SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 27.07.2024 um 18 UTC

SCHLAGZEILE:
Kommende Nacht noch teils kräftige Regenfälle und einzelne Gewitter, ab Sonntag
dann für einige Tage Ruh im Karton (Hoch HALIL).

Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Aktuell … steht Deutschland dicht vorm Eintreffen eines veritablen Randtrogs,
der von Westen her straight ahead auf uns zuläuft. Zusammenarbeiten tut der
Trog mit einer sehr flachen Welle (KIRSTI), welche im Druckfeld am Nachmittag
schwer zu detektieren war, mittlerweile (16 UTC) aber über NRW und dem
westlichen NDS zu erkennen ist. Die Welle hat schon tagsüber begonnen, die
diagonal über Deutschland liegende Luftmassengrenze zu aktivieren. Dabei haben
schon am Mittag neue Regenfälle von NO-Frankreich und Belgien her auf den Westen
übergegriffen. Inzwischen sind weite Teile der Mitte erfasst, wobei konvektive
Einlagerungen für Stundensummen zwischen 10 und 20 l/m², lokal auch noch mehr
sorgen. Eingelagerte Gewitter sind eher selten und treten am ehesten am Südrand
des Regenkuchens sowie direkt am Alpenrand (bisher hauptsächlich auf
österreichischer Seite) auf, wenn auch nur vereinzelt und bisher mit gebremstem
Schaum.

In der nun anstehenden Nacht schwenkt der Trog von West nach Ost über den
Vorhersageraum hinweg, wobei er die Welle in der Nordhälfte vor sich herschiebt.
Die vorderseitige PVA wird zwar von KLA teilkompensiert, ist aber derart
intensiv (scharfer Schnitt, Konfluenz), dass genügend dynamischer Hebungsantrieb
übrigbleibt. Dieser hebt eine sehr feuchte, dafür nicht allzu labil geschichtete
Meeresluft, so dass weitere, teils ergiebige Regenfälle skaliger Natur mit
konvektiven Verstärkungen zu erwarten sind. Die Niederschläge breiten sich über
fast die gesamte Nordhälfte ost-nordostwärts aus, bevor sie noch vor Mitternacht
im Westen beginnen wieder aufzuhören. Der äußerste Nordwesten wird vom
Flächenniederschlag zwar ausgespart, bleibt wettertechnisch aber auch nicht
ungeschoren. So kommt es im Trogbereich durch Zufuhr moderat temperierter
Höhenkaltluft zu einer Labilisierung der einströmenden Subpolarluft (T500
-21°C über T850 +6°C), was den einen Schauer und das andere kurze Gewitter
(markant wegen Starkregen von 15-25 l/m², evtl. Böen 8 Bft) auf den Plan ruft.
Der Schwerpunkt der flächigen Regenfälle verschiebt sich in den nächsten Stunden
von NRW sowie der westlichen Mitte über das südliche NDS und den Norden
Sachsen-Anhalts bis ins nördliche BB inkl. Berlin. Hier wurde ein Korridor mit
einer prophylaktischen Starkregenwarnung (20 bis 35 l/m² innert 6 Stunden)
versehen. Es sollte uns bewusst sein – die Erfahrung aus der vergangenen Nacht
belegt das eindrucksvoll -, dass im bewarnten Streifen nicht alle genau diese
Mengen abbekommen werden. Teils bleiben sie darunter, teils werden es aber noch
einige Liter mehr, lokal sogar bis in den Unwetterbereich von 40-50 l/m². Auch
sind noch regionale Anpassungen durch Ausweiten der Warnungen auf benachbarte
Gebiete denkbar. Eine unbekannte Größe stellt zudem die potenzielle
Gewitterbereitschaft dar. Zwar ist die Luftmasse vor dem Trog wie bereits
erwähnt nicht allzu labil, trotzdem können eingelagerte Gewitter mit Starkregen
nicht ausgeschlossen werden. Diese müssen freilich in situ gewarnt werden.

Nach Süden steht weniger der Trog und die Welle, sondern die o.e.
Luftmassengrenze im Blickpunkt des Geschehens. Die wird aus ihrer
Schwerfälligkeit geweckt und in eine eindeutige Kaltfront umgewandelt (was sie
ja ursprünglich auch mal war), welche süd-südostwärts in Richtung Alpen
schwenkt. Da die präfrontale Luftmasse energetisch und schichtungstechnisch auf
einem anderen Level ist als weiter nördlich und zudem auch noch sehr solide
Scherungsbedingungen herrschen, sind gerade in den Abendstunden sowie eingangs
der Nacht einzelne knackige Gewitter mit Starkregen, größerem Hagel (2-3 cm)
sowie durch die trockene Grundschicht Böen 8-9 Bft, worst case 10 Bft möglich.
Es können aber auch einige ungewittrige Starkregenschauer unterwegs sein. Im
weiteren Nachtverlauf zieht sich das frontale Geschehen unter allmählichem
Intensitätsverlust nach Altbayern, bayerisch Schwaben und Oberschwaben zurück.

Die Temperatur geht auf 16 bis 11°C in der NW-Hälfte und auf 19 bi 13°C sonst
zurück.

Sonntag … beehrt und das nächste Hoch, das den Namen HALIL trägt. Angefacht
durch einen Potenzialrücken, dessen Achse am Mittag über UK und dem Seegebiet
nördlich davon liegt, löst sich aus einem Keil des Azorenhochs eine
eigenständige Parzelle mit etwas über 1025 hPa, deren Zentrum zur gleichen Zeit
über der südwestlichen Nordsee verortet ist. Der Höhentrog wandert rasch nach
Polen ab, die Kaltfront zieht sich in die Alpen zurück. Dahinter breitet sich
eine relativ trockene und zunehmend stabile maritime (Sub)Polarluft (mP) aus, in
der T850 auf Werte zwischen 6°C rund um die Deutsche Bucht und 12°C am Alpenrand
sowie an der Grenze zur Schweiz zurückgeht. Das ist alles andere als kalt, aber
eben auch nicht mehr so heiß wie heute noch im Südosten und vor allem nicht mehr
so schwül. Am Nachmittag reicht die Spanne von rund 20°C auf den Ost- und
Nordfriesischen Inseln bis zu 27°C im Südwesten.

Wettertechnisch gilt es im Osten und Süden am Morgen und am Vormittag noch die
letzten Regenfälle zu verabschieden. Vielleicht ist auch noch das eine oder
andere Gewitter dabei. Danach nimmt die Niederschlagswahrscheinlichkeit immer
weiter ab, wobei im Norden – quasi im Schlepptau des scheidenden Troges –
vereinzelte kurze und meist schwache Schauer durchaus möglich sind. Ansonsten
kristallisiert sich bei rund 800 hPa zusehends eine Absinkinversion heraus, an
der die aus der labilen Grundschicht aufpoppenden Quellungen gebremst werden.
Hier und da laufen die Quellungen breit, so dass sich gebietsweise Sc cumgen
bildet (Stratocumulus cumologenitus). Insgesamt deutet sich aber in weiten
Landesteilen ein relativ freundlicher Sonntag mit hohen Sonnenanteilen an, wobei
der äußerste Osten sowie die alpennahen Landstriche etwas in der Hinterhand
sind.

Bliebe noch eine Sache. Der durchweg auf Nordwest drehende Wind frischt zwischen
Ostsee und Erzgebirge böig auf (stärkster Gradient zwischen abziehender Welle
und nachfolgendem Hoch). Dabei muss vor allem an nach Nordwesten offenen
Küstenabschnitten Vorpommerns mit der ein oder anderen Böe 7 Bft gerechnet
werden.

In der Nacht zum Montag verlagern sich Rücken und Hochzentrum geringfügig nach
Osten. Mit Hilfe des Tagesgangs löst sich die Bewölkung vielerorts auf, so dass
es verbreitet klar wird. Etwas Restbewölkung hält sich am Alpenrand und auch im
äußersten Norden und Nordosten können Wolkenfelder durchziehen. Regen fällt
keiner. Bei leichtem Druckanstieg lässt der NW-Wind auch an der vorpommerschen
Küste langsam nach. Die Luft kühlt sich auf 14 bis 7°C ab. Einzig direkt an der
See sowie lokal im Süden bleibt es etwas milder.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 06 UTC

Montag … ist die Geschichte in aller Kürze auserzählt: Rücken und Bodenhoch
kommen noch näher => kräftiges Absinken, Inversion teils auf 900 hPa. Dazu
weiter Abtrocknung der Luftmasse bei gleichzeitiger Erwärmung (T850 am Abend um
10°C in Vorpommern und rund 18°C an Hoch- und Oberrhein => Tmax 20 bis 24°C an
den Küsten (je nach Windrichtung) sowie im äußersten Norden und Nordosten, sonst
25 bis 30°C, ganz im Südwesten etwas darüber). Dazu Sonne satt, im Nordosten
einige Wolken, trocken.

Modellvergleich und -einschätzung

Die großräumige Entwicklung als solche wird modellübergreifend sehr ähnlich
simuliert. Auffallend sind die von ICON angebotenen strichweisen Regenmaxima im
Nordosten, die dort kommende Nacht Mengen von 40 bis 60, lokal nahe 90 l/m²
bringen sollen, Auch das EPS von I-D2 wartet mit sehr hohen Wahrscheinlichkeiten
auf (markant teils bei 100%). Andere Modelle zeigen diese Maxima zwar auch, bis
auf AROME aber mit geringeren Mengen. Die mitunter ungestüme Offensive von ICON
ist ebenso bekannt wie die limitierte Dispersität von I-D2-EPS, die damit häufig
nahe am Hauptlauf liegt. Von daher sind berechtigte Zweifel angebracht, dass es
wirklich so dicke kommt. Sorgfältiges Monitoring ist trotzdem angesagt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann