S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.08.2024 um 10.30 UTC

Vorübergehend sehr heiß, vor allem ab Dienstag mit zunehmender Schwüle und
nachfolgender Kaltfrontpassage Gewitter mit Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 15.08.2024

In der Mittelfrist kommt es zu einer vorübergehenden, aber folgeschweren
Umstellung der Großwetterlage von einer stark zonalisierten zu einer
meridionalen. Ausgangspunkt ist ein sich bereits in der Kurzfrist vollziehender,
nach Süden gerichteter und kräftiger Kaltluftvorstoß von der Labradorsee und
Grönland, der eine ebenso kräftige Austrogung über dem Nordatlantik nach sich
zieht. Durch die auf der Trogvorderseite in Gang kommende Warmluftadvektion
beginnt sich bereits am Wochenende über Westeuropa ein Rücken aufzuwölben, der
sich in der Folge stark amplifiziert und durch die leicht progressive Natur des
atlantischen Troges zu Beginn der kommenden Woche mit seiner Achse vom zentralen
Mittelmeer über Mitteleuropa und Skandinavien bis zum Nordpolarmeer reicht. Ein
größerer und im Laufe der Mittelfrist an Schwere gewinnender Unsicherheitsfaktor
stellt Tropensturm „Debby“ dar. Unklar ist ob „Debby“ konstruktiv mit dem
Atlantiktrog interagieren kann und es zu einer Extratropical Transition kommen
kann, oder ob nur Reste des ehemaligen Hurrikans in das bestehende
extratropische Tiefdrucksystem integriert wird. Die Positionen und Ausprägungen
der wetterwirksamen Strukturen (Tröge, Rücken, Tiefs …) sollten deswegen heuer
mit Vorsicht genossen werden.

Dennoch wollen wir auf die Folgen der Umstellung auf das Wetter hierzulande
blicken. Der Sonntag und der Montag stehen ganz im Zeichen des oben erwähnten
Rückens, der mit seiner Achse von Westen her auf Deutschland übergreift. Das
damit verbundene, sich kräftigende Hoch wandert mit seinem Schwerpunk über
Deutschland langsam nordostwärts. Durch das zunehmende Absinken lösen sich die
Reste der über dem Norden schleifenden Frontalzone auf und es herrscht
verbreitet sonniges Wetter vor. Die Luft kann sich zunächst vornehmlich
diabatisch, zu Wochenbeginn mit allmählicher Winddrehung von Ost auf Südost bis
Süd von Südwesten her auch advektiv erwärmen. Im 850-hPa Niveau werden bis
Montag Temperaturen zwischen 10 Grad im Nordosten und gut 20 Grad im Südwesten
erreicht. Eine größere Advektion von Saharastaub deutet sich anhand der
Trajektorien und der Modellprognosen noch nicht an, sodass es sich bei oft
voller Einstrahlung optimal aufheizen kann. Dämpfend wirkt allenfalls die dann
doch ziemlich feuchte Vorgeschichte. Dennoch dürfte das Quecksilber am Montag in
der Südwesthälfte verbreitet auf 30 bis 35 Grad steigen, entlang des Rheins
vielleicht auch noch etwas höher. Zwar feuchtet die Luft vor allem am Montag
schon etwas an, was bei der vorherrschen starken Instabilität zum Aufbau von
mehreren Tausend J/kg CAPE führt. Das Absinken sollte Konvektion aber im
Wesentlichen unterdrücken, lediglich über dem süddeutschen und südwestdeutschen
Bergland besteht ein geringes Risiko vereinzelter, dann aber heftiger
Hitzegewitter.

Am Dienstag und Mittwoch zieht die Achse des Rückens nach Osten ab und wir
kommen auf die Vorderseite des Atlantiktroges, aus dem ein kurzwelliger Anteil
herausläuft und am Mittwoch auf Deutschland übergreift. Im Vorfeld schiebt sich
eine Tiefdruckrinne mit eingelagerter Konvergenz von Frankreich zu uns. Damit
breitet sich die schwül-heiße Luft langsam nordostwärts aus, um am Mittwoch mit
einer südostwärts schwenkenden Kaltfront langsam wieder ausgeräumt zu werden.
Das genaue Timing ist noch mit größeren Unsicherheiten behaftet, allerdings
dürfte mit Konvergenz und Kaltfrontpassage und dem zunehmendem Trogeinfluss eine
landesweite Gewitterlage mit Unwetterpotenzial bevorstehen. Herausragend ist der
Feuchte- und Energiegehalt der Luft mit teils 2000 bis 3000 J/kg CAPE und PPWs
zwischen 35 und 45 mm. Weniger herausstechend ist die Dynamik bzw. die
hochreichende Scherung, was an dem – wieder einmal – eher schlappen und an
Kontur verlierenden Trog liegt. Dennoch kann es bei günstiger Überlappung von
mäßiger Scherung mit starker Labilität örtlich zu schwerer, organisierter
Konvektion kommen, die neben (heftigem) Starkregen auch großen Hagel und
schadensträchtige Gewitterböen bringen kann. Am Dienstag liegt die Warmluftblase
mit 850-hPa-Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad noch mitten über Deutschland
und wird erst am Mittwoch verdrängt. Allerdings ist im Hinblick auf die
Bewölkung fraglich, ob die Temperaturen nochmal Spitzenwerte von um oder über 35
Grad erreichen. Aber selbst Werte um 30 Grad dürften bei der Schwüle zu einer
enormen Wärmebelastung führen.

Ab Donnerstag und in der erweiterten Mittelfrist wird der Atlantiktrog durch
weitere Kaltluftvorstöße an seiner Westflanke zwar regeneriert, es laufen aber
immer wieder Troganteile heraus, womit sich insgesamt wieder eine Zonalisierung
mit recht aktiver Westdrift durchsetzt. In welcher Form und Ausprägung sich die
Tröge nebst den damit verbundenen Tiefs bei uns bemerkbar machen, ist allerdings
ziemlich unsicher. Während der Süden von Vorstößen des Azorenhochkeils
profitiert und es zumindest zeitweise freundlich und warm ist, dürfte es sonst
eher unbeständig und mäßig warm, im Norden teils auch kühl und windig mit
erhöhter Sturmgefahr weitergehen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Mittwoch kann dem IFS eine gute Konsistenz bescheinigt
werden. Kleinere Phasenunterschiede im Trog-Rücken-Muster sorgen lediglich für
Timingunsicherheiten, der generelle Wettercharakter und -ablauf scheint aber
recht sicher zu sein.

Nach Wochenmitte nimmt die Konsistenz dann langsam ab. Der jüngste IFS-Lauf von
00Z simuliert am Donnerstag und Freitag einen stärkeren Trogvorstoß inklusive
kräftiger Zyklogenese über Nordwesteuropa. Im gestrigen 12Z-Lauf erfolgte der
Vorstoß später (Freitag) im 00Z-Lauf in nur sehr abgeschwächter Form. Damit ist
unklar, wie unbeständig und warm oder kühl es in der zweiten Wochenhälfte
weitergeht und ob im Norden tatsächlich ein Sommersturm drohen könnte.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auf den ersten Blick und großräumig betrachtet sehen die Berechnungen der
verschiedenen, vorliegenden Modelle zumindest bis Mittwoch sehr ähnlich aus. Es
zeigen sich lediglich verhältnismäßig geringe Varianzen der Trog- bzw.
Rückenachse. Das kann aber durchaus prognoserelevant sein, beispielsweise im
Hinblick auf die Temperaturentwicklung (wie stark wird der Warmluftvorstoß?) und
das Timing der Konvergenz und Kaltfront (wann kommen die Gewitter?). Am Montag
zum Beispiel stößt die Heißluft bei ICON und UK10 noch vornehmlich über
Frankreich nordwärts, während bei IFS und GFS der Südwesten Deutschlands schon
„voll dabei“ ist. Dafür hängt die Kaltfront bei UK10 und ICON am Dienstag noch
über Benelux zurück, während sie vor allem bei GFS schon auf Deutschland
übergegriffen hat und den Wetterumschwung bereits eingeläutet hat. Es besteht
also noch etwas Spielraum bei der zu erwartenden Höchsttemperatur.

Ab Donnerstag und in der erweiterten Mittelfrist liegt GFS in etwa auf einer
Linie mit IFS und rechnet ebenfalls einen stärkeren Trogvorstoß mit viel Wind
für den Norden, während ICON eine eher schwach mäandrierende Westströmung
simuliert.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS weisen bis Dienstag eine enge Bündelung auf. Die
850-hPa-Temperatur gipfelt am Montag und Dienstag und erreicht im ENS-Median
Werte um 16 Grad im Norden und Nordosten und 21 Grad im Südwesten. Die
Standardabweichung liegt teils noch bei 1-2 K.
Ab Mittwoch nimmt der Spread dann langsam zu, einen Abwärtstrend bei Temperatur
und Geopotenzial zeigen aber alle Member, allerdings mit unterschiedlicher
Magnitude. Der Median der 850-hPa-Temperatur sinkt bis Freitag im Süden auf rund
12 Grad, im Norden auf 6 Grad bei einer Standardabweichung von verbreitet 2 bis
4 K. Der deterministische Lauf ist stets gut eingebettet, unweit des Medians für
Temperatur und Geopotenzial. Lediglich nach Norden/Nordwesten zu rutscht er beim
ohnehin stärker absinkenden Geopotenzial deutlicher unter den Median und bewegt
sich am unteren Ende der Memberschar. Niederschlagssignale tauchen bis Montag
nur sporadisch ab, danach sind sie dann aber allgegenwärtig.

Im Zeitraum 72-96 h werden ganze 6 Cluster gebildet, die sich aber im Hinblick
auf das Geopotenzial kaum unterscheiden. Anfangs dominiert noch Atlantic Ridge,
im Verlauf erfolgt dann ein mehrheitlicher Übergang zu Blocking. Auch NAO+ und
NAO- sind mit von der Partie, aber nur als kurze Übergangsregime.
Im Zeitraum +120-168 h starten dann alle 5 Cluster mit Blocking. C1, C2 und C3
(32/51 Member, inkl. det. Lauf und CL) reagieren im Verlauf aber auf die sich
wieder vollziehende Zonalisierung und schwenken auf NAO+ zurück. Sie
unterscheiden sich lediglich darin, ob es zu einem etwas stärkeren Trogvorstoß
von Westen kommt (wie im det. IFS-Lauf) oder sich eine eher glatte Westströmung
durchsetzt mit stärkerem antizyklonalen Touch nach Süden zu. C3 und C4 (19
Member) verbleiben im Blocking-Regime und Deutschland zwischen Rücken und Trog
in einer Süd-/Südwestströmung.
Nach +192 h konsolidiert sich die Situation. Die beiden vorhandenen Cluster
zeigen eine mehr oder weniger gut ausgeprägte Westlage (NAO+).

FAZIT:
Zwischen Sonntag und Dienstag steht uns ein kurzes Hitzeintermezzo bevor. Der
Kelch der schlimmsten Hitze geht aber voraussichtlich wieder knapp an uns
vorbei, wenngleich unter gebührender Berücksichtigung noch gewisser
Unsicherheiten vor allem im Südwesten und Süden Temperaturen um oder knapp über
35 Grad regional erwartbar sind. Mit zunehmender Schwüle und Kaltfrontpassage,
deren genaues Timing noch unklar ist, folgen vor allem ab Dienstag und Mittwoch
schließlich verbreitet Gewitter mit erhöhtem Unwetterrisiko. Nach Wochenmitte
stellt sich dann voraussichtlich wieder eine Westlage mit zyklonalem, allenfalls
mäßig warmem und mitunter sehr windigem bis stürmischem Norden und leicht
„keil-lastigem“ und wärmerem Süden ein.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

HITZE:
Am Sonntag am Oberrhein, am Montag voraussichtlich in der gesamten Südwesthälfte
Hitze und starke, regional extreme Wärmebelastung.
Am Dienstag und Mittwoch generell schwüle Wärme oder Hitze, mit Kaltfrontpassage
allmählich ostwärts zurückziehend.

GEWITTER (UNWETTER):
Am Sonntag in den Alpen, am Montag generell über dem süd- und südwestdeutschen
Bergland ganz vereinzelte, dann aber teils heftige Hitzegewitter nicht
ausgeschlossen. Dabei vor allem heftiger Starkregen, aber auch Sturmböen (Bft
8-9) und größere Hagelansammlungen möglich.
Am Dienstag und Mittwoch mit Konvergenz und Kaltfront landesweit zunehmende
Gewittergefahr. Unwetterrisiko insbesondere durch teils extrem heftigen
Starkregen, aber auch großer Hagel und schadensträchtige Gewitterböen (>=Bft 10)
möglich.

STURM:
Ab Donnerstag an der Küste (insbesondere Nordsee) sowie im angrenzenden nord-
und nordwestdeutschen Binnenland zeitweise stürmische Böen oder Sturmböen (Bft
8-9) aus Südwest bis West nicht ausgeschlossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX (Tmax/min zu Beginn)

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser