S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.09.2024 um 10.30 UTC

Launisches Höhentief von Westen => unbeständig mit Gewittern und Regenfällen,
gebietsweise höhere Mengen möglich. Noch große Prognoseunsicherheiten. Sicher:
Zurückgehende Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 11.09.2024

Es gibt Tage im Leben eines Mittelfristmeteorologen, da kriegt man schon morgens
eine eindeutige Modellvorlage, die man dann nur noch runterschreiben und in
einen hundsnormalen Wetterbericht umsetzen muss. Konsistenz gut, Modelle
ähnlich, Ensembles eng, ja, solche Tage gibt es. Es gibt aber auch Tage – und
damit wären wir am heutigen Mittwoch angelangt -, wo man sich am liebsten gleich
mit anderen Themen beschäftigen würde, weil die mittelfristige Prognose
schlichtweg unangenehm ist. Am heutigen Tag der Currywurst wäre eine mögliche
Alternative schnell gefunden, aber Currywurst am Morgen ist auch
gewöhnungsbedürftig. Also doch Mittelfrist, wobei eines gleich vorwegzuschicken
wäre: hochgradig unsicher (vor allem in puncto Niederschlag und Konvektion) =>
viele Allgemeinplätze.

Steigen wir ein am kommenden Samstag, an dem die Welt noch einigermaßen in
Ordnung ist, auch wenn schon erste Unschärfen am Horizont auftauchen.
Protagonisten auf der großräumigen Wetterkarte sind ein blockierendes Hoch mit
Zentrum über dem Westen Russlands, dem ein abgetropftes Höhentief (HT) über der
Biskaya gegenübersteht. Dieses korrespondiert mit einem Bodentief, das seine
Fühler bis in den Vorhersageraum ausstreckt. Dort trifft es auf eine zumindest
nach Lesart von IFS vergleichsweise barotrope Subtropikluft (T850 um 15°C, nur
im äußersten Süden etwas darüber), die an diesem Tag weder besonders labil noch
überbordend feucht ist. Hinzu kommt in der Höhe ein schwacher Potenzialrücken,
der sich vom zentralen Mittelmeer über die Alpen hinweg aufwölbt. Das alles
erklärt, warum die Numerik nur wenige Schauer und Gewitter simuliert. In den
meisten Landesteilen bleibt es trocken und sehr warm bis heiß mit viel
Sonnenschein.

Am Sonntag beginnt das „Leiden“, wobei sich das o.e. Höhentief als casus
knacksus herausstellt. Offensichtlich handelt es sich um ein sehr launisches
Filou, das nicht so recht weiß, was es will. Wie heißt es so schön in der
Meteorologie, die Wege des Herrn und von Höhentiefs sind unergründlich.
Unstrittig ist, dass das HT französisches, konkret bretonisches Festland
okkupiert. Unklar ist allerdings, ob es danach einen glatten Ostkurs (90°) oder
eher einen Ost-Nordost-Kurs oder gar einen Ost-Südostkurs einschlägt. Klar ist,
dass sich die Bodentiefdruckzone rinnenförmig verstärkt und die die Warmluft
gegenüber Samstag angefeuchtet wird. So nimmt die Wahrscheinlichkeit für
schauerartig verstärkte Regenfälle und teils kräftige Gewitter von Westen und
Südwesten zu, wobei sich die Hauptaktivität aber erst in der Nacht zum Montag
abzeichnet. Nimmt man die 24-stündige Niederschlagsprognose verschiedener
Modelle bis Montag früh, wird schnell deutlich, wo das Problem liegt. Fast jede
Variante hat fette Schwerpunkte im Portfolio (gebietsweise über 50 l/m²), die
aber gänzlich unterschiedlich positioniert sind: IFS sieht den Oberrhein vorne
(den meisten Regen aber französischer Seite), ICON Niedersachsen, UK 10
Mecklenburg und GFS gar nichts (insgesamt wenig Regen).

Am Montag verlagert sich das HT (IFS-Variante) Richtung Westalpen, wo es sich
splittet. Ein Kern zieht südlich des Alpenhauptkamms entlang, der zweite steuert
die zentrale Mitte Deutschlands an (Dienstag 12 UTC). Von dort schwenkt es noch
ein kleines Stück nordostwärts, bevor es unter Konturverlust als Randtrog in die
Zirkulation eines weiteren Höhentiefs knapp nördlich von Schottland einbezogen
wird, der sich am Mittwoch gen Ostsee verabschiedet. Das korrespondierende,
rinnenartige Bodentief dreht sich über Deutschland ein, wobei die Längsachse von
zonal in meridional wechselt. Insbesondere in den westlichen Landesteilen soll
es am Montag und Dienstag zu schauerartig verstärkten, teils länger andauernden
Regenfällen und einzelnen starken Gewitter kommen, wobei der meiste Niederschlag
allerdings auf französischer und belgischer Seite fallen soll (gebietsweise 100
bis 200 l/m² innert 48 h). Zum Vergleich: Gestern lag das 48-h-Maximum wenn auch
mit etwas geringerem Volumen über Süddeutschland (wo es GFS heute ebenfalls
sieht). ICON favorisiert im gleichen Zeitraum den Nordwesten (vor allem Nordsee
und Peripherie), während UK10 auf den Nordosten setzt. Fakt ist, dass die
höchsten Regenmengen an den Flanken des Höhentiefs aufzutreten scheinen, wo die
Advektionsprozesse am stärksten ausfallen. Die Frage ist nur, wo genau zieht das
HT lang und wie ist es geometrisch konfiguriert.

Beenden wir die Spekulationen mit einer Tatsache, die da lautet: Es wird kühler.
So wickelt sich um das Tief herum eine maritime Subpolarluft, die von Westen zu
uns reinströmt und die Subtropikluft verdrängt. Bis Mittwochabend sinkt T850 auf
nur noch 8 bis 3°C.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz von IFS (ECMF) ist derzeit alles andere als berauschend, was
genau einen einzigen Grund hat: Das unberechenbare Höhentief, das sich bis zum
Wochenende über der Biskaya tummelt (darüber herrscht Konsens), um danach einen
Ostkurs einzuschlagen. Und genau da liegt der Haken. Jeder Modelllauf simuliert
die Zugbahn sowie die Konfiguration des Höhenstiefs anders, was vor allem große
Auswirkungen auf das Niederschlagsgeschehen bei uns in Deutschland, aber auch in
den Nachbarstaaten zur Folge hat. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die anderen
Globalmodelle wie weiter oben mehrfach angedeutet jeweils unterschiedliche
Szenarien im Portfolio haben, so dass am Ende eigentlich nur eine Erkenntnis
bleibt: Wetter ist nicht vorhersagbar!
Ein bisschen was lässt sich aber trotzdem mitnehmen, wenn auch nur in Form von
Allgemeinplätzchen. So bleibt der Witterungscharakter unbeständig mit weiteren
Regenfällen und Gewittern, deren Intensität nach einem vergleichsweisen
gemäßigten Wochenende zunimmt. Die Temperatur nimmt hingegen ab. Nach einem sehr
warmen bis heißen Wochenende sinkt das thermische Niveau kontinuierlich ab. Wie
schnell und wie weit runter lässt sich heute aber noch nicht hundertprozentig
beantworten.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits angeklungen, haben alle Modelle das Höhentief im Programm.
Allerdings wird dessen Vita immer wieder etwas anders simuliert (siehe oben),
was am Ende einen hohen Impact auf Niederschlag und Konvektion hat. Belastbare
Prognosen mit einigermaßen akzeptablen Detailangaben sind auf dieser Basis nicht
möglich.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen repräsentativer deutscher Städte präsentieren sich bis
Sonntag ziemlich homogen und eng gebündelt. Erst danach nehmen Spread und
Niederschlagssignaldichte zu. Sowohl bei der Temperatur 850 hPa als auch beim
Potenzial 500 hPa ist aber ein klarer Abwärtstrend erkennbar, der erst nach
hinten raus begradigt wird. Der Hauptlauf bewegt sich von Montag bis Mittwoch
her am unteren Rand der Kurvenscharen. Im Norden und Westen taucht ab Mittwoch
die 0°C-Isotherme (850 hPa) in einigen Lösungen auf.

Cluster:
T+72…96h (Samstag/Sonntag) drei Stück, alle Blockierung, alle Höhentief Bretagne
(Sonntag 00 UTC).
T-120…168h (Montag bis Mittwoch) zwei Stück, beide mit Höhentief Richtung
Mitteleuropa. Aufgrund der schlechten Auflösung für unseren Raum keine
substanziellen Unterschiede erkennbar.
T+192…240 (Donnerstag bis Samstag) zwei Stück; CL 1 (28 Fälle + HL) Übergang zu
TrM (Trog Mitteleuropa => kühl und unbeständig), CL 2 (23 Fälle) TrW (Trog
Westeuropa => warm und unbeständig).

FAZIT:
Nach einem vergleichsweise ruhigen (vor allem der Samstag) und sehr warmen bis
heißen Wochenende zunehmend unbeständig mit schauerartig verstärkten, teils auch
länger andauernden Regenfällen und starken Gewittern. Starkregengefahr! Zeit-
und gebietsweise hohe Regenmengen möglich, Details aber noch sehr unsicher.
Temperaturrückgang sicher.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Auf die möglichen Gefahren, insbesondere am Montag und Dienstag, wurde ebenso
bereits mehrfach hingewiesen wie auf die großen Unsicherheiten. Kräftige
Gewitter und Regenfälle mit Stark-/Dauerregengefahr ja, Details nein. Mehr ist
hier nicht zu sagen.

Basis für Mittelfristvorhersage
Von allem was plus Intuition.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann