/Oberpfalz). Kommt dort der Regen
an, könnte dieser gefrieren und für Glätte sorgen – kurzzeitig und regional eng
begrenzt. Eine überregionale, schlagzeilenträchtige Glatteislage ist aber
unwahrscheinlich, weil erstens der Wind auffrischt (Durchmischung bzw. Auflösung
der ohnehin nur dünnen Kaltluftschicht, insbesondere nach Westen hin) und/oder
die Warmluftzufuhr darüber derart brachial ausfällt, dass sich die kalte Luft
nicht endlos halten kann. Trotzdem sollte man die Situation auch nicht gänzlich
unterschätzen.
Sonntag … verbringt Deutschland im breiten Warmsektor des Orkantiefs, das sich
langsam auffüllend den Hebriden nähert. Wegen ihrer weitgehend
höhenströmungsparallelen Exposition und daraus resultierender Wellenbildung
kommt die Kaltfront weiterhin nur zögerlich ostwärts voran. Stattdessen nimmt
die Höhenströmung zwischen Trog und abwandernden Rücken stetig zu, so dass das
frühlingshaft anmutende Südwestgebläse richtig in Fahrt kommt. In der
einströmenden maritimen Subtropikluft (mS) steigt T850 auf 9 bis 13°C, was für
Ende eine echte Hausnummer ist (das vieljährige Mittel liegt ungefähr bei etwas
über 0°C).
Mit Abzug der Warmfront zieht auch der Regen im Laufe des Vormittags auf die
Ostsee respektive nach Polen und Tschechien ab. Evtl. in den Morgenstunden im
östlichen Mittelgebirgsraum noch auftretende „Glätteschweinereien“ erledigen
sich bis zum Vormittag. Ansonsten lockert die Wolkendecke mal mehr, mal weniger
auf, wobei Leelagen der Mittelgebirge sowie allgemein der Süden und Südwesten in
der Vorhand sind. Dort, wo noch Schnee liegt, setzt kräftiges Tauwetter ein, was
abflusstechnisch aber keine Probleme bereitet.
Der weiterhin aus südlichen Richtungen wehende Wind bleibt sehr sportlich
unterwegs, hat aber nach wie vor Schwierigkeiten, sich bis ganz unten
durchzusetzen. Im Westen und Nordwesten sowie in Leelagen gelingt das ganz gut
(7-8 Bft), nach Osten und Südosten hin eher weniger. In den Alpen legt der Föhn
weiter zu (DeltaP Bozen-Innsbruck 8 hPa; Hochlagen 8-10 Bft, anfällige Täler 7
Bft) und auch sonst warten exponierte Kämme und Kuppen mit (schweren) Sturmböen
9-10 Bft, der Brocken gar mit noch mehr (11-12 Bft) auf. Nicht zu vergessen die
Küste, wo die Nord- die Ostsee klar übertrumpft (logisch bei der Lage des
Tiefs). Während rund um die Deutsche Bucht Böen 8 bis 9 Bft, exponiert
(nordfriesische Küste) 10 Bft auf den Windgebern erscheinen, brauchtŽs an der
Ostsee schon etwas Glück, um die eine oder andere „8“ zu erwischen (ablandiger
Wind).
Der Wind steht übrigens in unmittelbarem Zusammenhang mit der Temperatur, die
morgen auch im 2m-Niveau einen mächtigen Satz nach oben macht. Dort, wo die
Durchmischung z.T. mit Hilfe von Leeeffekten so richtig bis unten durchgreift
(vor allem in Teilen der Westhälfte), steigt das Thermometer vielerorts auf
außergewöhnliche 14 bis 18°C (Differenz zu heute teils 10 bis 15 Grad!!). Dort,
wo es mit der Kopplung oben-unten weniger gut klappt (z.B. in Ost- und
Südostbayern), bleibt die Temperatur gebietsweise einstellig (6-9°C).
In der Nacht zum Montag überquert SIGRID die Hebriden in Richtung Shetlands,
wobei sie weitere Einbußen im Kerndruck akzeptieren muss. Etwas unter 970 hPa
dürften es am frühen Montagmorgen sein, was immer noch stattlich ist. Die
zugehörige Kaltfront schleppt sich eher als dass sie zieht, so dass wohl weder
sie noch der zugehörige Regen bis 06 UTC deutsches Hoheitsgebiet erreichen
(wurde in vergangenen Läufen schon mal etwas schneller gerechnet).
Während sich die Grundschicht im Süden und Südosten erneut vom Geschehen darüber
abkoppelt (leichter Frost inkl. Glätte durch gefrierendes Schmelzwasser), steht
dem Nordwesten eine äußerst milde Nacht mit Minima zwischen 14 und 10°C ins
Haus. Dort weht ähnlich wie an den Küsten sowie in höheren Lagen weiterhin ein
mäßiger bis starker südlicher Wind mit Sturmböen an der Nordsee sowie in
exponierten Hochlagen.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … Der 12-UTC-Lauf von ICON weicht so gut wie gar nicht von seinen
jüngsten Vorgängerversionen ab. Demnach erfasst uns zunächst die o.e. Kaltfront
und nachfolgend dann auch der Trog. Mehr könnt ihr der Synoptischen Übersicht
von heute Morgen entnehmen.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle zeigen nicht nur große Einigkeit, sondern zudem eine erfreuliche
Konsistenz. Weiter so.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann