SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 13.09.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Ergiebiger Dauerregen im Südosten und Teilen Sachsens und in den Alpen (> 1500
m) mäßiger, in Staulagen auch starker Schneefall, windig.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Aktuell … kann ich den Ausführungen meines Vorredners vom heutigen Morgen kaum
etwas hinzufügen. Jetzt heißt es monitoren und sofern nötig die Warnlage
anpassen. Auch was die Synoptik betrifft sind die Modelle doch recht konsistent
unterwegs, sodass sich im Vergleich zur Frühübersicht keine signifikanten
Abweichungen ergeben.

Bodennah ist Mitteleuropa zum Schauplatz der Luftdruckspiele geworden. Zum einen
haben wir den mächtigen REINHOLD, der eine ausgeprägte Hochdruckzone vom
Atlantik bis in die Nordsee und Westdeutschland aufspannt und auf der anderen
Seite wirbeln die Tiefs ANETT I und II von Mittel- und Süditalien bis nach
Polen. Über der Osthälfte Deutschlands, Polen, Tschechien, der Slowakei und
Österreich treffen die gegensätzlichen Strömungen aufeinander und induzieren
eine stramme nördliche Grundströmung. Dabei strömt maritime Polarluft ein und
lässt Deutschland sowie die Nachbarstaaten bei Temperaturen in 850 hPa von -1
bis +7 Grad auskühlen.

Doch die bodennahen Druckgebilde sind nicht alleine in der Arena. Von oben
mischt auch noch ein Höhentief gewaltig mit, welches sich von der Höhenströmung
abkoppelt und über der Adria und dem Balkanraum seine Kreise ziehen soll. Dieses
Höhentief induziert eine Tiefdruckzone und stützt somit schließlich die Tiefs
von ANETT. Dabei sorgt es zudem für einen ordentlichen Hebungsimpuls.

Damit aber eine extreme Dauerregenlage entsteht, müssen viele Parameter
zusammenkommen. Neben den signifikanten Hebungsimpulsen durch das Höhentief
schaffen es ANETT I und II feuchtwarme Mittelmeerluft herumgeholt nordwärts zu
schieben, wo sie dann auf die maritime Polarluft prallt. Zusätzlich induziert
auch die Orografie bei der strammen Strömung stärkere erzwungene Hebung. Das
Resultat sind kräftige und länger anhaltende Niederschläge, die Deutschland nur
am Rande betreffen und vor allem in Österreich, Tschechien und Südwestpolen
unter Wasser setzen. Hierzulande haben die Niederschläge vom östlichen Alpenrand
bis zur Neiße (Südost- und Ostbayern sowie Sachsen und Südost Brandenburg)
eingesetzt und erfahren in der Nacht eine weitere Intensivierung. Entsprechend
wird vom Alpenrand bis ins Passauer Land und dem Bayerischen Wald sowie in
Teilen Sachsen und Südbrandenburgs markanten, teils ergiebigem Dauerregen
gewarnt, in Staulagen sind durchaus auch extreme Mengen möglich. Insgesamt
liegen die Regenmengen hierzulande aber deutlich unter den Maxima in den
südöstlichen Nachbarstaaten.

Durch das Einfließen der maritimen Polarluft und das Absinken der Temperatur
sinkt auch die Schneefallgrenze. Schon tagsüber fiel teils bis in Höhen von 800
bis 1000 m Schnee und verwandelte die Umgebung sehr früh im Jahr in eine
Winterlandschaft. In der Nacht und am Dienstagmorgen kann bei steigender
Niederschlagsintensität (Niederschlagsabkühlung) sogar noch weiter runter gehen.
Ob und wie weit ins Tal sich eine signifikante Schneedecke ausbilden kann liegt
aber auch am Bodenwärmestrom. Denn die Böden sind noch sehr warm und versuchen
den fallenden Schnee rasch zu tauen. Interessant wird es aber oberhalb von 1500
m, wo die Lufttemperatur teils schon frostig ist und kühlend wirkt. Dort werden
markante, oberhalb von 2000 m teils auch unwetterartige Neuschneemengen
erwartet.

Neben dem Regen und Schnee tanzt auch der Wind auf der Party mit. ANETT hat
Schwung und lässt die Bäume wackeln. In den östlichen und südöstlichen
Mittelgebirgen sowie den Alpen fegen stürmische Böen oder Sturmböen, exponiert
auch schwere Sturmböen den Regen oder die Schneeflocken durch die Luft. In
tiefen Lagen sind im Südosten Bayerns und in Sachsen sowie an der Ostsee
auflandig steife Böen zu erwarten.

Samstag … löst sich das kleine Tief über Osttschechien auf und übergibt den
Staffelstab an die Tiefs über dem Balkanraum und die Regionen westlich des
Schwarzen Meeres. Diese nehmen in der Folge richtig Fahrt auf und ziehen als
Kombi Richtung Polen und Tschechien. Bis die Tiefs jedoch dort eintreffen, geht
den Hebungsimpulsen hierzulande vorübergehend etwas die Kraft aus. Zunächst
klingen die Niederschläge in Sachsen und Brandenburg weitgehend ab, in der Folge
lassen diese auch in Bayern nach bzw. ziehen sich an die Alpen zurück. Doch die
Ruhepause ist kurz, denn schon am Sonntag kommt Nachschub. Dazu gleich mehr. Am
Samstag bleiben in der ersten Tageshälfte die Bedingungen zur Nacht
vergleichbar. Vom Alpenrand bis nach Sachsen und die Neiße dominiert der Regen,
in höheren Lagen der Alpen der Schnee. Doch wieviel Niederschlag wird den
simuliert? Dazu ein kurzer Überblick in die betroffenen Regionen. In Deutschland
sind demnach je nach Modell vom östlichen Werdenfelser Land bis zum
Berchtesgadener Land sowie dem östlichen Bayerischen Wald bei 80 bis 160
l/qm/48h die höchsten Niederschlagsmengen zu verzeichnen. Diese werden von der
Probabilistik mit Wahrscheinlichkeiten von 70 bis 100% für mehr als 90 l/qm/48h
gestützt. Daran anschließend wird vom Allgäu bis zum Bayerischen Wald ein
Streifen mit 30 bis 80 l/qm/48h gezeigt, vom Bodensee bis nach Ost- und
Nordostbayern sollen dann noch rund 10 bis 40 niedergehen. Die unwetterartigen
Mengen im ersten Streifen korrelieren mit Wahrscheinlichkeiten von 40 bis 100%
für Mengen über 60 l/qm/48h. In Sachsen prognostizieren die Modelle vor allem am
östlichen Erzgebirge sowie Teilen Südostsachsens Mengen von 50 bis 80 l/qm/48h,
die mit Wahrscheinlichkeiten von 20 bis 60% für mehr als 60 l/qm/48h im
Verhältnis stehen. Sonst sind in Ost- und Südsachsen sowie dem äußersten Süden
Brandenburgs 20 bis 50 l/qm/48h zu erwarten, die von 20 bis 80% gestützt werden.
Weiter westlich vom Westsachsen bis in die Regionen östlich von Berlin sind noch
5 bis 20 l/qm/48h möglich. Beim Blick zu unseren Nachbarn zeigt dann ganz andere
Größenordnungen. Dort werden bis Montagmorgen von Österreich über Tschechien und
den Westen der Slowakei bis nach Südpolen recht verbreitet 80 bis 200, regional
bis 300 und lokal bis 400 l/qm simuliert. Dabei könnte Wien zur Wasserhochburg
werden. Neben den Niederschlägen hierzulande kann es also auch durch die
Hochwasserwellen aus den Nachbarstaaten im Umfeld von der Oder und Neiße
kritisch werden. Auch die Elbe ist nicht außen vor, steht aber im Vergleich zur
Oder etwas hinten an. In den Hochlagen der Alpen kann auch der Schnee zum
Problem werden. In recht kurzer Zeit sollen oberhalb von 1500 m 50 bis teils
über 100 cm Neuschnee fallen. Aufgrund der warmen Böden sind Gleitschneelawinen
vorprogrammiert. Die noch zahlreichen Touristen im Alpenraum sollten also
besondere Vorsicht walten lassen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag … ist das Höhentief schon über den Westen Rumäniens angekommen. Die
korrelierenden Bodentiefs wirbeln dabei weiter von Südpolen bis nach Rumänien
umher. Auf deren Nordflanke macht sich schließlich feuchtwarme Luft westwärts
auf den Weg. Resultierend greifen teils kräftige Aufgleitniederschläge von
Polen, Tschechien und Österreich auf Brandenburg, Sachsen und Bayern über.
Aufgrund der recht langsamen Verlagerung sowie orografischer Hebung sind in
Ostsachsen und evtl. auch im äußersten Südosten erneut Dauerregenwarnungen
nötig. Vor allem in Ostsachsen und dem östlichen Brandenburg würde4n diese
Niederschläge zudem mit den Hochwasserwellen interagieren und somit einen
höheren Impact bedeuten. Da die Temperaturen langsam steigen und in 850 hPa
schon wieder 0 bis 8 Grad erreichen, steigt auch die Schneefallgrenze wieder an.

In meinen Ausführungen habe ich nun weite Teile des Landes abseits des Regens
völlig vernachlässigt. Dort ist aber weitgehend das Hoch REINHOLD am Zug, der
seinen Einflussbereich bis Montag sogar von Westeuropa bis nach Nordeuropa
ausweiten kann. Unter Absinken soll es bei einem freundlichen und teils sonnigem
Wettercharakter weitgehend trocken bleiben. Erst in der Nacht zum Montag können
die Niederschläge aus dem Osten unter Abschwächung auch die Mitte erreichen.
Zudem gelangt das Nordseeumfeld in den Bereich eines kleinen, hochreichenden
Tiefs über der Nordsee, sodass sich vom Emsland und Ostfriesland bis nach
Schleswig-Holstein schauerartiger Regen ausbreitet. Der Wind weht wie an den
Vortagen allenfalls in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen und den
Alpen signifikant mit stürmischen Böen oder Sturmböen. Sonst sind im Osten
einzelne steife Böen Bft 7 nicht ausgeschlossen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die verschiedenen Global- und auch Regionalmodelle simulieren die Geopotential-
und Luftdruckverteilung bis Montag vergleichbar. Resultierend werden auch die
Niederschlagsschwerpunkte konsistent abgebildet. Allenfalls bei der Intensität
und nachfolgend der absoluten Niederschlagsmaxima gibt es geringe Abweichungen.
Insgesamt kann aber modellübergreifend von einer homogenen und konsistenten
Vorhersage der Extremwetterlage ausgegangen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel