S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.09.2024 um 10.30 UTC

Erst wechselhaft, dann vorübergehend stabiler. Nächte kälter, im Nordwesten
teils leichter Frost in Bodennähe. Alpenrand zeitweise mäßige Stauniederschläge.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 06.10.2024

Insgesamt recht ruhig/gelassen gleiten wir nun in den Herbst, wobei das Wort
„Frost“ zumindest für den Bearbeiter der heutigen Mittelfrist nun zum ersten Mal
seit dem vergangenen Frühjahr wieder in einen Vorhersagetext eingebaut werden
muss.

Die Ausgangslage ist weiterhin eine eher diffuse.

Der Polarwirbel in der Stratosphäre, zwar noch nicht ein direkter Taktgeber des
Geschehens, doch sicherlich schon mal im Hinterkopf behaltend weist momentan die
niedrigsten zonal gemittelten Zonalwinde bei rund 60 Grad Nord auf, die
innerhalb der ERA5 Klimatologie zum Monatswechsel September/Oktober beobachtet
wurden (10 hPa). Dieser Wert soll sich zwar im Verlauf der Mittelfrist etwas
erholen, doch ein agiler „spin-up“ sieht anders aus. Viel in diese Beobachtung
braucht man noch nicht hineinzuinterpretieren, doch was ebenfalls auffällt:
neben einem sehr zurückhaltend agierenden Polarwirbel in der Stratosphäre ist
auch der Wirbel in der Troposphäre recht inaktiv, was auch durch zahlreiche
polnahe positive Anomaliezentren im Geopotenzialfeld hervorgehoben wird. Dies
äußert sich durch eine negative NAM/NAO, was auch für die Ensemblevorhersage
gilt. Oder anders ausgedrückt: viel „Zug“ ist momentan nicht in der
mittleren/oberen Atmosphäre, sondern eher ein Stillstand der Wellenzüge (bezogen
auf den atlantisch-europäischen Sektor).

Schaut man sich die Globalbilanz des Impulshaushaltes an, so erkennt man zwar
einen leichten, wohl vom tropische Sektor forcierten Anstieg, der jedoch mit
Abebben der jüngsten Madden-Julian Oszillation wieder zurückgehen dürfte, wobei
die Ensemblevorhersage vom CFS dies jedoch mit einer erheblichen Streuung der
Member andeutet. Man kann davon ausgehen, dass die aktuell rege tropische
Aktivität wenigstens zeitweise mit diesen Phasen interferiert und die Vorhersage
somit deutlich unsicher werden lässt.

Rein von den Vorhersagen der niederfrequenten planetaren Oszillation würde die
jüngste Regressionsvorhersage der 200 hPa Strömung eine umfangreiche zyklonale
500 hPa Anomalie erwarten lassen, die sich von Kanada bis nach Grönland
erstreckt und uns zwischen hohen Anomaliewerten über dem Nordostatlantik und
Nordrussland stecken würde (ergo: NAO+). Davon ist innerhalb der
Ensemblevorhersage u.a. von GEFS/IFS-ENS jedoch wenig zu sehen (ENS wenigsten
mit geringen Ausschlägen einiger Member zu NAO+). Doch wieso blickt man bei den
vorhergesagten Anomaliezentren des 500 hPa Geopotenzials auf Konstellationen,
die man gerne einige Monate später erblicken möchte, u.a. eine kräftige
Blockierung über Grönland?

Der Grund ist der, dass hier weitere Signale überlagernd und dominanter wirken,
was in der jüngsten Tendenzanalyse der globalen Impulsbilanz auszumachen ist:
polwärts wandernde positive Tendenzwerte mit negativen Werten im Norden fördern
weit nördlich ansetzende Blockierungslagen. Welche Signale nun diese Tendenz
hervorrufen kann sicherlich nicht durchweg nachvollzogen werden, was jedoch
gesagt werden kann ist, dass ggf. eine konstruktive Interferenz zwischen Tropen
und der „high-latitude“ Blockierung zum Ende der Mittelfrist eine umfassende
Blockierung über dem Nordostatlantik forcieren könnte.
Diese Interferenz würde in Form eines tropischen Systems stattfinden, das
innerhalb der Numerik bereits recht homogen westlich der Kanaren entwickelt und
dann in Form eines kräftigen Hurrikans polwärts in Richtung Frontalzone gelenkt
wird. Die numerischen Signaturen deuten auf ein langlebiges und großes
tropisches System hin – solche Art von Stürmen, deren langlebiger und kräftiger
divergenter Outflow und einhergehende negative PV-Advektion jeglichen polseitig
liegenden Keil stützen würde. Im Zusammenspiel mit einer bereits vorhandenen
Grönlandblockierung fällt es somit nicht schwer sich das Ergebnis auszumalen
(Blockierung der Frontalzone). Wenig überraschend weist sowohl der Werdegang des
Hurrikans, wie auch eine optionale außertropische Umwandlung (ET) erhebliche
Diskrepanzen innerhalb der Numerik auf. Aktuell sieht es nach einer deutlichen
Vergrößerung des außertropischen Wellenzugs aus, der in der Folge auch
Mitteleuropa beeinflussen würde. Diese Unsicherheiten entwickeln sich besonders
zum Ende der Mittelfrist.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass zum Beginn der Mittelfrist die Unsicherheiten
zwar gering aussehen, wir jedoch weiterhin das Dilemma haben, das wir aus der
Kurzfrist „mitschleppen“: ein viel zu warmer Nordostatlantik sorgt auch
weiterhin für sehr agile Tiefdruckgebiete, die teils vermehrt warme
Kernsignaturen aufweisen und raschen Intensitätsschwankungen unterworfen sind.
Agile Konvektion mit entsprechender latenter Wärmefreisetzung sind zudem ein
Garant für fortwährende Anpassungen der Druckanomalien innerhalb der Numerik
(inklusive einem aktiven Einbinden tropischer Reste von ISAAC). Zusätzlich
beschäftigt Mitteleuropa die Mittelfrist über auch noch ein Abtropfprozess, der
von Natur aus eher mit numerischen Problemen einhergeht. Summa summarum wird es
also sicherlich fortwährende Anpassungen/Veränderungen innerhalb der Mittelfrist
geben, die besonders zum Ende des Vorhersagezeitraums auch erheblich ausfallen
können.

In der heutigen Mittelfrist (Mittwoch, den 02. Oktober bis zum Sonntag, den 06.
Oktober) überquert uns zunächst ein Trog (inklusive Abtropfen) zum zentralen
Mittelmeer, bevor wir zum Ende der Mittelfrist auf die Vorderseite eines
umfangreichen Langwellentroges gelangen (Resultat des tropischen Einflusses).

Der Mittwoch wird unter Trogeinfluss ein sehr wechselhafter Tag, nur im Norden
hält sich das Nass in Grenzen. Besonders am Alpenrand sorgen Stauniederschläge
für üppig Nass (10 bis 25 l/qm in 24h), wobei jedoch die Historie/Geometrie des
Tiefs/Troges (ehemals seichter warmer Kern und somit umfangreiche
Mischluftschleppe) die Schneefallgrenze bei rund 2000 m halten sollte (ggf.
etwas darunterfallend).

Am Donnerstag/Nacht zum Freitag wird der Trog ostwärts über Deutschland geführt,
wobei mit einsetzendem dominanten Geopotenzialfall über Norditalien ein
Abtropfprozess eingeleitet wird. In der noch größtenteils vorhandenen feuchten
Mischluftmasse bleibt es zunächst wolkenverhangen mit Niederschlägen, die sich
zunehmend auf die Nordstaulagen bzw. auf die Region zwischen Donau und Alpen
beschränken. Hier ist aber noch fraglich, wo über Osteuropa eine
Bodentiefzyklogenese aktiviert wird, die mittlerweile bei GFS recht westlich,
bei IFS deutlich östlicher ansetzt, allerdings im IFS-ENS noch mit einer
erheblichen Memberstreuung einhergeht. Ergo: die Unsicherheiten sind noch
erheblich. Ggf. könnten mit einer westlicheren Zugbahn mehr Niederschläge auf
Deutschland übergreifen.
Die Mengen fallen am Alpenrand mit 15-30 l/qm in 24h nennenswert aus, während es
sonst meist nur wenige Liter auf den Quadratmeter werden, in Staulagen regional
5-10 l/qm. Oberhalb von 1800-2000 m fällt inneralpin etwas Neuschnee (am
direkten Alpenhauptkamm sprechen wir in der Höhenlage (und aufwärts) wohl von
einem halben Meter oder mehr an Neuschnee). Auch 48-std. (Donnerstag/Freitag)
fallen die Mengen im Alpenstau lokal markant aus, was aus heutiger Sicht aber
nicht warnrelevant sein sollte.

An beiden Tagen sind lokal einzelne kurze Gewitter nicht ausgeschlossen. Dies
betrifft vor allem den Norden und die westliche Mitte.

Ab Freitag setzt sich dann zunehmend ein umfangreicher Keil von Westen durch und
sorgt für eine vorübergehende Wetterberuhigung. Dabei stehen dem Westen einige
freundlichere Tage bevor, während am Alpenrand und allgemein im Osten eher ein
Wolkenüberhang zu erwarten ist. Dieser fällt je nach Lage/Zugbahn des
angesprochenen Bodentiefs nach GFS ausgeprägter aus als nach IFS und besonders
im Alpenstau sowie im Stau der östlichen zentralen Mittelgebirge kann es noch
bis weit in den Samstag eher trüb mit etwas Regen bleiben. Folgt man der
Statistik, dann ist besonders das westliche Bergland auf der Sonnenseite,
während sonst für die tiefen Lagen die Hochnebelthematik noch als großes
Fragezeichen im Raum steht (abhängig von der Lage der Keilachse und dem Ausmaß
der Feuchtezufuhr aus Nordost). Wir haben nun die Jahreszeit erreicht, wo die
Grenzschichtthematik wieder verstärkt in den Vordergrund rückt.

Während der Mittelfrist muss mit keinen gröberen Windereignissen gerechnet
werden und die Höchstwerte starten bei rund 15 bis 11 Grad und erholen sich zum
Wochenende auf 18 bis 13 Grad (mit mehr Sonnenschein wäre dann auch die 20
Grad-Marke wieder ein Thema).

Die Nächte werden in der einfließenden modifizierten Polarluft besonders im
Nordwesten deutlich kälter (Minima teils bei 3 oder 4 Grad im Westen und über
der Mitte) mit etwas höheren Werten im wolkendominierten Osten und Süden.
Leichter Frost in Bodennähe ist dann besonders für den Nordwesten ein Thema, wo
insgesamt die trockenste Luftmasse liegt, die anfällig für längeres nächtliches
Aufklaren ist.

Und die erweiterte Mittelfrist? Je nach Lage des Troges wäre eine sehr milde bis
warme Vorderseite ebenso vorstellbar, wie eine wechselhafte direkte Troglage.
Die Unsicherheiten sind aber noch erheblich.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz der jüngsten Modellläufe kann mit Blick auf die großräumige
Entwicklung zunächst als gut bezeichnet werden. Dem Trog über Mitteleuropa und
dem folgenden Abtropfprozess über Italien steht somit nichts im Weg, wenngleich
es Unschärfen bei der Geometrie (genauen Lage und Form) des Troges sowie beim
zeitlichen Ablauf des Abtropfprozesses gibt.
Diese Unschärfen haben zum Ende der Mittelfrist zur Folge, dass die
Unsicherheiten deutlich zunehmen, sowohl bei der Frage, wann der Trog über dem
südlichen Mitteleuropa ostwärts abzieht, aber auch bei der Frage, wann der
nächste Trog von Westen auf Mitteleuropa übergreift. Dies gipfelt in erhebliche
Diskrepanzen u.a. mit mehr als 20 hPa Druckdifferenz zwischen den beiden letzten
IFS-Läufen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch die internationalen Modelle weisen dieselben Probleme auf. Das betrifft den
Abtropfprozess, der von GFS westlicher gezeigt wird und sich dort auch schneller
auffüllt, wie auch den nachfolgenden Trog zum Ende der Mittelfrist. Allerdings
weisen die jüngsten Läufe von IFS und GFS mittlerweile eine recht einheitliche
Linie bezüglich der Troglage auf. Knapp 20 hPa Druckdifferenz (regional) über
Nordwesteuropa, sowie ein 800 km Versatz des Hurrikans heben jedoch die
sicherlich noch zu erwartenden Diskrepanzen trefflich hervor. Erst einmal muss
klar sein, wie schnell das tropische System nach Norden vorankommt, um dann
besser abschätzen zu können, wie dieser mit dem außertropischen Wellenzug
interagieren kann.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse beginnt „blockiert“. Wenngleich die großräumigen
Wellenstrukturen über Nordwest- und Mitteleuropa recht gut erfasst werden, so
ergeben sich bereits hier erkennbare Abweichungen bei der Intensität der
jeweiligen Anomalien im Geopotenzialfeld. Dies hat auch Auswirkungen darauf,
wann genau und in welchem Umfang der Abtropfprozess über dem südlichen zentralen
Mitteleuropa induziert wird. Dies sind sicherlich u.a. auch Folgen der bereits
erwähnten agilen ((sub/außer) tropischen) Aktivität währen der Kurzfrist über
dem nordöstlichen Atlantik.

Danach nehmen die Unsicherheiten immer weiter zu mit einer Abnahme der
„Blockierung“ und einem beginnenden „negative NAO“ Überhang. Dominant sind die
positiven Geopotentialanomalien über Grönland sowie ein quasi-stationärer
Wellenzug, der nach Mitteleuropa reicht und in den Abtropfprozess mündet.

Somit kann dieser Zeitraum und der restliche in etwa wie folgt zusammengefasst
werden: Durch die Interaktion des Tropensturms mit der „high-latitude“
Blockierung über Grönland erfolgt eine Veränderung des quasi-stationären
Wellenzuges und zwar in Form eines umfangreichen Amplitudengewinns des Troges
vor den Toren Westeuropas. Dieser setzt sich wohl in der Folge dort auch mehr
oder weniger fest.
Ja, die Unsicherheiten sind erheblich, doch die Zeichen stehen auf ein recht
stationäres Wellenverhalten auf synoptischer Ebene. Sollte der Trog dann doch
noch zögerlich nach Osten gedrückt werden, stehen agilen Abtropfprozessen über
Mitteleuropa/dem zentralen Mittelmeer nicht viel im Weg. Mit dem Zusatz, dass
wir weiterhin von anormal warmen SSTs umgeben sind dürfte klar sein, worauf hier
hingezielt werden soll. Aber dies sind nur erste Anzeichen in einem, noch
möglicherweise weiteren Veränderungen unterworfenen Vorhersagezeitraums.

Die Meteogramme heben einen insgesamt milden Verlauf mit größeren nächtlichen
Amplituden hervor, wobei sich das Temperaturniveau zum kommenden Wochenende
leicht erhöht. Dabei beginnt die Mittelfrist noch wechselhaft, bevor es in der
Folge trockener wird. Alle Rauchfahnen sind gut gebündelt mit einem recht
zentral gelegenen HRES, sodass die Vorhersage insgesamt als recht sicher
angesehen werden kann. Eine rasche Spreizung der Member ist erst in der
erweiterten Mittelfrist auszumachen. Bleibt abzuwarten, ob der aktuelle spread
im Ensemble auch wirklich die Unsicherheiten abdeckt, wird doch ggf. der Input
latenter Wärme über dem Nordostatlantik nicht gut erfasst/gehandhabt.

Vom GEFS gibt es nichts nennenswert Neues/Anderes zu berichten.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Signifikante Wettererscheinungen beschränken sich auf sporadisch auftretende
markante Böen (Bft 8) entlang exponierter Küstenabschnitte der Ostsee (besonders
am Mittwoch) aus Nordost, sowie wiederholt auftretender markanter Böen auf
exponierten Alpengipfeln (Bft 8 bis 10) aus Nordwest bis West.

Am Donnerstag könnte im Stau der Alpen lokal markanter Dauerregen mit Mengen um
30 l/qm in 24h fallen. Auch 48-std. (Donnerstag/Freitag) befinden wir uns nur
lokal am untersten Bereich für markante Warnungen.

Der EFI ist ebenfalls recht inaktiv und hebt nur geringfügig den
Stauniederschlag am Alpenrand sowie etwas zu kühle Temperaturwerte am Freitag im
Westen hervor.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, MOSMIX, GEFS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy