#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Samstag den 12.10.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 121800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.10.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
HELMA und WERNER ein windiges Pärchen – sehr windiger bis stürmischer Sonntag in
der Nordosthälfte. Ab kommender Nacht im Norden einzelne markante Gewitter (Böen
8-9 Bft).
Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC
Aktuell … fällt der Luftdruck bei uns, was genau zwei Gründe hat. Da wäre
zuerst eine Warmfrontwelle zu nennen, die von Frankreich her auf den Süden und
die Mitte des Landes zusteuert. Die Welle ist der verlängerte Arm eines
kompletten Frontensystems, das dem knapp westlich von Portugal liegenden Tief
Berenice (int. Name) anhängig ist. Der Druckfall im Norden hingegen ist im
Wesentlichen auf das elliptisch konfiguriert Tief HELMA zurückzuführen, seines
Zeichens Randtief einer quasistationären (namenlosen) Sturmzyklone zwischen Jan
Mayen und den Lofoten. HELMA hat am Nachmittag die nordwestliche Nordsee
erreicht, von wo aus sie sich am Abend mehr und mehr bis in die Deutsche Bucht
eindreht. Der Hauptkern erreicht um 00 UTC mit rund 995 hPa das Seegebiet
Fisher, um danach das nördliche Jütland anzusteuern. Dort wird er sich dann sehr
wahrscheinlich auffüllen, während gleichzeitig über den dänischen Inseln ein
neuer Kern entsteht. Das Tief korrespondiert wunderschön mit einem scharf
geschnittenen Randtrog, der in der Nacht zum Sonntag mit zunehmend negativer,
also nach Südosten gerichteter Achsstellung Norddeutschland nordostwärts
überquert. Der rückseitig bis nach Mitteldeutschland vorstoßende Jetstreak
bringt den Norden vorübergehend unter den hebungsintensiven linken
Ausgangsbereich („left-exit-region“), was zusammen mit der troggebundenen
Labilisierung der einfließenden polaren Luftmasse (mP) sowie einem Übermaß an
Scherung eine durchaus potente, aber auch komplexe Gemengelage schafft.
Um es noch etwas komplizierter zu machen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die
Wetterlage bei uns frontogenetische Züge aufweist. Auf der einen Seite HELMA mit
Bodentrog und eingelagerter Kaltfront, die maritime Polarluft bei uns
installieren wollen. Auf der anderen Seite Berenice mit Warmfrontwelle (die
später über Ostdeutschland sogar einen leichten Okklusionsteil aufweist), die
eher subtropische Luftmassen (mS) bevorzugen. Treffpunkt (oder besser -fläche)
ist u.a. Deutschland, wo dann frühestens in der 00-UTC-Analyse, spätestens dann
aber um 06 UTC die Zusammenführung der beiden Fronten zu einem System erfolgen
muss – eine teilokkludierte Kaltfront, die in den nördlichen Kern (HELMA) reicht
und irgendwo im Süden evtl. noch einen Warmfrontstummel aufweist.
Kommen wir zu dem, was hauptsächlich interessiert, dem Wetter und fangen im
Süden bzw. der Mitte an. Dort haben bereits am Nachmittag schwache und regional
sehr uneinheitlich auftretende Regenfälle Einzug gehalten. In den nächsten
Stunden intensivieren sich diese (Warmfrontwelle + vor allem in der Mitte
diffluente Vorderseite des heranschwenkenden Höhentrogs) und ziehen einmal von
West nach Ost-Nordost. Vornehmlich aufgrund hoher Feuchte (PPW in der Mitte
teils um 25 mm) ist in der Warmluft etwas MU-CAPE vorhanden, was für konvektive
Verstärkungen hinreichend sein dürfte. Ob es irgendwo auch mal für Blitz und
Donner reicht, ist äußerst fraglich. Akkumuliert über 12 Stunden fallen
gebietsweise 5 bis 10, stellenweise um 15 l/m².
Mehr Dynamik als im Süden ist in Norddeutschland zu erwarten, wo etwa gegen
Mitternacht von den Niederlanden und der Nordsee her die in den Bodentrog
eingelegte Kaltfront (normalerweise legt man Heringe irgendwo ein, aber nun)
übergreift. Sie wird überlagert von einem ausgewiesenen PVA-Maximum vorderseitig
des etwas hinterherhinkenden Höhentrogs, was in den simulierten
Pseudoreflektivitäten durch einen mal mehr, mal weniger geschlossenen
Radarkorridor markiert wird. Dabei kommt es zu schauerartigen Regenfällen mit
eingelagerten Gewittern, die von West nach Ost über Norddeutschland
hinwegziehen. Mit Passage der Troglinie frischt der von südlichen auf westliche
Richtungen drehende Wind vorübergehend stark böig auf mit Spitzen 7, vereinzelt
8, in Verbindung mit Gewittern sogar 9 Bft. An der Nordsee dreht der Wind auf
West-Nordwest und erreicht bis zum Morgen in Böen Stärke 8, vereinzelt 9 Bft.
Noch etwas fetter kommt es auf einigen Kämmen und Kuppen der Mittelgebirge, wo
exponiert sogar schwere Sturmböen 10 Bft auf den Plan treten.
Die Temperatur geht auf 13 bis 7°C zurück, wobei es im Südwesten am mildesten
bleibt. Kühler wird es lediglich in höheren Lagen.
Sonntag … schwenkt der scharfe Randtrog rasch nach Nordosten durch. Dahinter
stellt sich eine nordwestliche Höhenströmung ein, die im Tagesverlauf von
zyklonal über indifferent zu antizyklonal wechselt, was in der Passage eines
flachen Rückens in der Nacht zum Montag mündet. Das Bodentief zieht über die
Ostsee hinweg ost-südostwärts und erreicht zum Datumswechsel den Raum
Kaliningrad bzw. den Süden Litauens. Derweil steigt der Luftdruck von Westen her
an und das nächste Hoch erscheint auf der Wetterkarte – Gott zum Gruße WERNER.
Zur Mittagszeit erstreckt sich der mit etwas über 1020 hPa im Zentrum
vergleichsweise dürftig portionierte WERNER von UK bis hinunter zur
französischen Mittelmeerküste. Die Kaltfront wird auf ihrem Weg nach Süden
aufgrund ihrer zunehmend strömungsparallelen Exposition immer mehr ausgebremst
und erreicht nur mit Mühe den nördlichen Alpenrand. Dort sorgt sie noch längere
Zeit für schauerartig verstärkten Regen, der bis zum Abend aber immer weiter
abebbt. Postfrontal kommt die niedertroposphärisch kälteste Luft (T850 um 0°C)
etwa bis zur südlichen Mitte voran.
Ansonsten ziehen die letzten troggebundenen Regenfälle im Osten und Nordosten
rasch ab. Im Nordosten, wo die höhenkälteste Luft noch am längsten verweilt,
entwickeln sich nachfolgend Schauer. Auch von der Nordsee her ziehen Schauer
landeinwärts über Niedersachsen, Bremen, Hamburg und SH hinweg. Weitgehend
trocken bleibt es im Westen sowie in der Mitte und zunehmend auch im Süden
(postfrontal). Zwischen den vielen Quellwolken unterhalb der sich bildenden
Inversion (nach Norden hin bei 700 hPa oder sogar etwas höher, nach Süden hin
bei 850 hPa) scheint immer mal wieder die Sonne, wobei der Streifen zwischen
Main/Mosel und Donau die besten Karten für längere sonnige Abschnitte hat.
Schauer hin, sonnige Abschnitte her, Hauptthema des morgigen Sonntags ist der
Wind. Zwischen der holden HELMA und dem beinharten WERNER stellt sich ein
veritabler, recht langgestreckter Gradient ein, der von den Küsten bis hinunter
nach Mitteldeutschland im Laufe des Vormittags einen äußerst flüssigen West- bis
Nordwestwind in Gang bringt. Böen 7-8 Bft sind obligatorisch, bei 925-hPa-Winden
bis knapp 50 Kt und anfänglich noch leidlicher Labilität sind außerdem einzelne
Sturmböen 9 Bft möglich. Böen 9 Bft stehen zunehmend auch an der Ostsee auf der
Karte, vor allem an Küsten- und Inselabschnitten mit auflandiger Windkomponente
(Westwind). Noch etwas turbulenter präsentiert sich die Deutschen Bucht, wo auf
den Inseln sowie direkt an der See einige schwere Sturmböen 10 Bft an den Start
gehen. Die und vereinzelt sogar orkanartige Böen 11 Bft wird es morgen auch in
exponierten Hochlagen der zentralen und östlichen Mittelgebirge sowie auf
einigen Alpengipfeln zu bestaunen geben. Am Nachmittag und Abend beginnt sich
die Lage von Südwesten her zu stabilisieren und der Wind abzuschwächen.
Trotz frisch einfließender Polarluft, wirklich kalt wirdŽs nicht. Der marine
Einschlag sowie die gute Durchmischung lassen Tageshöchstwerte zwischen 11 und
17°C auf der Anzeigetafel erscheinen. Einzig in höheren Lagen bleibt es
frischer, was nun aber auch keine bahnbrechende Erkenntnis ist.
In der Nacht zum Montag verlagert sich das Zentrum von Hoch WERNER über den
Süden des Vorhersageraums hinweg rasch ostwärts. Derweil erreicht HELMA das
südliche Baltikum, wo sie sich mächtigen Druckanstiegs erwehren muss.
Folgerichtig beginnt sich der Gradient zwischen den beiden Protagonisten
abzuschwächen, was freilich auch für den Wind gilt. Der Starkwind zieht sich
rasch an die Küsten zurück, wo er bis zum Morgen aber auch zusehends an Substanz
verliert. Am längsten dürfte noch die Ostseeküste mit Böen 7-8 Bft, anfangs 9
Bft versorgt werden. Die Ostseeküste ist auch der Landstrich, wohin sich noch
die letzten Schauer verirren, die sonst im großen Rest des Landes zügig den
Betrieb einstellen.
Bei wolkigen bis klaren und überwiegend schwachwindigen Bedingungen bildet sich
gebietsweise Nebel. Darüber hinaus kühlt es vielerorts auf 6 bis 0°C ab. Etwas
milder bleibt es direkt an der See sowie im äußersten Nordosten, wo noch
ziemlich lange dickere Wolken unterwegs sind und etwas Wind weht. Dafür ist im
Süden sowie in einigen Senken und Mulden der Mittelgebirge lokal leichter Frost
wahrscheinlich. Frost in Bodennähe tritt vornehmlich in der Mitte und im Süden
häufiger auf.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC
Montag … gelten im Großen und Ganzen die in der Frühübersicht beschriebenen
synoptischen Abläufe. Hinsichtlich der noch unsicheren Niederschlagsprognose hat
sich ICON dem IFS deutlich angepasst, so dass es voraussichtlich nicht nur im
Süden, sondern auch weiter nördlich regnet. Ob es auch irgendwo für ein Gewitter
reicht, bleibt abzuwarten.
Modellvergleich und -einschätzung
Grundsätzlich ziehen die Modelle an einem Strang, auch wenn für den Montag noch
immer ein paar Unschärfen am Horizont auftauchen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann