SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 12.09.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Von Ostsachsen bis zu den Alpen Dauerregen bis in den Unwetterbereich, in den
Hochlagen der Alpen markanter Schneefall. Regenmengen flächig 40 bis 60 l/qm bis
in den Sonntag, an den Alpen um 100 l/qm, in Staulagen der Alpen bis 140 l/qm.
In den Hochlagen der Alpen werden bis zum Sonntag meist 20 bis 50 cm Neuschnee,
in den Berchtesgadener Hochalpen bis 100 cm erwartet.

In den Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge und der Alpen (und auch
auf dem Brocken) Sturmböen, mitunter auch schwere Sturmböen oder orkanartige
Böen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines vom Nordmeer bis
zum westlichen bzw. zentralen Mittelmeer reichenden Langwellentroges. Seine
Achse liegt dabei im Bereich der Westgrenze Deutschlands. Da der Trog gegen ein
massives Fennoskandisches Hoch anläuft, kommt er kaum nach Osten voran. Im Laufe
der Nacht schreitet ein Abtropfprozess voran, der bis zum Morgen für ein
abgeschlossenes Höhentief über den Seealpen und dem daran östlich anschließenden
Piemont sorgt. Das Höhentief ist dabei über eine Geopotentialrinne mit dem
nördlichen Residuum über dem Nordmeer verbunden. In diese Schwachstelle schiebt
sich ein dem Langwellentrog folgender Höhenrücken, und das steigende
Geopotential kräftigt auch das zugehörige Bodenhoch (REINHOLD). Dieses greift in
der Folge weiter nach Osten aus, die 1015er Isobare schafft es in der Nacht von
der West- zur Ostgrenze Deutschlands, während im Westen in der Frühe die 1020er
Isobare aufläuft. Der o. e. Abtropfprozess induziert an der Trogspitze im
erweiterten Golf von Genua eine Zyklogenese (Tief ANETT, int. BORIS). Das neu
entstandene bzw. entstehende Tief bildet im Anschluss den westlichen Schwerpunkt
einer Tiefdruckrinne, die sich über Oberitalien ostwärts zieht und bis in den
nördlichen Balkan hineinreicht. Insbesondere in der zweiten Nachthälfte sorgt
ein kurzwelliger Troganteil des inzwischen Abgetropften Höhentiefs auch über dem
südöstlichen Mittleeuropa für Druckfall. Damit greift das Tief von Kroatien auch
nordwärts nach Ungarn und in die Slowakei aus, so dass sich die Form eines
Bumerangs ergibt (Golf von Genua – Adria – Kroatien – Ungarn). Die Entwicklungen
im östlichen Teil der gekrümmten Rinne erinnern ein wenig an die Verlagerung
eines Vb-Tiefs.

Neben dem angesprochenen Hoch ist für unser Wetter auch noch ein Nordmeertief
bzw. dessen Front von Bedeutung. Letztere zieht sich, nimmt man die
Äquivalentpotentielle Temperatur als Maßstab, von Skandinavien über Zentralpolen
bis nach Ungarn, wo sie Verbindung zum Bumerang-Tief aufnimmt. An bzw. westlich
der (Ana-)Front kommt es zu Aufgleitprozessen, wobei an der Nordostflanke des
abtropfenden bzw. abgetropften Höhentiefs von Südosten her feucht-warme
Mittelmeerluft auf die nach Deutschland eingeflossene Kaltluft geschoben wird.
Die Kaltluft selbst macht sich u.a. in den 850er Temperaturen bemerkbar. Sie
liegen über Deutschland durchweg zwischen 3 °C und 0 °C. Da diese Werte über der
Nordwesthälfte am Abend noch mit Höhenkaltluft von bis zu -27 °C interagieren,
kann hier und da, insbesondere mit diabatischer Unterstützung im Nordseeumfeld,
eine kurze elektrische Entladung in einem Schauer nicht ausgeschlossen werden,
Starkregen oder stürmische Böen sind nicht ausgeschlossen, in die Nacht hinein
geht deren Wahrscheinlichkeit aber rasch weiter zurück.

Deutlich spannender bleibt es dagegen im Südosten. Dort grooven sich Starkregen
und in den Hochlagen Schneefall ein, dazu kommt ein auf den Alpengipfeln
zunehmend stürmischer, aber auch in den übrigen Hochlagen lebhafter Wind. Für
die Nacht werden an den Alpen und vom Berchtesgadener Land bis in den südlichen
Bayrischen Wald Niederschlagsmengen um 10, lokal auch bis 15 l/qm avisiert, die
aktuell bei etwa 1500 m liegende Schneefallgrenze soll vom Berchtesgadener Land
bis zum Werdenfelser Land vorübergehend auf gut 1000 m sinken. Da der
Bodenwärmestrom einiges an Schnee wegpuffern kann, werden oberhalb 1000m wohl
nur – wenn überhaupt – bis 5 cm Neuschnee zusammenkommen, in höheren Lagen ab
1500 m können es aber auch 10 cm sein, mit steigender Höhenlage auch mehr. Mit
größerem Abstand von den Alpen werden die Niederschlagsmengen geringer, da die
Unwetterlage aber bis in den Sonntag anhalten wird, kann die Entwicklung der
Nacht dort gerne als Vorgeplänkel aufgefasst werden. Synoptisch betrachtet
resultieren die Niederschläge aus einer Staukomponente (niedertroposphärisch
nördliche Anströmung der Alpen) und einer Aufgleitkomponente an der Nordflanke
des Bumerangtiefs. Da das Tief sich südöstliche von uns kräftigt und nach Norden
ausgreift, andererseits aber von Westen der Druck zunimmt, verschärft sich
insbesondere über dem Südosten der Gradient (und damit auch wiederum nieder-
bzw. mitteltroposphärisch die nördliche Anströmung gegen die Alpen). In den
Hochlagen der Alpen oberhalb von etwa 1500 m kommt es zu Sturmböen, und in den
Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge frischt der Wind böig auf,
aber ohne dass er warnwürdig werden würde.

Im Rest des Landes verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig, die Schauer klingen
im Binnenland, wie schon oben erwähnt, tagesgangbedingt rasch ab. Lediglich im
Nordseeumfeld sorgt das relativ warme Oberflächenwasser für weitere
schauerartige Regenfälle, kurze Gewitter nicht ausgeschlossen, allerdings ist
die Luftmasse aufgrund etwas ansteigender 500 hPa-Temperatur hochreichend nicht
mehr so labil wie noch am Tage, so dass die Schauer weniger intensiv ausfallen.
Vor allem vom Südwesten/Westen über die Mitte bis in den Nordosten bleibt es
teils gering bewölkt, so dass dort die Tiefstwerte zwischen 7 und 2 Grad liegen
sollten, in höheren Mittelgebirgstälern auch noch etwas darunter. Im Nordwesten
bleibt es etwas milder, an der Küste mit zweistelligen Minima.

Freitag … verlagert sich das Cut-Off-Tief Richtung nördliche Adria/Kroatien,
das korrespondierende Bodentief erreicht abends mit einem Kerndruck von knapp
1005 hPa den Westen der Slowakei. Über Westeuropa erreicht der Höhenrücken die
Britischen Inseln und das Bodenhoch kann sich weiter verstärken, im Tagesverlauf
weist es eine geschlossene 1030 hPa-Isobare etwa über dem Westausgang des
Ärmelkanals bzw. über der Bretagne auf. Da sich auch über dem östlichen
Mitteleuropa der Druckfall fortsetzt, verschärft sich der Gradient in allen
Höhenlagen und es stellt sich über dem Ostalpenraum sowie über Tschechien, der
Slowakei und Südpolen eine markante Gegenstromlage ein mit südöstlichen
Höhenwinden und kräftigem Nordwest- bis Nordwind in der unteren Troposphäre. Auf
den Alpen- und eventuell auch auf den Erzgebirgsgipfeln reicht das im späteren
Tagesverlauf sogar für warnrelevante Böen (Bft 8 bis 9, auf exponierten
Alpengipfeln nach Osten zu sogar für Bft 10). Mit der kräftigen Anströmung
verstärkt sich auch noch zusätzlich die Staukomponente an den Alpen, im Weiteren
auch die Staukomponente am Erzgebirge.

Entsprechend intensivieren sich dort die Niederschläge und weiten sich auch noch
etwas nach Westen aus. Im Vorhersagegebiet sind zunächst der Süden und Südosten
Bayerns, später dann auch Ostsachsen sowie eventuell noch der Süden Brandenburgs
betroffen. Dort lassen die Niederschläge schon im Laufe des Samstags wieder
nach, während sie im Süden bis weit in die Nacht zum Sonntag hinein andauern, so
dass in Bayern eine etwa 48- bis 60-stündige Dauerregenlage ins Haus steht.
Aktuell simulieren die Modelle von Freitagfrüh bis Sonntagfrüh vom Allgäu bis
zur Niederlausitz und südöstlich davon 40 bis 60 l/qm, unwetterartige Mengen
zwischen 60 und 90 l/qm in 48 Stunden werden am Alpenrand östlich des Allgäus
sowie im östlichen Alpenvorland, mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit bis
nach Niederbayern und zum Bayerischen Wald sowie in Ostsachsen simuliert, im
Chiemgau und Berchtesgadener Land stehen sogar mehr als 100 l/qm auf der Agenda

  • die entsprechenden Warnungen laufen. Allerdings gilt es zu beachten, dass die
    Schneefallgrenze vor allem ab Freitagabend bzw. der Nacht zum Samstag bis
    Samstagvormittag am Alpenrand zeitweise auf 1000 m, je nach Intensität sogar
    noch etwas darunter sinkt. Somit wird ein Teil der Niederschläge zunächst einmal
    in fester Form gebunden, so dass sich eine extreme Unwetterwarnung für den
    ostbayerischen Alpenrand nicht unbedingt aufdrängt. Erforderlich (und ebenfalls
    schon ausgegeben) ist eine markante Schneefallwarnung für Lagen oberhalb von
    1500 m. Oberhalb von 2000 m fallen bis in die Nacht zum Sonntag nach Osten zu
    sogar mehr als 1 Meter Neuschnee. Der nasse Schnee könnte in tieferen Lagen
    aufgrund von Schneebruch problematisch werden, allerdings betrifft das in den
    Bayerischen Alpen mangels Infrastruktur nur sehr wenige Regionen.
    Größer ist der Impakt hingegen durch die noch deutlich intensiveren
    Niederschläge weiter östlich. Vor allem der Norden und Osten Österreichs,
    Tschechien, die Westslowakei und der Süden Polens sind mit Mengen weit jenseits
    der 100 l/qm, in Staulagen sogar bis an die 300 l/qm bis zum Sonntag betroffen.
    Entsprechend sind dort nicht nur großflächigere Überschwemmungen zu erwarten,
    die ansteigenden Pegel der Flüsse (in erster Linie Elbe und Oder) könnte auch
    für das Vorhersagegebiet problematisch werden.

Im Rest des Landes passiert wettertechnisch wenig. Im Bereich des Trogresiduums
bleibt die Luftmasse über dem Westen des Landes leidlich labil geschichtet, so
dass es mit dem Tagesgang bis in die mittleren Landesteile erneut für einzelne
Schauer reicht, die Wahrscheinlichkeit für Gewitter ist aber noch geringer als
am Vortag. Der Wind frischt mit zunehmenden Gradienten und Tagesgang aus
Nordwest bis Nord auf, ist aber auch an den Küsten wohl nicht warnrelevant. Vor
allem im Nordwesten und Westen kann sich auch häufiger die Sonne durchsetzen,
während die Aufgleitbewölkung teilweise bis in die mittleren Landesteile reicht.
In 850 hPa bewegen sich die Temperaturen zwischen -1 Grad am Alpenrand und +3
Grad in der Mitte, entsprechend werden Höchstwerte zwischen 12 und 17 Grad
erreicht, an den Alpen, im Alpenvorland und am Erzgebirge zwischen 7 und 10
Grad, in den Alpentälern um 5 Grad.

In der Nacht zum Samstag wandert unser Cut-Off-Tief allmählich ostwärts Richtung
Bosnien-Herzegowina/Nordserbien, beim Bodentief bleibt es bei einer
rinnenförmig-gebogenen Kontur mit mehreren eingebetteten Drehzentren, es soll
sich Samstagfrüh vom Südosten Polens über die Westukraine und Rumänien bis nach
Bulgarien erstrecken, wobei es sich kaum auffüllt.
Das Bodenhoch arbeitet sich samt 1030 hPa-Kernisobare allmählich nach
Nordfrankreich vor. Somit dauern Aufgleit- und Staulage weiterhin unvermindert
an, wobei sich der Gradient noch etwas verschärft und entsprechend auch die
Niederschläge vor allem in der zweiten Nachthälfte intensivieren. In den
Hochlagen von Alpen und Erzgebirge gibt es Sturm- auf exponierten Gipfeln auch
schwere Sturmböen (eventuell auch orkanartige Böen) aus Nord bis Nordwest, auf
dem Brocken reicht es eventuell ebenfalls für Sturmböen, an der vorpommerschen
Ostseeküste vielleicht für steife Böen. Abgesehen von den Niederschlägen
verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig. Auch im Nordseeumfeld sind bei
zunehmendem Hochdruckeinfluss höchstens noch unergiebige Schauer zu erwarten,
sonst bleibt es trocken, örtlich bildet sich Nebel. Dabei werden ähnliche
Tiefstwerte wie in der Vornacht erwartet.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC

Samstag … wandert das Höhentief zögerlich nach Osten, das Bodentief südöstlich
von Deutschland beginnt erst in der zum Sonntag sich nennenswert aufzufüllen. Da
der Höhenwind mehr auf Nordost dreht und damit die Aufgleitprozesse schwächer
werden, lassen auch die Niederschläge nach. Dies gilt in erster Linie für den
Osten Sachsens, in Bayern halten in den betroffenen Gebieten die Regen- und
Schneefälle bis in den Sonntag an. Diese Einschätzung unterscheidet sich kaum
von den Vorläufen, bezüglich der genauen Verteilung der Niederschlagsfelder und
deren Intensität gibt es von Lauf zu Lauf aber noch Anpassungen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die unterschiedlichen Modelle simulieren die anstehenden Abläufe sehr ähnlich.
Es herrscht, bei kleineren Unterschieden in der räumlichen Verteilung und den
Intensitäten der Niederschläge (und, über die Schneefallgrenze, deren Phase)
Einigkeit über Dauerregen bis in den Unwetterbereich im Südosten, über kräftige
Schneefälle in den Hochlagen der Alpen und auch über zunehmenden Wind bis hin zu
schweren Sturmböen in den Hochlagen des Südostens.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas