#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Dienstag den 06.08.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 061800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 06.08.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Mittwoch Kaltfrontpassage mit teils kräftigen Gewittern, lokal Unwetter. Bereits
zum Donnerstag wieder Wetterberuhigung und nur im Süden noch letzte Gewitter. In
der Nacht zum Freitag über der Deutschen Bucht teils stürmischer Südwestwind.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Aktuell … thront ein recht üppiger Keil direkt über Deutschland und bringt uns
etwas, was für diesen Sommer bei weitem nicht selbstverständlich ist – einen
ruhigen und warnfreien Wettertag.
Bei sommerlichen 25 bis 30 Grad, entlang des Oberrheins vielleicht auch 31 Grad,
scheint die Sonne am späten Nachmittag von einem blank geputzten Himmel. Nur
hier und da driften im Westen zeitweise ausgedehnte, aber dünne Cirrenfelder
vorüber, die laut der jüngsten Meldungen die Einstrahlung nur unwesentlich bis
gar nicht mindern. Im Nordosten quillt es im Umfeld der Oder etwas kräftiger,
bevor diese Wolkenfelder zum Abend rasch in sich zusammenfallen.
Die abendlichen Werte liegen im Nordosten bei rund 23 Grad und sonst zwischen 24
und 29 Grad. Der Wind weht schwach bis mäßig aus insgesamt südlicher Richtung,
im Westen eher aus Südwest, im Osten eher aus Südost.
In der Nacht zum Mittwoch macht sich dann die Kaltfront des umfangreichen
Tiefdruckgebietes NCOLE auf den Weg nach Deutschland, kommt aber bis ausgangs
der Nacht gerade mal bis nach Belgien/zu den Niederlanden voran, sodass
Deutschland weiterhin im präfrontalen Warmsektor verweilt mit 850 hPa
Temperaturwerten von 13 bis 18 Grad (von Nord nach Süd). Die Keilachse wandert
jedoch sukzessive nach Osten und liegt ausgangs der Nacht im Umfeld der Oder,
sodass besonders im Nordwesten die Höhenströmung zunehmend zyklonal konturiert
daherkommt.
Somit verläuft die Nacht besonders im gesamten Osten überwiegend klar und
trocken, während sonst die Bewölkung im Verlauf der Nacht von Westen immer
weiter zunimmt. Am direkten Alpenrand sowie ausgangs der Nacht im äußersten
Westen ist ein erster Schauer nicht ganz ausgeschlossen, die
Wahrscheinlichkeiten dafür sind jedoch sehr gering. Sonst bleibt es trocken bei
Minima zwischen 18 und 13 Grad. Der Wind weht schwach aus Südost, im Süden und
Westen aus Südwest.
Mittwoch … wandert der Keil endgültig weiter nach Polen und macht den Weg frei
für die Kaltfrontpassage des Tiefs NICOLE, das zunehmend in Richtung Färöer
driftet. Wie schon gestern und in der Frühübersicht angedeutet handelt es sich
aber um eine recht zahme Kaltfrontpassage. Dennoch wird es keine
„straightforward“ Vorhersage sein, da der Trog über uns regelrecht fragmentiert
und in mehrere Wellen geringer Amplitude auseinanderfällt.
Ein erster Impuls erreicht den Südwesten ausgangs der Nacht und dürfte bis zur
Mittagszeit einen größeren Bereich mit konvektiv verstärkten Niederschlägen nach
Baden-Württemberg schicken, der dem Tagesgang folgend nach einer kurzen
Abschwächungsphase beim Übertritt nach Bayern wieder an Intensität gewinnt.
MUCAPE bis 1000 J/kg und hochreichende Scherung um 10 m/s dürften für zumeist
unorganisierte und pulsierende Konvektion gut sein. Bei PWATs von 30-35 mm ist
Starkregen bis in den markanten Bereich zu erwarten, ab der Mittagszeit nimmt
dann mit Intensivierung der Konvektion auch das Potential lokal für
unwetterartigen Starkregen um 25 l/qm/h und etwas Hagel zu.
In der Folge dürfte diese Welle und die daran gebundene Konvektion als erster
Konvektionsschwerpunkt nach Bayern ziehen und das womöglich in Form eines
umfangreichen Clusters. MUCAPE um 1500 J/kg und geringe Scherung in allen
Niveaus deuten auf ein eher unorganisiertes System hin. Dennoch ist die
Grenzschicht gut durchmischt und einhergehend mit der Ausbildung eines cold
pools sind neben Starkregen und lokalem Hagel sicherlich auch stürmische Böen
bis Sturmböen (Bft 8-9) in Betracht zu ziehen. ID2-EPS hebt besonders das Umfeld
der Donau bis zu den Alpen mit geringen/diffusen Wahrscheinlichkeiten für Bft 9
Böen hervor. Mehr kann man von der Numerik auch nicht erwarten, hängt doch sonst
viel von der internen Dynamik des Systems ab. Besonders der Starkregen bei PWATs
um 35 mm dürfte sicherlich einige der Zellen bis in den roten Bereich „treiben“,
aber die progressive Natur sollte die Niederschlagsspitzen eher im unteren
Unwetterbereich belassen. Der Fokus für „Unwetter-Starkregen“ liegt dabei auf
Zellinteraktionen und der Frage, ob sich eine transiente, aus der Freisetzung
latenter Wärme angetriebene MCV Struktur etablieren kann, was bisher aber nur
von einzelnen Modellen angedeutet wird. Dieser Cluster sollte zum Abend
Niederbayern ostwärts verlassen.
Der zweite Fokus liegt im Nordwesten/Norden ab der Mittagszeit. Dort interagiert
ein nordwärts ziehender Troganteil mit einer ostwärts ziehenden, präfrontalen
Windkonvergenz in einer so lala Umgebung: 500 bis 1000 J/kg MUCAPE und 10 m/s
Scherung deuten ebenfalls auf pulsierende Konvektion hin, vielleicht hier und da
mit einzelnen Multizellen garniert. Der Fokus für die kräftigsten Zellen liegt
dabei von Bremen-Hannover nordostwärts bis nach Lübeck, wo die CAMs regional
bessere 0-3 km Scherung (um 10 m/s) andeuten mit nicht zu vernachlässigender
Krümmung der Hodographen in den untersten 3 km. Einzelne transiente rotierende
Strukturen sind hier zu erwarten. Alles in allem aber dürfte der Großteil der
Warnungen markant ausfallen mit Bft 8 bis 9 Böen, Starkregen um 20 l/qm/h und
etwas Hagel. Lokale Unwetter durch Starkregen bei PWATs bis 40 mm sowie lokal
etwas größeren Hagel um 2 cm sind bei den stärksten Entwicklungen nicht
auszuschließen.
Ab den Nachmittags- bis in die ersten Nachtstunden kommt dann auch die
eigentliche Kaltfront in den Nordwesten und später in den Norden Deutschlands
voran. Diese ist teils durch KLA stabilisiert und kommt im Großteil der Numerik
eher recht inaktiv daher (bzw. in Form eines konvektiv verstärkten Bandes mit
einzelnen eingelagerten Gewittern). Hier muss im Nowcast geschaut werden, wie
effektiv nach der Konvergenzpassage die Sonne einstrahlen und labilisieren kann,
sodass ggf. doch noch einzelne kräftigere Gewitter initiiert werden können. ID2
und einzelne EZ angetriebene Modelle deuten das an und bei DLS von 10-15 m/s
sind auch einzelne kräftige (markante) Zellen denkbar.
Zuletzt richten wir unseren Blick erneut in den Südwesten, sowie die westliche
Mitte Deutschlands und zwar für den Nachmittag/Abend. Dort erreicht ein weiterer
Kurzwellentrog unser Vorhersagegebiet und dieser wird von einem nicht zu
vernachlässigenden Scherungsfeld begleitet. Dies betrifft RLP, Hessen,
Unterfranken bis nach Baden-Württemberg, wo bei MUCAPE von rund 1000-1500 J/kg
(lokal bis 2000 J/kg) die hochreichende Scherung auf 15 m/s und die 0-3 km
Scherung auf rund 10 m/s ansteigt.
Bei nur mäßiger Hebung und einem nahezu normal zur Kaltfront gerichteten storm
motion Vektor erscheint einzelne/diskrete Zellauslösung plausibel. Hier sind
einzelne Multizellen oder Superzellen denkbar, wobei ID2 momentan die
aggressivste Variante darstellt. Es hängt viel vom Nowcast ab, von der Lage zur
Front, von Zellinteraktionen und der Orografie, doch grundsätzlich gilt der
Spruch: die einzelnen Zellen können alles, müssen es aber nicht. Hagel,
Sturmböen, Starkregen und ein geringes Tornadopotenzial (RLP/Hessen und Nord-BW
mit niedrigem LCL) wären die lokal begrenzten Begleiterscheinungen.
Zusammengefasst sollte man sich hier nicht über die eine oder andere
unwetterartige Zelle am späten Nachmittag/Abend wundern, die ost-/südostwärts
driftet.
Derweilen lockert es im äußersten Westen zum Nachmittag postfrontal auf und es
bleibt trocken und auch in Brandenburg muss man bis weit in den Nachmittag
warten, bis die Sonne lokal hinter Gewitterwolken verschwindet.
Entsprechend fällt auch die Verteilung der Höchstwerte aus, die im Osten bei 30
oder 31 Grad liegen und sonst eher schwül-warme 25 bis 29 Grad erreichen.
Postfrontal erwärmt sich die Luftmasse im Westen eher nur auf 21 bis 24 Grad.
Abseits von Gewitterböen weht der Wind mäßig bis frisch aus West.
In der Nacht zum Donnerstag verlagern sich die Gewitter in den Süden und Osten
und beschäftigen ausgangs der Nacht nur noch Vorpommern, das Oderumfeld, die
Lausitz und Niederbayern mit ein bisschen Nass. Postfrontal lockert die
Bewölkung zögernd auf und zeitweise bilden sich Nebelfelder. Die Tiefstwerte
liegen im Umfeld der Front bei 18 bis 15 Grad und postfrontal bei 14 bis 9 Grad
(mit den niedrigsten Werten im Umfeld der Eifel). Der Westwind spielt keine
große Rolle mehr und weht nur anfangs im Osten noch frisch.
Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC
Donnerstag … hat sich nichts zur Frühübersicht geändert. Ein sich von
Südwesten nach Deutschland aufwölbendes Bodenhoch mit rund 1018 hPa sowie
schwache positive Schichtdickenadvektion sorgen für eine durchgreifende
Wetterberuhigung und eine zunehmende Auflockerung der Wolkendecke von Südwest
nach Nordost. Da die Kaltfront entlang/südlich der Donau nur sehr langsam nach
Süden vorankommt, wird präfrontal ein schmaler labiler Warmsektor zwischen Donau
und Alpen aufspannt. Dort werden weitere Schauer und Gewitter bis weit in den
Nachmittag erwartet, wobei das exakte Timing noch unklar ist, wann genau die
Kaltfront die Alpen erreicht. Schwache Scherung und Labilität sollten jedoch nur
für pulsierende Konvektion gut sein.
Ansonsten bleibt es meist trocken, nur im Nordwesten sind einzelne schwache
Schauer nicht ausgeschlossen.
Die Höchstwerte liegen von Nord nach Süd zwischen 22 und 28 Grad und der Wind
kommt schwach bis mäßig aus West, peripher der Deutschen Bucht zeitweise leicht
böig auffrischend.
In der Nacht zum Freitag erfolgt über der Nordsee eine scharfe Trogpassage, wo
noch unsicher ist, ob sich daran eine Teiltiefbildung vollzieht. Ausgehend von
einer deutlichen Gradientverschärfung „drohen“ der Deutschen Bucht und den
Küsten zunehmend Böen Bft 7 bis 8 aus Südwest und mit einer Warmfrontpassage
fällt im Nordwesten etwas Regen. Sonst verläuft die Nacht teils bewölkt, teils
klar und trocken. Die Tiefstwerte liegen mit 15 bis 10 Grad im
schlaffreundlichen Bereich, nur im Nordwesten bleibt es mit rund 16 Grad etwas
milder. Abseits der Küsten und abgesehen von einzelnen stürmischen Böen auf dem
Brocken weht der Südwestwind sonst nur schwach bis mäßig.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Numerik hat die Kurzfrist insgesamt recht gut im Griff. Beim Verfeinern des
Abstands der Isohypsen auf 1:1 erkennt man aber beim Zerbröseln des
Mittwoch-Troges feine Unterschiede, die sich auf der konvektiven Skala mit
leicht variablen Schwerpunkten auswirken (Intensität und Abdeckung).
Eine Vorabinformation für die Gewitter am Mittwoch wird nicht angedacht, da die
Konvektion insgesamt zu unorganisiert daherkommt. Sicherlich muss aber lokal
„die rote Karte“ gezogen werden.
Die Trogentwicklung über der Nordsee in der Nacht zum Freitag weist noch einige
strukturelle Unterschiede auf, die sich u.a. auch auf den Gradienten des
Luftdrucks auswirken. Stürmisch dürfte es aber zumindest vorübergehend auf der
offenen See/Helgoland und den vorgelagerten Inseln werden. Mal eine
warntechnische Abwechslung zu den Gewittern.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy