#SXEU31 #DWAV #SYNOPTISCHE ÜBERSICHT #KURZFRIST ausgegeben am Montag den 15.07.2024 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 151800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 15.07.2024 um 18 UTC
SCHLAGZEILE:
Kommende Nacht bis zum späten Dienstagvormittag Durchzug eines oder mehrerer MCS
mit Starkregen, Sturmböen und Hagel, anfangs (aufgrund von Böen > 100 km/h)
sowie später im Südosten (wegen Hagel > 2 cm) auch Unwetter möglich.
Am Dienstag im Tagesverlauf vor allem im Nordwesten/Norden, Osten und Südosten
erneut einzelne kräftige Gewitter, voraussichtlich aber keine Unwettergefahr
mehr.
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 06 UTC
Aktuell … befindet sich Deutschland noch im Einflussbereich eines flachen
Höhenrückens, der sich durch WLA vorderseitig eines markanten, auf England und
Westfrankreich übergreifenden Höhentroges aufgewölbt hat und zögernd
nordostwärts vorankommt. Somit dominierte tagsüber in weiten Landesteilen
leichtes Absinken und der Tag verlief – abgesehen von ein paar
„Schönheitsfehlern“ in Form etwas dichterer Quellbewölkung vor allem im Norden –
überwiegend sonnig bis gering bewölkt und trocken.
Im Bodenfeld macht sich allerdings der sich nähernde Trog schon seit Längerem
durch Druckfall bemerkbar und von Frankreich bzw. Belgien her hat sich
inzwischen eine vom mit dem Trog interagierenden Bodentief „GELI“ über
Südostengland über Benelux bis nach Ostfrankreich reichende flache
Tiefdruckrinne ausgeweitet, auch am Alpenrand hat das alpine Pumpen eine flache
Rinne generiert.
Mit Drehung der niedertroposphärischen Strömung auf Süd bis Südost konnte sich
inzwischen von Süden her eine potenziell instabile und sehr warme bis heiße
Luftmasse subtropischen Ursprungs bis in die mittleren Landesteile ausgeweitet
(T850 hPa zwischen 9 Grad im äußersten Norden und inzwischen 20 Grad im
Alpenvorland). Diese Luftmasse ist stark gedeckelt, entsprechend wurde
Konvektion bisher weitestgehend unterdrückt. Allerdings konnte sich vor allem
entlang lokaler Konvergenzen einiges an Feuchte anreichern, entsprechend sind
die PPWs aktuell in der Südwesthälfte verbreitet auf über 30 mm gestiegen,
entlang dieser Konvergenzen auch auf nahe 40 mm, punktuell ganz im
Westen/Südwesten sogar etwas darüber bei einer spezifisches Feuchte in den
unteren 500 m von inzwischen 10 bis 12 g/kg. Daraus resultieren etwa 500 bis
1000 J/kg ML-Cape, entlang dieser lokalen Konvergenzen auch mehr.
In Kürze bzw. auch aktuell dürfte es dann von Südwesten her mit der Ruhe
endgültig vorbei sein. Der Trog kommt im Laufe der Nacht über Frankreich
allmählich ostwärts voran, dessen Drehzentrum befindet sich morgens in 500 hPa
in etwa über Ostengland. Der vorgelagerte flache Rücken wird somit im Laufe der
Nacht rasch über das Vorhersagegebiet nordostwärts abgedrängt. Vorderseitig des
Troges wird aufgrund von PVA markante Hebung generiert, die nur langsam durch
KLA teilkompensiert wird. Entsprechend ist über Frankreich im Bereich der
Tiefdruckrinne und im Zusammenspiel mit der Orographie (Zentralmassiv) bereits
verbreitet Konvektion in Gang gekommen. Markant ins Auge fällt dabei eine mit
kräftigen und wohl auch schweren Gewittern durchsetzte Linie, die sich im
Bereich des Zentralmassivs entwickelt hat und in Kürze auch den Südwesten des
Vorhersagegebietes erfassen dürfte. Markante frontale Hebung sollte im
Zusammenspiel mit der synoptischen Hebung durch den Trog den „Deckel“ problemlos
sprengen und entsprechend springen auch die Konvektion erlaubenden Modelle
darauf an.
Wenn nicht schon geschehen (je nachdem, wann diese Übersicht gelesen wird),
greifen diese wohl noch als ein oder zwei linienförmige MCS (eventuell sogar
Bows) organisierten Gewitter in den Abendstunden auf den Südwesten und äußersten
Westen Deutschlands über (etwa Eifel bis Schwarzwald) und kommen im Laufe der
Nacht rasch ost- bzw. nordostwärts voran. Als Begleiterscheinung steht je nach
organisationsgrad erst einmal vor allem der Wind im Fokus. Die Zutaten zusammen
mit einem hohen Spread in der Grundschicht (inverted V-Profile in den
Prognosesoundings) lassen verbreitet markante Böen erwarten, lokal können aber
durchaus mehr als 100 km/h (Unwetter) auftreten. Etwas gegen verbreitet
auftretende unwetterartige Böen sprechen einerseits die Luftmasse, andererseits
aber auch die fehlende windsenkrechte Komponente im Vorfeld der MCS bzw. Bows.
Lediglich im Süden und Osten Bayerns sind die Bedingungen besser (Ost- bis
Nordostwind, dazu mehr MU-Cape), aber dort treffen die Gewitter erst am späten
Abend oder in der Nacht ein.
Aus diesen Gründen wurde bisher auf eine Vorabinformation verzichtet, auch, wenn
lokal sicherlich irgendwo die Unwetterschwellen überschritten werden.
Der aktuelle I-D2-Lauf von 12 UTC hat zudem ebenfalls bzgl. Böen und
Organisationsgrad der Gewitter gegenüber den Vorläufen etwas zurückgerudert.
Dennoch haben AROME (von dem Modell kennt man das ja), aber auch das Swiss HD
Nowcast durchaus auch etwas großflächiger Böen jenseits der 100 km/h auf der
Agenda.
Neben dem Wind kann auch der Starkregen aufgrund der hohen PPWs trotz recht
hoher Zuggeschwindigkeit lokal durchaus Unwetterkriterien erreichen (mehr als 25
l/qm in 30 min sind denkbar) und in Süd- bzw. Ostbayern selbst zu später Stunde
wegen der veritablen MU-Cape daneben noch der Hagel.
Ansonsten schwächen sich die Gewitter auf ihrem Weg nach Nordosten und Osten im
Laufe der Nacht aber allmählich ab – einerseits tageszeitbedingt, andererseits
verschlechtern sich auch die Hebungs- und Scherungsbedingungen, da die Systeme
sich eher vom Trog entfernen. Im äußersten Osten und Norden bleibt es bis in die
Frühstunden wohl noch trocken.
Die Kaltfront des zur südwestlichen Nordsee ziehenden Tiefs „GELI“ erreicht erst
im Laufe der zweiten Nachthälfte den Westen Deutschlands, zeichnet sich aber
nicht mehr durch eine nennenswerte Wetteraktivität aus. Somit kommt es nach
Abzug der Gewitter im Südwesten, Westen und in der Mitte zu einer relativ
raschen Wetterberuhigung und die Wolken lockern auf. Ganz im osten steht vor
Eintreffen der Gewitter gebietsweise eine tropische Nacht ins Haus, in den
westlichen Mittelgebirgen kühlt es dagegen auf örtlich unter 15 Grad ab.
Dienstag … tropft der nach Osten schwenkende Höhentrog aus, das resultierende
Cut-Off-Tief befindet sich abends in etwa über der mittleren Nordsee, dessen
Achse schwenkt im Tagesverlauf allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg
nordostwärts.
Das sich zögernd auffüllende Bodentief „GELI“ wird durch den Abtropfprozess
etwas in die Länge gezogen mit meridional ausgerichteter Achse und weist zum
Abend hin zwei Kerne über der südlichen bzw. mittleren Nordsee auf. Deren
Kaltfront kommt im Norden rasch, nach Süden zu zögernd ostwärts voran, gerät
über Süddeutschland ins Schleifen und löst sich mit zunehmendem Druckanstieg
innerhalb eines sich von Frankreich dorthin ausweitenden Bodenhochkeils bis zum
Abend mehr oder weniger auf.
Ihr folgt maritime Subpolarluft (T850 hPa um 18 UTC zwischen 7 Grad im
Nordwesten und knapp 14 Grad präfrontal zur sich auflösenden Kaltfront in
Südostbayern), innerhalb derer sich vor allem im Nordwesten, im Einflussbereich
des Cut-Off-Tiefs, im Tagesverlauf Schauer und auch einzelne Gewitter
entwickeln. Diesen Gewittern stehen lediglich wenige 100 J/kg ML-Cape zur
Verfügung bei PPWs knapp über 25 mm bei allerdings günstigen
Scherungsbedingungen. Somit dürften die Begleiterscheinungen meist markanten
Warnkriterien genügen mit stürmischen Böen, vereinzelt Sturmböen und
kleinkörnigem Hagel, Starkregen nicht ausgeschlossen, wobei eher weniger
wahrscheinlich aufgrund recht hoher Zuggeschwindigkeit.
Präfrontal greifen die Gewitter(systeme) aus der Nacht in der Früh und am
Vormittag auch auf den äußersten Osten und Norden über, dürften aber bis zum
Mittag nach Polen bzw. Dänemark abgezogen sein. Dabei ist noch gebietsweise
Starkregen, eventuell auch mehrstündig, möglich, stürmische Böen sind nicht
ausgeschlossen.
Zwischen Kaltfront und den abziehenden Gewittern deuten einige Modelle noch ein
kleines Sonnenfenster an, vor allem I-D2 simuliert in Vorpommern und
Brandenburg, aber auch in Südostbayern am Nachmittag nochmals mehr als 500 J/kg
ML-Cape bei PPWs über 25 bis 30 mm. Während im Süden und Osten Bayerns Gewitter
nur sehr isoliert auftreten dürften, sind diese im Nordosten wahrscheinlicher
mit einem etwas höheren Potenzial für Starkregen, kleinem Hagel und stürmischen
Böen als im Nordwesten, dazu gesellen sich noch günstige Scherungsbedingungen,
so dass auch vereinzelte (eher low-topped) Superzellen nicht ausgeschlossen
werden können, die dann sogar ein leicht erhöhtes höheres Unwetterpotenzial zur
Folge hätten.
Im Bereich des Hochkeils im Südwesten, in weiten Teilen Süddeutschlands und in
der Mitte des Landes verläuft der Tag dagegen bereits wettertechnisch ruhig.
Meist bleibt es trocken und vielerorts setzt sich die Sonne durch.
Anzusprechen bleibt noch der Wind: Bei mäßigem Gradienten und guter turbulenter
Durchmischung kann es vor allem in der Westhälfte, in den mittleren Landesteilen
und später an der Nordsee zumindest in freien Lagen auch außerhalb der Schauer
steife Böen geben, in einigen Gipfellagen eventuell stürmische Böen aus Südwest,
auf dem Brocken abends Sturmböen.
Während es im Süden und wohl nach Abzug der morgendlichen Schauer und Gewitter
auch im Osten mit 24 bis 28 Grad noch einmal sommerlich warm wird, reicht es im
Westen und Norden lediglich noch für Höchstwerte zwischen 21 und 25 Grad, im
Nordseeumfeld für kaum 20 Grad.
In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich das Cut-Off-Tief zum Skagerrak und
füllt sich allmählich auf. Das zugehörige Bodentief „GELI“ zieht nach
Südskandinavien, wobei an dessen Südflanke ein markanter Bodentrog über die
Deutsche Bucht nach Dänemark schwenkt. Gleichzeitig weitet sich der nach
Süddeutschland gerichtete Bodenhochkeil etwas nach Norden aus und verstärkt
sich.
Somit verschärft sich auch der Druckgradient über dem äußersten Norden des
Landes weiter und vor allem im Nordseeumfeld, später auch in Schleswig-Holstein
nimmt der Wind aus Südwest bis West zu. Im Küstenbereich und im angrenzenden
Binnenland gibt es steife, auf den Nordseeinseln, vor allem im Bereich der
Ostfriesischen Inseln und auf Helgoland auch stürmische Böen. Auf dem Brocken
muss noch mit einzelnen Sturmböen gerechnet werden, ansonsten spielt der Wind
warntechnisch keine Rolle mehr.
Ansonsten klingen die Schauer und auch einzelnen Gewitter meist ab, lediglich im
Nordwesten und Norden, vor allem im Küstenbereich, kommt die Schauertätigkeit
nicht komplett zum Erliegen, wenngleich Gewitter mit dem abziehenden Höhentief
unwahrscheinlicher werden.
Auch ganz im Südosten kann es im Bereich der sich auflösenden ehemaligen
Kaltfront noch einzelne Schauer oder etwas Regen geben. Ansonsten bleibt es aber
trocken und vor allem im Südwesten sowie in den mittleren Landesteilen oft auch
gering bewölkt. Die Nacht fällt im Einflussbereich der eingeflossenen
Subpolarluft mit Tiefstwerten zwischen 17 und 12 Grad – bei klarem Himmel in
einigen Senken und Tälern auch darunter – angenehm frisch aus.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 06 UTC
Mittwoch … und in der Nacht zum Donnerstag gelten weiterhin die Ausführungen
der Frühübersicht. Der Hochkeil verstärkt sich weiter zu einem ausgewachsenen
Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über West- und Süddeutschland. An dessen
Nordflanke gelangen von Westen her noch relativ feuchte maritime Luftmassen in
den Norden und in die Mitte des Landes, so dass sich dichtere Wolkenfelder mit
etwas Sonnenschein abwechseln, vereinzelt fällt auch etwas Regen oder es gibt
kurze Schauer, für Gewitter sollte es aber nicht reichen. Dazu weht vor allem an
den Küsten noch lebhafter westlicher Wind mit steifen, bei auflandigem Wind auch
stürmischen Böen, der nur langsam am Nachmittag und Abend nachlässt. Im
Südwesten und Süden (außer an den Alpen und im südlichen Vorland, dort können
sich eventuell noch einzelne Schauer und kurze Gewitter entwickeln) bis zur
Lausitz scheint dagegen bei nur flachen Quellwolken oft die Sonne und es bleibt
trocken.
Die Luftmasse erwärmt sich in 850 hPa auf Werte zwischen 8 Grad an den Küsten
und 13 Grad im Süden, was Höchstwerte zwischen 19 und 24 Grad im Norden und
zwischen 23 und 28 Grad im übrigen Land zur Folge haben dürfte.
Die Nacht zum Donnerstag bleibt allgemein trocken, im Norden noch bewölkt, sonst
gering bewölkt oder klar und es wird noch etwas frischer als die Nacht davor.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle fahren alle einen einheitlichen Kurs, abgesehen von den üblichen
Differenzen, die räumliche Verteilung und Intensität der konvektiven Aktivität
vor allem in der kommenden Nacht betreffend.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff