S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 03.10.2024 um 10.30 UTC

Zunächst ruhiges, vorübergehend sehr mildes Wetter. Zur Wochenmitte
Kaltfrontpassage mit geringer Gewitter- und Dauerregengefahr. Nach Wochenmitte
große Unsicherheiten durch „Ex-Kirk“; schwere Sturmlage nicht ausgeschlossen!

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 10.10.2024

Zu Beginn der Mittelfrist (Sonntag/Montag, 6./7. Oktober) befindet sich
Deutschland zwischen einem Cut-Off-Tief über dem Balkan und einem
hochreichenden, kräftigen Sturm- und Zentraltief knapp westlich von Irland, das
allmählich Kontakt mit einem Trog über Nordskandinavien und dem Nordmeer
aufnimmt. Damit ergibt sich ein langgestreckter Trog, dessen leicht positiv
geneigte Achse von Sibirien und der Barentssee bis zur Iberischen Halbinseln
reicht. Vorderseitig stützt Warmluftadvektion ein Rücken, der über Deutschland
langsam ostwärts schwenkt und zunächst für Absinken sorgt. Er stützt ein ins
östliche Mitteleuropa abziehendes Zwischenhoch. Die Westhälfte kommt später
bereits auf die Trogvorderseite, die Frontalzone greift in Form einer wellenden,
schleifenden Kaltfront mit schauerartigem Regen wahrscheinlich bereits über. Vor
allem im Südwesten besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit für Stark- oder
Dauerregen. Davor setzt mit der niedertroposphärisch auf Süd drehenden Strömung
die Advektion warmer subtropischer Luftmassen ein, die die Temperaturen auf 850
hPa auf 9 bis 15 °C ansteigen lässt. Die höchsten Werte werden am Alpenrand
erreicht, wo vorübergehend Südföhn aufkommt (schwere Sturmböen auf den
Alpengipfeln, stürmische Böen in anfälligen Föhntälern). Auch in höheren
Mittelgebirgslagen frischt der Südwind auf, Sturmböen dürften aber auf
exponierte Gipfel beschränkt bleiben. Ob es vor der Kaltfront zu einer
Labilisierung kommt, durch die einzelne Gewitter ermöglicht werden, ist
fraglich.

Am Dienstag und Mittwoch (8./9. Oktober) nimmt der sich über dem mittleren
Nordatlantik in ein außertropisches Tief umwandelnde Hurrikan „Kirk“ zunehmend
Einfluss auf das Wettergeschehen, auch wenn zunächst nur indirekt.
Vorderseitige, kräftige Warmluftadvektion „schüttet“ das hochreichende
Zentraltief über Westeuropa zu. Der Trog bleibt aber insgesamt erhalten und mit
seiner Hauptachse quasi stationär, da er durch einen kräftigen Kaltluftvorstoß
über dem Nordmeer auf seiner Rückseite regeneriert wird. Ex-Hurrikan „Kirk“
gliedert sich diesem Trog an und nähert sich dem Kontinent. Wie genau er mit dem
Trog interagiert und welchen Weg er am Ende einschlägt, ist schon alleine
aufgrund der Unwägbarkeiten rund um seine „Extratropical Transition“ (E.T.) noch
unklar. Deutschland bleibt trogvorderseitig in einer südwestlichen
Höhenströmung, in der ein kurzwelliger Anteil nordostwärts gesteuert wird.
Dieser stützt das durch „Kirk“ stark in Mitleidenschaft gezogene Zentraltief,
das sich über die Britischen Inseln und die Nordsee nach Skandinavien verlagert.
Dadurch bekommt die Kaltfront Schub und schwenkt mit Regenfällen ostwärts.
Sowohl präfrontal, als auch in der postfrontal einfließenden kühleren Meeresluft
(T850 auf rund 5 °C absinkend) sind einzelne Gewitter möglich.

Nach Wochenmitte wird die Vorhersage, bedingt durch „Kirks“ E.T. extrem unsicher
(siehe Konsistenzbetrachtung und Modellvergleich). Ob, und wenn ja, in welcher
Form „Ex-Kirk“ unmittelbar auf Deutschland Einfluss nimmt, lässt sich noch
überhaupt nicht sagen. Erfasst er Deutschland als ausgewachsenes Sturmtief oder
nur als flache Frontalwelle/Randtief oder gar nicht? Da der Trog über
Südwesteuropa Abtropftendenzen zeigt, tut er sich schwer, auf Deutschland
überzugreifen. Neben latenter Sturmgefahr durch „Ex-Kirk“ könnte es durch die in
der Südwestströmung schleifende Frontalzone auch zu kräftigen Niederschlägen und
Dauerregen kommen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Dienstag kann dem IFS eine relativ gute Konsistenz
bescheinigt werden, wenngleich bereits gewisse Timingunterschiede im Hinblick
auf die von Westen übergreifende Kaltfront sichtbar werden. Im jüngsten IFS-Lauf
von 00Z kommt die Kaltfront etwas zügiger und weiter nach Osten voran als in den
Vorläufen. So oder so besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit für einzelne,
markante Gewitter und Stark- oder Dauerregen im Südwesten.

Schon dabei macht sich der Einfluss des sich über dem Nordatlantik in ein
außertropisches Tief umwandelnde Hurrikan „Kirk“ indirekt bemerkbar. Diese sog.
„Extratropische Umwandlung“ führt im weiteren Verlauf ab Wochenmitte für große
Unsicherheiten, sodass kaum Aussagen über den Wetterablauf möglich sind.

Die beiden gestrigen IFS-Läufe rechneten „Ex-Kirk“ noch über Nordwesteuropa.
Dadurch hätte sich nach einer kurzen Trogpassage wieder eine milde bis warme,
teils windige aber nicht stürmische Südwestlage eingestellt. IFS-00Z von heute
Morgen dagegen lässt „Ex-Kirk“ als ausgewachsenes Sturmtief am Donnerstag zur
Deutschen Bucht ziehen. Das hätte zumindest in der Nordwesthälfte schweren
Sturm, an der Nordsee sogar Orkan zur Folge.

Das scheint aber mit Blick auf die anderen Modelle eine Extremlösung zu sein,
siehe Modellvergleich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Dienstag gibt es zwischen den vorliegenden Modellen keine
wirklich nennenswerten Diskrepanzen, die das beschriebene, grundlegende
Vorhersagekonzept ins Wanken bringen könnten.

Doch danach gibt es, wieder bedingt durch die Unsicherheiten rund um „Kirks“
Umwandlung, teils gewaltige Unterschiede.

ICON lässt „Ex-Kirk“ als flache Welle verkommen, die schon am Mittwoch über
Süddeutschland ostwärts zieht. Das würde zwar keinen Sturm, dafür aber teils
ergiebigen Dauerregen nach sich ziehen. Am ehesten GFS-00Z und GEM-00Z haben
eine annähernd vergleichbare Lösung mit einem recht intensiven Randtief über der
Nordsee, allerdings erst am Freitag.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS sind bis Mittwoch relativ eng gebündelt. Der
deterministische Lauf folgt der Memberschar. Bei der Temperatur zeigt sich ein
gut definierter „Warmluftbuckel“ und auch das Geopotenzial steigt zunächst
leicht aber sukzessive an (Rücken). Der Temperatur- und Geopotenzialpeak wird im
Westen am Montag, im Osten am Dienstag erreicht, danach setzt ein Rückgang ein
bei gleichzeitig aufkommenden Niederschlagssignalen (Trog- und
Kaltfrontpassage).

In der zweiten Wochenhälfte nimmt die Streuung deutlich zu, sodass kaum haltbare
Aussagen getroffen werden können. Insgesamt beginnen die Einzelmember zunehmend
zu flattern bei anhaltenden Niederschlagssignalen. Im Median der Temperatur
fällt zudem ein starkes Südost-/Nordwestgefälle auf (am Freitag rund 2 °C im
Nordwesten und rund 7 °C im Südosten), was auf eine Südwestlage mit
eingelagerter Frontalzone schließen lässt.

Und noch ein Blick auf den Luftdruck, der Rückschlüsse auf „Ex-Kirk“ zulässt:
Hier sticht ein exorbitanter Spread von insgesamt bis zur 40 hPa (!) am
Donnerstag über den Britischen Inseln und rund um die Nordsee ins Auge. Die
Unsicherheiten sind also gewaltig. Der Median liegt in etwa bei 985-990 hPa. Mit
unter 970 hPa liegt der deterministische Lauf am untersten Ende der Range. Somit
ist die Lösung des IFS-00Z-Laufes auch im hauseigenen EPS eine Extremlösung und
mit Vorsicht zu genießen, wenngleich ein Sturmintermezzo durchaus im Bereich des
Möglichen liegt.

FAZIT:
Die Mittelfrist startet am Sonntag und zu Beginn der nächsten Woche mit noch
meist ruhigem und vorübergehend auch sehr mildem Wetter. Eine Kaltfrontpassage,
die sich teils schleifend mit geringer Dauerregen- und Gewittergefahr bis
Wochenmitte vollziehen dürfte, leitet dann aber den nächsten sehr unbeständigen
Wetterabschnitt ein. In der zweiten Wochenhälfte sorgt die außertropische
Umwandlung des Hurrikans „Kirk“ und dessen Interaktionen mit den anderen
außertropischen Strukturen für große Unsicherheiten. „Ex-Kirk“ könnte(!) einen
unmittelbaren Impact auf Deutschland haben, das aber sowohl als sehr
niederschlagsträchtige Frontalwelle als auch als ausgewachsenes Sturmtief.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Bis Wochenmitte ist die Gefahr markanter Wettererscheinungen insgesamt eher
gering. Ein geringes Dauerregenpotenzial besteht mit der schleifenden Kaltfront
am Montag und Dienstag im Südwesten. Zudem können sowohl vor als auch hinter der
bis Wochenmitte ostwärts durchziehenden Kaltfront einzelne Gewitter auftreten.
Viel Labilität steht zwar sicherlich nicht zur Verfügung, vor allem in der
Warmluft sind aufgrund des erhöhten Gehaltes niederschlagbaren Wassers und der
mäßigen Scherung markante Entwicklungen (Sturmböen/lokaler Starkregen) aber
nicht ganz ausgeschlossen.

Nach Wochenmitte (Mi/Do) liefert der EPS-EFI bereits Hinweise auf ungewöhnliche
oder gar extreme Windgeschwindigkeiten in einem breiten, vom Ostatlantik bis
nach Südwest- und Westeuropa reichenden Sektor. Dabei handelt es sich um das
Sturmfeld von „Ex-Kirk“, das im weiteren Verlauf auch Deutschland erfassen
könnte. Die Wahrscheinlichkeiten seitens des IFS-EPS sind aufgrund der großen
Unsicherheiten bezüglich der Entwicklung noch gering und stark verwaschen.
Immerhin werden aber für die Nordwesthälfte flächig Wahrscheinlichkeiten von 30
% für Sturmböen (Bft 9) simuliert, an der Nordsee sogar für schwere Sturmböen
(Bft 10), was durchaus schon ein ernstzunehmendes Signal für eine drohende
Sturmlage ist.

Ähnlich unsicher ist die Sache im Hinblick auf die weitere
Niederschlagsentwicklung. Trogvorderseite/Südwestlage mit eingebetteter
Frontalzone riecht ein bisschen nach üppigen Niederschlägen, wirklich
nennenswerte Wahrscheinlichkeiten für Dauerregen tauchen aber (noch!) nicht auf.

Basis für Mittelfristvorhersage
Bis Mittwoch IFS, danach Modell-Mix; MOS-Mix

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser