#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Mittwoch den 14.08.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 141800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.08.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Bis in die Nacht hinein noch gebietsweise kräftige, teils schwere Gewitter mit
Unwetterpotenzial aufgrund von (mehrstündigem) Starkregen.
Am Donnerstag lediglich im Osten und Süden noch vereinzelte kräftige Gewitter,
deutlich geringere Unwettergefahr.
Am Freitag im Süden wieder häufigere kräftige Gewitter, Unwetter aufgrund von
Starkregen möglich.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines hochreichenden
und zentralsteuerndes Tiefs mit Drehzentrum (im Bodenfeld unter 980 hPa) bei
Island unterhalb einer schwachen südsüdwestlichen Höhenströmung. Im Vorfeld hat
ein flacher Randtrog über Westeuropa inzwischen die Nordsee bzw. Frankreich
erreicht und sich dabei bis in den westlichen Mittelmeerraum ausgeweitet. Im
Laufe der Nacht tropft dieser vor der Katalonischen Küste ab, während das
nördliche Trogresiduum in mehrere kurzwellige Anteile zerfällt, von denen der
erste bis Donnerstagfrüh den Norden bzw. die Mitte des Vorhersagegebietes
ostnordostwärts überquert. Der von ihm ausgehende dynamische Hebungsimpuls fällt
zwar nur eher gering aus, sorgt aber in einigen Landesteilen für eine durchaus
unruhige Nacht.
Ursächlich dafür verantwortlich ist die sehr feuchte und potenziell instabile
Luftmasse, die sich seit gestern bzw. vorgestern innerhalb einer flachen
Tiefdruckrinne in weiten Landesteilen breit gemacht hat. Ausgenommen davon waren
bisher lediglich der äußerste Nordosten und Osten Deutschlands, aber auch das
wird sich in der kommenden Nacht vorübergehend ändern. Diese Luftmasse stammt
aus dem völlig überhitzten Mittelmeerraum und wies ursprünglich tropische
Eigenschaften auf (xT). Vielerorts erreichen auch aktuell die Taupunkte noch
Werte zwischen 17 und 23 Grad bei PPWs von 30 bis 40 mm, im Nordwesten und in
Teilen der Mitte sogar bis 45 mm.
Inzwischen hat die Rinne die Osthälfte des Landes erreicht und kommt im Laufe
der Nacht – angetrieben durch den Randtrog – etwas rascher ostwärts voran und
erreicht bereits in der zweiten Nachthälfte das deutsch-polnische Grenzgebiet,
so dass sich die instabile Luftmasse auch dort durchsetzen kann.
Aus der Nacht heraus begann der Tag im Nordwesten und Norden bereits stark
bewölkt mit teils gewittrig durchsetzen Starkregen bzw. sich in der Peripherie
neu entwickelnden Gewittern, die bzgl. Starkregen bereits am Vormittag
Unwetterpotenzial aufwiesen. Ansonsten konnte aber bei teils voller Einstrahlung
500 bis 1000 J/kg, vor allem im Süden gebietsweise mehr ML-Cape generiert
werden. Als Trigger für Auslöse galten einmal mehr die Orographie bzw. ältere,
vorübergehend inaktive Multizellenkomplexe. An einem solchen (in dem Fall ein
MCV) zündete es ab dem frühen Nachmittag im Erzgebirgsvorland, weitere Gewitter
entstanden im Laufe des Nachmittags im Südschwarzwald, im Westen und an den
Alpen bzw. im südlichen Alpenvorland. Mangels Scherung handelte es sich
überwiegend um rasch zu kleineren Multizellenkomplexen verclusternde
Einzelzellen, die sich teilweise in mehrere Richtungen ausweiteten, rückseitig
anbauten bzw. an deren Outflow Bondaries es neu zündete. Somit stand bzw. steht
Starkregen als Begleiterscheinung im Fokus, aufgrund der hohen PPWs und der
geringen Zuggeschwindigkeiten durchaus bis in den (lokal extremen)
Unwetterbereich. In „unverbrauchter“ Luftmasse waren zudem noch Hagel um 3 cm
und vor allem nach Osten zu bzw. im Süden (hohe D-Cape) Sturmböen in Betracht zu
ziehen.
In den übrigen Regionen verhinderte ein (vor allem im Südosten) recht markanter
Deckel bisher Auslöse.
Im Laufe der Nacht kommt aber mit dem Trog etwas Bewegung in die Sache. Mit dem
Trog interagiert eine schwache und wellende Kaltfront, die bis Donnerstagfrüh
den Nordwesten und Westen des Landes überquert hat und in deren Vorfeld die
Gewittertätigkeit dort noch etwas „anfacht“. Entsprechend simuliert ICON-D2 dort
die Hauptaktivität. Zwar weist die Luftmasse nicht mehr die hohen
Instabilitätswerte wie weiter östlich und südlich auf, dennoch reichen PPW und
ein wenig dynamischer Hebungsantrieb vor allem in der ersten Nachthälfte noch
für Gewitter mit gebietsweise unwetterartigem und teils auch mehrstündigem
Starkregen, am ehesten wohl im Norden von NRW sowie im südlichen Niedersachsen
(Wahrscheinlichkeiten für mehr als 35 mm in 6 Stunden örtlich über 50%, für mehr
als 60 l/qm, also extremes Unwetter, um 20%). Im Laufe der zweiten Nachthälfte
bewegt sich dieser Gewitterkomplex, eventuell auch als MCS, allmählich
nordostwärts und schwächt sich ab.
Weiter südlich, also im Westen und Südwesten bis in den zentralen
Mittelgebirgsraum, ist ICON-D2 sehr defensiv aufgestellt. Auch diese Regionen
dürften noch von einzelnen kräftigen Gewittern betroffen sein, bis hin zu
Unwetter aufgrund von Starkregen. Dort lässt die Gewitteraktivität im weiteren
Verlauf der Nacht aber nach.
Ein weiterer Hotspot stellt wohl die Osthälfte da. Im Bereich der Rinne hat sich
aktuell bereits ein MCS entwickelt mit teils unwetterartigen Gewittern, die sich
im Laufe der ersten Nachthälfte über Sachsen-Anhalt und Brandenburg hinweg
allmählich nordostwärts verlagern. Auch dort bleibt das Unwetterpotenzial
aufgrund von Starkregen zunächst noch hoch, nimmt aber im Laufe der zweiten
Nachthälfte ab.
Eine dritte Region stellt dann Süddeutschland dar. Im Vorfeld eines flachen
kurzwelligen Troganteiles dürfte sich der tagsüber noch recht kräftige Deckel
abschwächen und die Gewitter am Alpenrand breiten sich ins Alpenvorland aus.
Cape ist dort etwas höher, PPW etwas geringer als im Norden und Nordwesten,
Scherung kaum vorhanden. Entsprechend dürfte es sich auch dort um
Multizellencluster bzw. ein/zwei MCS handeln, mit teils unwetterartigem
Starkregen, anfangs auch noch mit Hagel und Sturmböen. ICON-D2 zeigt in der
ersten Nachthälfte recht hohe Wahrscheinlichkeiten für WU direkt an den Alpen
und in Donaunähe. Später schwächen sich die Gewitter ab.
In den Westen und Nordwesten sickert in der zweiten Nachthälfte postfrontal
bereits eine etwas stabilere und „kühlere“ Luftmasse (aber immer noch etwa 12
Grad in 850 hPa), so dass die Minima dort bei auflockernder Bewölkung
angenehmere 18 bis 14 Grad betragen. Sonst bleibt es mit 21 bis 17 Grad nochmals
sehr mild bis warm.
Donnerstag … überqueren weitere kurzwellige Troganteile das Vorhersagegebiet
nordostwärts, von denen der letzte am Abend noch über dem Südwesten Deutschlands
zurückhängt, wodurch die Höhenströmung eine eher westsüdwestliche Ausrichtung
annimmt.
Die Kaltfront bleibt mangels Schubkomponente somit irgendwo über der Mitte des
Landes hängen und bleibt nur wenig wetterwirksam, da sich eine Hochdruckbrücke
von Frankreich her über weite Teile Deutschlands ostwärts ausweitet. Mit dieser
setzt eine deutliche Stabilisierung und auch eine allmähliche Abtrocknung der
Luftmasse ein, wobei sich postfrontal im Norden und in der Mitte eine
Absinkinversion in etwa 800 hPa etabliert.
Präfrontal bleibt die Luftmasse im Süden und wohl auch noch im äußersten Osten
potenziell instabil und vor allem vom Schwarzwald bis zum Bayerischen Wald bzw.
weiter südlich können erneut 300 bis 800 J/kg ML-Cape generiert werden. Aber
auch dort macht sich bereits das Entrainment etwas trockenerer Luftmassen
bemerkbar, gehen doch die PPWs auf 30 bis 35 mm zurück.
Am Vormittag könnte es im Norden und Nordosten mit Abzug des eventuellen MCS
noch für schauerartigen Regen bzw. für einzelne Gewitter reichen, eventuell
„zündet“ es rückseitig des abziehenden Clusters ganz im Nordosten mittags oder
am frühen Nachmittag noch einmal neu. Die Begleiterscheinungen der Gewitter
dürften sich aber maximal im markanten Warnbereich abspielen, mit Starkregen und
kleinkörnigem Hagel.
Ansonsten fehlt auch im Süden bzw. im äußersten Osten zunächst ein dynamischer
Trigger für Konvektion. Nachmittags und abends könnte es aber mit Hilfe der
Orographie reichen, am ehesten von der Lausitz bis zum Erzgebirge, an den Alpen,
im südlichen Alpenvorland und in den ostbayerischen Mittelgebirgen. Als
Begleiterscheinungen kommen Starkregen, kleiner Hagel und stürmische Böen in
Frage, Unwetterpotenzial ist, wenn überhaupt, wegen der geringen
Zuggeschwindigkeiten und relativ hohen PPWs am ehesten aufgrund von Starkregen
gegeben, die Wahrscheinlichkeit dafür aber deutlich geringer als an den
Vortagen. Insgesamt sind die Konvektion erlaubenden Modele generell sehr
defensiv aufgestellt, was Auslöse angeht.
Während es vor allem im Bereich der Norddeutschen Tiefebene oft bewölkt bleibt
(klassische SC cumulogenitus), scheint sonst bei lockerer Bewölkung vielerorts
die Sonne. Die 850 hPa-Temperatur liegt postfrontal noch immer zwischen 11 und
14 Grad, präfrontal zwischen 15 und 19 Grad. Somit bleibt es hochsommerlich warm
mit Höchstwerten zwischen 24 und 28 Grad in der Nordwesthälfte (Küstenumfeld
etwas darunter) und zwischen 27 und 32 Grad sonst.
In der Nacht zum Freitag überquert an der Südflanke des nach wie vor
quasistationären Zentraltiefs bei Island ein weiterer Kurzwellentrog die
Britischen Inseln rasch ostwärts und erreicht die Nordsee. Er interagiert mit
einer teilokkludierten Kaltfront, die morgens die Deutsche Bucht erreicht. Im
Vorfeld werden die Wolken im Nordwesten dichter und in der zweiten nachthälfte
setzt im Nordseeumfeld schauerartiger Regen ein.
Die wellende Kaltfront über den mittleren Landesteilen kommt dagegen nur sehr
zögerlich nach Südosten voran und weist weiterhin kaum Wetterwirksamkeit auf.
Weiter südlich kann es vor allem an den Alpen bzw. im Alpenvorland noch einzelne
Schauer und Gewitter geben, die sich im Laufe der Nacht aber eher abschwächen
sollten.
Ansonsten steht aber eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Vielerorts
bleibt es locker bewölkt oder klar, örtlich kann sich Nebel bilden. Mit 19 bis
13 Grad fällt die Nacht weiterhin recht mild aus.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC
Freitag … und in der Nacht zum Samstag gelten weiterhin die Ausführungen in
der Frühübersicht. Signifikante Änderungen haben sich bisher nicht ergeben.
Modellvergleich und -einschätzung
Die großräumige Wetterentwicklung wird von allen Modellen ähnlich simuliert. Die
Konvektion erlaubenden Modelle bringen aber nach wie vor unterschiedliche
Resultate, was die Gewittertätigkeit in den kommenden Stunden angeht, wenngleich
sich die Differenzen gegenüber z.B. dem Vortag etwas veringert haben. Für den
morgigen Donnerstag sind quasi sämtliche Konvektion erlaubende Modelle nach wie
vor sehr defensiv aufgestellt.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff