S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 22.09.2024 um 10.30 UTC

Keine Langeweile bei den Wetterfröschen! Spätestens ab Donnerstag wartet der
Vollherbst mit allem was das Herz begehrt: Sturm, Regen und auch ein paar
Gewittern. Bis zum Wochenende erreicht uns anschließend Polarluft, dann kommen
die Freunde der Höhenkaltluft auf ihre Kosten.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 29.09.2024

Der Mittelfristzeitraum ist geprägt von einer großräumigen Umstellung der
Großwetterlage, bei der zunehmend polare Luftmassen nach Europa gelangen.
Spätestens das nächste Wochenende steht ganz im Zeichen des Herbstes. Bis dahin
erwarten uns Regen, Sturm und eventuell auch einige Gewitter. Aber zunächst von
vorne:

Der Mittwoch ist geprägt von umfassenden zyklogenetischen Prozessen über dem
Atlantik. Ein flacher Langwellentrog erstreckt sich mit seiner Hauptachse von
West- bis nach Mitteleuropa. Das Höhentiefzentrum liegt dabei vor der Nordküste
Schottlands. Bodennah gestaltet sich das Geschehen recht komplex. Ein Tief mit
mehreren Kernen liegt über Südnorwegen und Mittelschweden. Über dem Süden
England findet in ausgeprägter zonaler Strömung eine Sturmtiefentwicklung statt.
Dabei bilden sich gleichzeitig entlang der recht markant ausgeprägten
Temperaturgradienten mehrere Randtiefs aus, ebenfalls alle in die zonale
Höhenströmung eingebettet und damit relativ flott unterwegs. Der Jet erreicht
über dem Atlantik im Kern Geschwindigkeiten von über 150 kt.
Deutschland liegt in dieser Konstellation trogvorderseitig in südwestlicher
Strömung. Damit geht großskalige Warmluftadvektion einher, die sich insbesondere
über dem Süden bemerkbar macht. Dort steigen die Temperaturen im 850 hPa-Niveau
bereits auf über 10°C, wobei auch eine leichte Föhnkomponente unterstützend
wirkt. Im Rest des Landes ist die Luftmasse mit etwa 7°C mäßig temperiert.
Insgesamt neigt die Höhenströmung zum Flattern, zudem nimmt der bodennahe
Druckgradient im Tagesverlauf. Das führt zu einigen Schauern im Nordwesten sowie
zu spürbar auffrischendem Wind in Küstennähe und im Bergland bis hin zu
stürmischen Böen. In der Nordwesthälfte ist dabei der ein oder andere Schauer
mit von der Partie. Dass diese auch mal elektrisch (also mit Blitz und Donner)
daherkommen, ist auch nicht völlig auszuschließen.
In der Nacht zum Donnerstag zieht der gesamte Tiefdruckkomplex weiter
nordostwärts. Dabei kommt das Sturmtief von der englischen Küste nun über der
Nordsee zu liegen. Daran gekoppelt ist ein weit nach Süden ausgreifender
Bodentrog, in dem gleichzeitig auch der Warmsektor des Tiefs eingelagert ist.
Durch diesen Warmlufteinschub labilisiert die Luftmasse in mittleren Höhen.
Dadurch und in Kombination mit dem Frontensystem selber kommt es im Westen zu
kräftigen und teils gewittrigen Starkregenfällen in Form von abgehobener
Konvektion. Besonders verstärkt werden diese durch eine eingebettete Randwelle,
die für zusätzlichen Hebungsantrieb sorgt.

Im Laufe des Donnerstags überquert uns diese erste Front und liegt dann im
weiteren Verlauf über dem Schwarzwald und den Alpen. Dort sorgt sie für weitere
kräftige Niederschläge, die durchaus bis in den markanten Mengenbereich für
Dauerregen reichen könnten. Gerade der Schwarzwald ist bei solchen Lagen
prädestiniert für hohe Regenmengen. Zurück zum Tiefkomplex: Rückseitig spielt
nun zunehmend ein zweites Randtief für uns eine Rolle. Dieses kommt bis dato
noch als relativ offenes Frontensystem – fast schon wellenartig – daher. Es
schließt sich aber rasch und zieht als nun abgeschlossenes Tief bis in die Nacht
zum Freitag über den Norden Deutschlands etwa entlang der Küste hinweg. Die
Verstärkung hat zwangsläufig auch eine Druckgradientverschärfung zur Folge, die
neben den ganzen Niederschlägen für ordentlich Wind sorgt. An dieser Stelle wird
es nun kompliziert, denn es ist der Punkt erreicht, an dem durch das inzwischen
darüberliegende Jetmaximum und der damit enormen Höhendivergenz das Potential
für die Bildung eines Schnellläufer-Tiefs besteht, die Formen einer rapiden
Zyklogenese aufweisen könnte. Genau das wird auch durch während des Schreibens
dieses Textes neu hereinkommende Modellläufe gezeigt. Natürlich sind die
Unsicherheiten diesbezüglich enorm, sollte aber aufgrund des Unwetterpotentials
trotzdem im Auge behalten werden. Sollte dieses Szenario nämlich so eintreffen,
reden wir im Binnenland von Orkanböen bis hin in den extremen Bereich (>140
km/h). Letztlich wird man wohl aber erst kurz vor Eintreffen genügend Klarheit
haben, wohin die Reise geht. Aber auch unabhängig davon gibt es genügend Wind.
Sturmböen an der Küste und im Bergland dürften wohl recht sicher sein, im
Landesinneren gibt es sicher auch die ein oder andere Bft 8. Die genaue
räumliche Verteilung hängt aber noch empfindlich an den genauen Tiefzugbahnen.

Auch der Freitag ist weiter von der anhaltenden Sturmsituation geprägt. Der Kern
des verantwortlichen Sturmtiefs liegt mittlerweile über Schweden und Finnland.
Der Druckgradient bleibt aber vor allem im Norden weiter aufrecht erhalten, wo
der Wind auch zunehmend auf nordwestliche Richtung dreht (sonst Südwest).
Auffällig ist ein zurückhängender Bodentrog, der mit einem weiteren Randtief in
Verbindung steht. An dieses Randtief ist eine zweite Kaltfront geknüpft, die
sich auch bereits über dem Nordwesten befindet. Dort sinken die Temperaturen in
850 hPa bereits auf nur noch knapp über 0°C, während sie im Südosten immer noch
bei etwa 7°C liegt. Bis in die Nacht zum Samstag überquert uns auch diese
Kaltfront. An den Durchgang des zugehörigen Bodentrogs ist ein großräumiges
Windmaximum geknüpft, sodass wohl ziemlich verbreitet Sturmböen auftreten
werden. Insgesamt hält diese Situation aber wohl nur einige Stunden an, zum
Abend und bis in die Nacht sollte der Wind dann zumindest im Landesinneren
deutlich abflauen, sieht man vom Bergland ab.
Nach dem Durchgang des Troges mit der Kaltfront fließt zunehmend polare
Meeresluft ein. Durch die kräftige Kaltluftadvektion baut sich dabei rückseitig
rasch ein ausgeprägter Hochdruckkeil auf, wodurch vor allem in der Nordhälfte
des Landes der Bodendruckgradient noch nicht gleich abgebaut wird und noch
anhaltend für Wind bzw. Sturm insbesondere entlang der Küste sorgt.

Der Samstag steht ganz im Zeichen der eingeflossenen Kaltluft. Es stellt sich
eine Nordwestlage ein, die zunächst noch zyklonal konturiert ist. Neben
anhaltend stürmischem Wind an der Küste kommt es verbreitet zu zahlreichen
Schauern und einzelnen Gewittern in der zur Labilisierung neigenden Kaltluft.
T850 liegt nun bei etwa 0 bis 3°C, T500 bei etwa -26°C. An diese Schauer und
Gewitter sind Wind- und Sturmböen geknüpft, die in Kombination mit den nun
kühleren Temperaturen von höchstens noch um 15°C für Herbstgefühle sorgen.

Auch am Sonntag halt die Zufuhr der Polarluft weiter an. Diese gerät aber nun
immer schneller unter Hochdruckeinfluss. In dessen Folge nimmt die Schauer- und
Gewittertätigkeit deutlich ab. Dafür nehmen die Sonnenanteile im Wechsel mit
vorhandener Quellbewölkung wieder zu. Niederschläge fallen kaum noch. In der
weiteren Folge zeigt sich mit der ostwärtigen Verlagerung der Keilachse und dem
weiteren Abbau des Hochdruckgebietes ein Trend zur Erwärmung, der aber aufgrund
der allmählich voranschreitenden Jahreszeit mittlerweile recht zögerlich
ausfällt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Umstellung auf herbstliche Witterung steht quasi fest und wird schon seit
Tagen so gezeigt. Große Schwierigkeiten bereitet dagegen die Art und Weise der
Umstellung. Die im Text beschriebene Sturmtiefentwicklung ist synoptisch extrem
komplex und bereitet gerade der gröberen IFS-Numerik große Probleme. Jeder
Modelllauf birgt dahingehend neue Überraschungen sodass es heißt, bis weit in
den Kurzfristbereich die Entwicklung zu beobachten. Wahrscheinlich stehen bis
dahin noch einige Modellsprünge ins Haus.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch die weiteren Globalmodelle bleiben von den für IFS beschriebenen Problemen
nicht verschont. Es zeigen sich aber immer wieder Hinweise für das Auftreten
intensiver, kleinräumiger Orkantiefentwicklungen, sowohl in der Deterministik
als auch in der Probabilistik. Dass sowohl UK10 (00 UTC) als auch ICON (06Z) in
den heutigen Läufen derartige Szenarien zeigen, sollte als Vorsichtssignal
dahingehend verstanden werden, dass die Lage intensiv gemonitort werden muss,
ohne schon ins Konkrete gehen zu können. Insgesamt bleibt zu sagen, dass die
Entwicklung insgesamt ausgesprochen sicher erscheint, im Detail aber noch sehr
große Diskrepanzen vorhanden sind, die noch nicht aufgelöst werden können.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen zeigen sich bezüglich Temperatur und Geopotential recht
einmütig. Unsicherheiten über den generellen Ablauf der kommenden Woche sind
kaum vorhanden. Fraglich ist diesbezüglich eigentlich nur, wie schnell sich der
Erwärmungstrend nach dem Temperaturminimum am nächsten Wochenende durchsetzt.
Die Unklarheiten bezüglich der Sturmtiefentwicklung lassen sich dabei kaum
ablesen, allerdings sind die Rauchfahnen und Tubes dafür auch kein geeignetes
Mittel.

Die GFS-ENS zeigen die gleichen Szenarien, deswegen sind weitere Ausführungen
dazu nicht nötig. Auffällig ist, dass der 00Z-Hauptlauf im ENS einen sehr warmen
Ausreißer in der erweiterten Mittelfrist darstellt.

Die Cluster zeigen sich im Vergleich zu gestern deutlich einheitlicher. Bis
t+96h gibt es nur zwei Cluster, die sich nur marginal unterscheiden. Darüber
hinaus gibt es bis t+196h gar nur ein einziges Cluster, welches den allmählichen
Durchzug des Langwellentroges zeigt ohne nennenswerte Diskrepanzen. Darüber
hinaus gibt es dann aber große Uneinigkeit im Bereich der erweiterten
Mittelfrist. Gleich sechs verschiedene Cluster, die am Ende sämtliche Regime von
+NAO bis Blocking abdecken, lassen nur noch Rätselraten zu, zumal auch die
Anzahl der Member relativ gleichverteilt ist.

Fazit:
Der Übergang zum Vollherbst ist erstmal eingetütet. Allerdings könnte der Weg
dahin von bösen Überraschungen gesäumt sein. Die gesamte Sturmtiefentwicklung,
die am Mittwoch einsetzt, ist extrem komplex und von hoher Dynamik geprägt.
Nicht auszuschließen, dass uns in Form von rapider Zyklogenese und eines
Schnellläufers Unheil droht. Klarheit darüber wird man erst im Laufe der
nächsten Woche haben. Neben Sturm gibt es aber auch noch einiges an Regen und
mitunter auch Gewittern. Das nächste Hoch ist dann ab nächstem Wochenende in
Sicht, das aber bei deutlich kühleren Temperaturen als jetzt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Sturm:
Am Mittwoch erste Sturmböen Bft 8 an der Küste und im westlichen Bergland.
Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag verbreitet Sturmböen Bft 8 gering
wahrscheinlich. An der Küste (schwere) Sturmböen Bft 9-10 gering wahrscheinlich,
vereinzelte orkanartige Böen Bft 11 nicht ausgeschlossen. Auch im Bergland
(exponiert schwere) Sturmböen Bft 9-10 gering wahrscheinlich, bis hin zu nicht
auszuschließenden Orkanböen auf dem Brocken. Am Freitag im Bergland und an der
Küste anfangs noch Sturmböen Bft 8-9, zeitweise auch verbreiteter bis in tiefe
Lagen nicht ausgeschlossen.
Am Samstag an der Küste noch geringe Wahrscheinlichkeit für Sturmböen.

Stark- und Dauerregen:
In der Nacht zum Donnerstag geringe Wahrscheinlichkeit für mehrstündigen
Starkregen von der Eifel bis zur Pfalz.
Am Donnerstag und Freitag im Schwarzwald und an den Alpen geringe
Wahrscheinlichkeit für 24- bis 36-stündige markante Regenmengen von über 30
l/qm. Im Hochschwarzwald ergiebiger Dauerregen (Unwetter) nicht ausgeschlossen.

Am Freitag an der Nordsee geringe Wahrscheinlichkeit für mehrstündigen
Starkregen von 20 bis 30 l/qm.

Gewitter:
Am Mittwoch einzelne Gewitter mit Böen bis Bft 8 nicht ausgeschlossen.
Am Freitag in der nördlichen Hälfte einzelne Gewitter in Verbindung mit Böen Bft
8-9 nicht ausgeschlossen, an der Nordsee zusätzlich mit wiederholt auftretendem
Starkregen.
Am Samstag einzelne Gewitter mit Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-IFS+ENS, GFS+ENS, ICON+ENS, UK10, COSMO-LEPS

VBZ Offenbach / M.Sc. Felix Dietzsch