S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 15.08.2024 um 10.30 UTC

Nach einem möglicherweise in Teilen brisanten, im Detail aber noch sehr
unsicheren Sonntag (Starkregen/Schwergewitter) leicht wechselhaft auf gemäßigtem
bis sehr warmem Temperaturniveau.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 22.08.2024

Die heutige Betrachtung des mittelfristigen Wettergeschehens startet am Sonntag
gleich mal mit dem berühmten Griff ins Klo. Vor allem wenn man sich das Szenario
von ICON anschaut, kann einem angst und bange werden: verbreitet Regenfälle noch
und nöcher, gebietsweise richtig fett mit hohen Mengen, in der Mitte und nach
Nordosten hin mit konvektiver Unterstützung lokal über 100 l/m². Braucht kein
Mensch, hatten wir diesen Sommer zu genüge. Oder anders ausgedrückt: Es reicht!

Bevor wir hier aber gleich mit Katastrophenmeteorologie einsteigen, zunächst mal
die ganz nüchterne Betrachtung der Großwetterlage auf Basis von IFS (ECMF). Die
zeigt Deutschland am Sonntag unter einem Potenzialtrog, der sich unter
Amplifizierung von Westeuropa zu uns reingeschoben hat. Das mit der Amplitude
ist insofern wichtig, als dass der Trog nicht komplett durchschwenkt, sondern
über oder leicht südlich der Alpen Richtung Italien abtropft. Knapp vor dem Trog
befindet sich im Bodendruckfeld eine breite, meridional angeordnete
Tiefdruckrinne, der über Frankreich und Benelux der Keil des Azorenhochs
gegenübersteht. Den westlichen Rand der Rinne markiert eine schleifende, zur
Wellenbildung neigende Kaltfront, die irgendwo im Vorhersageraum verortet ist
und nur langsam südostwärts vorankommt. Präfrontal hält sich zunächst noch eine
potenziell instabile Subtropikluft, während sich rückseitig mit
west-nordwestlichem Wind eine gemäßigte und eher stabile Meeresluft subpolaren
Ursprungs breitmacht. Diese Gemengelage machtŽs dann auch kompliziert. Während
auf warmen Seite, also tendenziell im Osten und Süden, konvektiv geprägte
Regenfälle und teils kräftige Gewitter (Schwerpunkt Starkregen) den Ton angeben,
sind auf der kalten Seite (Anafront, vorübergehend Gegenstrom) ungewittrige
Regenfälle unterwegs, die aber ebenfalls das Zeug zum Starkregen haben. Und ganz
im Nordwesten könnte es sein, dass in der stabilen Meeresluft bei steigendem
Luftdruck gar nichts geht in Sachen Niederschlag.

ICON wird an dieser Stelle deswegen schon erwähnt, weil es das Modell ist, das
mit Abstand die höchsten Niederschlagsmengen auf der Karte hat. Mitgründe dafür
scheint ein deutlich intensiveres Bodentief zu sein, das Vb-artig über Teile des
Vorhersageraums sowie der östlichen Nachbarschaft nordwärts zieht
(Eindreheffekte) und zudem besser mit dem in dieser Simulation etwas langsameren
Trog interagiert. Hinzu kommen wahrscheinlich noch Luftmasseneigenschaften auf
höherem Energielevel (Wasserdampfgehalt, Labilität, fühlbarer Wärmeanteil usw.),
auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.

Stattdessen gehen wir lieber weiter auf dem Zeitstrahl, der uns an den Beginn
der neuen Woche bringt. Während sich das abgetropfte Höhentief über
Mittelitalien verdingt, steigen Luftdruck und Potenzial bei uns an. Dabei kann
sich der mit etwas über 1020 hPa belegte Azorenhochkeil immer besser in Szene
setzen, bis er spätestens in der Nacht zum Dienstag sogar zu einer
eigenständigen Parzelle mutiert. Die Front wird komplett aus Deutschland
rausgedrückt, trotzdem dauert es im Südosten bis weit in den Montag hinein, bis
der letzte Regen abgezogen ist. In den übrigen Regionen stellt sich in der
gemäßigten Meeresluft (T850 5 bis 10°C) ein wechselnd wolkiger und weitgehend
trockener Wettercharakter ein mit längerem Sonnenschein an der Küste sowie im
Südwesten.

Am Dienstag wandert das Hoch langsam gen Osten, bestimmt dabei aber größtenteils
noch unser Wetter. Dabei kann sich die eingeflossene Luftmasse diabatisch
erwärmen, so dass verbreitet die 25°C-Marke überschritten wird. Voraussichtlich
erst in den Abendstunden nähert sich von der Nordsee her der nächste Randtrog,
dem die Kaltfront eines Tiefs über dem Europäischen Nordmeer vorgeschaltet ist.
Trog und Front überqueren uns in der Nacht zum und am Mittwoch mit zeitweiligem
Regen unter allmählicher Abschwächung ost-südostwärts. Dahinter stößt sofort
wieder der nächste Azorenhochkeil vor, der ebenfalls „abtropft“ (sagt man
eigentlich nur bei Trögen, aber es sieht im Druckfeld genau so aus, wenn aus dem
Keil eine eigenständige Parzelle wird) und nach Osten wandert. Am Freitag soll
sich dann der nächste Trog mit vorlaufender Kaltfront melden, die uns dann zum
Wochenende – in welcher Form auch immer – beschäftigen sollen. Gut möglich, dass
im Vergleich zur vorherigen Passage (Wochenmitte) ein Schwall instabiler
Heißluft angezapft wird, mit der wir die nächste Schwergewitterlage zelebrieren
könnten. Dass alles allerdings noch hochgradig im Konjunktiv.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann als solide bezeichnet werden. Die Basismuster
sowie die grundsätzlichen Abläufe wiederholen sich von Lauf zu Lauf, wenn auch
mit zeit-räumlichen Unschärfen. Als Beispiel sei die von Dienstag auf Mittwoch
durchschwenkende Kaltfront genannt, die in jüngsten Läufen schneller durchgeht
und wohl nicht – wie gestern in der 00-UTC-Version simuliert – zur Wellenbildung
neigt.
Im Großen und Ganzen kann das gestrige Vorhersagekonzept beibehalten werden.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die herausragende Simulation von ICON wurde an anderer Stelle bereits gewürdigt.
Immerhin bleibt sich das Modell in den letzten Läufen insofern treu, als dass es
auf die hohen Regenmengen beharrt, wenn auch mit regional wechselnden
Schwerpunkten. Die anderen Modelle jedenfalls liegen deutlich unter den von ICON
apostrophierten Mengen, lassen dabei aber räumlich eng begrenzte
Starkregenereignisse durchaus zu.
Der weitere Verlauf der Geschichte wird von den einschlägigen Globalmodellen
sehr ähnlich geschrieben, auch wenn Timing und Konfiguration der bestimmenden
Systeme nach hinten raus unschärfer werden. Dafür, dass irgendwann mal der dann
ehemalige Tropensturm ERNESTO in unser Zirkulationssystem eingreifen soll (was
ja immer ein gewisses Überraschungspotenzial birgt), sind die numerischen
Prognosen ziemlich ähnlich.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Obwohl die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte mit zunehmendem
Zeithorizont einen immer größer werdenden Spread aufweisen, spiegeln sich die im
ersten Kapitel beschriebenen Abläufe doch sichtbar wider. Erst in Richtung
übernächstes Wochenende (erweiterte Mittelfrist) wird es so diffus, dass keine
klare Aussage mehr möglich ist.
Bei den Niederschlagssignalen sticht ganz klar der kommende Sonntag raus, wobei
einige Ensemblemitglieder deutlich über dem Vorschlag des Hauptlaufs liegen (=>
Starkregenhinweis). Nach einem weitgehend trockenen Wochenstart werden am
Dienstag/Mittwoch je nach Region neue Signale angeboten, die in puncto
Intensität meist deutlich hinter denen des Sonntags liegen.

Für den Zeitraum T+72…96h (Sonntag bis Montag) werden fünf Cluster angeboten,
von denen die ersten drei (insgesamt 37 Member + Hauptlauf) nahezu identisch
(zumindest für unseren Raum inkl. Nachbarschaft) sind. Sie alle zeigen den
Abtropfvorgang südlich der Alpen mit Zielrichtung Italien. CL 4 und 5 (14 Fälle)
unterscheiden sich insofern davon, als dass das Abtropfen nur rudimentär oder
gar nicht zu sehen ist. Das hätte zur Folge, dass Regenfälle und Gewitter etwas
schneller abziehen würden als aktuell simuliert.
Von Montag bis Mittwoch (T+120…168h) bleibt die Clusteranzahl bei fünf (übrigens
alle im Zirkulationsmuster „NAO positiv“). Der Start verläuft nahezu ident,
bevor sich in Bezug auf den nächsten Randtrog kleinere Timing- und
Konfigurationsunschärfen einschleichen.
Zwar reduziert sich die Anzahl der Cluster in der erweiterten Mittelfrist
(T+192…240h; Freitag bis Sonntag) auf drei, trotzdem wird die bei den
Rauchfahnen erwähnte zunehmende Spreizung der Kurvenscharen untermauert. So
rechnet CL 1 (20 Fälle + HL) einen ziemlich zonalen Verlauf, die an das
GWL-Muster Wa (West antizyklonal oder auch nördliche Westlage) erinnert. CL 2
und 3 hingegen (31 Fälle) sehen Mitteleuropa respektive Deutschland auf der
weitgehend antizyklonal geprägten Vorderseite eines sich über dem nahen Atlantik
etablierenden Höhentrogs. Das würde für weite Landesteile (Ausnahme
Westen/Nordwesten) sehr warme bis heiße und sonnenscheinreiche Bedingungen
bedeuten.

FAZIT:
Nach einem zumindest in Teilen des Landes möglicherweise brisanten Sonntag
(Starkregenfälle und kräftige Gewitter bis hin zu Unwettern; Detailvorhersage
noch sehr unsicher) beruhigt sich die Wetterlage, was sowohl modellübergreifend
als auch statistisch so gesehen wird. In der Tendenz stellt sich nächste Woche
ein leicht wechselhafter Wettercharakter auf gemäßigtem bis sehr warmem,
voraussichtlich aber nicht heißem Temperaturniveau ein. Weitere
Schwergewitterlagen stehen dann zumindest bis Donnerstag nicht auf dem Zettel.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

In dieser Rubrik konzentriert sich alles auf den Sonntag, was weiter oben schon
mehrfach angerissen wurde. Soeben ist der 06-UTC-Lauf von ICON eingetrudelt und
schwupps, was soll man sagen. Regentechnisch wird weiterhin mächtig getrommelt,
allerdings mit ganz anderen regionalen Schwerpunkten (jetzt auch im Nordwesten).
Es macht wenig Sinn, diese hier schon en detail zu benennen oder gar zu
filetieren in skalige und konvektive Anteile (beides wird es geben) usw. Fakt
ist, dass der Sonntag nach wie vor das Potenzial für Brisanz und Überraschungen
hat, auch wenn die externen Globalmodelle deutlich defensiver agieren. Man darf
sehr gespannt sein, wenn die hochauflösenden Modelle ins Geschehen einsteigen
und ihre Votings abgeben.

Ab Montag beruhigt sich die Lage und die Wahrscheinlichkeit für signifikante
Wettererscheinungen nimmt deutlich ab.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS und IFS, bei den Temperaturen auch MOS-Mix

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann