SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 31.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Im Süden, bis zum Donnerstag bzw. der Nacht zum Freitag auch in der Mitte
„Gewittersumpf“ und viel „messy Convection“. Dabei hohes Unwetterpotenzial vor
allem aufgrund von Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 06 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines breiten, aber
deutlich abflachenden Höhenrückens unterhalb einer relativ schwachen, inzwischen
aber leicht „flatterhaften“ westlichen Höhenströmung. „Flatterhaft“ deshalb,
weil im Laufe der kommenden Nacht und auch am morgigen Donnerstag von West nach
Ost immer wieder kurzwellige Troganteile vor allem über die Mitte und den Süden
des Vorhersagegebietes hinwegschwenken.
Verursacht wurden bzw. werden diese Störungen überwiegend von größeren
Gewitterkomplexen, von denen der erste am gestrigen Abend bzw. in der
vergangenen Nacht Paris und den Norden Frankreichs überquerte und als
mesoskaliger Vortex, allerdings deutlich abgeschwächt und inzwischen
„ungewittrig“, vormittags Westdeutschland erreichte. Diesen MCV lässt sich auch
aktuell noch als Kurzwellentrog im 500 hPa-Geopotenzial ausmachen, der sich im
Laufe der ersten Nachthälfte über die Mitte des Landes hinweg ostwärts
verlagert.
Im Bodenfeld konnte sich innerhalb des schwachgradientigen Druckfeldes auch mit
Hilfe des MCV eine flache Tiefdruckrinne – angefüllt mit hochreichend labiler
und sehr warmer bzw. heißer Subtropikluft aus Südwesteuropa weite Teile West-
und Süddeutschlands sowie auf die mittleren Landesteile ausweiten. Die Taupunkte
stiegen auf 16 bis 20 Grad, im Bereich lokaler Feuchteflusskonvergenzen bzw. mit
dem MCV im Westen auch darüber. PPW beträgt über 30 mm, regional auch über 40 mm
und außer im Westen, wo es im Bereich des zerfallenden ehemaligen MCV
überwiegend bewölkt blieb, konnten vielerorts über 1000 J/kg, regional auch an
die 2000 J/kg ML-Cape generiert werden.
Diese Luftmasse ist durch niedertroposphärische WLA vor allem über der Mitte
aktuell noch ziemlich „gedeckelt“, so dass es auch vorderseitig des langsam über
die mittleren Landesteile hinweg ostwärts wandernden ehemaligen MCV entlang
auslaufender Outflow Boundaries kaum zur Auslöse reicht. Das könnte sich im
Laufe der Nacht ändern, wenn es niedertroposphärisch allmählich abkühlt und der
Deckel mehr und mehr verschwindet. SuperHD simuliert schon ab den Abendstunden
erste Gewitter über Hessen, die im laufe der Nacht dann über Thüringen und das
südliche Sachsen-Anhalt nach Sachsen ziehen. Ein ähnliches Szenario hat auch
ICON-D2 auf der Agenda, allerdings „zündet“ es in dem Modell erst deutlich
später und die Entwicklungen fallen insgesamt schwächer aus. Bei maximal mäßigen
Scherungsbedingungen (DLS um 15 m/s, LLS spielt höchstens orographisch
getriggert eine Rolle) hält sich der Organisationsgrad dieser Gewitter in
Grenzen; es handelt sich meist um Multizellensysteme, vielleicht auch um ein
oder zwei kleinere MCS.
Als Begleiterscheinungen dieser Gewitter kommen im Falle ihres Auftretens vor
allem in den Abendstunden und eingangs der Nacht neben Starkregen noch
kleinkörniger Hagel und stürmische Böen bzw. Sturmböen in Frage, Unwetter bzgl.
Starkregen nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich. Im Laufe der Nacht
ziehen diese Gewitter einerseits in eine trockenere Luftmasse, andererseits
spielt mangels dynamischen Inputs der Tagesgang eine recht große Rolle, so dass
sie sich insgesamt deutlich abschwächen sollte. Gebietsweise kann aber auch
mehrstündiger Starkregen auftreten. Signale dafür hat I-D2-EPS in der ersten
Nachthälfte vor allem im Thüringer Wald, in der zweiten Nachthälfte im
Erzgebirge auf der Agenda.
Interessanter gestaltet sich die Entwicklung – bereits aktuell – im Süden. Dort
ist der Deckel schwächer und die Cape höher. Entsprechend gab es bereits am
frühen Nachmittag eine (übrigens weder im 09 UTC noch im 12 UTC Lauf des ICON-D2
auftauchende) erste kräftige Gewitterzelle im Bereich Südschwarzwald-Baar.
Daraus entwickelte sich rasch ein pulsierendes Multizellensystem, das in
weiterer Folge den Schwerpunkt der Gewitteraktivität in Süddeutschland
darstellt. Auch dort sind die Scherungsbedingungen nicht sonderlich günstig,
dennoch konnte sich mit orographisch getriggerter markanter Low Level Shear am
Südrand der Alb eine Superzelle etablieren, die Richtung Oberschwaben und
Unterallgäu zog.
Im Laufe der Nacht dürfte dieses System allmählich über den Süden Bayerns
wandern, wobei es auch aus den Alpen heraus noch zu Neuentwicklungen kommen
kann. Vor allem in den kommenden Stunden besteht noch recht hohe Unwettergefahr
nicht nur aufgrund von (extremen) Starkregen, sondern vor allem an frischen
Neuentwicklungen auch aufgrund von größerem Hagel bzw. im weiteren Verlauf wegen
großer Hagelansammlungen. Diese Zellen werden recht schnell outflowdominant, so
dass auch schwere Sturmböen in Betracht zu ziehen sind, am ehesten wohl im
Alpenvorland.
Im Laufe der Nacht nimmt die Unwettergefahr allerdings ab; nach Lesart des
ICON-D2 kommen diese Schauer und Gewitter später noch bis zur Donau du zum
Bayerwald nordwärts voran und ziehen dann nach Osten ab, gebietsweise mit
mehrstündigem Starkregen.
Dann gilt es wieder, den Blick gen Westen zu richten: Der nächste Kurzwellentrog
macht sich auf den Weg und erreicht in den Frühstunden Belgien bzw.
Nordfrankreich. Auf dessen Vorderseite lebt die Gewittertätigkeit im Laufe der
zweiten nachthälfte über Nordostfrankreich und Belgien erneut auf und greift
eventuell in den Frühstunden auf den äußersten Westen des Landes über.
Starkregen steht dann im Fokus.
Komplett außen vor von diesen Entwicklungen bleiben der Norden und Nordosten. Am
Rande von Hoch „IGOR“ über der Nordsee gelangt mit schwachen Nordwest- bis
Nordostwinden eine stabilere und deutlich trockenere Luftmasse dorthin. Vom
Emsland bis zur Uckermark verläuft die Nacht somit überwiegend gering bewölkt
bzw. wolkenlos, in einem Streifen südlich daran anschließend ziehen zwar
Wolkenfelder durch, es bleibt aber trocken. Dort kühlt es auf frische 15 bi 10
Grad ab, in der Lüneburger Heide und im Landesinnern von Schleswig-Holstein
örtlich auch knapp darunter, während es an den Küsten etwas milder bleibt. Sehr
mild bis warm verläuft die Nacht hingegen mit Tiefstwerten zwischen 22 und 16
Grad in der Mitte und im Süden.

Donnerstag … wandert der Kurzwellentrog im Tagesverlauf und eingangs der Nacht
zum Freitag langsam über den Süden und die Mitte des Landes hinweg ostwärts.
Unmittelbar vorderseitig greifen die Gewitter aus Belgien und Nordostfrankreich
ausgangs der Nacht, spätestens am frühen Vormittag auf Rheinland-Pfalz, das
Saarland und auf das westliche Baden-Württemberg über und kommen allmählich
ostnordostwärts voran. Gegenüber dem Vortag ist die Labilität der Luftmasse
schon deutlich zurückgegangen und mangels Einstrahlung kann nun auch nicht mehr
so viel Cape generiert werden (nur noch gebietsweise über 1000 J/kg, am ehesten
zunächst im Südosten Bayerns und nach Abzug der Gewitter am Nachmittag/Abend
wieder im Südwesten). Die PPWs steigen dagegen gegenüber dem Vortag noch etwas
an auf 35 bis 40 mm, gebietsweise auch mehr.
Somit kommen die Gewitter – eventuell, wie im aktuellen I-D2-Lauf, erneut als
MCV organisiert – im Tagesverlauf über Baden-Württemberg, Hessen und Nordbayern
nach Osten voran und dürften sich vormittags/mittags vorübergehend abschwächen,
später aber über Thüringen und Nordostbayern bzw. dem Vogtland wieder
verstärken. Nach wie vor steht der Starkregen als Begleiterscheinung im Fokus,
während Hagel und Sturmböen mangels Cape bzw. Scherung und D-Cape keine ganz so
große Rolle spielen wie am Vortag. I-D2-EPS hat vormittags vor allem vom
Saarland über die Pfalz bis nach Nordbaden, nachmittags/abends dann über dem
Thüringer Wald, Mittel- und Oberfranken die höchsten Wahrscheinlichkeiten für
unwetterartige Mengen auf der Agenda.
Unklar ist, ob und wo es nach Abzug des MCV und vorübergehender Einstrahlung im
Westen und Süden für Neuentwicklungen reicht. Sicherlich dürfte dabei
hauptsächlich die Orographie im Zusammenspiel mit Outflow Bondaries als Trigger
dienen. I-D2 ist allerdings in den aktuellen Läufen diesbezüglich bis zum Abend
sehr defensiv aufgestellt, während SuperHD, nach deren Lesart das ganze System
etwas rascher und auf südlicherer Zugbahn ostwärts zieht, bereits am Nachmittag
im Süden und am Abend dann vor allem im Westen, im Vorfeld eines neuen systems
über Frankreich bzw. Belgien neu „zünden“ lässt.
Wie auch immer – auch bei diesen Gewittern steht angesichts der hohen PPWs der
Starkregen bis hin zu Unwetter im Fokus mit vielleicht etwas höheren
Wahrscheinlichkeiten für Hagel bei frischen Entwicklungen.
Außen vor von diesen Entwicklungen bleiben nach wie vor der Norden und
Nordosten. Hoch „IGOR“ über der Nordsee schwächt sich zwar ab, bleibt aber
robust, ebenso wie der langsam über Norddeutschland und Dänemark hinweg ostwärts
schwenkende Höhenrücken und steuert an seiner Südflanke mit schwachen Nordwest-
bis Nordostwinden weiterhin trockene und stabile Luft in die Norddeutsche
Tiefebene. Vor allem vom mittleren Niedersachsen bis zur Niederlausitz und
weiter nördlich scheint somit häufig die Sonne.
Auch im Süden kühlt die Luftmasse niedertroposphärisch ab, die 850
hPa-Temperatur schwankt zwischen 12 Grad im Nordosten und 16 Grad an den Alpen.
Die Höchsttemperaturen erreichen im Norden somit Werte zwischen 22 und 26 Grad,
an der See um 20 Grad, in der Mitte und im Süden dagegen, je nach Sonne, 24 bis
29 Grad, ganz vereinzelt vielleicht nochmals 30 Grad, dabei ist es dort
weiterhin sehr schwül.

In der Nacht zum Freitag wird zwar der Höhenrücken über Nordostdeutschland und
Polen insgesamt abgebaut und weicht bis Freitagfrüh einem (vor allem in 300 hPa)
etwas kompetenterem Kurzwellentrog, der morgens die Deutsche Bucht erreicht.
Dennoch hält Hoch IGOR im Bodenfeld über der Nordsee weiterhin dagegen und
beschert dem Norden und Nordosten des Landes erneut eine ruhige und teils gering
bewölkte Nacht mit schlaftauglichen Tiefstwerten zwischen 16 und 11 Grad.
Ganz anders in der Mitte und im Süden: Dort ändert sich an der Gemengelage nur
wenig. Von Frankreich und Belgien dürfte das neue System – in welcher Form auch
immer, eventuell als MCS – im Laufe des Abends bzw. in der ersten Nachthälfte
auf den Westen Deutschlands (nach Lesart von I-D2 und auch SuperHD auf
Rheinland-Pfalz und das Saarland, vielleicht noch Süd-NRW) übergreifen und im
Laufe der Nacht nur langsam Richtung Hessen, nach SuperHD auch BaWü ziehen.
Dabei kann vorderseitig des oben erwähnten Kurzwellentroges und weiterer
kurzwelliger Anteile eventuell ein markanter dynamischer Hebungsinput wirksam
werden, was angesichts der hohen PPWs auch in der Nacht noch ein hohes Potenzial
für Unwetter-Starkregen zur Folge hätte, eventuell auch mehrstündig, was sich
auch in I-D2-EPS niederschlägt. Daneben gibt es noch unseren MCV über dem
östlichen Mittelgebirgsraum oder Ostbayern, der ebenfalls nur langsam nach
Tschechien abzieht, so dass vor allem in der ersten Nachthälfte noch
gebietsweise mit teils unwetterartigem Starkregen, gegebenenfalls auch
mehrstündig, zu rechnen ist.
Was sich in den Regionen zwischen diesen beiden konvektiven Systemen so tut, ist
ebenso wie deren genaue Zugbahnen bzw. die räumliche Verteilung und Intensität
der Niederschläge innerhalb der Systeme noch unklar. Generell fällt die Nacht in
der Mitte und im Süden mit Minima zwischen 21 und 15 Grad erneut sehr mild aus.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 06 UTC

Freitag … gibt es gegenüber den Ausführungen in der Frühübersicht keine
bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Mehr dazu dann in den folgenden Übersichten.

Modellvergleich und -einschätzung

Da die konvektiven Wirbel und Systeme mangels Frontalzone bzw. kompetenter
Höhentröge eine gewisse Eigendynamik entwickeln, die letztendlich auch
Auswirkungen auf die synoptischen Basisfelder haben und von jedem Modell etwas
anders interpretiert werden, ergeben sich bzgl. der räumlichen Verteilung und
Intensität der konvektiven Niederschläge nicht nur von Modell zu Modell, sondern
auch von Lauf zu Lauf noch gröbere Unterschiede.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff