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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 07.09.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Good bye summertime – krasser Wetter- und Luftmassenwechsel mit sonntäglicher
Ouvertüre. Ab dem Abend von Süden bis in die Mitte ausweitend teils ergiebige,
von Gewittern begleitete Regenfälle (Unwetter).

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … – die Rede ist vom bundesligafreien Samstagnachmittag – gestaltet
sich das Deutschlandwetter ruhig und gediegen, als könnte damit kein Wässerchen
getrübt werden. Unter dem Motto „hochsommerlicher Spätsommer“ scheint von den
Alpen bis zu den Küsten von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen die Sonne von einem
wolkenlosen oder nur mit feinen Cirren garnierten Himmel. Dazu Temperaturen um
oder über 30°C bzw. hoch in den Zwanzigern. Es wird nicht wenige unter uns
geben, die sich wünschen, dass das endlos so weitergeht. Tja liebe Freunde des
Hochsommers, und genau da sind wir nun an einem Punkt angekommen, wo von euch
Tapferkeit gefordert ist und von uns Tacheles geredet werden muss. Von wegen
„endlos so weitergehen“. Nix ist, von morgen ab gehtŽs bergab, und wenn man sich
den Verlauf der kommenden Woche so anschaut, dann ist das nicht nur ein
einfacher Wetterwechsel, nein, ohne Übertreibung kann hier von einem
regelrechten Paradigmenwechsel gesprochen werden. Doch der Reihe nach.

Heute Abend sind die Protagonisten der aktuellen Großwetterlage noch alle
weitestgehend an ihrem angestammten Platz, den sie quasi seit Tagen innehaben:
Auf der einen Seite das Hoch QUENTIN mit Zentrum über Westrussland, wo aus es
weite Teile Fennoskandiens bis hinüber zur Norwegischen See überdeckt. Auf der
anderen Seite das Höhentief dicht vor Frankreich, das sich gerade in Bewegung
gesetzt hat in Richtung Ärmelkanal, um diesen ostwärts zu überqueren. Ausgehend
vom Hauptdrehzentrum erstreckt sich ein gut definierter Randtrog gen
Zentralfrankreich, wo in den Diagnosefeldern ein ausgeprägtes PVA-Maximum zu
finden ist. Komplettiert wird das Bild vom Bodentief YONCA, das unter leichter
Intensivierung ebenfalls den Kanal ansteuert. Die zugehörige Kaltfront
interagiert z.Zt. noch äußerst fruchtbar mit dem Randtrog respektive dem
PVA-Maximum, was bei unseren westlichen Nachbarn zusätzlich zur gestrigen
bitteren Niederlage gegen die Azzurri für erhebliches atmosphärisches Aufsehen
in Form von Regenfällen und einigen kräftigen Gewittern sorgt.

In den nächsten Stunden kommt die Kaltfront mit ihrem frontalen Regenband nebst
vor- und eingelagerter Gewitter ostwärts voran, um in der zweiten Nachthälfte
auf den Westen und Südwesten des Vorhersageraums überzugreifen und zum Frühstück
die westliche Mitte zu erreichen. Auf dem Weg zu uns schwächen sich die
Niederschläge immer mehr ab, was an der zunehmend schlechteren Zusammenarbeit
zwischen Randtrog und Front liegt. Während die eine nach Osten will, zieht es
den anderen gen Norden. Das PVA-Maximum wird immer schwächer, stattdessen greift
KLA von Frankreich her über die Front hinweg über, was etwaigen Hebungsprozessen
alles andere als zuträglich ist. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob am
Ende überhaupt noch ein Gewitter auf deutscher Seite ankommt und ob lokal
irgendwo das Starkregenkriterium gerissen wird. Die Numerik jedenfalls ist
diesbezüglich zurückgehfahren.

Kurz noch der Blick in den Rest der Republik, wo der Luftdruck zwar ebenfalls
fällt, ansonsten aber noch nicht allzu viel passiert (gering bewölkt oder klar).
Die Temperatur geht landesweit auf 20 bis 11°C zurück, wobei die Chancen, noch
mal eine Tropennacht zu erleben, im Grenzbereich zu Polen sowie direkt an der
See am größten sind.

Sonntag … wird ein aus synoptischer Perspektive spannender und
hochinteressanter, vom Impact her allerdings weniger schöner Tag, wobei das
Hauptspectaculum wohl erst ab den Abendstunden über die Bühne geht. Zunächst mal
streift das Höhentief Südengland, um später via Ostausgang Kanal Hauts-de-France
respektive Belgien anzusteuern. Die korrespondierende YONCA – mittlerweile mit
einer geschlossenen 1005-hPa-Isobare ausgestattet – geht diesen Weg weitgehend
mit und landet am Ende des Tages im Übergangsbereich vom Ärmelkanal zur
südwestlichen Nordsee (Seegebiete Dover/Themse). Die zugehörige Kaltfront kommt
über Deutschland noch etwas nach Osten voran, wird dann aber aufgrund ihrer
zunehmend höhenströmungsparallelen Exposition irgendwo in der Mitte ausgebremst.
Da sie somit bis zum Abend nicht selbst vorbeischauen kann, wird eine Vorhut in
Form einer Rinne mit eingelagerter Konvergenz in den Osten und Nordosten
geschickt, die dort aber wenig ausrichten können. Zum einen fehlt jedweder
Support aus der Höhe. Zum anderen ist die dort noch lagernde Warmluft (xS/cS;
T850 um 12 UTC um 16°C) zwar leidlich instabil, aber auch furztrocken,
insbesondere in der Grundschicht sowie mitteltroposphärisch. Entsprechend wird
trotz Einstrahlung nur wenig CAPE bereitgestellt und das, was zur Verfügung
steht, ist ausreichend gedeckelt. Oder anders ausgedrückt, vom Erzgebirge bis
hoch zur Ostsee, aber auch im Osten und Südosten Bayerns scheint noch einmal
kräftig die Sonne, welche die Temperatur (ein letztes Mal in diesem Jahr?) auf
hochsommerliche 28 bis 33°C hochpusht.

Vom östlichen Drittel in die übrigen Landesteile, die im Zeichen der
ausgebremsten Kaltfront sowie dem rückseitigen Luftmassenwechsel stehen.
Postfrontal strömt ein erster Schwall subpolarer, recht stabiler und nicht
besonders feuchter (PPW teils unter 25 mm) Meeresluft in den Westen und
Nordwesten (mPs), in der T850 auf 11 bis 8°C zurückgeht. Nach Abzug des
frontalen Regenbandes lockert die Wolkendecke auf und gut iss. Dabei wird es
nicht mehr wärmer als maximal 25°C. Apropos frontales Regenband, das macht am
Vormittag nur wenig Boden nach Osten hin gut und wird dabei immer fragiler bzw.
schwächer. Allerdings deutet sich mit Unterstützung des Tagesgangs zum
Nachmittag knapp vor der Kaltfront eine gewisse Frischzellenkur an, die von der
Mitte bis in den Norden (grob Hessen/Westthüringen bis nach NDS, evtl. sogar bis
SH) für ein leichtes Aufleben konvektiver Aktivitäten in Form von Schauern und
einzelnen Gewittern sorgt. Die große Nummer scheint das zwar nicht zu werden,
trotzdem können vereinzelte Überentwicklungen von Starkregen bis 20 l/m²
und/oder Böen 7-8 Bft begleitet werden.

Richtig interessant wird es ab dem Spätnachmittag/Abend im äußersten Süden und
Südwesten. Zum einen befinden sich dort noch feuchte (PPW über 30 mm) und
einigermaßen labil geschichtete Warmluftreste (der Luftmassenaustausch ist bei
weitem nicht so klar wie im Westen und Nordwesten). Zum anderen greift
vorderseitig eines über Frankreich ostwärts schwenkenden Randtrogs mit der
diffluenten südlichen Höhenströmung ein PVA-Gebiet von der Schweiz und
Ostfrankreich über, das einen veritablen Hebungsantrieb bietet. Etwa vom
Hochrhein/Bodenseeraum bis hinüber zum Allgäu sowie etwas nördlich davon geht es
los mit schauerartig verstärkten, teils heftigen Regenfällen und einigen
kräftigen Gewittern mit Hang zur Verclusterung. Ohne an dieser Stelle zu viel
mit Zahlen zu jonglieren, was sowieso oft genug in die Hose geht, können binnen
kurzer Zeit (wenige Stunden) und räumlich eng begrenzt durchaus bis zu 30, im
worst case vielleicht bis zu 50 l/m² zusammenkommen. Allerdings sei darauf
hingewiesen, dass die deutsche Modellkette zusammen mit UK10 nach wie vor die
progressivsten Szenarien im Katalog haben.

Während bei der abendlichen Niederschlagsintensität noch Spielraum besteht, kann
es als gesichert angesehen werden, dass sich im östlichen Alpenvorland ein
orografisch induziertes flaches Tief bildet. Dieses zieht noch vor Mitternacht
mit rund 1005 hPa im Tank nach Tschechien und nimmt dabei Fühlung zur o.e. Rinne
über dem Osten und Nordosten unseres Landes auf. Westlich dieses langen
„Schlauches“ setzt sich auf der kalten Seite der Front eine west- bis
nordwestliche Strömung durch, die zwischen 900 und 800 hPa südliche Richtungen
dreht. Und schon ist sie geboren, die Gegenstromlage par excellence. Zur Nacht
hin weiten sich die Starkregenfälle mit eingelagerten Gewittern nordwärts in
Richtung Mitte aus bzw. werden weiter nördlich in einem schmalen postfrontalen
Streifen neu aktiviert. In einem nach Süden hin relativ breiten, nach Norden hin
immer schmaler werdenden Korridor, der am Ende etwa von bayerisch
Schwaben/Oberschwaben und dem Alpenvorland über Oberfranken und die drei
MDR-Bundesländer bis hoch nach SH und Mecklenburg reicht, kommt es zu hybriden,
weil teils konvektiv, teils skalig motivierten Regenfällen mit eingelagerten
Gewittern. Die deutsche ICON-Kette bleibt auch nach dem 12-UTC-Lauf ihrer
progressiven Linie in puncto Starkregen treu. Betrachtet man das 12h-Zeitfenster
bis 06 UTC, werden die Spitzen (40 bis 50 l/m², lokal drüber) gebiets- oder
sagen wir fast schon strichweise von bayerisch Schwaben über Oberfranken und das
zentrale Thüringen bis hoch ins östliche NDS erwartet. Damit ist ICON gegenüber
dem Vorlauf etwas zurückgerudert und hat das Maximum geringfügig nach Osten
verschoben. Dass das im Hinblick auf Intensität und Raum noch nicht das letzte
Wort war, besteht zu befürchten.

Während es bis zum Morgen im äußersten Osten und Nordosten noch weitgehend
trocken bleibt, ziehen mit Annäherung des o.e. Randtrogs neue, vereinzelt
gewittrige Schauer in den äußersten Westen und Südwesten.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … behalten die in der Frühübersicht beschriebenen grundlegenden
synoptischen Abläufe weitgehend ihre Gültigkeit. Das heißt mitnichten, dass auch
der Wetterablauf schon gänzlich eingetütet ist. So ist immer noch unsicher, wie
stark sich das via westliche Ostsee nach Südskandinavien ziehende Tief
entwickelt. Für die Windverhältnisse an der Ostsee essenziell. Auch steht noch
nicht fest, wie viel Regen im trockengeplagten Osten und Nordosten runterkommt.
Sehr wahrscheinlich wird er aber mehr Segen als Fluch sein, selbst wenn irgendwo
das Starkregenkriterium überschritten wird.
Sicher ist der Temperatursturz, der uns zu Wochenbeginn nur noch 17 bis 23°C
maximal auf die Thermometer bringt. Womit bei weitem noch nicht das Ende der
Fahnenstange erreicht ist. Na denn „Prost Mahlzeit“!

Modellvergleich und -einschätzung

Das Problem sind weniger die allgemeinen Abläufe, die den bevorstehenden
Wetterwechsel bestimmen. Problematisch sind die Auswirkungen, in diesem Fall
speziell die Niederschläge: eher konvektiv, eher skalig (sehr wahrscheinlich
beides), dazu die Frage nach Raum und Intensität. Alles Fragen, deren Antworten
noch mit Unsicherheiten behaftet und einiges an Konjunktiv versehen sind. Hoffen
wir gerade im Hinblick auf ein solides Warnmanagement auf mehr Kongruenz in den
folgenden Modellläufen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann