#SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #MITTELFRIST ausgegeben am Sonntag, den 06.10.2024 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 06.10.2024 um 10.30 UTC
Am Donnerstag Passage von Sturmtief ex-„Kirk“, dazu teils kräftiger Regen und
einzelne Gewitter. Ab Freitag wieder ruhigeres Fahrwasser.
Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 13.10.2024
Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am Mittwoch sind (natürlich) alle Augen
auf den nahen Atlantik gerichtet. Dort nimmt der ehemalige Kat.-4-Hurrikan als
nun außertropisches Sturmtief Kurs auf Deutschland, da scheinen sich die Modelle
mittlerweile einig zu sein. Durch die Interaktion mit einem kurzwelligen Anteil
eines breit angelegten Langwellentroges mit Drehzentren u.a. über dem Nordmeer
und den Britischen Inseln kann sich ex-Kirk auf seinem Weg sogar noch etwas
vertiefen. Dank strammer westlicher Höhenströmung kommt der Sturm flott voran
und liegt am Abend (nach IFS) bereits mit etwas unter 975 hPa über
Nordfrankreich. Die zugehörige, sehr wetteraktive Warmfront (ex-Kirk sieht
ziemlich nach Shapiro-Keyser aus) hat derweil schon auf die Nordwesthälfte
Deutschlands übergegriffen und sorgt dort für länger anhaltende, teils kräftige
und gewittrige Regenfälle. Dazu macht sie ihrem Namen alle Ehre und lässt T850
im Süden auf 16 Grad ansteigen, was mit etwas Sonnen- und an den Alpen auch
Föhnunterstützung Höchstwerte von deutlich über 20 Grad zulässt. Nun noch zum
Wind, der im Tagesverlauf allmählich zunimmt und auf den Bergen für erste
Sturmböen sorgen wird.
Am Donnerstag zieht der markante Kurzwellentrog über den Nordwesten Deutschlands
nach Südskandinavien und mit ihm auch ex-Kirk. Besonders an der Süd- und
Südwestflanke des Tiefs sind nach aktuellem Stand schwere Sturm- bis orkanartige
Böen (Bft 10-11), exponiert sowie auf den Bergen auch Orkanböen (Bft 12) zu
erwarten. Weiter vom Tiefkern entfernt kommt es verbreitet zu Sturmböen (Bft
8-9). Etwas außenvor wäre der Südosten. An dieser Stelle schon mal vorab: Auch
wenn die Konsistenz der letzten IFS-Läufe recht gut ist und auch andere
Globalmodelle (ICON, GFS, UK10) ex-Kirk über Deutschland hinwegziehen lassen,
gibt es hinsichtlich der genauen Zugbahn und auch der Intensität weiterhin
signifikante Unterschiede. Trotz aller Unsicherheiten sei der Vollständigkeit
halber noch erwähnt, dass aufgrund der Shapiro-Keyser-Züge des Sturmtiefs auch
das Wörtchen „Sting-Jet“ im Hinterkopf behalten werden sollte. Zum Wind dazu
gesellt sich auch kräftiger Regen, der vor allem entlang der „herumgeholten“
Warmfront an der Nord- und Westflanke des Tiefs auftritt und durchaus warnwürdig
werden könnte. Zudem sorgt ein sich an der Kaltfront entwickelndes Randtief am
Alpenrand ebenfalls für kräftige Niederschläge.
Am Freitag verbleiben wir nach Abzug des Randtroges und ex-Kirk, hinter dem T850
im Nordwesten auf -2, im Süden auf rund 4 Grad absinkt, zunächst noch im Bereich
des Haupttroges in höhenkalter Luft, ehe sich zum Samstag vorübergehend
schwacher Zwischenhocheinfluss breitmacht. „Vorrübergehend“ daher, weil es über
der Iberischen Halbinsel zu einem Abtropfprozess kommt. Das korrespondierende
Bodentief lenkt aus Süden einen Schwall feuchter und auch wieder wärmerer Luft
nach Deutschland (T850 im Süden bis 10 Grad, im Norden um 2 Grad), was mit
neuen, aber nicht warnwürdigen Regenfällen verbunden ist. Zudem nähert sich am
Samstag auch über der Nordsee ein Tief, das an das Trogresiduum gekoppelt ist
und den Wind dort erneut mit stürmischen Böen aufleben lässt.
Nach Durchzug des Trogresiduums am Sonntag macht sich von Westen her erneut
hoher Luftdruck breit. Durch die einfließende maritime Subpolarluft (T850 im
Norden um -2 Grad), könnte es bei einer möglicherweise klaren und windschwachen
Nacht zum Montag dort sowie im Mittelgebirgsraum örtlich für leichten Frost
reichen.
In der erweiterten Mittelfrist wölbt sich ausgehend vom zentralen Mittelmeerraum
ein Rücken Richtung Nordsee auf, der den Hochdruckeinfluss stützt.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Die Konsistenz des aktuellen 00-UTC-Laufs des IFS kann als – man möchte ob der
Lage fast sagen „überraschend“ – gut bezeichnet werden. Die Passage von ex-Kirk
wird recht ähnlich prognostiziert, auch wenn es im Detail (Timing und genaue
Zugbahn) natürlich noch kleinere (in diesem Fall aber natürlich entscheidende)
Unterschiede gibt. Nennenswert auseinander, was das Wetter bei uns in
Deutschland betrifft, gehen die Lösungen der beiden jüngsten Läufe vom gestrigen
00-UTC-Lauf erst am Sonntag. Während letzterer auf der Rückseite eines
durchschwenkenden hochreichenden Tiefs Deutschland mit einem Schwall trockener
Subpolarluft flutet (Temperatur in rund 1500 m Höhe landesweit zwischen -3 und 0
Grad), halten die beiden Nachfolger mit einem Tief über der Iberischen Halbinsel
und damit einhergehend Regenfällen und im Süden deutlich höheren Temperaturen
dagegen.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Auch die anderen, an dieser Stelle betrachteten Globalmodelle (ICON, GFS, UK10
zeigen die Zugbahn von ex-Kirk über Deutschland. Für den genauen Verlauf bietet
allerdings jedes eine eigene Lösung. Auch die Intensität wird unterschiedlich
gesehen. IFS ist dabei am aggressivsten, ICON am schwächsten (im Südwesten Marke
„Bft 8-9, exponiert Bft 10“, über der Mitte dann „Bft 8, exponiert Bft 9“). Im
Anschluss sind die groben Strukturen auf synoptischer Skala über die gesamte
Mittelfrist sehr ähnlich zur hier beschrieben IFS-Lösung.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Rauchfahnen für verschiedene deutsche Städte stützen das beschriebene
Szenario des IFS-Hauptlaufes über die gesamte Mittelfrist ziemlich gut. Vor
allem im Süden legt der Spread Richtung Wochenende deutlich zu. Ein nicht
unerheblicher Teil des Ensembels hält von der niedertroposphärischen Erwärmung
durch das Tief über der Iberischen Halbinsel nicht allzu viel und belässt T850
oftmals (zum Teil deutlich) unter der 5-Grad-Marke. Erst in der neuen Woche geht
der Trend dann klar nach oben, was auch für das Geopotenzial gilt. Die
Niederschlagssignale nehmen in der Folge ab.
Beim Clustering ergeben sich für den Zeitraum 72-96h (Mittwoch und Donnerstag) 5
Cluster, allesamt im NAO-negativ-Regime verortet. Neue, bahnbrechende
Erkenntnisse liefern sie allerdings nicht. Im Zeitraum 120-168 (Freitag bis
Sonntag) sind stolze 6 Cluster vorhanden. Auffällig ist, dass Cluster 2, in dem
sich auch der Haupt- und Kontrolllauf mit acht weiteren Membern befinden, den
Abtropfvorgang und damit auch das Tief über der Iberischen Halbinsel am
Wochenende mit Abstand am prominentesten im präsentiert. Cluster 1 (16 Member)
und mehr oder weniger auch die anderen drei Cluster lassen dagegen schon zum
Sonntag das Azorenhoch auf uns übergreifen.
FAZIT: Dass wir es am Donnerstag mit der Passage von Sturmtief ex-„Kirk“ zu tun
bekommen, ist recht wahrscheinlich – zumindest zeigen es mittlerweile alle
„handelsüblichen“ Globalmodelle. Die genaue Zugbahn und die Intensität des
Sturms ist aber weiterhin unsicher. Fraglich ist zudem, wie weit nach Süden die
hinter ex-„Kirk“ einfließende subpolare Meeresluft vorankommt und wie gut und
nachhaltig der im Laufe des Wochenendes vom Atlantik übergreifende
Hochdruckeinfluss Fuß fassen kann.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Der Fokus der Warntätigkeit liegt klar auf der Passage ex-Kirk. Die Zugbahn und
Intensität des Sturms sind zwar (noch) nicht so richtig klar, dass er aber über
Deutschland ziehen soll und weit mehr als ein laues Lüftchen wird, darin sind
sich die Modelle einig. Demnach kommt es am Mittwoch zunächst nur auf einigen
Mittelgebirgsgipfeln und föhnbedingt in den Hochlagen der Alpen zu Sturmböen
(Bft 9). In der Nacht zum Donnerstag nimmt der Wind dann auch in tiefen Lagen
des Westens und Südwestens Fahrt auf und am Donnerstag muss an der Südflanke des
Tiefs verbreitet mit Sturmböen (Bft 8-9), in Kernnähe mit schweren Sturm- bis
orkanartigen Böen (Bft 10-11) und dort exponiert sowie auf den Bergen auch mit
Orkanböen (Bft 12) gerechnet werden. Am Freitag gibt es an der Ostsee noch
„Nachwehen“ in Form von letzten Sturmböen (Bft 8-9), ansonsten beruhigt sich das
Wetter.
Neben dem Wind könnte auch der Regen ein Thema werden, der am Mittwoch und
Donnerstag wohl vor allem im Westen und Nordwesten teils kräftig und länger
anhaltend ausfällt. Regional sind dabei 20 bis 40 l/qm in 12 bis 24 Stunden
möglich.
Bleiben noch die Gewitter, die am Mittwoch über der Mitte und dem Norden sowie
in der Nacht zum und am Donnerstag mit Durchzug des Sturmtiefs vereinzelt
auftreten können.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS(-EPS), ICON(-EPS), GFS(-EPS), MOSMIX
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Tobias Reinartz